Februar 2020
England, Schloss Windsor
Kinderlachen erfüllte den Raum.
»Ich hab euch gleich.« Kate lief hinter George und Charlotte her.
»Neeeein«, schrie George.
Der Sechsjährige lachte lauthals, drehte sich um, griff nach der Hand seiner Schwester und stürmte mit ihr in Richtung Tür.
Louis, der in wenigen Wochen seinen zweiten Geburtstag feiern würde, schlief friedlich in seinem Kinderwagen. Das laute Lachen seiner Geschwister schien ihn nicht zu stören.
»Du darfst uns nicht mehr kitzeln. Wir sind schon im Aus«, kicherte die vierjährige Charlotte, als sie mit George über die Türschwelle rannte. Frech streckte sie ihrer Mutter die Zunge raus.
»Na gut, ihr habt gewonnen. Ich ergebe mich«, gab Kate klein bei.
»George. Wir sind wieder frei.« Charlotte blies erleichtert die Luft aus den Backen und hüpfte auf und ab.
Elizabeth, die mit Philip auf dem Sofa im Salon ihres Appartements in Schloss Windsor saß und das Spiel beobachtete, strahlte angesichts ihrer Urenkel.
Bei den eigenen Kindern hatte sie vieles verpasst. Damals war es ihr kaum möglich gewesen, ihnen in der Öffentlichkeit Zuneigung entgegenzubringen, weil es ihre Rolle als Thronfolgerin und später als Königin nicht zugelassen hatte. Gefühle und Emotionen waren damals in den Hintergrund gerückt worden. Heute ging man mit vielem anders um – offener und gefühlsbetonter.
Doch nun hatte sie das große Glück, die wichtigen ersten Jahre ihrer Urenkel mitzuerleben. Mittlerweile hatte sie acht Enkelkinder und genauso viele Urenkel. Am liebsten sah sie ihnen beim Herumtollen zu, hörte sie lachen und erfuhr bei jedem Treffen etwas Neues.
George hatte gerade angefangen, Gitarre zu lernen. Er war ein hilfsbereiter, selbstbewusster Junge, der genau wusste, was er wollte, und seine Rolle als großer Bruder sehr ernst nahm. Charlotte konnte von Gymnastik nicht genug bekommen. Sie war quirlig und für jeden Spaß zu haben, genau wie Philip, außerdem war sie abenteuerlustig und mutig. Louis war zwar noch zu klein, als dass man ihm irgendwelche Eigenschaften zuordnen konnte, aber es war nicht zu übersehen, dass er ein immerfort fröhlicher und aufgeweckter Junge war.
Elizabeth betrachtete das Foto von Harry und Meghan auf der Anrichte. Auch Williams jüngerer Bruder war mittlerweile Vater. Vor knapp einem Jahr hatten Elizabeth und Philip ihren jüngsten Urenkel offiziell in der Familie willkommen geheißen. Es war ein besonderer Moment gewesen, der für immer einen festen Platz in Elizabeth' Herz einnahm.
Meghan hatte Archie in ein weiches Tuch gewickelt und ihn wie einen kostbaren Schatz im Arm gehalten. Seinen kleinen Kopf hatte eine weiße Mütze geziert. Archie hatte tief und fest geschlafen und keinen Mucks von sich gegeben, als Elizabeth sich über ihn beugte, um vorsichtig die kleine Stirn zu berühren. Sie war sich sicher, dass es nicht lange dauern würde, bis Archie ein bisschen Chaos in das Leben seiner Eltern bringen würde. So wie Harry es einst getan hatte.
Harry ging vom ersten Tag an voll und ganz in seiner Vaterrolle auf. Solch besonderen Momenten beizuwohnen machte das Leben außergewöhnlich.
Aber Reisende konnte man nicht aufhalten, das wusste Elizabeth. Harry und Meghan hatten die vergangenen Weihnachtsfeiertage fernab der Familie in Kanada verbracht. Daran würde sich vermutlich auch in Zukunft nichts ändern, denn die beiden hatten kürzlich entschieden, von ihren royalen Pflichten als Mitglieder der königlichen Familie zurückzutreten und teilweise in Nordamerika zu leben.
Elizabeth spürte einen schmerzhaften Stich in ihrer Brust. Weder Philip noch sie wussten, wie oft sie noch die Möglichkeit hätten, mit Archie Zeit zu verbringen. Doch eins war gewiss, sie würden jedes Treffen genießen.
Charlotte tippte Elizabeth auf die Schulter und riss sie aus ihren Gedanken. »Gan Gan, schau mal.« Sie ging ein paar Schritte zurück, holte mit ihren Armen aus und schlug ein Rad.
»Gut gemacht, Charlotte«, lobte Elizabeth. »Dein Radschlag sieht perfekt aus.«
»Warte, ich kann auch einen Handstand.« Charlotte lief zu Philip, der sich gerade mit William unterhielt. »Grandpa, du musst auch zuschauen.«
»Selbstverständlich schaue ich dir zu, Charlotte. Deinen Handstand will ich auf keinen Fall verpassen«, versicherte ihr Philip.
Charlotte machte sich erneut bereit, legte die kleinen Hände auf den roten Teppichboden und schwang die Beine nach oben. Ihr Handstand erinnerte eher an den schiefen Turm von Pisa, doch das tat ihrem Eifer, es erneut zu versuchen und besser zu machen, keinen Abbruch.
»Toll machst du das, Charlotte«, freute sich Elizabeth und applaudierte, ebenso Philip.
Die Augen des Mädchens, das ein hellblaues Kleid trug, strahlten. »Wenn ich immer weiter übe, mache ich bald den allerschönsten Handstand.« Sie kam auf Elizabeth zu. »Gan Gan, kannst du auch einen Handstand?«
Elizabeth schüttelte sanft den Kopf. »Ich fürchte, die Zeiten, in denen ich den Kopf unten und die Füße oben hatte, sind vorbei.«
»Schade«, sagte Charlotte und wandte sich an Philip. »Und du, Grandpa? Kannst du denn einen Handstand?«
Philip tat, als grüble er. »Das mit dem Handstand überlasse ich lieber dir, Charlotte. Wenn man hochgewachsen ist wie ich, ist es nicht mehr so leicht.«
Charlotte schien über das Gesagte nachzudenken. »Grandpa, was kannst du denn alles?«, fragte sie schließlich. »Papa sagt, du kannst ganz viele Dinge gut.«
»Hmm, lass mich überlegen.«
»Dein Urgroßvater ist ein wahrer Grillmeister«, mischte sich Charles ein, der mit George puzzelte. »Ich würde sogar so weit gehen, ihn als Künstler des Grillens zu bezeichnen. So wie ein Maler. Nur eben am Grill.«
Philip machte eine abwehrende Handbewegung, doch sein Gesicht zeigte, dass er das Lob durchaus annahm. »Grillen ist eine ernst zu nehmende Angelegenheit, aber Grillmeister … ich weiß nicht.«
»Nur keine falsche Bescheidenheit. Wer von uns schaut denn gern Hairy Bikers? Kochshows sind ganz auf deiner Wellenlänge. Eben weil du so gern vorm Grill stehst.« William warf Philip einen amüsierten Blick zu, den dieser erwiderte.
»Ich sage nur eins. Man lernt nie aus, und es lohnt sich immer, an seinen Fähigkeiten zu feilen«, erklärte Philip.
Charles wandte sich Charlotte zu, die nicht weit von ihm entfernt stand und nun zu ihm kam. »Leider ist mir das Talent zum Grillen nicht in die Wiege gelegt worden. Ich bin meist schon daran gescheitert, den Grill anzuzünden.«
Charlotte und George hockten wie aneinandergeklebt da und kicherten.
»Ohne Feuer kann man auch nicht grillen, Grandpa Wales«, klärte George seinen Großvater auf.
Charles deutete vielsagend auf Philip. »Deshalb ist Grandpa auch immer der, der am Grill steht.«
»Ich traue mich sogar mit Sicherheit zu sagen, dass Grandpa noch nie für einen verdorbenen Magen verantwortlich war«, erzählte William. »Stimmt's, Granny?«
Elizabeth nickte. »Bauchschmerzen gab es nur, wenn man zu viel von Philips leckeren Grill-Kreationen gegessen hatte.«
»Was kann Grandpa noch gut?« George sah fragend in die Runde.
»Ich gebe euch einen Tipp«, sagte William. Er erhob sich und breitete seine Arme zur Seite aus.
»Raten macht Spaß«, freute sich Charlotte und sprang auf.
William lief mit ausgebreiteten Armen kreuz und quer durch den Raum.
Wenn Elizabeth William mit seinen Kindern beobachtete, sah sie immer den kleinen Jungen vor sich, der er einst war. Aufgeweckt und fröhlich, hatte er sie oft zum Lachen gebracht.
»Na, was bin ich?«, rief William fragend in die Runde.
»Ich glaube, ich weiß es, Papa«, schrie George.
»Ich weiß es aber auch.« Charlotte boxte George spielerisch und wollte ihm zuvorkommen.
»Ein Flugzeug«, prusteten beide Kinder gleichzeitig heraus.
»Richtig«, bestätigte William. Er hob Charlotte in die Höhe und ließ sie wie ein Flugzeug fliegen.
Georges Augen waren voller Ernsthaftigkeit auf Philip gerichtet. »Und so was erlaubt Gan Gan?«, fragte er erschrocken.
Der gesamte Raum, mit Ausnahme von Charlotte und George, brach in Gelächter aus.
»Dein Urgroßvater hat nun mal einen ausgeprägten Sinn für Abenteuer«, erklärte Elizabeth. »Und als ich gesehen habe, wie viel Freude er am Fliegen hat, wollte ich ihm nicht im Wege stehen. Heute sieht das natürlich anders aus, schließlich ist Grandpa inzwischen Urgroßvater. Da ist es besser, wenn man am Boden bleibt.«
George nickte, als wären ihm die Zusammenhänge durchaus klar.
»Weißt du, jedes Mal, wenn Grandpa in einen Hubschrauber oder in ein Flugzeug gestiegen ist, war er glücklich. Und das wiederum hat mich glücklich gemacht«, fuhr Elizabeth fort.
»Wenn es nach Winston gegangen wäre, das war Churchill, der damalige Premierminister, wäre ich nie als Pilot in ein Flugzeug gestiegen. Seiner Ansicht nach war das für den Mann der Königin zu gefährlich. Was, wenn er abstürzte? Aber zum Glück war eure Gan Gan zur Stelle. Sie hat sich zwar Sorgen gemacht, aber mich trotzdem fliegen lassen.«
George kratzte sich an der Nasenspitze. »Wenn man fliegt, ist man frei wie ein Vogel. Ist es das, was dir so gefällt?«
Philip nickte. »Genauso ist es. Das macht das Fliegen so besonders.«
»Noch mal raten«, rief Charlotte. Aufgeregt spielte sie mit ihren Fingern.
»Jetzt ist Grandpa Wales dran.« William deutete auf Charles.
»Na gut. Eine Sache wüsste ich, glaube ich.« Charles setzte sich auf die Sofalehne. »Seid ihr bereit?«
Die Kinder nickten. Ihre Augen waren auf Charles gerichtet, der augenblicklich damit begann, verschiedene Gesten mit seinen Händen auszuführen.
»Grandpa kann zaubern«, riet George.
Charles lachte und schüttelte den Kopf. »Eiskalt, George.«
Charlotte überlegte angestrengt. »Hmmm … Fische angeln?«
»Gar nicht mal so schlecht, Charlotte, aber leider noch nicht ganz richtig«, tröstete Charles seine Enkelin.
Charlotte stupste ihren Bruder in die Seite. »Komm schon, George. Hilf mir. Streng dich ein bisschen an.«
»Ich glaube, ich weiß es«, rief George kurz darauf. »Kutsche fahren.«
»Richtig, George.« Charles verließ seinen Platz auf der Sofalehne.
Die Kinder hüpften aufgeregt auf und ab. Charlotte rannte zu Philip und sah ihn eindringlich an. »Grandpa, holst du uns bald mal wieder mit deiner Kutsche ab?«
Philip lachte. »Wenn es Gan Gan erlaubt, gern. Wie du weißt, darf ich nicht mehr Auto fahren. Aber Kutsche schon.«
»Juhu«, freuten sich George und Charlotte.
Charlotte setzte ihren süßesten Blick auf. »Können wir noch einmal raten? Bitte!« Sie hielt den Zeigefinger hoch und lächelte übers ganze Gesicht.
»Na gut.« Philip setzte sich gerade hin. »Wer kann diesem Lächeln widerstehen … Ich bin gespannt, ob ihr das hier erratet.« Er machte eine einfache Handbewegung, dann blickte er in die fragenden Gesichter der Kinder.
»Bist du Vorhangaufzieher?«, fragte Charlotte vorsichtig.
»Lauwarm«, antwortete Philip.
»Bist du Buchöffner?«, riet George.
»Ich lese zwar gerne, bin aber kein professioneller Buchöffner«, schmunzelte Philip.
»Dann weiß ich es nicht«, sagte George.
»Ich auch nicht«, sagte Charlotte und drehte sich zu ihrem Vater um. »Papa, rate du mal.« Sie sah ihre Mutter an. »Du auch, Mummy.«
Kate blickte zu William. »Ich glaube, wir brauchen einen Joker. Was meint ihr, Kinder?«
»Gan Gan, du bist unser Joker.« George legte seiner Urgroßmutter die Hand auf die Schulter.
»Also gut«, entschied Elizabeth. Sie sah zu Philip und waltete ihres Amtes als Joker. »Euer Urgroßvater ist der weltweit erfahrenste Gedenktafel-Enthüller.«
»Tadaaa«, rief Philip amüsiert und deutete auf sich.
Charlotte und George tauschten fragende Blicke.
»Und was ist das?«, wollte Charlotte wissen.
»Eine Gedenktafel ist eine kleine Tafel, die an ein bestimmtes Ereignis oder einen bestimmten Menschen erinnert. Und weil solche Tafeln etwas ganz Besonderes sind, werden sie zuerst unter einem hübschen Tuch versteckt, bevor sie feierlich enthüllt und vielen Menschen gezeigt werden«, erklärte Kate.
»Und Grandpa zeigt den Menschen die Tafeln?«, wollte Charlotte wissen.
»So ist es. Und weil er so gut darin ist, hat man ihn ganz oft zu solchen Anlässen eingeladen«, bestätigte Elizabeth.
Charlotte wandte sich Philip zu. »Und heute wirst du nicht mehr eingeladen? Weil du schon so alt bist?«
Philip lächelte. »Tja, mit achtundneunzig kehrt man dem Arbeitsleben so langsam den Rücken.«
»Wie oft hast du das mit den Tafeln schon gemacht?«, hakte George nach.
»Wenn ich das wüsste … Ehrlich gesagt, habe ich irgendwann aufgehört zu zählen. Was ich allerdings sagen kann, ist, dass ich viele Jahrzehnte Gedenktafeln enthüllt habe.«
Charlotte streckte Philip die gespreizten Hände entgegen. »So viel?«
»Wenn jeder deiner Finger für ein Jahr steht, dann sind alle deine Finger genau zehn Jahre, also ein Jahrzehnt«, erläuterte Philip.
Charlotte betrachtete ihre geöffneten Handflächen. »Aber du hast doch gesagt, viele Jahrzehnte. So viele Finger habe ich doch gar nicht«, sagte sie und blickte betrübt zu Boden.
»Das haben wir gleich«, warf Elizabeth ein und streckte ihre Hände Charlotte entgegen. »Wenn uns jetzt alle anderen ebenfalls ihre Hände leihen, haben wir auf jeden Fall genügend Jahrzehnte zusammen.«
Charlotte hob den Kopf. Als sie alle ausgestreckten Hände sah, strahlte sie über beide Ohren.
George hatte sich neben Elizabeth gesetzt. »Gan Gan, hast du auch oft mit Gedenktafeln gearbeitet?«
Elizabeth lachte. »Ich habe durchaus die eine oder andere Gedenktafel enthüllt. Aber so gut wie Grandpa war niemand.«
»Dafür hast du viele andere Talente«, warf Philip mit einem verschmitzten Lächeln ein. Er wandte sich seinen Urenkeln zu. »Mit eurer Gan Gan wird es nie langweilig. Vor allem, wenn man mit ihr auf Reisen ist. Wer mit ihr verreist, braucht keinen Reiseführer, weil sie ein wandelndes Lexikon ist. Sie kann dir jede Frage über das jeweilige Land beantworten und kennt immer spannende Fakten. Sogar über Tiere.«
»Und warum ist das so?«, wollte Charlotte wissen.
»Weil ich in meinem Leben ganz viel gereist bist«, erklärte Elizabeth.
»Und warum bist du so viel gereist?«, hakte Charlotte nach.
»Weil das ein wichtiger Teil meiner Aufgabe als Königin ist. Menschen und andere Kulturen kennenzulernen schafft Weitblick, und der ist erforderlich, um sich in ganz viele unterschiedliche Menschen und Situationen hineinzuversetzen«, erklärte Elizabeth.
Charlotte setzte sich auf den Schoß ihrer Mutter, die neben Elizabeth saß. »Und was magst du am Königinsein am meisten?«
»Das ist eine schwierige Frage, Charlotte, weil es so viele Dinge gibt, die ich gern mache. Was ich besonders liebe, sind die Briefe, die Menschen mir schicken. Es gefällt mir zu erfahren, was Menschen mir zu sagen haben und was ihnen am Herzen liegt. An manchen Tagen bekomme ich Hunderte, leider habe ich nicht die Zeit, alle zu öffnen. Aber ich freue mich über jede Zeile, die ich lesen darf.«
Charlotte sah ihre Urgroßmutter mit großen Augen an. »Oh, das ist schön. Ich will auch Briefe bekommen. Ganz viele. So, wie du.«
Elizabeth strich Charlotte übers Haar. »Das wirst du. Eines Tages. Ganz bestimmt.«
Charlottes Wunsch erinnerte Elizabeth an die Freude, wenn sie sich an den Schreibtisch setzte und einen Brief nach dem nächsten aus dem geflochtenen Korb nahm. Die Menschen vertrauten ihr ihre persönlichsten Gedanken an, darauf hoffend, sie würde die Briefe tatsächlich lesen. In vielen Fällen tat sie es auch. Aber eben nicht in allen.
Die Zeilen gewährten ihr Einblicke in die Sorgen der Menschen und in Themen und Angelegenheiten, von denen sie glaubten, die Königin könnte ihnen behilflich sein. Es gab Anliegen, bei denen sie tatsächlich eingriff, indem sie die Briefe an die zuständigen Behörden weiterleitete. Oder sie schickte die Briefe an Organisationen, die sich der Sache annahmen. Es bedeutete ihr viel, dass Menschen ihr Vertrauen schenkten und der Meinung waren, dass sie ihnen helfen konnte. Für diese Menschen da zu sein und ein offenes Ohr zu haben, empfand Elizabeth als eine ihrer wichtigsten Aufgaben.
»Weißt du, Charlotte, Gan Gan verkörpert das Beste, das die Monarchie zu bieten hat«, warf William ein. »Und weißt du, warum? Weil sie ein großes Herz hat.«
Charlotte, die noch immer auf dem Schoß ihrer Mutter saß, beugte sich zu Elizabeth hinüber, schlang die kleinen Arme um sie und sagte: »Ich habe dich lieb, Gan Gan. Nicht nur, weil du so eine gute Königin bist, sondern weil du meine Gan Gan bist.«
Kate war die Rührung über die Geste ihrer Tochter ins Gesicht geschrieben.
Elizabeth erwiderte die Liebesbekundung ihrer Urenkelin. »Ich habe dich auch lieb, Charlotte. Sehr sogar.«
Kate schob Charlotte von ihrem Schoß.
»Was hältst du davon, wenn du mit George nachsiehst, ob drüben ein paar leckere Kekse auf uns warten?«, schlug Elizabeth vor.
Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Charlotte und George auf den Füßen waren und ins Nebenzimmer flitzten. Kurz darauf kamen sie mit einer prallgefüllten Schüssel zurück und setzten sich neben Philip.
Kate wandte sich an Elizabeth. »Philip und du seid bemerkenswert. Mitzuerleben, wie ihr immer füreinander da seid und euch gegenseitig unterstützt, inspiriert William und mich jeden Tag. Für alles, was wir durch euch lernen und erfahren, schätzen wir uns unendlich glücklich.«
Elizabeth legte die Hand auf Kates und dankte ihr. Dann sah sie zu Philip hinüber, der Charlotte und George, die sich Kekse in den Mund schoben, von der Zeit auf der Britannia und der Rutsche, die sich auf dem hölzernen Deck des Schiffes befunden hatte, erzählte.
»Grandpa Wales hat die Rutsche damals in eine Wasserrutsche verwandelt. Dann sind wir mit voller Geschwindigkeit losgebraust. Das Ziel war natürlich, so weit wie möglich über das Deck zu rutschen«, fuhr Philip fort.
George sah ihn erwartungsvoll an. »Und wer hat gewonnen?«
»Ich glaube, das war Grandpa Wales«, antwortete Philip und zwinkerte den Kindern zu.
Es gab in jedem Leben Momente, die man unbedingt festhalten wollte. Dieser war einer davon.
Philip war immer ganz er selbst, egal, wo er war oder mit wem er sprach. Es war für ihn selbstverständlich, für seine Familie da zu sein. Alle schätzten, dass sie jederzeit zu ihm kommen konnten und er ihnen mit Rat und Tat zur Seite stand. Er nahm sich Zeit für die Familie, unabhängig davon, ob ein Gespräch wenige Minuten oder eine Stunde dauerte, und er hakte niemals unangenehm nach. Philip hatte diese wunderbare Eigenschaft, eine Atmosphäre zu schaffen, in der es Menschen um ihn herum leichtfiel, sich ihm anzuvertrauen.
Elizabeth wusste, welches Glück sie hatten, eine Liebe wie diese gefunden zu haben. Sie hatte in ihrem Leben viele Entscheidungen von großer Tragweite getroffen, doch die Entscheidung, mit Philip an ihrer Seite durchs Leben zu gehen, war die bedeutsamste von allen gewesen.
»Wusstet ihr, dass Gan Gan auch mal als Gary bekannt war?«, sagte Philip. Während er sprach, sah er zu William hinüber, der sein Gesicht hinter seiner rechten Hand versteckte. »Euer Vater war damals noch klein und konnte noch nicht richtig sprechen. Und so kam es, dass er statt Granny immer Gary gerufen hat.«
Die Kinder sahen Elizabeth an und kicherten hinter vorgehaltener Hand.
»Einer unserer Gäste dachte, dass es sich um ein Mitglied des königlichen Haushalts handelte, und hat euren Vater gefragt, wo Gary zu finden sei.«
»Und dann hat Gan Gan zur Überraschung des Gastes wie eine wichtige Ankündigung verlautbart: ›Ich bin Gary‹«, erzählte William.
Als die Kinder fort und sie allein waren, schob Elizabeth ihre Hand in Philips.
»Unsere Körper lassen nach …« Sie tippte mit dem Finger ihrer freien Hand gegen ihre Stirn. »Aber hier ist alles noch wie immer.«
Sie seufzte, dann wurde sie ernst, und als sie Philip ansah, war ihr Blick wie eine Liebkosung. »Danke, dass du mich schon so lange liebst.« Ihre blauen Augen ließen die seinen nicht los. »Und für alle in der Familie da bist.« Erneut seufzte sie. »Und keine Sorge, das ist kein Kompliment. Es ist nur die Wahrheit.«
Philip hob die freie Hand und streichelte über Elizabeth' Gesicht. »Wie sollte man dich nicht lieben …« Einen Moment lang sagte er nichts, dann sprach er mit fester Stimme weiter: »Du bist Lilibet … und wirst es immer bleiben. Jeder liebt dich. Ich liebe dich nur am meisten.«