Kinder schauen laut einer deutschen Studie am liebsten KIKA, den öffentlich-rechtlichen Kinderkanal Deutschlands. Je näher die Kids der Pubertät kommen, desto öfter erscheinen RTL und ProSieben auf dem Bildschirm: „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, „Germany’s next Topmodel“ oder „The Vampire Diaries“. Auch Serien wie „Two and a half Men“, „How I Met Your Mother“ und „Scrubs“ scheinen in einer Endlosschleife durch die Kanäle zu laufen. Besonders beliebt sind nach wie vor „The Simpsons“. Die gelben Zeichentrickfiguren gibt es sogar als Spiel für den iPod. Als Nintendo-Konsolen-Spiel. Die Simpsons auf dem Mousepad. Als Kartenspiel. Und als Eissorte, geschmacklich an Vanille angelehnt. Theoretisch könnten sich die Kids Bart und seine Familie über mehrere Kanäle und Körperöffnungen gleichzeitig reinziehen. Und währenddessen Schach spielen, richtig, mit Simpsonsfiguren.
Generell scheint alles leichter zu gehen, wenn der Fernseher nebenher läuft: Essen, Spiele am Handy spielen, auch die Mathe-Hausübung wird erträglicher, wenn im Hintergrund die Wohngemeinschaft der „The Big Bang Theory“ den Bildschirm bevölkert. Kürzlich habe ich sogar ein Kind dabei beobachtet, wie es sich mit einem Buch vor dem Flatscreen niederließ. Besorgte Medienpädagogen warten ja nur darauf, dass jemand nur noch dann fernsehen kann, wenn gleich dahinter ein zweites TV-Gerät zur Entspannung läuft. Wenn man allerdings bei Kindern zwischen sechs und 13 Jahren nach den Gründen fragt, stellt man fest, dass mit zunehmendem Alter die Frage nach dem Warum immer öfter mit „Einfach so“ beantwortet wird. Je jünger die Kinder sind, desto gezielter wird das TV-Gerät angeworfen.
Obwohl: Werfen wir einen Blick in die deutschen Haushalte. Nicht einmal die Hälfte aller Kinder hatte 2012 einen Fernseher im Kinderzimmer stehen, hier war sogar ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen.
Wird nun wie selbstverständlich das Wohnzimmer für den TV-Konsum okkupiert? Schließlich bietet dort das Fenster zu den rund 200 Kanälen gefühlte 50 Zentimeter mehr in der Diagonalen. Oder hat es vielleicht damit zu tun, dass man auf immer mehr Smartphones auch fernsehen kann? Gleichzeitig nähert sich der Handybesitz der 12–13-Jährigen der 100-Prozent-Marke.
Selbstverständlich gilt das nicht nur für Kinder: Handys, Computer und Fernseher sind fixe Bestandteile einer deutschen Familienidylle, die Durchdringung liegt bei nahezu 100 Prozent. Selbst Digitalkameras sind in über 90 Prozent aller Haushalte, in denen Jugendliche wohnen, und haben damit sogar die Radios überholt. Mädchen liegen beim Besitz der Kameras vorne, dafür führen die Burschen bei den Spielkonsolen. Die Anzahl der Tablet-PCs hat sich 2013 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt, etwa jeder dritte Haushalt mit Heranwachsenden verfügt über ein Gerät.
Laut einer Befragung sind Musikhören und Internet unserer Jugend noch wichtiger, jeweils rund 90 Prozent, als das Handy (82 Prozent). Wenn man aber bedenkt, dass man mit einem Smartphone alles in einem hat, dann … dann … landen iPhone und Co – wenn mein Taschenrechner nicht irrt – mit über 260 Prozent bei allen Jugendlichen unschlagbar auf Platz 1.
Nebenbei bemerkt: keine Aussicht auf Besserung im Alter. Die Universität Bonn hat im Rahmen einer Studie das Handyverhalten von 50 Studenten untersucht. Durchschnittlich wurde das Mobilgerät untertags alle zwölf Minuten aktiviert. Die sogenannte App „Menthal“ soll helfen, das Handy-suchtverhalten zu entlarven. „Wenn Sie eine digitale Diät machen wollen, dann stellen wir Ihnen dazu die Waage zu Verfügung“, meint Alexander Markowetz, Junior-Professor für Informatik.
Der positive Aspekt des Suchtverhaltens: In den Kinderzimmern ist es im Gegensatz zu früher bedeutend ruhiger geworden. Keine Bälle, Kissen, Barbiepuppen oder Tipp-Kick-Figuren, die durch die Gegend fliegen. Nun können die Eltern sorgenfrei ihre Nachmittage gestalten. Der Vater zum Beispiel seine Charaktere bei „Grand Theft Auto V“ (für Insider: GTA 5) in Ruhe weiterentwickeln und die halbtags beschäftigte Mutter in ihrem Homeoffice endlich auch zu Hause weiterarbeiten. Damit man sich schließlich doch den Weihnachtsurlaub gönnen kann. Wo man dann unter Umständen feststellt, dass man mit Fremden verreist ist. Oder zumindest mit Entfremdeten. Die Abnabelung der Kids hat wie früher stattgefunden, nur ohne körperliche Absenz wie in vergangenen Jahrzehnten: soziale Netzwerke statt Diskothek, Filmdownload statt Kino, Ego-Shooter statt Pfadfinder.
Man kann diese Entfremdung aber leicht wieder aufholen, indem man sich auf der Facebookseite des anderen anschaut, was er im letzten halben Jahr so getrieben hat. Wenn man noch zu seinen Freunden gehört und Einblick in seine privaten Einstellungen bekommt. Das ist ein Status, den wiederum nicht alle Eltern erreichen. Durchaus belegt mit einer Argumentationskette, die ihresgleichen sucht: „Papa, ich werde dich nie, nie, nie zu meinen Freunden hinzufügen. Ich bin ja kein Opfer! Du bist so extrem peinlich!“
Wenn man sich schon zu den Vorlieben der Kleinen vorarbeiten kann, hat man natürlich die ultimativ richtigen Weihnachtsgeschenke zur Hand: Simpsons-Becher, Simpsons-Gläser, Simpsons-Kissen, Simpsons-Poster und für die gesegnete Nachtruhe die Bettwäsche mit Lisa und ihrem verzerrten Gesicht, Edvard Munchs „Der Schrei“ nachempfunden. Weil, das muss hier bei aller kommerzieller Ausschlachtung festgehalten werden: Die Fans der Abenteuer in Springfield sind vieles, aber sicher keine Kulturbanausen.