Kris kommt mit seinem Skateboard in eine Rehaklinik gefahren. Es geht ihm so gut, dass er voller sportlicher Energie eintrifft. Er zieht sich eine Nummer, die ihm einen Platz in der Patientenaufnahme sichert. Zuvor hat er schon alles digital ausgefüllt und sich einen räumlichen Überblick über das große Gelände der Reha-Einrichtung mit den vielen Baustellen gemacht. Vor Ort bekommt er in der Reha-App neben dem Speiseplan für die Woche auch den ungefähren Behandlungsablauf, der sich zwar noch verschieben kann, aber ihn wissen lässt, wie viele Untersuchungen er an einem Tag hat und wann nichts ansteht, damit er seine freie Zeit gut nutzen kann. Zwischenzeitlich schaut er in seinem Zimmer auf seinem großen Tablet Netflix und freut sich über das Highspeed-Internet, das eine perfekte Übertragungsqualität in 4K HD plus ermöglicht. Das Reha-Haus hat die eigenen Fernseher längst abgeschafft, da immer weniger nur das lineare Fernsehen schauen wollten. So oder ähnlich wie Kris geht es heute vielen Menschen in Deutschland … NICHT.
Was erwartest du als Patient von heute, wenn du in ein Krankenhaus oder eine Reha-Einrichtung gehst? Wahrscheinlich in erster Linie, dass es den heutigen Standards und dem modernen Leben angepasst ist. Dass also Prozesse digital basiert ablaufen und digitale Instrumente genutzt werden, die auch dem Patienten zur Verfügung stehen. Außerdem sollte unter einem modernen Krankenhaus von heute doch vor allem eins verstanden werden: dass es dem Patienten Transparenz, Schnelligkeit, qualitative Hochwertigkeit und bestmögliche Versorgung bietet. Um diese zu erreichen, sind die verschiedenen Gesundheitseinrichtungen dazu aufgefordert, die digitale Transformation endlich umzusetzen. Nur digital basierte Prozesse ermöglichen dir eine rundum patientenfokussierte Versorgung. Aber ist die Digitalisierung trotz der heutigen Möglichkeiten schon in den Gesundheitseinrichtungen – vor allem in Deutschland – soweit implementiert worden, dass Prozesse routinemäßig digital ablaufen? Leider erneut nein. Das Krankenhaus ist nach wie vor krank. Das Krankenhaus als Patient auf der Normalstation, manchmal auch auf der Intensivstation und gar nicht so selten auf der Palliativstation. Gesundheitseinrichtungen haben viel zu lange an den analogen Prozessen festgehalten und sind auch heute noch weit weg von Innovation und Fortschritt. Es überwiegen schlichtweg Angst, Kontrollverlust, Kompetenzmangel, Erfahrungswerte und Datenunsicherheit. Immer noch sind viel zu viele Prozesse in Krankenhäusern papierbasiert. Selbst die Patientenaufnahme – ein immer gleicher Ablauf – erfolgt zwar mit Software, aber oftmals noch sehr händisch. Spätestens bei der Unterschrift wird der Patient vielfach gebeten, den Stift in die Hand zu nehmen. Dieser Medienbruch basiert darauf, dass Softwaresysteme meist einer Insellandschaft gleichen und nicht miteinander kommunizieren – aus Datenschutzgründen dürfen Fachabteilungen innerhalb desselben Krankenhauses noch nicht einmal miteinander Daten austauschen. Grund dafür ist meistens, dass die Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen der Digitalisierung vorurteilsbehaftet gegenüberstehen und sie nur langsam als Chance wahrnehmen. Lang andauernde und zugleich schlecht kopierte Anamnese- und Aufklärungsbögen sind im Krankenhaus immer noch alltäglich. Sie verkürzen zwar deine Wartezeit, aber du kannst dir sicher Besseres vorstellen. Wusstest du, dass Gesundheitseinrichtungen mit teilweise standardisierten Papierformularen, die einer Mindestabnahmemenge unterliegen, arbeiten? Somit muss die Einrichtung eine Bevorratung mit entsprechender Lagerungsmöglichkeit schaffen. Dabei ist zu bedenken, dass Formulare oftmals durch neue gesetzliche Regelungen und politische Rahmenbedingungen sowie andere qualitätsmanagement-basierte Vorgaben geändert und neu gekauft werden müssen. Die noch auf Vorrat lagernden veralteten Papierdokumente müssen dann entsorgt werden, womit wiederum unnötige Kosten entstehen. Das läuft hinter den Kulissen ab und dürfte den einen oder anderen erstaunen. Die Digitalisierung bietet dabei technisch eine unproblematische Dokumentenerhebung – theoretisch.
Durch viele neue Technologien wie Roboter (z. B. Robotik in der Pflege, DaVinci-Operationsroboter), künstliche Intelligenz (z. B. in der Radiologie), augmentierte Realität (z. B. bei der Operation von Lymphknoten, indem diese auf die Haut für den Operateur ins Operationsfeld projiziert werden) und verbesserte bildgebende Verfahren wird das Krankenhaus insgesamt deutlich fortschrittlicher Krankheiten erkennen und behandeln können. Durch mehr Daten über ein Krankheitsbild werden auch maßgeschneiderte individuelle Therapiemöglichkeiten gewählt und durch minimalinvasive Operationen die Dauer im Krankenhaus verkürzt werden. Dann kannst du wie Kris auch schnell wieder – vielleicht ebenso mit dem Skateboard – zurück nach Hause fahren.
TAKEAWAY-MESSAGE
Zukunftsfähige stationäre Einrichtungen, Krankenhäuser wie Reha-Einrichtungen, sind in Deutschland immer noch Mangelware. Ohne einen deutlichen Digitalisierungsschub wird diese Aufholjagd nicht zu bewältigen sein. Sollte dieser Schritt dann einmal erreicht sein, geht der Entwicklungsprozess natürlich weiter. Ausruhen gilt nicht mehr. Es muss in Zukunft transparenter, schneller und effektiver zugehen im Krankenhaus, das sich zu einem Gesundheitshaus wandeln wird, in dem du dich morgen wohler fühlst als heute – weil du digitale Möglichkeiten nutzen wirst, die den Aufenthalt deutlich vereinfachen werden. Aber auch die angewandten Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten werden auf ein neues Level gebracht und zur Spitzenmedizin für dich führen.
Debatin, J., Gocke, P. (2015). IT im Krankenhaus: Von der Theorie in die Umsetzung, in: Medizinischer Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG.
Krüger-Brand, H. (2019). Elektronische Patientenaufklärung: Tablet statt Klemmbrett, in: Deutsches Ärzteblatt 2019., URL: https://www.aerzteblatt.de/archiv/206951/Elektronische-Patientenaufklaerung-Tablet-statt-Klemmbrett, Abruf 01/2023.
Meier, P., Düllings, J., Henkel, A. (2019). Digitale Transformation der Gesundheitswirtschaft: Chancen und Herausforderungen in disruptiven Zeiten, in: Kohlhammer.