November 1947
England, London,
Buckingham-Palast
Elizabeth spähte zwischen den Vorhängen ihres Schlafzimmers nach draußen, überrascht von dem, was sie sah. Vom zweiten Stock des Buckingham-Palasts aus bot sich ihr ein perfekter Blick auf die Menschenmenge. Mit dicken Schals, Decken und Kissen gegen die Kälte gewappnet, sogar mit Campingkochern, auf denen sie sich warmen Tee zubereiten konnten, wollten Hunderttausende dem großen Ereignis beiwohnen und wenigstens einen Blick auf die königliche Familie, vor allem aber auf die strahlende Braut werfen, wenn sie später den Palast verließ.
Ein Windstoß ließ die Fensterscheibe erzittern. Elizabeth zog den Kragen ihres Schlafmantels fester um den Hals. Es war ein kalter Morgen nach einer regnerischen Nacht. Sie ließ den Blick über die vielen Köpfe wandern und stellte sich vor, sie selbst stünde draußen in der Kälte und fröre, die Hände klamm in die Taschen ihres Mantels geschoben. Sie langte nach dem Opernglas, das ihr Großvater ihr einst geschenkt hatte. In den Reihen entdeckte sie eine Frau, die ein Stück beschriftete Pappe hochhielt: Gott schütze Elizabeth und Philip, stand darauf.
Elizabeth lächelte gerührt. Egal, welche Temperaturen draußen herrschten, die Menschen freuten sich mit ihr. Sogar die Garde-Kavallerie in Paradeuniform käme heute zum Einsatz, und in Tresoren verwahrte Geschmeide würden nach langer Zeit wieder einmal angelegt. Ihre Hochzeit war eben nicht nur das Bekenntnis zweier Liebender, sondern auch ein prunkvolles Staatsereignis. Aus ganz Europa hatten sich königliche Gäste angemeldet. Elizabeth trat einen Schritt zurück.
Ihr Hochzeitskleid, für das Hofdesigner Norman Hartnell Inspiration in den Museen Londons gesucht und sie bei Botticelli gefunden hatte, würde sicher alle Blicke auf sich ziehen. Es symbolisierte Frühling, Hoffnung und Neubeginn. Das waren die Schlagworte, mit denen Hartnell nicht nur Elizabeth selbst, sondern auch ihre Mutter, aber vor allem Margaret beeindruckt hatte. Entstanden war eine Kreation aus elfenbeinfarbener Seide, bestickt mit zehntausend Perlen. Nach der praktischen und tristen Kleidung während des Kriegs war ein Gewand wie dieses wahrlich ein Neubeginn.
Dreihundertfünfzig Näherinnen hatten sieben Wochen lang an dem Kleid gearbeitet. Und aus Angst vor Spionen hatte Hartnell angeordnet, jeden Tag müsse eine Angestellte in der Werkstatt übernachten, damit kein Detail vorschnell an die Öffentlichkeit gelänge. Hartnell hatte wahrlich an alles gedacht und war nicht müde geworden, eine Verbesserung nach der nächsten anzudenken und sie auch umzusetzen. Elizabeth hatte nicht glauben können, dass man in ein Kleid so viel Aufmerksamkeit, Kreativität und Hartnäckigkeit stecken konnte, wie Hartnell und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es getan hatten.
»Kein königliches Kleid wird die Öffentlichkeit je mehr in den Bann ziehen als Ihres«, hatte er ihr mit glasigem Blick versprochen. Den Stolz über diesen Auftrag hatte er nicht verleugnen können.
Viele Frauen hatten ihre Ausgabemarken für Kleidung und Stoffe in den Palast gesandt, um sie Elizabeth zu schenken, denn Versorgungsgüter waren, ebenso wie Lebensmittel, während des Kriegs rationiert worden. Selbstverständlich hatten sie alle Marken zurückgeschickt. Und besonders rührend: Viele der Zutaten für die Hochzeitstorte, die McVitie's im Norden Londons anfertigte, verdankten sie den Girl Guides in Australien. Diese hatten doch tatsächlich ihr Taschengeld zusammengelegt, um Mehl, Zucker und kandierte Früchte zu kaufen. Des Weiteren hatten Philip und sie eine Waschmaschine geschenkt bekommen und hundertachtundvierzig Paar Socken. Nicht zu vergessen das Rennpferd, das der Aga Khan, Oberhaupt der ismailitischen Nizariten, Elizabeth als Hochzeitspräsent hatte überbringen lassen.
Philip war von dem ganzen Tamtam zwischenzeitlich überfordert gewesen.
»Ich werde den Eindruck nicht los, dass unser Jawort zu einem bis ins Letzte inszenierten Märchen hochstilisiert wird«, hatte er kopfschüttelnd gemeint.
Elizabeth hatte ihm angesehen, dass er die Hochzeit lieber einfacher gehalten hätte, und besänftigend den Arm um ihn gelegt. Philip machte nicht gern viel Aufhebens um seine Person. Doch diesmal ließ sich das nicht vermeiden.
»Du weißt doch, welch ein Quell der Freude die Hochzeit für das Volk ist, geschweige denn für diejenigen, die daran teilnehmen«, hatte sie ihn mit sanfter Stimme erinnert.
Er hatte die Stirn in Falten gelegt und schließlich sein verschmitztes Grinsen sehen lassen. »Keine Sorge, Lilibet, für unseren Hochzeitstag lege ich jede Zurückhaltung ab. Es ist nicht nur ein ausgesprochen wichtiger Tag für uns, sondern auch für die Krone. Dessen bin ich mir durchaus bewusst.«
Elizabeth ging die Prozedur noch einmal im Kopf durch. Gegen 11 Uhr würden die Glockenschläge von Big Ben den Beginn der Hochzeit des Jahrhunderts ankündigen.
Trotz des Kleids und des ganzen Pomps trugen sie den Umständen und Zeiten Rechnung und gestatteten Tagesanzüge in der Kirche, was vor allem Philip erleichtert zur Kenntnis genommen hatte.
Elizabeth war sich nicht sicher, ob so viel Prunk in dieser Zeit nicht falsch war, auch wenn draußen Unmengen an Menschen auf das Brautpaar und den König und die Königin warteten. Ob die Menschen sie nicht doch wegen dieser auffälligen Hochzeit verurteilten?
Winston Churchill war zwar gleich nach dem Krieg als Premierminister abgelöst worden, hatte sich aber trotzdem zu Wort gemeldet und daran erinnert, dass die Menschen sich nach der harten, grauen Nachkriegszeit nach einem Hauch von Farbe auf unserem schwierigen Weg sehnten.
Mit seiner Weigerung, in Verhandlungen mit Hitler einzutreten, und seinen Reden hatte er in den kritischen Monaten des Frühjahrs und des Sommers 1940 den Widerstandswillen und die Bereitschaft der Briten, den Krieg gegen das nationalsozialistische Deutschland fortzuführen, gestärkt. Dementsprechend viel zählte sein Wort auch jetzt noch.
Elizabeth hatte mit ihren Eltern und Philip darüber gesprochen, ob eine kleine, private Feier in Windsor der Lage nicht angemessener wäre. Philip und sie hatten dafür gestimmt. Elizabeth mochte keine großen Veranstaltungen. Zurückhaltung entsprach weit mehr ihrem Charakter.
»Großbritannien macht ein hartes Jahr durch. Drei Pfund Kartoffeln pro Kopf und Woche. Das dürfen wir nicht vergessen«, hatte sie argumentiert.
»Fast alles ist rationiert«, hatte Philip sie unterstützt. »Vermutlich denken gar nicht so wenige, wir haben den Krieg zwar gewonnen, doch es geht uns weiterhin schlecht. Und da kommen wir und wollen eine Hochzeit wie aus dem Bilderbuch feiern?«
Margaret war anderer Meinung gewesen. Sie hatte einen spitzen Schrei ausgestoßen und sie angesehen, als wären sie Verräter.
»Du heiratest nur einmal, Lilibet, und wirst dich dein Leben lang daran erinnern. Euer Jawort gehört zelebriert, der Tag kann gar nicht außergewöhnlich genug gestaltet werden.«
Aus Philips Verwandtenkreis hatte man lediglich seine Mutter und einen Onkel eingeladen. Sein Vater war bereits verstorben, und seine Schwestern hatten in den deutschen Hochadel eingeheiratet, was sie so kurz nach dem Krieg als Gäste der Hochzeit disqualifizierte.
Als Philips schwangere Schwester Cecile zehn Jahre zuvor mit ihrem Mann, ihren beiden Söhnen und ihrer Schwiegermutter bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war, war der sechzehnjährige Philip nach Darmstadt zu ihrem Begräbnis geflogen. Während der Prozession hatte er sich plötzlich inmitten von Nazis wiedergefunden. Die Erkenntnis, dass seine Schwestern in diesen Kreisen verkehrten, hatte er wie einen Schlag ins Gesicht empfunden.
Churchill war jedenfalls bei seiner Einschätzung geblieben und hatte dafür von Margaret Beifall geerntet.
»Gerade weil die Nation erschöpft ist, sehnt sie sich nach einem Fest. Nach etwas Ablenkung von all der Trübsal und der Mühe. Es ist, als würde man nach Jahren des Darbens endlich von jemandem ins Theater eingeladen. Man darf einen Abend lang träumen und sich auf diese Weise erholen. Das dürfen wir den Menschen nicht vorenthalten. Sie würden es uns übelnehmen.«
»Churchill und ich sehen die Dinge durch dieselbe Brille«, hatte Margaret geschwärmt.
Wie zu erwarten, war sie nicht mehr davon abgerückt.
Auch die Labour-Regierung hatte letztlich für ein großes Fest gestimmt, vorausgesetzt, es koste nicht viel. Deshalb hatten sie sich dafür entschieden, die Hochzeit zu einem Ereignis für alle Menschen da draußen zu machen.
Elizabeth wollte gerade ihren Platz am Fenster verlassen, als die Tür aufsprang und Margaret ins Zimmer stürmte.
Eine Locke fiel ihr in die Stirn, als sie auf Elizabeth zueilte. »Stell dir vor, Lilibet, die Frauen waschen sich aus Thermoskannen«, platzte es aus ihr heraus, »und die Männer rollen Matratzen auf, auf denen sie die Nacht verbracht haben. Seit dem Vorabend harren die Leute schon in der Kälte aus.«
»Ich weiß. Ich habe es gerade gesehen. Hoffentlich tun sie das nicht nur meinet-, sondern auch Philips wegen. Schließlich gäbe es ohne den Bräutigam keine Hochzeit.« Elizabeth gab ihrer Schwester einen Kuss auf die erhitzte Wange und drückte sie kurz an sich.
»Verständlicherweise wünschst du dir, dass das Volk Philip eine Chance gibt. Aber bei einer Hochzeit zählt vor allem die Braut.« Margaret hatte eine klare Vorstellung davon, wie eine Hochzeit auszusehen hatte. »Bei meiner Hochzeit werde ich ebenfalls der strahlende Mittelpunkt sein. Verlass dich drauf«, prophezeite sie schwärmerisch.
»Dass du eine Braut sein wirst, die niemand vergisst, steht außer Zweifel, Bud.« Elizabeth schmunzelte angesichts von Margarets Begeisterung. »Aber die Menschen hören gern eine gute Geschichte. Und Philips Leben bietet ihnen eine.«
»Du denkst wie immer praktisch und überlegst selbst an deinem Hochzeitstag, wie man Philip ins rechte Licht rücken kann. Das ist typisch für dich.«
Margaret stellte sich in Position, als befände sie sich auf einer Bühne und unten wartete das Publikum auf ihr Spiel. »Kennt ihr schon die Geschichte des Jungen mit der verarmten Familie? Des Jungen, dessen Mutter ihr Leben in einer Nervenheilanstalt fristen musste und dessen Vater sich nicht um ihn scherte? Dieser Junge heißt Philip, er ist bei seinen Verwandten herumgereicht worden wie eine vergessene Schachtel. Selbst als erwachsener Mann lief er noch mit gestopften Socken herum und fuhr im Zug dritter Klasse. Doch heute heiratet der Prinz seine Prinzessin. Deswegen wird sich für ihn alles zum Besseren ändern …«
Elizabeth zog die Augenbrauen zusammen. »Was ist mit Philips ganzem Stolz?« Sie tat, als lenke sie einen Wagen. »Den hast du nicht erwähnt.«
Margaret reagierte sofort. Mit getragener Stimme sprach sie weiter: »Navy Lieutenant Philip Mountbatten, deutsch-dänisch-griechischer Prinz, der nicht weniger königliche Vorfahren als meine Schwester hat, jedoch über so gut wie kein Geld verfügt, ist vor allem«, sie betonte die letzten beiden Wörter, »Hüter seines MG-Sportwagens. Dieser schnittige Wagen ist, man mag es nicht glauben, sein Ein und Alles. Er fährt damit gern am Seiteneingang des Palasts vor, um zum Dinner bei Elizabeth vorstellig zu werden.« Margaret lachte und nahm Elizabeth' Knuff entgegen.
»Sei nicht so … so …«, Elizabeth brach ab.
»… ehrlich?« Margaret lachte ausgelassen.
»Süffisant.« Elizabeth wusste, dass Margaret es nicht böse meinte. Sie liebte nun mal alles, was mit Darstellung zu tun hatte.
Für ein paar Sekunden gab Elizabeth sich in Gedanken den Abenden mit Philip hin, der Harmonie, die zwischen ihnen herrschte, und den zärtlichen Küssen, die sie ausgetauscht hatten. Küssen, von denen sie nie genug bekommen konnte. Wenn Philip einen seiner Besuche ankündigte, lag stets eine elektrisierende Erwartung über dem Palast. Es war, als hätte jemand überall die Lichter angeschaltet und als glühe der Palast im hellen Schein der Freude, mit der Elizabeth ihren Liebsten erwartete.
Es war die große Liebe – für sie ebenso wie für ihn. Sie wussten beide, welch riesiges Glück ihre Gefühle füreinander waren. Und egal, was man ihr gesagt oder wovor man sie gewarnt hatte, Elizabeth hatte ihre Liebe zu Philip mit Zähnen und Klauen verteidigt, als man ihr anfangs geraten hatte, noch zu warten. Ihre Eltern hatten jedenfalls schnell begriffen, dass sie nur ihn heiraten würde und dass darüber nicht zu verhandeln war.
Margaret holte Elizabeth aus dem Moment süßer Erinnerung zurück.
»Und jetzt gibt dieser prachtvolle Kerl für dich sogar das Rauchen auf, und eine strahlende Zukunft mit seiner schönen Braut liegt vor ihm. Das ist eine wundervolle Geschichte, die die Menschen in aller Welt mitverfolgen werden.« Margaret seufzte theatralisch. »Fehle nur noch ich selbst. Prinzessin Margaret Rose, die ihre große Liebe vor dem Traualtar besiegelt. Darauf muss das Volk allerdings noch warten.«
Margaret griff nach der Skizze von Longmans Florist, die auf dem Konsolentisch im Schlafzimmer lag. Elizabeth hatte ihr Hochzeitsbouquet nach dieser Originalzeichnung ausgesucht.
»Weißt du übrigens schon, dass ihr in der Kirche auf Orangenkisten knien werdet? Man will nicht unnötig Holz verschwenden. Die Kisten sind allerdings seidenbespannt, du bekommst also keine Schrammen am Knie.«
Elizabeth lachte leise. »Na, wenigstens musste unseretwegen kein Baum dran glauben. Das wird Philip freuen.«
Elizabeth konnte ihre Neugierde kaum bezähmen. Trotz aller Vorbereitung warf der Tag Fragen auf, dabei mochte sie nichts weniger als Unvorhergesehenes. Das machte sie nervös.
»Hast du zufällig etwas aus der Küche aufgeschnappt?«, erkundigte sie sich. »Läuft dort alles nach Plan?« Margaret war immer bestens informiert.
»Mach dir keine Sorgen. Ich habe nichts gehört.« Margaret hob die Hände. »Was nur heißen kann, dass dir kein Schreckensszenario bevorsteht.«
Französisch war die Sprache der Gourmets, sogar beim Wedding-Breakfast, dem Mittagessen im Buckingham-Palast. Es waren nur hundertfünfzig Gäste geladen und serviert würden lediglich drei Gänge, wie man sie in jedem anständigen Londoner Restaurant bekäme.
Elizabeth griff nach der Karte, die sie tags zuvor mit ins Schlafzimmer genommen hatte. Das Essen würde im Ball Supper Room stattfinden: Seezunge mit Lauch und Pernod, Rebhuhn aus dem Schmortopf mit Nusskartoffeln und königlichem Salat und als Dessert Eisbombe Elizabeth mit Erdbeeren und Meringue. Unwiderstehlich, jedenfalls nach Elizabeth' Geschmack.
Ihr Vater hatte Philip einen Degen geschenkt, mit dem sie die drei Meter hohe Hochzeitstorte anschneiden würden. Hinzu kamen ein ganzer Schwung neuer Adelstitel für den Bräutigam. Die Tische würden mit weißen Nelken geschmückt sein, ihren Lieblingsblumen, und mit weißen Heidesträußen aus Balmoral, dem Ort, an dem sie sich frei wie ein Vogel fühlte und wo sie einen Teil ihrer Flitterwochen verbringen würden. Nach der Trauung würden Philip und sie sich auf dem Balkon des Buckingham-Palasts zeigen und den Menschen zuwinken.
Elizabeth dachte an die Hochzeitspräsente: die fünfhundert Kisten Dosenananas, die Singer-Nähmaschine, die silbernen Salzstreuer, die handgestrickten Bettsocken und das Tuch aus selbstgesponnenem Garn von Mahatma Gandhi, das ihre Großmutter, Königin Mary, versehentlich für einen Lendenschurz gehalten hatte.
»Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt, Lilibet«, Margaret küsste sie auf beide Wangen. »Philip ist der Richtige. Ich bin so froh, dass ihr einander gefunden habt. Wie du weißt, beneide ich dich vom ersten Tag an um ihn.«
Elizabeth strich ihrer Schwester liebevoll übers Haar. »Warte nur, bis du deinen Schatz findest. Dann sind wir gleichauf.«
»Das wird hoffentlich bald passieren. Ich beneide dich keine Sekunde länger als unbedingt nötig«, scherzte Margaret. »Du weißt ja, Geduld ist etwas für Menschen ohne Vorstellungskraft, und das bin ich nun wirklich nicht.«
Elizabeth' Vater war von tiefer Rührung ergriffen, als er seine Älteste zum Altar führte und sie dem Erzbischof übergab. Die Menschen nahmen Elizabeth als anspruchslos und natürlich wahr und gönnten ihr das Glück als Lohn für ihr Pflichtbewusstsein, auch als Hoffnung für alle auf bessere Zeiten.
Was das Programm des Hochzeitszeremoniells anbelangte, unterschlug man darin, dass Philip vom König der Titel His Royal Highness verliehen worden und er damit zum Duke of Edinburgh ernannt worden war. Offiziell wurde er schlicht als Lieutenant Philip Mountbatten RN geführt, was niemanden störte, Philip und Elizabeth am allerwenigsten. Sie wurden von ihrer Liebe durch den Tag getragen.
Bertie nahm seinen Platz ein und sah zu Winston Churchill hinüber. Vorhin war er den Mittelgang entlanggeschritten und hatte stehende Ovationen entgegengenommen. Doch an diesem Tag ging es nicht um ihn.
Die Königin suchte die Hand ihres Mannes und drückte sie liebevoll, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die Zeremonie und lauschte den schlichten Worten des Erzbischofs.
»Diese Zeremonie ist im Grunde dieselbe, wie sie jedes Bauernmädchen erlebt, das vielleicht heute Nachmittag in einer Dorfkirche irgendwo in den Bergen getraut wird.«
Elizabeth hörte nur mit halbem Ohr zu. Philip nahm ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Es fühlte sich an, als stünden sie viel näher beisammen, als sie es tatsächlich taten. Sie beide verband nicht nur Verliebtheit und dieses wunderbare Gefühl der Freundschaft, sondern auch eine starke körperliche Anziehung. Vor allem dieses Gefühl schien Elizabeth hochzuheben, als schwebe sie.
Die Stunden flogen dahin. Die jubelnde Menge, als sie nach der Vermählung vom Balkon des Palastes winkten, schien gar nicht genug von ihnen bekommen zu können.
Als der Tag sich dem Ende neigte und die Dämmerung anbrach, verließen die Frischvermählten den Buckingham-Palast.
Der König drückte seine Tochter an sich, wandte sich seinem Schwiegersohn zu und klopfte ihm auf die Schulter.
»Genießt die Flitterwochen. Und pass bitte gut auf Lilibet auf.«
»Ich verspreche, sie keinen Moment aus den Augen zu lassen«, gab Philip sein Wort.
Elizabeth' Mutter küsste ihre Tochter und kämpfte gegen Tränen an.
Auch Elizabeth war ergriffen von den Stunden, die hinter ihr lagen, ebenso von den Empfindungen ihrer Eltern.
»Danke, Mummy. Danke, Papa. Es war ein unvergesslich schöner Tag.«
Es fiel ihr schwer, sich von den Eltern zu trennen, und so drehte sie sich hastig nach Margaret um, die sie in ihrem eleganten Kleid erwartungsvoll ansah.
»Erzähl mir jedes Detail eurer Flitterwochen«, flüsterte sie und ließ ihr perlendes Lachen hören. »Ich bin an allem interessiert, was ihr zur weiteren Verwendung freigebt.«
»Erwarte nicht zu viel«, dämpfte Elizabeth ihre Hoffnung. »Diskretion ist das Rezept jeder guten Ehe.«
»Da bin ich anderer Ansicht. Abwechslung ist weit besser«, konterte Margaret.
Schließlich gab der König seiner Tochter einen Schubs und signalisierte ihr in die bereitstehende Kutsche zu steigen. »So, und nun fort mit euch.« Er nahm seine Frau und seine jüngere Tochter an die Hand, und gemeinsam sahen sie der davonfahrenden Kutsche nach.
»Himmel, was für ein Tag«, schwärmte Elizabeth, als sie bemerkte, dass sie mit Papierrosen überschüttet und von den Gästen bis zum Zaun des Vorplatzes begleitet wurden.
Sie langte nach der Wärmflasche, die unter den Reisedecken versteckt lag, damit sie in der offenen Kutsche nicht fror.
Für einen Moment lehnte sie den Kopf an Philips Schulter und genoss die Wärme und Freude, die ihr entgegenschlug.
Endlich lag der offizielle Teil der Hochzeit hinter ihnen und die Zeit zu zweit begann. Sie nahm Philips Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen.
»Worüber amüsierst du dich?«, fragte Philip, als sie ein entspanntes Lachen hören ließ.
»Über die Vielzahl an Missgeschicken, die heute passiert sind und die ich zunächst so furchtbar ernst genommen habe, und nun scheinen sie mir alle ganz unbedeutend. Zum Beispiel die Sache mit dem Diadem.«
Sie hatte das kostbare Diadem eigenhändig auf den Schleier setzen wollen. Doch aus unerfindlichen Gründen war ihr das kostbare Stück aus der Hand geglitten, zu Boden gefallen und in der Mitte zerbrochen. Der Schreck, den dieses Unglück in ihr ausgelöst hatte, hätte nicht größer sein können.
»Mummy hat das Diadem von Königin Mary geschenkt bekommen und es mir als Glücksbringer für die Hochzeit geliehen.«
Von einem Glücksdiadem konnte allerdings keine Rede sein, denn es war nicht mehr zu verwenden. Glücklicherweise hatte Bobo die Idee gehabt, es zum Hofjuwelier bringen zu lassen, um nachzufragen, ob es in aller Eile zu reparieren sei.
»›Zumindest notdürftig wird doch wohl etwas zu machen sein, damit du es heute tragen kannst‹, hat sie behauptet.«
Philip lachte amüsiert. »Das war sehr optimistisch von Bobo gedacht.«
Elizabeth nickte. »Allerdings. Und du glaubst nicht, in welchem Tempo sie die Sache vorangetrieben hat. Als ginge es um ihr eigenes Leben.«
»Was ist sonst noch passiert?«, wollte Philip wissen.
»Als Nächstes war die Perlenkette, die Papa mir zur Hochzeit geschenkt hat, verschwunden … bis wir realisiert haben, dass sie sich noch in der Ausstellung im St.-James's-Palast befindet.«
»Von wo sie dann schleunigst jemand geholt hat.«
»Ja«, lachte Elizabeth. »Es war fast unmöglich, wenn man bedenkt, wie wenig Zeit wir hatten. Aber es ist uns gelungen.«
»Und dann die Aufregung um den Brautstrauß«, fuhr Philip fort.
Elizabeth hatte wenig damenhaft geschnauft, als sie nach der Trauung zum offiziellen Fototermin erschien und Philip erzählte, dass ihr Brautstrauß erst nach hektischer Suche in der Kühlung gefunden worden war.
»Wie kann ein Brautstrauß Probleme machen? Er hat schließlich keine Beine, um davonzulaufen«, hatte Philip gescherzt.
»Möchte man meinen. Ein Diener hatte ihn in den Kühlschrank in der Portiersloge gelegt, damit die Blumen nicht welken.«
Daraufhin hatte Philip an Elizabeth hinabgesehen und auf ihre leeren Hände gedeutet. »Und wo ist das gute Stück jetzt? Wieder in der Kühlung?«
»Nein … aber wieder wie vom Erdboden verschluckt. Diesmal finden wir ihn bestimmt nicht. Was meinst du, ist das ein gutes oder ein schlechtes Omen?«
Philip hatte nicht lange überlegt. »Missgeschicke dieser Art deuten auf lebenslanges Glück hin. Sicher, sie sind nervenaufreibend, erst recht bei der eigenen Hochzeit und für jemanden wie dich, Lilibet. Schließlich schätzt du nichts mehr als Ordnung«, hatte er mit ihr gefühlt. »Aber ich glaube fest daran, dass ein zweimal verschwundener Brautstrauß dauerhaftes Glück verheißt. Davon abgesehen, verspreche ich dir, dass ab jetzt nichts mehr schiefgehen wird.«
Philip suchte Elizabeth' Blick. »Weißt du was, Lilibet? Wir holen die Fotos mit Strauß nach. Was hältst du davon?«
»Gute Idee«, besann sich Elizabeth. »Mr Longman bindet mir sicher gern einen zweiten Strauß. Ich ziehe mein Hochzeitskleid nochmal an und dann posieren wir mit dem Ersatzstrauß.«
»Siehst du, schon haben wir das Problem gelöst«, beruhigte sie Philip.
Draußen riss der Jubel nicht ab. Die Menschen in den Straßen winkten ihnen zu, und Elizabeth und Philip winkten zurück.
Am Bahnhof stand der Zug bereit, der sie nach Broadlands, dem Landsitz von Dickie Mountbatten, bringen würde. Elizabeth freute sich auf Schottland. Auf die unberührte Natur, den freien Himmel, sogar auf den Regen und die Kälte, die dort zu erwarten wären, denn das alles würde sie gemeinsam mit Philip erleben.
»Die nächsten Wochen gibt es nur dich und mich«, flüsterte sie, als sie den Royal Train bestiegen.
»Nur du und ich? Ich würde sagen, das stimmt nicht ganz.« Philip sah auf Elizabeth' Lieblings-Corgi. Susan schaute schwanzwedelnd zu ihnen hinauf und schien genau zu wissen, welch großes Privileg es war, dass sie mitkam.
Elizabeth nahm in dem bequemen Sitz Platz, ohne den zartblauen Samtmantel und den Hut abzulegen. Susan ließ sich gemächlich zu ihren Füßen nieder.
»Susan wird uns nicht stören, Liebling. Das verspreche ich dir«, sagte sie besänftigend und kraulte den Corgi dabei ausgiebig. »Großmama fand die Hochzeit übrigens wunderbar.«
»Das hat sie sicher gesagt, weil es keinen Nebel gab, oder?« Philip streckte die langen Beine aus.
Elizabeth wollte gerade etwas erwidern, doch sie kam nicht dazu, denn ihr Mann nahm ihre Hände, legte die Lippen auf ihre Finger und küsste einen nach dem anderen. »Deine Großmutter hat recht«, raunte er zwischen den Küssen, »weniger wegen des Nebels, sondern wegen des Glücks, das ich habe. Du bist die Eine für mich, Lilibet. Die Frau, die ich immer lieben und unterstützen werde. In guten wie in schlechten Zeiten.«
Elizabeth fing den zärtlichen Blick auf, der bekräftigte, dass Philips Worte von Herzen kamen. Sie spürte, wie wichtig es ihrem Mann war, sein Eheversprechen zu wiederholen. Nur für sie, ohne Zeugen.
»Auch ich bin für dich da, was immer auch geschieht«, versprach sie gerührt. Dann beugte sie sich vor und küsste Philip.
Als er den Arm um sie legte, erklang empörtes Bellen. Philip löste sich von Elizabeth. »Kein Grund, eifersüchtig zu sein, Susan.« Er sah auf den Hund hinab, der sie mit unschuldigem Blick ansah. »Du fährst mit in die Flitterwochen«, fuhr er fort. »Das sagt wohl alles über deinen Status in unserem Leben.« Augenblicklich stellte Susan das Bellen ein. Philip wandte sich an Elizabeth. »Zumindest scheint sie mich zu verstehen. Das macht es leichter.«
»Siehst du, sie hat dich bereits als Autorität akzeptiert. Unsere Flitterwochen können beginnen …«, versprach Elizabeth.
Bald hörten sie Susan leise schnarchen. Sie war eingeschlafen und wachte erst auf, als sie ankamen.