Kapitel 2
Om det fortsätter så, kommer jag aldrig att bli svärmor.
Thore
Der Rasierapparat gleitet über mein Kinn und hinterlässt einen gut gestutzten Bart. Mit der Hand fahre ich über die blonden Haare und lege sie mir zurecht. Auch wenn sie es noch nicht weiß, habe ich heute ein Date. In zwei Stunden legt die Fähre am Hafen ab. Heute geht nur ein Saufschiff nach Finnland und ich bin mir sicher, dass Clara und Nicole dieses nehmen werden. Und wer weiß? Vielleicht teilt Clara heute Nacht sogar eine Kabine mit mir. Grinsend rüge ich mich selbst für diesen Gedanken und packe meine Sachen für die Überfahrt zusammen, als es klopft und die Tür sich ohne Umschweife öffnet.
»Thore, bist du bereit?« Lasse steht im Türrahmen des Badezimmers und sieht mich dämlich grinsend an. So lange ich während der Semesterferien in Stockholm bin, penne ich bei seiner Familie. Nächste Woche geht es jedoch zurück nach Karlstad.
»Hast du meine Krawatte gesehen?«, frage ich ihn, ohne auf seine letzte Frage zu antworten.
Eine seiner Brauen wandert nach oben und mustert mich. »Du willst doch nicht ernsthaft einen Anzug heute Abend tragen.«
»Die Ladys stehen auf Anzüge, schon vergessen? Jede Frau steht da drauf.« Mit verdrehten Augen blicke ich auf seine viel zu tiefhängende Hose herunter. So gehe ich bestimmt nicht auf ein Schiff −
oder überhaupt vor die Tür.
Aus Lasses Mund ertönt ein Schnauben. »Du bist hier nicht der Herr Professor von der Uni. Es sind Ferien. Zieh dir ein ordentliches Hemd und ’ne Jeans an, wenn du nicht wie ein Lackaffe aussehen willst.«
Ich drehe mich um und gehe zu meinem Koffer. Hemd und Jeans, ob er recht hat? Langsam beschleicht mich das Gefühl, dass ich längst aus dem Alter raus bin, in dem man eine solche Schiffsfahrt angehen sollte. Seufzend ziehe ich ein dunkelrotes Hemd hervor und halte es mir vor die Brust. »Ist das genehm, der Herr?« Jetzt ist es Lasse, der die Augen verdreht und mir dann aber ein okay gibt. Ich streife mir das alte Shirt über den Kopf und schlüpfe in das Hemd hinein. Zugegeben, es sieht gar nicht mal so schlecht aus. Es liegt eng genug an, dass man meine Bauchmuskeln erahnen kann und ist gleichzeitig weit genug, sodass ich nicht darin schwitzen dürfte. Ich schmeiße meinen Kulturbeutel sowie meine Badehose, falls es einen Pool gibt, und ein paar Klamotten für morgen früh in meinen Rucksack und stecke die beiden Fahrkarten, die ich eben erst ausgedruckt habe, in mein Portemonnaie.
»Und du? Willst du so gehen?«, kritisch begutachte ich seine Baggy und bin froh, als er den Kopf schüttelt.
»Ne, das sind bloß meine Werkstadt Klamotten, ich zieh mich noch schnell um.« Ein Glück. Er und diese alte Vespa. Ständig schraubt er an dem Teil herum. Bevor er geht, dreht er sich noch einmal zu mir um. »Du sollst so lange zu Mum kommen. Die will noch mit uns Kaffee trinken.«
Meine Tante backt die besten Kuchen, die ich je gegessen habe, also halte ich mich nicht weiter hier oben auf und gehe runter zu ihr in die Küche, während Lasse in seinem Zimmer verschwindet. Bereits auf der Treppe schlägt mir der Duft ihrer Kanelbullar in die Nase und ich lecke mir die Lippen beim Gedanken an die köstlichen Zimtschnecken. Für die Fika ist es zwar bereits zu spät, doch das hindert Ida nicht daran, sich nachmittags noch einmal in die Küche zu stellen und zu backen.
Als ich unten ankomme und mich auf die weiße Bank hinter dem großen Tisch in der Essecke niederlasse, drapiert sie bereits die kleinen Schnecken um einen gutaussehenden Zitronenkuchen herum. Da werde selbst ich bärtiger, alter Mann schwach.
»Was ist mit Lasse, kommt er gleich?«, fragt sie und stellt den Kuchenteller vor mir ab. Gleich darauf folgt ein Stapel kleiner Teller und Gabeln.
»Ja, er zieht sich noch um.« Ich stehe auf und gehe ihr zur Hand. Gemeinsam decken wir den Tisch.
»Er meinte, dass ihr heute woanders übernachtet. Also seid ihr nicht zum Abendessen wieder hier?«
»Nein Tante Ida, wir …« Ich zögere kurz. Ich glaube nicht, dass sie viel davon halten würde, dass ihr Sohn mit mir auf eine Sauffahrt geht. Auch wenn Lasse schon zwanzig ist, ist er für sie immer noch ihr kleiner Junge. »Wir treffen uns mit ein paar Freundinnen«, sage ich schließlich und gieße uns beiden Kaffee ein.
Sie beäugt mich kritisch. »Na wird ja auch mal Zeit, dass du jemanden findest. Meine Schwester würde sich im Grabe rumdrehen, wenn sie wüsste, dass du mit deinen achtundzwanzig Jahren immer noch Single bist. So werde ich doch nie Patenoma.«
»Ida!«, rufe ich empört. »Ich habe nie gesagt, dass es ein Date ist. Wir gehen bloß etwas trinken. Außerdem sind die beiden nur im Urlaub hier.«
»Das sieht doch jeder, dass du dich schick gemacht hast. Als würdest du das nur für ein paar Drinks tun. Und, ist es ein Doppeldate? Wenn das so weitergeht, komme ich nie in den Genuss, Schwiegermutter zu werden. Selbst Heddas Sohn hat inzwischen eine Frau gefunden; die beiden sind sogar schon verlobt.«
Ich beiße in die Zimtschnecke und verschlucke mich beinahe. Erwartet sie jetzt etwa, dass Lasse und ich auch heiraten? Das kann sie vergessen. »Das ist nicht mal ein richtiges Date heute«, wiederhole ich und greife nach dem Messer, um mir ein Stück Zitronenkuchen abzuschneiden.
Ich bin jetzt schon gespannt, wie die beiden Mädels nachher reagieren, wenn sie uns sehen. Hoffentlich finden wir uns auf dem großen Schiff.
Mein Blick schweift auf die Uhr über der Küchentür. Wenn sich Lasse nicht langsam beeilt, kommen wir zu spät.
»Ach, du wirst schon deinen Weg gehen. Du bist doch ein stattlicher Mann −
wie dein Vater früher.« Sie klopft mir auf die Schulter und setzt sich hin. Kurz danach kommt Lasse rein und lässt sich neben mich auf die hellblauen Polster der Sitzbank fallen und genehmigt sich ohne ein Wort an seine Mutter oder mich eine Zimtschmecke. Sie verwöhnt ihn einfach viel zu sehr, ich hätte ihn an ihrer Stelle längst auf eigenen Beinen stehen lassen.
»Wir sollten uns jetzt auf den Weg machen«, sage ich zu ihm und nicke zur Uhr. Er greift nach einem weiteren Teilchen und schiebt sich das Zimtgebäck in den Mund.
»Also?«, hake ich nach.
»Ja, ja. Ich geh ja schon«, antwortet er mit vollem Mund und steht auf, damit auch ich von der Bank rücken kann.
Eigentlich hatte ich vor, mit dem Auto hinzufahren, doch so wie ich die Parksituation am Hafen kenne, sind wir mit dem Bus schneller.
Als wir am Hafen ankommen, ist keine Spur von Clara oder ihrer Schwester zu sehen. Hoffentlich habe ich richtig geschaut und es gibt wirklich nur diese Fähre, die heute ausläuft. Wir drängen uns vorbei an Passanten und gehen geradewegs auf das große Passagierschiff zu, das heute Nacht unsere Heimat sein wird.
Entgegen meinen Erwartungen, sind es nicht nur Studenten und Touristen die einchecken, sondern auch einige kleine Familien und ein paar Männer im Anzug, die offensichtlich geschäftlich überfahren. Nur meine schöne blonde Eislady ist noch nirgends zu sehen. Vielleicht sind sie schon drinnen.
Lasse und ich sind relativ spät dran und die Deutschen sollen schließlich immer so pünktlich sein. Da würde es mich nicht wundern, wenn die Zwei inzwischen an Bord sind. Spätestens heute Abend beim Buffet oder auf der Tanzfläche werde ich sie sicherlich sehen.