Symptome googeln – und Testament schreiben

Gonzo fragt oftmals das Internet, egal ob der Kühlschrank kaputt ist, wie er seinen Fahrradreifen reparieren soll und selbstverständlich auch, wenn er eine Frage zu seiner Gesundheit hat. Gerade in Sachen Gesundheit kommt für ihn das World Wide Web immer häufiger zum Einsatz und wird meist genutzt, bevor der Arzt aufgesucht wird. Somit wird der Arzt oftmals zur Zweitmeinung, da Dr. Google immer in der Hosentasche ist. Egal ob bei Schmerzen, Hautirritationen oder bei starken Gewichtsveränderungen. Das Vorgehen ist immer das Gleiche: Symptome gespürt – das Internet nach Bildern oder Erklärungen durchstöbert. Gonzo ist damit nicht allein. Viele Deutsche recherchieren Gesundheitsthemen im Internet. Und natürlich kann es sinnvoll sein, das Internet für eine erste Bewertung oder Beschreibung aufzusuchen. Schnell und anonym wird so eine Ersthilfe in Sachen gesundheitlicher Fragen gewährleistet. Manchmal wird dadurch der Gang zum Hausarzt erspart, weil die gefundene Beschreibung zur Symptomatik den Rat zur Beratungshilfe in einer Apotheke gibt oder lediglich eine Entwarnung abgeholt wird. Aber natürlich gibt es auch Situationen, wo die vermutete Lösung zum eigenen Krankheitsbild die falsche ist und wo jemand, wie eben der Arzt, dringend zur Kurskorrektur benötigt wird. Deshalb gilt nach wie vor: Wenn die Beschwerden anhalten, geht am Arztkontakt, ob nun in Präsenz oder telemedizinisch, kein Weg vorbei.

Symptome googeln erscheint mitunter wie ein Reflex unserer digitalen Gesellschaft. Immer mehr Menschen lassen sich durch das Internet mitunter soweit beeinflussen, dass sie schließlich sogar krank werden können. Damit wird eines klar. Die alleinige Fokussierung auf Symptome oder auf die Entstehung angstgetriebener Gedankengänge ist alles andere als eine gute Entwicklung. Wenn die Suche nach möglichen Krankheiten einen festen Platz im Leben einnimmt und eine Alltagsbeschäftigung darstellt, bezeichnet man dieses als Hypochondrie oder Cyberchondrie. Wird von den Nutzern Google verwendet, nennt man diese Gruppe auch „Google-Hypochonder“. Problematisch wird es, wenn du beispielsweise hinter einfachen und gut behandelbaren Symptomen zu viel hinterfragst und anfängst, etwas in die aktuelle Situation hineinzuinterpretieren. Du als Patient hast meistens keinen medizinischen Wissensstand, sondern bist Laie auf dem Gebiet. Du weißt daher oftmals nicht, ob medizinische Zusammenhänge vorliegen oder nicht, sodass folglich keine korrekte Diagnose erfolgt. Einzelne Symptome können auf unterschiedlichste Krankheiten hinweisen, sodass du als Laie im Krankheitsdschungel allein mit ihrer Erkundungstour bist. Neben einer fehlerhaften Diagnose kann der sogenannte Nocebo-Effekt entstehen. Negative Gedanken können genau wie ein Placebo wirken, wodurch die Heilung von Krankheiten reduziert oder verlangsamt oder aber echter Schaden am Körper und an der Seele hervorgerufen wird. Nicht-Experten finden beim Googeln die spektakulärsten Krankheiten. Diese Informationsflut kann nur von wenigen Menschen fachlich gefiltert werden, sodass überwiegend Angst und Ungewissheit bei den Googlern entstehen. Diese entstehenden Sorgen und Ängste führen oftmals zum Krankheitsgefühl bei den Symptom-Personen.

Solltest du dennoch weiterhin Google-Sucher von Krankheiten sein, dann achte bitte darauf, dass die Qualität der recherchierten Informationen passt. Die Einträge oder Seitenbeiträge sollten eine aktuelle qualitätsgesicherte Wissensquelle – wie beispielsweise ein medizinischer Fachverband oder eine Krankenkasse – darstellen. Die Informationen sollten aktuell sein und richte auch den Blick darauf, wer die Webseite oder das Portal betreut und die Verantwortlichkeit für den Inhalt trägt. Neben diesen Aspekten ist es zusätzlich sinnvoll, nicht nur eine Quelle zu nutzen, sondern die Recherche auszuweiten und sich mehrere Aussagen und Meinungen über das vorliegende Anliegen einzuholen. Am besten eignen sich Studien, die du beispielsweise über Google Scholar auffinden kannst. Aber auch diese musst du richtig lesen und interpretieren können. Die Aussagekraft und richtige Einschätzung einer Erstdiagnostik zur Symptomatik festigt sich dadurch, dass verschiedene Quellen die gleiche Krankheit hinter der gegoogelten Symptomatik identifizieren. Als vertrauenswürdige Webseiten gelten zudem die nicht-kommerziellen Quellen von Patienten-Information, Gesundheitsinformation oder Verbänden. Aber auch dann, wenn du nach eigener Internetrecherche eine für sich logisch klingende Diagnose ermittelt hast, gilt es, ruhig zu bleiben. Beginne nicht, ein Testament zu schreiben, weil das Internet bei dir eine nicht heilbare Krankheit diagnostiziert, sondern suche Rat bei einem Arzt und bewerte erst dann den tatsächlichen Gesundheitsstatus. Die Selbstdiagnose via Internet kann einen Arztbesuch nicht ersetzen, sodass vor allem bei stärkeren oder lang anhaltenden Beschwerden der bereits erwähnte direkte Weg zum Spezialisten unumgänglich ist.

Bei chronisch kranken Patienten wird es durch das Internet so sein, dass diese ihre Symptome besser einschätzen können und Expertenwissen nach und nach aufgebaut haben, um Spreu vom Weizen besser trennen zu können. Im Internet gibt es genug Informationen. Es geht eher darum, die Guten von den Schlechten zu trennen. Für jedes Pro-Argument gibt es irgendwo ein Contra-Argument und gerade im medizinischen Fachbereich ist es so, dass diese keine eindeutige Wissenschaft ist und die Erfahrung beispielsweise bei der Zusammenführung von Gesundheitsdaten und klinischen Symptomen eine wichtige Rolle spielt. Deshalb gilt es für dich als smarten Patienten: Symptome googeln ist mutig und manchmal ist es besser, sich stattdessen einen Netflix-Film anzuschauen.

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Immer mehr Menschen googeln ihre Symptome und suchen dann ihren Arzt auf. Der smarte Patient versucht, im Informationsdschungel die Spreu vom Weizen zu trennen und eine sinnvolle Einschätzung vorzunehmen. Von einem kritischen und reflektierten Umgang mit Dr. Google können in Zukunft wiederum Arzt und Patient – also beide Seiten – profitieren.

Literatur:

Hübner, M., Schlingensiepen, I. (2017). Viele Ärzte reagieren allergisch auf „Dr. Google“. HNO Nachrichten 47, S. 45.