Um die Worte des ehemaligen Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung Andreas Westerfellhaus zu zitieren: „Reden Sie bitte in meiner Anwesenheit niemals über Pflegeroboter. Es wird Pflegeroroboter niemals geben! Es wird eine Robotiksystematik geben, die Unterstützung leistet als Instrument. Roboter können nicht pflegen!“ Der Begriff Pflegeroboter polarisiert, weil sich jeder etwas darunter ausmalen kann, aber niemand so richtig weiß, was genau Pflegeroboter sind. Das zeigen auch aktuelle Befragungen zu dem Thema, die mit gleich verteilten Nennungen aller Antwortkategorien keine Klarheit bringen. Man sieht zu den Ergebnissen vieler solcher Befragungen, dass man im Grunde nichts sieht. Für einige ist es eine reine Provokation und ein erster Schritt in die Richtung, die „warme Hand“ der Pflege durch die „kalte Hand“ des Roboters zu ersetzen. Wird es den Pflegekräften von morgen wie den Webern zu Beginn der Industrialisierung in Großbritannien ergehen, die (zurecht) Angst vor der Konkurrenz durch den automatischen Webstuhl hatten?
Diese Frage stellt sich auch Pauline, die eine Ausbildung in der Pflege machen möchte, da dieser soziale Beruf sie schon immer interessiert hat. Stellt sich überhaupt diese Frage bei einem so erheblichen Fachkräftemangel, wie wir ihn aktuell erleben und noch viel stärker erleben werden? Werden künftig, wie z. B. bei der Ausbildung von Piloten in der Luftfahrtindustrie, Simulatoren in der Pflege genutzt, um die Pflege sicherer zu machen? Ist der Pflegeroboter nur ein Mythos oder doch ein Meilenstein? Pauline hat sich schon vor ihrer Arbeit sehr mit der Materie Pflege und Digitalisierung beschäftigt. Aufgrund des heute schon vorherrschenden und zukünftig weiter steigenden Personalmangels in der Pflege müssen sich die Pflegeakteure neu aufstellen und den technischen Fortschritt zur Unterstützung integrieren. Potenzial ist vorhanden: Denn rund ein Drittel der Pflegezeit wird für die eigentliche Pflege aufgewendet, ein weiteres Drittel für pflegenahe Tätigkeit (Essen bringen, Wäsche waschen) und das letzte Drittel für Dokumentation bzw. Bürokratie. Somit gibt es alleine in den beiden zuletzt genannten Dritteln eine Menge an Effizienzreserven, um es positiv auszudrücken. Und das Problem wird sich in den nächsten Jahren noch deutlich verschärfen.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass im Jahre 2030 in Deutschland schätzungsweise 500.000 Pflegekräfte fehlen werden und der Pflegebedarf demnach nicht einmal mehr annähernd gedeckt werden kann. Auch andere Länder haben diese Probleme. Kommt jetzt der Pflegeroboter ins Spiel? Selbst in Japan gibt es heute noch keine humanoiden Pflegeroboter außerhalb von Laboren, obwohl es dort traditionell eine Offenheit gegenüber technischen Assistenzsystemen gibt. Dennoch bleibt die Hoffnung, dass Pflegeroboter einerseits Pflegekräfte und -bedürftige unterstützen können und andererseits die persönliche Autonomie fördern. In den Augen mancher stellen sie eine gewisse Gefährdung für die Bereiche Privat- und Intimsphäre sowie informationelle Autonomie dar. Dennoch darf aktuell resümiert werden, dass Roboter in der Pflege unterstützen werden, als fahrerlose Transportsysteme, Reinigungs- und Desinfektionsroboter, intelligente Pflegehilfsmittel, Telepräsenz- und Diagnoseroboter sowie als emotionale Roboter wie die Pflegerobbe mit dem Namen „Paro“.
In manchen Pflegeheimen kannst du schon heute die ersten Pilotprojekte mit Robotik sehen, zum Beispiel den Pflegeroboter Pepper. Dieser Roboter ist 1,20 Meter groß, 40 Kilogramm schwer und wird vorwiegend zur Unterhaltung von Senioren angeschafft. In ihm sehen ältere Menschen einen Ansprechpartner, einen Zuhörer und einen Entertainer, der den Tag gestaltet. Dieser soll nicht die menschliche Pflege ersetzen, sondern den Pflegenden unterstützend zur Seite stehen, beispielsweise bei Routineaufgaben oder bei körperlicher Anstrengung. Weitere technische Unterstützungssysteme sind WC-Sitze, die über eine hydraulische Anpassung der Sitzhöhe, eine Waage und schließlich auch über die Möglichkeit zur Vitaldatenmessung verfügen. Denkbar sind zudem digitale Medikamentenschränke bzw. Pill-Reminder, die über eine Erinnerungsfunktion verfügen, die an die Einnahme der richtigen Medikamente erinnern. Auch erwarten wir Tracking-Module mit GPS-Technologie, die per Knopfdruck eine Notrufkette aktivieren. Eine Ortung des Benutzers kann jederzeit via Satellit oder Handynetz erfolgen oder es gibt eine Meldung an Betreuungspersonen beim Verlassen eines vorher definierten Bereiches – im Prinzip eine Art „elektronische Fußfessel“, die immer noch besser ist als eine analoge Fixierung im Bett. Heute schon gibt es Bewegungssensoren rund um das Bett, die erkennen, wenn jemand aus dem Bett gestürzt ist oder nachts umherwandert. Darüber hinaus gibt es integrierte Licht-Leit-Systeme im Boden, die dem Patienten nachts den Weg zur Toilette zeigen und Stürze vermeiden. Und es gibt intelligente Bad-Spiegel, die per Icons durch den morgendlichen Pflegeprozess führen (Einblendung von Symbolen zur Zahnpflege, Rasur usw.) und gleichzeitig die Nachrichten des Tages einblenden, was ein selbstständiges und unabhängiges Leben ermöglichen soll.
Aber nicht alles, was in der Theorie einleuchtet, scheint auch in der Praxis sinnvoll zu sein. So ist beispielsweise ein solches Projekt mit einem intelligenten Bad-Spiegel bei Demenz-Kranken gescheitert, weil sich die zu Pflegenden jedes Mal aufs Neue erschreckt haben, wenn der Spiegel im Bad angefangen hat, morgens mit ihnen zu sprechen. Diese hängen jetzt in Designer-Hotels und suchen nach neuen Anwendungen. Darüber hinaus gibt es digitale Übungsprogramme zur kognitiven Aktivierung (Gedächtnis- und Alltagstraining speziell für Senioren) an berührungsempfindlichen Displays, die weder Tastatur- noch Mausbedienung erfordern. Bekannt ist auch der Einsatz von Spielekonsolen mit altersgerechter Software und der Bedienung über Körperaktionen. Für zu Hause kommen Kommunikations- und Interaktionsroboter, Mobilitätshilfen wie der Treppenlift und Handhabungshilfen in Frage. Dabei ist jedoch weiterhin die Tatsache zu bedenken, dass die Pflegekraft den digitalen Helfern in verschiedenen Situationen heute noch deutlich überlegen ist und anders als bei einer zwischenmenschlichen Beziehung viele wichtige Informationen heute nicht wahrgenommen werden können. Roboter mögen bei Routineaufgaben ihre Stärken haben. Steht der Roboter vor einer Aufgabe, die er vorher nicht hatte, ist er heute noch gnadenlos aufgeschmissen. Beispielsweise kann der Roboter in komplexen Situationen nicht immer die richtigen Entscheidungen treffen. Und deswegen ist Pauline sich sicher, dass sie in Zukunft mit dem Roboter im Team zusammenarbeiten wird, dieser aber niemals komplett ihren Job übernehmen kann. Und das ist auch gut so, denn die Technik wird sie in ihren vielen vor ihr liegenden Berufsjahren entlasten und damit auch ihre Gesundheit schützen.
Während dir vielleicht bei dem Gedanken an technische Systeme in der Pflege ein kalter Schauer über den Rücken läuft, gibt es sicherlich andere Menschen, die aus Gründen der Eigenständigkeit digitale Helfer einem Menschen bevorzugen würden. Eine kritische Diskussion darüber werden sich in Zukunft vor allem Gesunde ohne pflegende Angehörige leisten können, denn für Pflegende wird es wohl langfristig wenig Alternativen geben. Vielleicht werden sich dann doch sogenannte „Senior Robots“ als smarte Assistenten um die Älteren kümmern müssen, wenn es keine Alternativen gibt. Zukunftsforscher gehen heute davon aus, dass in 15 Jahren mehr Pflegeroboter geleast werden als Autos.
TAKEAWAY-MESSAGE
Der Diskurs zum Einsatz von humanoiden Pflegerobotern wird derzeit noch ambivalent bewertet. Einerseits können Pflegeroboter sinnvoll dazu eingesetzt werden, die Pflege neu zu organisieren und Pflegekräfte von unwesentlichen Aufgaben zu entbinden, andererseits gibt es Kritiker, die befürchten, dass humanoide Roboter irgendwann das Personal ersetzen könnten. Fest steht jedoch: Je komplexer eine Aufgabe ist, desto mehr sind und bleiben wir auf menschliche Pflege angewiesen.
Das Zitat von Andreas Westerfellhaus stammt von der Konferenz „eHealth & Society“ der FOM Hochschule und wurde am 20. Februar 2019 in München aufgezeichnet.
Elmer, A., Matusiewicz, D. (2019). Die Digitale Transformation der Pflege – Wandel. Innovation. Smart Services, MWV, 1. Auflage, Berlin.
Bendel, O. (2017). Pflegeroboter, Bendel, O. (Hrsg.), Springer Gabler, 2017.
Werner, J. A. (2022). So krank ist das Krankenhaus. Klartext, Essen.