LATRINENGERÜCHTE – HANDYS IMMER UND ÜBERALL

Sie begleiten uns auf Schritt und Tritt. Aber gibt es da nicht diese eine Sitzung, bei der wir sie vielleicht doch nicht mitnehmen sollten?

Handys haben uns Orte kommunikativ erschlossen, von denen wir nicht zu träumen wagten, Albträume inklusive. Oder konnten wir uns vor 25 Jahren vorstellen, auf der Toilette zu telefonieren?

Abgesehen von den technischen Problemen – die Telefonkabel hatten selten die nötige Länge – waren wir früher durchaus froh, ein stilles Örtchen zu haben, an dem wir ungestört waren. Die Stille haben wir dem Örtchen mittlerweile ausgetrieben.

Sind dort bis vor Kurzem hauptsächlich die Sportteile der Tageszeitungen, bunte Heftchen mit Strickmustern oder Supermarktflugblätter aufgelegen, wird nun auch medial aufgerüstet. Schwere Brüter schrecken nicht davor zurück, knifflige Sudokus mitzunehmen, die ganz Gemütlichen haben längst einen Fernseher neben der Klopapierhalterung montiert.

Wir setzen unsere Spiele am Handy fort, aktualisieren den Status von unseren sozialen Netzwerken, rufen Mails ab und abgesehen davon, dass wir unser Lieblingsspielzeug dadurch mit allerlei Keimen benetzen: Wir kommunizieren!

Schaffen wir es tatsächlich nicht mehr, diese fünf bis sieben Minuten, die wir eigentlich dem Abschluss des Stoffwechsels widmen wollten, alleine zu sein? Haben wir Angst, etwas zu versäumen, sollten wir ein paar Minuten offline sein? Oder brauchen wir genau die ursprüngliche Ungestörtheit, die so ein Klosett bietet, um endlich die Gedanken zu Ende denken zu können, die außerhalb des WCs von zu vielen Reizen ständig irritiert und aus den Gehirnbahnen geworfen werden? Und die wir dann unbedingt gleich weiterleiten müssen?

Die Dezenteren unter uns begnügen sich mit Schreiben und senden SMS oder Facebook-Einträge ab, die im Ambiente des WCs gefertigt wurden. Andere, weil wir ja sicher nicht, telefonieren sogar. Zum Teil nicht ganz beabsichtigt, weil das Telefon genau in diesem Moment der ganz speziellen Sitzung geläutet hat und man nicht unhöflich sein wollte und abgehoben hat.

Nur: Was ist unhöflicher?

Das Telefon läuten zu lassen –

oder seinem Gegenüber mit heruntergelassener Hose zu antworten?

„Der merkt das doch gar nicht!“, könnte man antworten. Stimmt. Wenn Sie sicher sind, die Videotelefonie nicht aktiviert zu haben, wird er Sie nicht sehen.

Aber ob er es wirklich nicht merkt?

Es gibt ja durchaus weitere Anzeichen für eine suspekte Umgebung. Oft hört man beim Telefonieren einen leichten Hall, der darauf hinweist, dass der Partner am WC sitzt. Ganz abgesehen von anderen Geräuschen: ein Plumpsen … ein Plätschern … entweichende Gase … speziell wenn man im Eifer der Diskussion vergisst, dass man eigentlich verschleiern will, wo man gerade spricht.

Und bitte aufpassen: Als äußerst verräterisch erweist sich in diesem Zusammenhang natürlich die Lärmentwicklung des abschließenden Spülvorgangs.

Öffentliche Toilettenanlagen stellen diesbezüglich eine noch größere Herausforderung dar, da man dort noch weniger Einfluss auf die Geräuschkulisse nehmen kann. Sie bieten aber auch einen interessanten Einblick in die Seelenlandschaft der Mitmenschen, wenn man Telefonate in den Nachbarzellen mit anhören darf …

Es zahlt sich also aus, die Zeit auf der Toilette wirklich in aller Ruhe zu nützen. Im Idealfall nehmen wir unser Handy an diesen Ort erst gar nicht mit. Allerdings sollten wir dann auch über die nötige Coolness verfügen, wenn wir unser Telefon von außerhalb lautstark bimmeln hören. Denn ein plötzliches Aus-dem-WC-Herausstürzen mit offener Hose hinterlässt bei allfälligen Zuschauern keinen tadellosen Eindruck.