Mit schweren Ketten wurden im Mittelalter Schiffe auf der Donau angehalten, um von ihnen Zoll zu erpressen. Der Legende nach sollen sich die Herren der Burg Aggstein in Niederösterreich dabei besonders hervorgetan haben. Vom Mautherrn zum Raubritter war offensichtlich kein großer Schritt zu setzen, der Stoff für düstere Szenarien in der malerischen Wachau. Ja, so eine Donauschifffahrt konnte lange dauern, aber Langeweile kam nie auf.
Vieles hat sich geändert, aber die Donau fließt immer noch, wenn auch begradigt und von anderen Herren überwacht. Zum Beispiel von der Energiewirtschaft, die mit Kraftwerken und Schleusen beschäftigt ist. Das Hochwasser von 2013, verursacht durch enorme Regenmengen, konnte seine Zerstörungskraft durch kleine technische Details noch vergrößern.
„Kontrollierte Überflutungen“ haben ursprünglich den Sinn, größeren Schaden abzuwenden. Mit Schleusen kann man gezielt Wassermassen von einem Gebiet, das stark bevölkert und schwer bedroht ist, in ein dünner besiedeltes Gebiet umleiten. Da wir uns aber von mittelalterlichen Grausamkeiten weit entfernt haben und in lichter Harmonie und Aufmerksamkeit miteinander leben, informiert man beizeiten die Gemeinden, die in den nächsten Stunden mit einem steigenden Pegel konfrontiert sein werden. Damit man dort das Nötigste packen, die Tiere, seine Lieben und das eigene Leben aus der Gefahrenzone retten und vielleicht auch noch Schulzeugnisse, Familienfotos und das TV-Programm in den ersten Stock in Sicherheit bringen kann.
Im gegenständlichen Fall öffnete das Kraftwerk in Aschach seine Schleusen, und per Mail wurde über die steigende Donau informiert. Doch leider ging es nicht an die richtige Adresse.
Eine Fehlermeldung gibt im Normallfall darüber Auskunft, dass eine E-Mail nicht ihr Ziel erreicht hat. Daraus kann der Absender seine Schlüsse ziehen. Wenn er die Fehlermeldung sieht, öffnet und vollinhaltlich erfasst. Bei bestimmten E-Mails sollte man vermehrt auf solche Anzeichen achten. Zum Beispiel bei jenen, die wir der Geliebten schicken und um Verzeihung bitten, weil wir ausgerechnet am Hochzeitstag ihren Mann von unserer Liaison im Saunaclub in Kenntnis gesetzt haben. Oder wenn wir dem Chef mitteilen, dass wir doch nicht die Morgenschicht übernehmen können, weil wir plötzlich an einer Lungenentzündung erkrankt sind und uns in einem Flugzeug auf dem Weg zu einem der führenden Fachärzte in Rio de Janeiro befinden. Oder wenn wir ein Areal fluten, in dem zahlreiche Menschen in ihren Häusern leben, damit der Krisenstab des Landes entsprechende Vorkehrungen treffen kann, wie etwa Evakuierungen vorzubereiten. In dieser Situation in Oberösterreich durfte die Fehlermeldung nicht ihre gesegnete Wirkung verbreiten.
Die gute Nachricht zuletzt: In den vier Ortschaften, die betroffen waren, gab es keine menschlichen Todesopfer. Ein Millionenschaden an Häusern und Besitz sowie Menschen in Todesangst trüben das Ergebnis der Flutung allerdings. Ob alle Zeugnisse und TV-Programme in Sicherheit gebracht werden konnten, bleibt offen.
In Zukunft wird man sich hoffentlich in solchen Krisenszenarien mehrfach absichern und neben der E-Mail auch twittern, simsen, faxen, telefonieren und berittene Boten losschicken.