I ch falle jahrtausendelang und doch nur wenige Sekunden.
Als ich krachend lande, weiß ich – ein Wissen, das über Logik hinausgeht –, dass ich woanders bin. Ich spüre es auf meiner Haut. Ich kann nicht atmen. Ich ersticke an dem Schock, die Natur verloren zu haben, die mich immer umgeben hat. Alle Blumen sind fort. Und dann legt sich etwas anderes über mich und belebt mich genug, damit ich einen Atemzug tue. Etwas Schwereres. Ich spüre Erde, die nicht meine ist, eine neue Verbindung, die sich einfädelt.
Zum ersten Mal im Leben bin ich weit weg von zu Hause. Und ich kann nicht zurück, jedenfalls nicht aus eigener Kraft.
Noch einmal atme ich zitternd ein und stehe so anmutig auf, wie es mir nach dem tiefen Fall gelingt.
»An deiner Stelle würde ich das lieber schnell erklären«, verlangt eine Stimme, die so tief ist, dass sie von den Wänden widerhallt, »bevor ich meine eigenen Schlüsse aus deiner … Beleidigung ziehe.«
Ein Schauer läuft mir den Rücken hinunter, und ich zwinge mich, es einfach durchzuziehen. Angst, erinnere ich mich, ist etwas, womit ich arbeiten kann.
Ich werfe mir das Haar aus dem Gesicht, streiche das Kleid glatt und blicke auf.
Ich bin geblendet: Fackeln brennen an einem Dutzend Säulen, das Licht wird von den strahlend weißen Wänden und dem leuchtenden goldenen Boden reflektiert. Die hohen Bronzesäulen sind gedreht, die Reliefs so detailliert, als wären sie mit einer Nadel gemeißelt. Der Raum ist von Säulen umgeben und in seiner Mitte knistert eine Feuerstelle. Es ist atemberaubend und unvergleichlich – obwohl es zugegebenermaßen sehr wohl vergleichbar ist. Es ist wie das Megaron. Wie die Akropolis. Es ist wie der Olymp.
Was bedeutet, dass es im Zentrum der Unterwelt eine Kopie von Zeus’ Palast gibt. Und das bedeutet, Hades sitzt auf einer Kopie vom Thron meines Vaters.
Das habe ich nicht erwartet, vor dem gleichen Machtsitz betteln zu müssen, der mich vor so vielen Jahren verdammt hat.
Wobei er auch nicht wirklich gleich ist, weil alles so derartig anders wirkt , dass ich es niemals mit dem Hof meines Vaters verwechseln könnte.
Ich zwinge mich, mich umzudrehen – und mir schnürt sich die Kehle zusammen.
Ich bin mir nicht sicher, was ich erwartet habe. Macht wahrscheinlich, aber eine Macht, die auf Schwertern und Kronen und Zeptern beruht. Und Hades hat das alles auch – eine breite Klinge an seiner Seite, die eindeutig nicht nur Dekoration ist; ein langes Zepter, gekrönt von einem Vogel mit einem Schnabel so scharf, dass man Kehlen damit aufschlitzen könnte; eine Krone mit zerklüfteten, unregelmäßigen Zacken. Aber seine Macht ist ursprünglicher. Seine Macht ist so furchteinflößend, dass ich wie angewurzelt stehen bleibe. Die Sorte Macht, bei der man auf die Knie fällt und um Gnade winselt.
Pechschwarze sich kräuselnde Rauchwolken gehen in Wellen von ihm aus, als könnte das, was er ist, nicht eingedämmt werden. Ich weiche davor zurück und hasse mich dafür. Er bemerkt es und grinst, aber wer weiß, was mir diese Dunkelheit antun könnte.
Und ich sehe, dass sein Thron ganz anders ist als der meines Vaters – kein mit Stoff gepolsterter Marmor auf einem Sockel. Hades’ Thron ist ein großer glatter schwarzer Stein, so schwarz, dass ich kaum seine Form ausmachen kann.
Ich beachte ihn nicht weiter, sondern konzentriere mich auf Hades. Die Nymphen würden alles an ihm bewundern: das markante Gesicht, dunkelbraune Haut, die im Licht der Fackeln einen goldenen Schimmer bekommt, breite Schultern, die strenge Haltung auf dem Thron. Umwerfend – kein anderes Wort fällt mir ein.
Als ich schweige, kneift er argwöhnisch die Augen zusammen.
»Also?«, drängt er.
Ich zögere, überlege, was der beste Ansatz ist. Mein Vater würde jetzt schon brüllen, daran habe ich keinen Zweifel. Er würde niemals ruhig auf seinem Thron sitzen bleiben, sondern mir entgegenkommen, mit dem Blitzbündel vor meinem Gesicht herumfuchteln oder fordern, dass ich mich vor meinem König verneige. Aber Hades scheint nicht wütend zu sein – da ist leichte Verärgerung, aber darüber hinaus ist er nur neugierig.
»Hades.« Ich nicke, nutze seine Neugier, als könnte er dadurch vergessen, auf welch unverschämte Weise ich dieses Treffen erbeten habe. »Danke, dass du mich hergebracht hast.«
Er zieht eine Augenbraue hoch.
»Es kommt nicht oft vor, dass eine Gottheit etwas zu meinen Ehren erschafft«, sagt er bedachtsam. »Und es ist noch seltener, dass sie es eine Sekunde später zerstört.«
»Ich bat um eine Audienz.«
»Mir fallen andere Wege dafür ein.«
»Es hat funktioniert, oder?«, entgegne ich. »Ich konnte nicht riskieren, ignoriert zu werden. Ich bin verzweifelt.«
»Offensichtlich, da du überhaupt hier bist«, sagt er. »Dann beeil dich und sag mir den Grund dafür.«
Ich wäge meine Möglichkeiten ab. Ich könnte ihn anflehen, auf die Knie fallen und betteln. Würde das sein Ego ausreichend streicheln? Oder würde er eine Gelegenheit sehen, die er ausnutzen kann? Ich könnte fordern, aber würde er darauf mit gefährlicher Wut reagieren? So viele Wege öffnen sich vor mir. Ich hatte mich für eloquent gehalten, weil ich Kyane und die Nymphen und meine Mutter lenken kann; weil ich immer weiß, was sie hören wollen, auch wenn ich es nicht immer sage – vor allem, weil ich es nicht immer sage. Wenn man weiß, was erwartet wird, ist es umso verlockender, das Gegenteil zu tun. Aber nicht jetzt, nicht wenn es um mein Leben geht.
Also bin ich ehrlich. Bis er mehr von sich preisgibt.
»Du kennst meine Mutter. Du weißt von den Schutzzaubern, die die Insel umgeben.«
Bei diesen Worten zucken seine Lippen. »Ja. Eine ungeladene Person kann den Boden Siziliens nicht betreten.« Er betrachtet das Zepter in seiner Hand. Die scharfe Metallspitze fängt das Licht, und ich frage mich, ob das eine Drohung ist, so dezent es eben geht. »Sicher hat sie erwartet, dass Leute nach Schlupflöchern suchen, allerdings wohl kaum, dass ihre eigene Tochter zu diesen Leuten zählen könnte.«
Ich werfe ihm einen, wie ich hoffe, vernichtenden Blick zu. »Sie hat so einiges erwartet.«
Hades lacht. Es ist ein kurzes, schnelles Lachen, aber es gibt mir das beruhigende Gefühl, das Gespräch nicht völlig falsch angefangen zu haben. Die Dunkelheit, die von ihm ausstrahlt, zieht sich ein winziges bisschen zurück.
»Du bist also Demeters Tochter? Die berüchtigte Kore der Blumen?«
»Mir hat der Name nie besonders gut gefallen«, sage ich trocken, und Hades lächelt erneut.
»Ja, ich habe alles über den kleinen Zusammenstoß bei deiner Amphidromia gehört.«
Meine ratternden Gedanken halten inne. Ich zögere. Ich bin unsicher, wie ich meine Frage formulieren soll, aber ich weiß, dass jede mögliche Antwort meiner Sache helfen kann.
»Du hast davon gehört? Du warst nicht dort?«, frage ich.
»Natürlich nicht«, sagt Hades. »Ich war damit beschäftigt zu lernen, wie man Titanen den Kopf abschlägt.«
»Aber der Krieg war doch vorbei? Deshalb haben wir ihre Domänen aufgeteilt.«
»Klar«, sagt er mit müder Herablassung, als würde ich mich irren und er nicht die Kraft aufbringen, mich zu korrigieren. »Hermes konnte jedenfalls kaum aufhören, zu lachen, als er es mir erzählte – wie angespannt und beunruhigt der gute Zeus war, weil seine achtjährige Tochter ihm bei der Zeremonie die Show stahl. Wie selbstzufrieden er war, als er sie in ihre Schranken gewiesen hatte.«
»So ist Vater eben.« Mein Lächeln schmeckt bitter, aber auch er scheint verbittert zu sein – okay, dann werde ich das so angehen.
»O ja. Nun, ich denke, ich kann dir die Beleidigung vergeben, angesichts der mildernden Umstände deiner Situation.«
»Wirklich gnädig von dir.« Er wird mich nicht töten. Wenigstens nicht sofort. Unmerklich atme ich auf. Dieses ganze Treffen war ein Glücksspiel: dass es nicht das Ende wäre, diesen Mann zu verärgern, dass er mich herholen würde, mir zuhören würde, mir zustimmen. »Und, apropos, ich habe eine Gelegenheit für dich.«
»Eine Gelegenheit?«
»Ja.«
»Ich bin ziemlich zufrieden in dieser meiner Welt. Ich will nichts anderes. Was könntest du mir schon anbieten?«
Ich lache so verächtlich, wie ich kann. »Zufrieden? Wann hat das jemals jemandem genügt?«
»Tu nicht so, als würdest du mich kennen«, sagt er, und Zorn schleicht sich wieder in seine Worte. Der Rauch schmiegt sich an ihn, rankt sich über seine Haut wie ein lebendiges Tier. Das falsche Gefühl der Geborgenheit, das seine lockere Art mir vermittelt hat, verschwindet wieder. Es ist wirklich dumm, in der Nähe eines Gottes nicht auf der Hut zu sein – ein Fehler, den ich nicht noch mal machen werde.
»Hades, weißt du, wo meine Mutter jetzt ist?«
»Sollte ich?«
»Auf dem Olymp, auf Anordnung meines Vaters, um meine Ehe zu arrangieren«, sage ich und versuche, die Gefühle aus den Worten rauszureißen. Jahrelang habe ich meine Sätze mit falschen Gefühlen untermalt, ich denke also, ich kann es ganz gut.
»Dann sind Glückwünsche angebracht?«, fragt Hades. Seine Stimme ist trocken und sarkastisch, aber darunter spüre ich, dass er wirklich verwirrt ist. Ich glaube, er hat nicht die geringste Ahnung, warum ich hier bin.
»Ich will nicht heiraten.«
Hades blinzelt. »Verstehe.«
»Wirklich? Lass es mich ganz deutlich sagen: Ich will überhaupt nicht heiraten, und sicher keinen völlig Unbekannten, der mich besitzen will«, erkläre ich. Komm schon , denke ich. Es kann doch nicht sein, dass die Geschichten falsch sind, die ich über dich gehört habe. Er ist nach allem, was man hört, so anders als die Olympier.
Ich weiß noch, dass Mutter irgendwann nicht mehr von seiner Nutzlosigkeit redete – sie konnte nicht fassen, dass Zeus einem Kind, das nicht einmal ein Schwert halten konnte, die Hölle geschenkt hat –, sondern von seiner Überheblichkeit. »Er hält sich für etwas Besseres, lehnt eine Position im Rat ab, ignoriert unsere Vorladungen – und wofür? Um sich in seinem elenden kleinen Reich zu verstecken? Was für eine Frechheit! Als wären die Toten bessere Gesellschaft als die Olympier.« In diesem Moment fühle ich ein Echo meiner damaligen Gefühle: den ersten Funken Hoffnung seit Jahren. Denn, ja, wäre das nicht besser? Wäre die Unterwelt nicht besser als der Olymp? Der Gedanke muss hängen geblieben sein.
Langsam nickt Hades. »Ich verstehe, aber wenn du denkst, ich könnte Zeus zur Vernunft bringen …«
»O Moiren, nein, das ist unmöglich«, sage ich. »Es ist beschlossene Sache. Und meine Mutter wird sich nie gegen ihn auflehnen. Und ich kann mich nirgends auf der Erde vor ihr verstecken.«
»In der Tat.«
»Und Vater hat den Himmel, das schließt also noch ein paar andere Orte aus.«
Hades nickt wieder.
Er kapiert es immer noch nicht. Bei den Himmeln, habe ich mich nicht klar ausgedrückt? Ich hatte gehofft, er würde es für seine eigene Idee halten, aber das wird wohl nicht funktionieren.
»Ich will hierbleiben«, sage ich freiheraus.
»Hier?«, fragt er und sieht sich um. »Das ist kein Ort für eine Sterbliche.«
Ich würde die Augen verdrehen, wenn das nicht alle meine Argumente untergraben würde.
»Ich bin keine Sterbliche.«
»Es ist kein Ort für die Göttin der Blumen«, korrigiert er sich, aber sein Tonfall sagt mir, dass er da keinen großen Unterschied sieht.
Na gut.
»Du warst nicht bei meiner Namensgebungszeremonie«, sage ich.
»Ich verstehe nicht, was das damit zu tun hat.«
»Du wirst nicht zu Zeremonien oder Festen oder Feiern eingeladen.«
Hades sieht mich finster an. »Wenn das auf irgendetwas hinauslaufen soll, schlage ich vor, dass du zum Punkt kommst.«
»Das ist der Punkt«, sage ich. »Ich bleibe hier, wo mich niemand finden kann. Im Gegenzug macht meine Anwesenheit hier jeden Olympier, der dich ungerecht behandelt hat, ziemlich wütend.«
Hades lächelt herablassend. »Du glaubst, ich will Rache.«
Ich zucke die Achseln, als würde nicht meine ganze Existenz von seiner Antwort abhängen. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber man braucht nicht unbedingt Rachegelüste, damit Schadenfreude eine gute Alternative sein kann.«
»Ich gebe also meine Einsamkeit auf und nehme eine Göttin bei mir auf, nur um die Olympier zu ärgern?«
»Ganz genau.«
»Nein.«
Mein Mund ist trocken. »Warum nicht?«
Er wirft leise lachend den Kopf zurück, als wäre das irgendwie komisch. »Ich muss dir meine Entscheidungen nicht erklären.« Damit steht er auf. Er ist groß und auf seinem Thronpodest überragt er mich um einiges. Sein schwarzes Gewand schmiegt sich auf eine Weise an ihn, wie es das im Sitzen nicht getan hat, und ich bemerke wieder das Schwert an seiner Hüfte. »Wenn das alles ist –«
»Ist es nicht«, knurre ich, mein Zorn bricht heraus, bevor ich auch nur versuchen kann, ihn zu kontrollieren. »Du weißt genau, zu welchen Gräueln du mich verurteilst. Du schuldest mir wenigstens eine Erklärung.«
»Ich verurteile dich zu gar nichts«, erwidert er scharf, und die kriechende Dunkelheit verdüstert seine Augen, bis das Weiße völlig verschwunden ist. Der Nebel legt sich dicht um seine Haut, zieht sich zusammen, als wollte er explodieren, eine Entladung tödlicher Macht. Diese Versuche, mich einzuschüchtern, machen mich nur noch wütender, und vielleicht erkennt er das, denn er blinzelt, und die Dunkelheit verschwindet zusammen mit seinem Zorn. »Das hat dein Vater getan. Ich weigere mich lediglich, mich in die Entscheidungen des Königs der Götter einzumischen. Du bist es ganz einfach nicht wert, die Olympier zu verärgern.«
»Du willst die Olympier nicht verärgern?«
»Damit sie es mir heimzahlen, in einem unendlichen Kreislauf?« Seine Stimme klingt herablassend und seine Miene ist höhnisch verzerrt. Falls er meine geballten Fäuste und die brennenden Augen irgendwie beachtet, dann stachelt mein Schmerz nur seine gleichgültige Grausamkeit an. »Nein, ich möchte die Olympier nicht verärgern. Ich möchte von ihnen in Ruhe gelassen werden.«
»Scheint, als täten sie das bereits«, sage ich. Ich kann die Bitterkeit in meinen Worten nicht verbergen und bin ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich es überhaupt will.
Mir ist es lieber, wenn er wütend ist, anstatt sich so desinteressiert da hinzustellen, als sei es eine unwichtige Kleinigkeit, mir meine Bitte abzuschlagen, und würde nicht das Ende meiner Welt bedeuten.
Aber jetzt wirkt er gelangweilt. Er betrachtet wieder sein Zepter. Sieh mir wenigstens ins Gesicht, du Feigling.
»In der Tat, und wie gesagt, ich bin vollauf zufrieden.«
»Wie aufregend, sein unsterbliches Leben so zu verbringen.«
»Du wirst meine Meinung nicht dadurch ändern, dass du einen Streit anfängst.«
»Kann sein«, gebe ich zu. »Aber du musst deine Meinung gar nicht ändern.«
Hades runzelt die Stirn.
»Bitte vergiss nicht, dass ich zuerst nett gefragt habe.«
»Du hast eigentlich nicht gefragt –«
»In Hestias Namen berufe ich mich auf Xenia«, sage ich. Es scheint unmöglich, dass hier unten ein Wind weht, aber ich spüre ihn trotzdem. Das Feuer hinter mir knistert lauter, als Hestias Macht den Raum erfüllt. Mein Haar hebt sich an, das Kleid flattert hinter mir, und die Worte liegen mir auf der Zunge, bevor ich sie denken kann, als hätte Hestia selbst die Beschwörung ausgesprochen. »Ich bin weit weg von zu Hause und unter deinem Dach und ich verlange Sicherheit. Ich verlange Gastfreundschaft und einen Platz an deinem Feuer.«
Noch bevor ich zu Ende gesprochen habe, steht Hades keinen halben Meter vor mir, und diese dunkle Wolke umgibt uns beide. Sein Gesicht ist verzerrt von einer Wut, die ich nie zuvor gesehen habe, als hätte ich ihm das schlimmste Unrecht getan.
»So willst du das also angehen, Göttin der Blumen«, fragt er leise, und ich bin mir nicht sicher, ob es bedrohlich wirken soll, aber das tut es. Sein Kiefer ist verkrampft. Die Hand, die das Zepter hält, zittert. Die Fackeln flackern, bis der Rauch sie vor meinem Blick verbirgt, und der Boden unter uns bebt. Ich trete vor, überwinde das bisschen Raum zwischen uns und sehe direkt zu ihm auf, so herausfordernd, wie ich kann, und verziehe meine zarten Gesichtszüge zu einem höhnischen Grinsen. Es fühlt sich unglaublich an. Macht. O Götter, so viele Jahre hab ich bereut, darum gebeten zu haben, und ich hatte die ganze Zeit recht. Das ist es, was ich will.
»Ich hab es auf anderem Weg versucht«, sage ich. »Zeigst du mir jetzt mein Zimmer?«
Seine Nasenlöcher blähen sich bei jedem scharfen Atemzug. Ich habe ihn reingelegt und er weiß es. Xenia zu missachten würde einen Fluch nach sich ziehen, den kein Unsterblicher riskieren würde, selbst wenn die Alternative der Zorn des Olymps ist. Aber jetzt fürchte ich, er könnte mit seiner Antwort genauso gut mich verärgern wie Zeus.
»Merk dir meine Worte, das wirst du noch bereuen«, zischt er.
Ich denke an die schmierigen Männer, die meine Mutter um meine Hand bitten. Ich denke an Reue und ich lächle. »Kann ich mir nicht vorstellen.«
»Blumen halten sich nicht lange in der Unterwelt. Du sicher auch nicht.«
Hades schnippt mit den Fingern und der wirbelnde Wind schubst mich einen Schritt zurück.
»Du bekommst deine Sicherheit«, sagt Hades. »Du bekommst ein Obdach und ich werde auch den Hof wegschicken. Ich werde deinen Aufenthaltsort keiner Seele verraten. Aber ich garantiere nicht für die Geister dieses Reichs, wenn dir Sicherheit also so wichtig ist, rate ich dir, dich ruhig zu verhalten. Wenn du diesen Palast verlässt, dann nur auf eigenes Risiko. Und ich möchte dir nahelegen, mir für die Dauer deines Aufenthaltes hier aus dem Weg zu gehen. Ich kann es nicht leiden, erpresst zu werden.«
Damit dreht er sich um. Der Wind hält mich auf der Stelle fest, bis er den Saal verlassen hat.
Und Mutter sagt, ich sei dramatisch.