Juni/Juli 1969

England, London,
Buckingham-Palast,
Wales, Caernarfon

Der Titel flimmerte in gelber Schrift über den Bildschirm. Royal Family. Elizabeth war nervös, die Hände zwischen die Knie gesteckt, rutschte sie zur Kante des Sessels. Sie hatte immer noch Zweifel, ob der Film über ihre Familie wirklich eine gute Idee gewesen war.

»Kannst du mal mit der Turnerei aufhören?« Prinzessin Anne blickte genervt auf Edward.

»Nein … ich will nicht … ich will weitermachen«, rief der Fünfjährige.

Anne streckte die Arme aus, um ihren Bruder zu sich zu locken und ihn zu beruhigen, doch ehe sie sich's versah, glitt er vom Sofa und begann, auf Knien über den Teppich zu rutschen und dabei die Geräusche einer Lokomotive nachzuahmen.

Charles ließ sich von den Querelen nicht ablenken. Ein Bein über das andere geschlagen, starrte er auf den Bildschirm, aus dem nun die Stimme seiner Mutter zu hören war.

»Ich hätte ruhig freundlicher dreinschauen können.« Elizabeth sah in die Runde. »Warum hat mich niemand darauf aufmerksam gemacht, als wir die Szene gedreht haben?«

»Also ich habe dich gewarnt. Zwar nicht davor, ein unfreundliches Gesicht aufzusetzen, aber davor, die Dokumentation überhaupt zu drehen«, erinnerte Anne sie. »Seit unserer Geburt schaut man auf uns. Mehr muss wirklich nicht sein.«

Elizabeth sah zu ihrer achtzehnjährigen Tochter hinüber, deren dunkelblondes Haar ihr über die Schultern fiel.

»Ich weiß, du hast mich gewarnt. Ich habe es nicht vergessen.«

Anne vertrat die Meinung, niemand sollte ihr zu nahe kommen, um sie zu sezieren. Sie ließ sich generell nicht gern filmen, und schon gar nicht für eine Dokumentation, die die gesamte Nation zu sehen bekäme. Doch am Ende hatte sie sich dem Optimismus ihres Vaters gebeugt, der die Meinung vertrat, man solle das Experiment wagen.

Die Monarchie lebte vom rechten Maß zwischen Nähe und Distanz, das wusste Elizabeth. Doch dieses Maß hatten sie mit dem Film ohne Zweifel durcheinandergebracht.

»Kriege ich ein Eis? Wie in dem Laden, in dem wir welches gekauft haben, als wir drehen mussten?«, fragte Edward.

»Später, Edward. Jetzt schauen wir uns erst mal den Film an.« Elizabeth kam die eigene Stimme fremd vor. Kritisch beäugte sie jede Szene im Fernsehen.

Ihr Jüngster hatte sich beim Drehen ganz natürlich verhalten. Er war auf das Dach ihres Autos geklettert, das neben dem Grill stand, wo Philip gerade die Würstchen wendete, und hatte ihr mit einem breiten Grinsen zugerufen: »Mummy, ich bin auf dem Dach.« Dann hatte er sich auf den Bauch gelegt und freudig mit den Beinen gewippt.

Die Zuschauerinnen würden Edward sofort ins Herz schließen. Mit dem hellblonden Haar sah er wie ein Engel aus, und von seiner Stimme war jeder angetan.

Mit Charles' bevorstehendem einundzwanzigsten Geburtstag und der damit verbundenen Investitur zum Prince of Wales waren unzählige Anfragen seitens der Medien eingetroffen.

»Wie wäre es mit einer Dokumentation über das Familienleben?«, hatte ihr Pressesprecher Heseltine vorgetragen. »Es ist ein riskanter Plan, dessen bin ich mir bewusst, aber wenn wir Glück haben, punkten wir damit.«

»Ein Film über unser tägliches Leben?«, hatte Elizabeth ungläubig nachgefragt.

»Ja, warum nicht? Auf diese Weise würden wir den Menschen einen noch nie dagewesenen Einblick in den Alltag der königlichen Familie gewähren«, hatte Heseltine sie zu überzeugen versucht. »Außerdem wäre es eine gute Gelegenheit, der Öffentlichkeit die Aufgaben vorzustellen, die den Prinzen in Zukunft erwarten. Auch Prinzessin Anne könnten wir den Menschen näherbringen. Es wäre eine Überlegung wert.«

»Das ist gar keine schlechte Idee«, hatte Philip nach kurzem Überlegen eingeworfen. »Mit einer Dokumentation unterbinden wir das Gerede, die Monarchie sei langweilig und habe nichts mehr mit dem Volk zu tun, und zeigen uns endlich mal als die, die wir wirklich sind.«

Elizabeth hatte zunächst abgewunken. »Ich tauge nicht zum Filmstar, Philip. Die Idee ist absurd.«

»Wieso? Wir drehen doch auch privat. Wo ist der Unterschied, außer dass nicht ich hinter der Kamera stehe, sondern ein Profi?«

»Martin Luther King und Robert Kennedy sind ermordet worden. De Gaulle ist aus seinem Land geflohen. Und du willst den Menschen zeigen, wie es bei uns hinter verschlossenen Türen zugeht? Überall ist die Welt im Um- und Aufbruch, strebt nach Erneuerung – darüber sollten wir uns Gedanken machen«, hatte Elizabeth eingewandt.

»Wer sagt, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hat? Auch das Königshaus muss mit der Zeit gehen. Wir müssen etwas ändern und es entstauben.«

Heseltines Vorschlag waren lange Gespräche gefolgt. Und nachdem Lord Brabourne, Dickie Mountbattens Schwiegersohn, der als Produzent mit dem Metier bestens vertraut war, auf sie eingewirkt und die Idee befürwortet hatte, hatte Elizabeth eingelenkt.

»Also gut, wir machen es«, hatte sie nachgegeben, »allerdings bestehe ich darauf, dass die Dokumentation nur eine begrenzte Zeit zu sehen ist. Und alle Rechte an der Produktion bleiben mir.«

Philip hatte sie beruhigt: »Der Zugriff und die Nutzung des Materials werden von deinem Privatsekretär kontrolliert. Diesbezüglich gehst du kein Risiko ein.«

Und so war unter Philips Leitung ein Komitee zusammengestellt worden, das über die Drehorte entschied.

Am ersten Drehtag trug Elizabeth einen karierten Rock, eine Seidenbluse und eine taillierte Jacke. Ihr Haar lag perfekt und schimmerte im Licht. Sie tat, was man ihr sagte.

Doch am Abend des Drehtags war sie überzeugt davon, dass die Zustimmung zum Dreh ein Fehler war. Das hatte sie Philip gegenüber unmissverständlich geäußert.

»Lilibet, Royal Family wird ein bedeutender Moment in der Fernsehgeschichte. Der bedeutendste seit deiner Krönung. Danach wissen die Menschen, wie gewissenhaft Charles, ihr zukünftiger König, seinen Aufgaben nachgeht. Und nicht nur das. Sie werden auch daran erinnert, wie wichtig die Monarchie für Großbritannien ist«, hatte Philip versucht, sie zu beruhigen.

Elizabeth sollte an ihrem Schreibtisch zu sehen sein, wie sie in einen Zug einstieg und an Bord eines Flugzeugs ging und wie die Familie im Urlaub auf Balmoral picknickte. Dafür hatten sie am Ufer des Loch Muick gedreht. Philip im Pullover vor dem Grill kostete vom Salatdressing, während Charles eine Sauce umrührte und Anne hin und her lief.

»Ich will ein Eis, Mummy. Wie im Film«, quengelte Edward erneut.

»Wir essen später Eis. Jetzt schauen wir uns die Dokumentation an. Magst du nicht mitschauen?«, wandte Elizabeth sich an ihren Jüngsten.

»Ich kenne doch schon alles. Gleich dreht Papa das Fleisch um«, rief Edward. Er lief zu Charles und hangelte sich neben ihn in den Sessel.

Elizabeth sah auf die Uhr. »Wo bleibt Margaret? Sie wollte doch mitschauen.«

In diesem Augenblick meldete der Diener die Ankunft Prinzessin Margarets. Elizabeth sprang auf, um ihre Schwester zu begrüßen. »Margaret. Endlich«, sie küsste sie auf die Wange.

»Entschuldige.« Margaret ließ die Handschuhe in die Handtasche gleiten. »Es war ein Höllenverkehr in der Stadt, und ich hatte noch ein Telefonat.«

Elizabeth ahnte, dass das Telefonat vermutlich nur vorgeschoben war. Sicher ging es wieder um Tony.

»Kommt dein Mann noch?«, fragte sie. »Und was machen die Kinder?«

»Tony hat zu tun«, sagte Margaret knapp. »Und David und Sarah geht es gut.«

Nach der Geburt der Kinder hatte Margaret ihr ausschweifendes Leben beibehalten. Sie war froh, Hilfe bei der Betreuung der Kinder in Anspruch nehmen zu können, doch Tonys moderne Ansichten widersprachen denen der Kindermädchen.

Auch Elizabeth genoss es, Zeit mit ihrem Neffen und ihrer Nichte zu verbringen. Den Tag, an dem sie von Davids erstem Sprechversuch erfahren hatte, würde sie nie vergessen. Sein erstes Wort war weder Mummy noch Papa gewesen, sondern Kronleuchter. Wie es dazu gekommen war, wusste Margaret nicht, aber es hatte nicht die Freude gemindert, ihren Sohn sprechen zu hören. Elizabeth hatte spekuliert, ob es eventuell mit dem Kensington-Palast zusammenhinge, dass David ausgerechnet dieses Wort in Erinnerung geblieben war. Schließlich befanden sich dort unzählige Kronleuchter.

Elizabeth versuchte im Gesicht ihrer Schwester zu lesen, wie diese sich fühlte. Margaret gestand sich ihre Verletzlichkeit nicht gern ein, doch nun ließ sie die Fassade fallen.

»Also gut. Tony und ich haben uns gestritten. Deshalb bin ich zu spät.« Sie reckte das Kinn. »Was soll's. Davon lasse ich mir den Abend nicht verderben. Das hätte gerade noch gefehlt.«

Wenn es Krach mit Tony gab, fiel Margaret immer in ein tiefes Loch. Es folgten durchtanzte Nächte, viele Zigaretten und Drinks, doch dadurch wurde es nicht besser. Im Gegenteil. Auch jetzt ging sie zu der kleinen Bar und schenkte sich einen Whisky ein. Elizabeth unterdrückte den Drang, etwas zu sagen, als Margaret nach dem gut gefüllten Glas griff und einen Schluck nahm. Sie hatte die Marke Famous Grouse, die ihre Schwester bevorzugte, stets vorrätig.

»Wir sollten Tony für heute vergessen«, schlug Margaret vor.

Elizabeth bezweifelte, ob das gelingen würde. Ihre Schwester vergaß keinen Streit und orientierte sich insgeheim an der glücklichen Ehe ihrer Eltern und an Philip und ihr. Doch Tonys Antrieb war seine Arbeit, nicht seine Ehe. Nachts zog er weiter um die Häuser, oft ohne Margaret. Er war ein Freigeist, unfähig, treu zu sein, und er trank zu viel.

Elizabeth sah die dunklen Ringe unter Margarets Augen. Was den Alkoholkonsum anging, stand sie ihrem Mann inzwischen in nichts nach. Vermutlich war sie wieder hinter eine seiner Affären gekommen. Auch Margaret war eine Liebschaft mit dem Pianisten Robin Douglas-Home eingegangen. Ihre Antwort auf das verlorene Gefühl, begehrt zu sein, das Tony ihr nicht mehr gab.

Elizabeth verdrängte den Gedanken an eine Scheidung, die vielleicht irgendwann zur Debatte stünde, wenn die Kluft zwischen Margaret und Tony nicht mehr zu kitten wäre.

Margaret hatte ihren Whisky ausgetrunken und schenkte sich nach. Sie zeigte nur den engsten Vertrauten ihre verletzliche Seite, unter anderem ihrer Cousine Margaret Rhodes. Elizabeth nahm sich vor, gleich morgen mit ihr zu telefonieren, um zu besprechen, wie man ihrer Schwester helfen konnte. Margaret fehlte eine Aufgabe, die ihrem Leben Sinn verlieh.

Wenn sie morgens anrief, befand Elizabeth sich meist schon in einer Besprechung mit ihrem Sekretär oder sah Staatspapiere durch. Ihre Zeit war knapp bemessen. Margaret hingegen verfügte über viel freie Zeit und wusste oft nicht, wie sie sie sinnvoll nutzen sollte. Sie brauchte das tägliche Telefonat mit Elizabeth. Es ließ sie die Verbundenheit, die sie als Mädchen empfunden hatten, weiterhin spüren.

»Gibt es irgendetwas, das ich für euch tun kann?«, wagte Elizabeth zu fragen, als Margaret ihren zweiten Whisky trank. »Es gibt Mittel und Wege, wie Tony und du euch wieder annähern könnt.«

»Redest du etwa von einer Paartherapie?«

Margaret lachte gequält auf. Sie war nicht der Mensch, der deeskalierte. Mitunter goss sie sogar Öl ins Feuer. Haltung oder Harmonie um jeden Preis fand sie entsetzlich, dabei sehnte sie sich nach nichts mehr als nach häuslichem Frieden.

»Falls du darauf spekulierst, irgendjemand bekäme Tony zu so etwas, irrst du dich. Psychische Probleme gibt es für ihn nicht, und falls er je ein Problem zugeben würde, dann höchstens als Marotte, die er sich erlauben darf.«

»Und du? Wie siehst du es?«, wollte Elizabeth wissen. »Ich finde, sich beizeiten Hilfe zu suchen, spricht von Weitblick. Auch wenn manche es stigmatisieren, man sollte etwas tun, wenn es einem psychisch nicht gut geht.«

»Ich brauche nur mehr hiervon.« Margaret sah auf ihr Glas. »Ein Drink verschafft mir eine Pause vom Denken. Das brauche ich. Nur eine Pause. Denken macht so müde.«

Elizabeth ließ es dabei bewenden. Margaret würde in den nächsten Tagen auf Tony zugehen oder er auf sie. Vielleicht sollte sie selbst mit ihm sprechen oder Philip bitten, sich mit ihm zu treffen. Margarets und Tonys Kinder waren noch klein. Die Ehe durfte nicht scheitern. Nicht nach allem, was Margaret mit Peter Townsend durchgestanden hatte.

Margaret nahm Elizabeth' Hand und zog sie mit sich. »Anne … Charles«, rief sie in Richtung der Kinder, »wie findet ihr die Windsors für jedermann?« Zu Elizabeth gewandt sagte sie: »Was die Zeitungen wohl darüber schreiben werden, dass ihr nun TV-Stars seid?«

Elizabeth blickte aus dem Fenster des Sonderzugs. Draußen zog die Julilandschaft von Nordwales an ihr vorbei. Sie liebte das Grün der Landschaft genauso wie die zerklüftete Küste. Caernarfon, am südlichen Ende der Menaistraße, zwischen Nordwales und der Insel Anglesey, bildete den perfekten Rahmen für Charles' Investitur.

Seit dem 13. Jahrhundert wurde der Titel Prince of Wales an die Nummer eins der Thronfolge verliehen. Kein Erbtitel qua Geburt, der Titel würde Charles in einer Zeremonie von Elizabeth verliehen werden. Als er den Titel im Juli 1958 zuerkannt bekommen hatte, war Charles erst neun gewesen, weshalb die Ernennungszeremonie nun am 1. Juli im Innenhof von Schloss Caernarfon stattfand.

Caernarfon, eine der bekanntesten historischen Festungen Großbritanniens – mit Mauerwerk aus hellgrauem Kalkstein und Streifen aus rotem Sandstein –, war ein herausragendes Beispiel für die europäische Militärarchitektur des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts. Es gab sieben große und zwei kleinere achteckige Türme und eine Ringmauer an der Südseite mit zwei übereinanderliegenden Wehrgängen mit Bogenschießscharten. Eine wunderbare Kulisse.

Elizabeth löste den Blick vom Fenster und sah zu ihrer Mutter, die schlummerte.

Tony hatte die Feier mit viertausend geladenen Gästen organisiert. Der Minister von Wales würde das Letters Patent, das offizielle Dokument zur Übertragung des Titels, auf Walisisch verlesen und Elizabeth fünf Insignien an Charles verleihen: ein Schwert, eine Krone, einen Ring, einen Goldstab und den königlichen Mantel. Danach würde er den Schwur leisten, mit dem er sich ihr auf Lebenszeit als Lehnsmann verpflichtete.

Philip löste die vor der Brust verschränkten Arme. Auch er war eingenickt, wachte nun aber auf.

Die letzten Tage war er ziemlich angespannt gewesen. In Wales hatte sich der ultra-nationalistische Flügel dem Terrorismus zugewandt; in Nordirland schwelten Konflikte. Frieden war in diesen Zeiten ein vielstrapaziertes Wort. Doch der Brennpunkt lag eindeutig in Wales.

Philip gähnte hinter vorgehaltener Hand und sah zu seiner Frau hinüber.

»Machst du dir Sorgen?«, fragte er.

Elizabeth erwiderte seinen Blick. »Nicht mehr als sonst.« Sie versuchte, ihn und sich selbst zu beruhigen.

»Ich bin mir sicher, das brauchst du nicht.«

»Das hoffe ich«, erwiderte Elizabeth.

Am nächsten Morgen stand Elizabeth noch der vergangene Tag vor Augen. Während sie am Vortag durch Wales fuhren, kamen in Abergele zwei Nationalisten durch ihre eigene Bombe ums Leben. Das Drama hatte sich nur vierzig Meilen von Caernarfon entfernt abgespielt. Eine zweite Bombe, glücklicherweise eine Attrappe, hatte man an einer Brücke über der Zugstrecke gefunden. Nicht auszumalen, wenn es eine echte gewesen wäre.

Die Königinmutter wirkte überraschend robust, als sie sich an den Frühstückstisch setzte und ihren Tee servieren ließ.

»Was ist denn?« Sie sah Elizabeth nach einigen betont lockeren Sätzen fragend an. »Ich versuche lediglich, die Stimmung aufzuhellen. Sonst werden wir noch alle trübsinnig. Wenn Terroristen danach trachten, unsere Familie auszulöschen, sage ich: Ich habe mich vom Zweiten Weltkrieg nicht unterkriegen lassen und werde selbstverständlich auch mit euch fertig … Terroristen darf man keinen Raum geben. Nicht mal in Gedanken. Deshalb erzähle ich Witze … Wir sind noch nicht auf die Anzahl an Anschlägen gekommen, die Königin Victoria überlebt hat. Das nenne ich Glück.«

»Sag das nicht zu oft. Wir wollen unser Glück nicht beschwören«, griff Philip den Ton seiner Schwiegermutter auf.

»Wisst ihr, in diesen Tagen denke ich wieder häufiger an die Bombennächte im Krieg. An die Zerstörung rundum. Wenn ich mich damals nicht bei Laune gehalten hätte, hätte ich es nicht durchgestanden. Und so halte ich es weiterhin«, vermerkte Elizabeth' Mutter unbeeindruckt. »Möchtet ihr noch einen Witz hören? Mir fällt gerade einer ein.« Ohne auf eine Antwort zu warten, erzählte sie ihn und lachte selbst am lautesten.

Elizabeth rührte in ihrer Tasse und biss in ihren Toast.

Die bevorstehende Zeremonie erinnerte sie an die eigene Krönung.

»Es wird alles gutgehen«, beschwor Bobo Elizabeth, als sie ihr später beim Ankleiden half.

Für diesen besonderen Tag hatte sie Elizabeth ein helles Kleid und einen passenden Mantel mit halblangen Ärmeln samt einem Hut von außergewöhnlicher Form ausgesucht. Dazu cremefarbene lange Handschuhe und eine helle Tasche.

»Hier, ich habe für heute diesen hellen Schirm ausgewählt … falls es regnet«, sagte Bobo.

»Was wäre ich nur ohne dich?«, murmelte Elizabeth. Bobo um sich zu haben, gab ihr ein Gefühl von Sicherheit.

»Sich darüber Gedanken zu machen, ist nicht nötig. Ich bin ja da.«

Draußen warteten die Kutschen, bereit, sie zum Schloss zu bringen. Als die Pferde lostrabten, spürte Elizabeth einen leichten Ruck.

Sie fuhren schon eine Weile, als plötzlich lautes Donnern zu hören war.

»Mein Gott, was ist das?«, rief Elizabeth erschrocken. »Es hört sich an, als wäre eine Bombe detoniert.«

Auch Philip war in heller Aufregung, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen, doch Elizabeth kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich sorgte.

Später erfuhren sie, dass nur fünfhundert Meter von ihnen entfernt eine Bombe explodiert war. Dagegen waren das Ei, das sie auf der Fahrt verfehlt hatte, und die Bananenschale, auf der die Kavallerie hätte ausrutschen können, kaum erwähnenswerte Kleinigkeiten.

Bei der Zeremonie ging zu ihrer Erleichterung alles glatt. Die Last der Geschichte schien sich auf die Schultern ihres knienden Sohnes zu legen, als Elizabeth ihm die Krone aufs Haupt setzte.

Doch noch einmal gab es an diesem Tag schlechte Nachrichten. Sie erfuhren, dass an der A5 bei Caergeiliog eine weitere Bombe entdeckt und entschärft worden war. Fünf Minuten, bevor die Autokolonne mit Charles sich auf den Weg zum Abendessen auf der königlichen Jacht machte. Und in Caernarfon wurde ein Soldat von einer Autobombe getötet, die unter seinem Wagen angebracht war.

Zurück in London, zog Elizabeth sich geistig erschöpft in ihre Gemächer zurück.

»Du siehst blass aus«, sagte Philip, als er zu ihr kam. »Es war keine leichte Reise. Aber du hast sie gut gemeistert.« Er massierte ihren Nacken.

Elizabeth sah ihn an. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich glaube, ich werde alle Termine für diese Woche absagen. Ich sehne mich nach ein paar Tagen Ruhe.« Elizabeth wusste, was Philip als Nächstes fragen würde, und kam ihm zuvor. »Davon ist auch Wimbledon betroffen … Und ja, ich weiß, dieses Turnier habe ich nicht mal während meiner Schwangerschaften ausgelassen.«

Philip zog seine Frau in eine tröstende Umarmung. »Lilibet und erschöpft, das sind ganz neue Töne. Muss ich mir ernsthaft Gedanken machen?«

Elizabeth löste sich von ihrem Mann und fing seinen sorgenvollen Blick auf.

»Nein … nein, nicht wirklich«, versprach sie. »Weißt du was«, fing sie plötzlich von etwas Erfreulicherem an, »was hältst du von einer Nordsee-Kreuzfahrt und einem Besuch bei Olaf von Norwegen?«

Philip steckte sich eine Traube vom Obstteller in den Mund und überdachte Elizabeth' Vorschlag. »Prima Idee«, sagte er kauend.

»Und hinterher reisen wir nach Balmoral«, plante Elizabeth. »Du wirst sehen, danach bin ich wieder wie neu.«

Philips ernstes Gesicht entspannte sich sichtlich. »Das klingt schon eher nach dir. Bloß keine ruhige Kugel schieben. Das ist die Lilibet, die ich kenne.«