KONTROLLE IST GUT, KONTROLLPROGRAMME SIND BESSER

Je reifer der Nachwuchs, umso nervöser wird so mancher Elternteil, wenn es um die Abendgestaltung geht.

„Wohin gehst du?“

„Gut. Wie immer.“

Zweifellos hat das Gesprächsniveau von Eltern mit ihren Kindern noch Luft nach oben hin. Speziell der Informationsgehalt von jugendlichen Antworten stärkt nicht gerade das Vertrauen in deren Fähigkeit zur sinnerfüllten abendlichen Freizeitgestaltung. Was bleibt den Eltern über, als ängstlich zu Hause auf ihre Allerliebsten zu warten? Zum Glück gibt es immer wieder bemerkenswerte Erfindungen wie das Schießpulver. Oder neuerdings das Smartphone.

Oft ist es nur eine Frage der Dosis oder der korrekten Anwendung und schon werden an und für sich verdammenswerte oder gefährliche Entdeckungen zum Segen für die Menschheit. Man denke nur an Suchtmittel, die in der Medizin heilend eingesetzt werden können. Ähnlich verhält es sich letztlich mit den Smartphones.

Wenn das Heiligtum unserer Kinder verlässlich unbeobachtet ist, können wir sogenannte „Parental Spyware“ darauf installieren und mit den richtigen Programmen nicht nur ihre Telefonate mithören und ihr Internetverhalten überwachen, sondern wissen auch, wo sie sich im Moment aufhalten. Wobei es uns aufrechten Demokraten nur darum geht, unsere Kinder vor allen erdenklichen Gefahren zu schützen.

Grenzenloses Glück verspricht erst die „RFID – Radio Frequence Identification“! Nein, damit ist kein vierwöchiges Open-Air-Rockfestival gemeint. Es handelt sich dabei vielmehr um eine Überwachung durch einen sehr kleinen Transponder, der durch elektromagnetische Wellen überwacht werden kann, sofern man über das entsprechende Lesegerät verfügt. Zahlreiche Behörden nützen diese Technologie bereits, man findet so einen RFID-Chip beispielsweise in den biometrischen Reisepässen der Europäischen Union.

So ein Implantat hinter den Ohren unseres Nachwuchses wäre doch ganz praktisch, dazu Lesegeräte an relevanten Orten wie der Haustür, dem Schuleingang, den Toilettenanlagen am städtischen Bahnhof und so weiter.

Auch zur angeblich schönsten Zeit des Jahres sollten wir unsere Kinder nie aus den Augen lassen. Der Urlaub im Süden bleibt nicht nur wegen der unvergesslichen Bootstour zum Whale Watching in Erinnerung. Die Touristen halten Ausschau nach Walen und Delfinen, die Besatzung nach Bootsgästen, denen der Wellengang nicht gut zu Gesicht steht, um Plastiktüten zu verteilen. Neben den Wassersäugern beobachten die engagierten Eltern auch ihre Töchter und Söhne. Am Boot, am Strand, am Pool. Seit Kurzem sind sie dort allerdings kaum mehr zu finden. Dafür halten sie sich mit Vorliebe in der Hotellobby auf.

Warum? Liegt es am Kulturprogramm, das die Reiseveranstalter dort offerieren? Oder fühlen sich die Jugendlichen von den Fresken an den Wänden des Hotels angezogen? Oder liegt es vielleicht an der kleinen Tafel neben dem Hotel-PC mit der Aufschrift „Free Wi-Fi“? Dem Zauberwort, hinter dem sich Gratisinternetzugang und somit volle Smartphone-Nutzung auch im Urlaub verbirgt.

Dies sorgt für eine belebte Lobby – sicher bis nach Mitternacht, allerdings in beschaulicher Stille. Die Jugend belegt die Sitzlandschaften, zum Teil übereinander, hin und wieder ist ein Kichern zu hören. Die nebeneinander sitzenden Mädchen und Buben kennen einander, sogar namentlich, sind sogar befreundet – das kann man sofort per Facebook-Eintrag belegen – aber sie vermeiden die gute alte Face-to-Face-Kommunikation. Stattdessen kommunizieren sie shoulder-to-shoulder via Bildschirm. Von wegen im Dunkeln ist gut Munkeln: Die Kids suchen das Zwielicht, damit sie auch genug auf ihren Displays erkennen. Das elterliche Frühwarnsystem kann vorsichtig heruntergefahren werden: keine laute Musik, keine Cocktails, keine ekstatischen Bewegungen auf der Tanzfläche, ja, nicht einmal eine Tanzfläche.

Außenseiter erkennt man daran, dass sie einen simplen Anfängerfehler begangen haben. Da sie keinen Adapter für die hiesigen Steckdosen mithaben, dürfen sie zusehen, wie der letzte Saft aus dem Handy entweicht. Kein Akku, kein Handyvergnügen. Nun sind sie dazu verdammt, am Zimmer deutschsprachige Kanäle im Fernsehen suchen zu müssen. Außer sie finden bei einem Spaziergang am Strand, romantischer Sonnenuntergang inklusive, vor dem Rauschen der Wellen, die mit ihrem nicht aufhörenden Heranrollen den Lauf des Lebens vorwegnehmen, einen aufmerksamen Einheimischen, der sein Herz öffnet und sie mit seinem Smartphone spielen lässt. Denn die wahren „Angry Birds“-Spieler verstehen sich schließlich über fremde Kulturen und Sprachen hinweg.

Manche Eltern wissen jetzt nicht, ob sie beruhigt sein sollen, weil die sexuelle Unversehrtheit der Jungen erhalten bleibt oder ob sie sich gleichzeitig nicht genau deshalb Sorgen um die Zukunft der Menschheit machen müssen. Handelt es sich vielleicht um einen Vorgeschmack eines „Zölibatssyndroms“, das vor allem durch japanische Medien geistert? Im Land der Unterhaltungselektronik von „Sony“ und „Panasonic“, um nur zwei wichtige Konzerne zu nennen, ziehen sich immer mehr Menschen aus Beziehungen zurück. Virtueller Sex scheint eine attraktive Alternative zu sein. Laut Studien des Berlin-Instituts nimmt die Bevölkerungszahl dort stetig ab. Als letzte Hoffnung bleibt wahrscheinlich nur noch eine App für künstliche Befruchtung.