Acht Monate später

Maeve war zu früh. Wirklich viel zu früh. Die Tische mit Prosecco-Gläsern standen unberührt auf dem Rasen, die weißen Tischdecken flatterten irgendwie mutlos im Wind, und eine Kellnerin mit schwarzer Fliege und Weste kniete neben dem Tisch und schob Flaschen in einem Eisbehälter hin und her.

Maeve war stolz, so pünktlich gekommen zu sein. Sie hatte getan, was Zoe getan hätte.

Sie streifte ihre Handtasche von der Schulter und kramte ihr Handy hervor. Angeline hatte ihr gerade geschrieben, dass sie und Richie in fünfundzwanzig Minuten da sein würden. Sie müsse nur noch Monkfish füttern, dann wollten sie aufbrechen.

Zoes Katze war endlich gefunden worden, von ihrer Wohnungsnachbarin, die sie Zoes Eltern angeboten hatte. Die hatten vorgeschlagen, dass sie lieber eine der Freundinnen ihrer Tochter fragen sollten, und Maeve war erleichtert gewesen, als Angeline begeistert zugesagt hatte. Maeve wollte sich lieber nicht verpflichten. Das Jahr ging zu Ende, und sie hatte den vagen Gedanken, irgendwohin zu verreisen. Nicht um sich zu finden, sondern um sich zu verlieren. Um an einem unbekannten Ort alles zu vergraben und nie wieder aufzuwühlen.

Maeve schlenderte zu einem der Tische, nahm sich ein Glas und lächelte freundlich, bevor die Kellnerin protestieren konnte, dass die Getränke für später waren. Dann drehte sie sich um, betrachtete den neuen Flügel der Kunsthochschule und fragte sich, was genau

Sie freute sich sehr, dass das neue Gebäude Zoes Namen tragen würde, gleichzeitig war es ein unsägliches Unrecht, dass ihre Freundin nur die Baustelle gesehen hatte. Sie hatte nicht lange genug gelebt, um den fertigen Bau aus blitzendem Glas und leuchtend weißem Stein zu bewundern; den frisch gesäten Rasen und die dunkelbraunen mit Pfingstrosen und Rosen bepflanzten Beete, die noch nicht verwildert und überwuchert waren. Und sie hatte auch nicht mehr erlebt, dass ihre Eltern eingesprungen waren und die fehlende Summe gespendet hatten, nachdem die Baukosten höher ausgefallen waren als veranschlagt.

Zoe hätte selbst hier sein sollen statt als Erinnerung, einfach eine Studentin, die zur Eröffnung kam und Gratis-Prosecco stibitzte. Sie wäre hier in ihrem Element gewesen, mit ihrer Freundlichkeit und ihrer ansteckenden Lust, Spaß zu haben.

Maeve versuchte, den Gedanken, wie unfair das alles war, mit einem Schluck Prosecco herunterzuspülen. Als sie das Glas wieder sinken ließ, sah sie, dass allmählich die ersten anderen Gäste eintrafen. Ein Paar, das aussah, als wäre es für eine Hochzeit gekleidet, und eine gebeugte Gestalt in dunkler Jacke und Hemd ohne Krawatte.

Maeves Brust zog sich zusammen, als sie erkannte, dass die gebeugte Gestalt Victor war, der seit fast acht Monaten kein Wort mehr mit ihr gesprochen hatte. Victor, der sie abgewiesen hatte, als sie in den seltsamen Tagen vor dem Prozess mit Angeline ins Café gekommen war.

Die Worte hatten sich in ihre Erinnerung gebrannt.

»Was willst du hier?«, hatte Victor sie angefahren. »Wir haben nichts zu bereden. Ohne Zoe gibt es keinen Grund, dass wir je wieder miteinander sprechen.«

Stattdessen war Angeline vorgetreten. Die ängstliche schüchterne Angeline hatte einen Arm um Maeve gelegt und Victor erklärt, dass er ein Arschloch sei.

»Es ist mir egal, ob du trauerst«, hatte sie gesagt. »Du hast kein Recht, Maeve so zu verletzen. Sie musste schon mit genug Mist klarkommen. Und mir persönlich könnte es nicht egaler sein, ob du dich von allen abkapselst und dich selbst verrückt machst. Der Einzige, der am Ende darunter leidet, bist du.«

Sie hatte Maeve sanft, aber entschlossen hinausgeführt und ihr über den Rücken gestrichen, als Maeve in Tränen ausgebrochen war. Es war das erste, aber keineswegs letzte Mal, dass Angeline eine Stärke bewiesen hatte, die Maeve ihr nicht zugetraut hatte.

Sie blickte erneut auf ihr Handy und ließ den Blick kurz über den Rasen schweifen in der Hoffnung, Angeline und Richie zu entdecken. Sie wollte Victor lieber nicht allein gegenübertreten.

Sie wandte sich in die andere Richtung und ging wieder zu dem Tisch mit dem Prosecco. Auf dem Weg leerte sie ihr Glas, damit sie sich ein neues nehmen konnte.

Sie blieb neben dem Tisch stehen und hatte auch ihr zweites Glas bereits zur Hälfte geleert, als sie Victors Stimme hörte.

»Maeve«, sagte er irgendwo links hinter ihr. »Es tut mir sehr leid. Was ich gesagt habe … war Quatsch. Ich war ein … ein schrecklicher Mensch.«

Als sie sich wohl oder übel zu ihm umdrehen musste, erkannte sie seinen Gesichtsausdruck kaum wieder. Er war weich und offen. Als ob sein Zorn irgendwie aus ihm herausgespült worden war und einen anderen Menschen zurückgelassen hatte.

Sie nickte. Sie wusste, dass sie etwas sagen sollte. Sie wollte ihm erklären, dass sie ihn verstand. Sie wollte ihm erzählen, dass auch

Aber am Ende grinste sie nur schräg und sagte: »Ja, warst du. Aber warum auch mit einer lebenslangen Gewohnheit brechen?«

Nachdem Angeline und Richie aufgetaucht waren, Angeline Victor erst ausgeschimpft und ihm dann verziehen hatte und Maeve versucht hatte, ihre Tränen zurückzuhalten, als sie Zoes Eltern umarmt hatte, wurden sie gut zwanzig Minuten später zur offiziellen Eröffnung des Zoe Swardadine Building gerufen. Siku war gebeten worden, ein paar Worte zu sprechen. Im Gegensatz zu allen anderen Rednern, die Maeve je gehört hatte, beschränkte sie sich wirklich auf ein paar.

»Ich war so wütend, dass Zoe nicht bei uns ist, um heute mit uns zu feiern«, sagte sie, »und dass sie so viele Dinge verpasst hat, die sie noch hätte erleben sollen. Aber wenn ich Sie hier heute alle sehe, dann … dann wird mir deutlich, dass ihr Leben wundervoll war. So viele von Ihnen waren ein Teil davon, und ich möchte Ihnen für jeden glücklichen Augenblick danken, den Sie alle ihr geschenkt haben. Ich bin stolz, heute hier zu sein.«

Sie trat wieder zu ihrem Mann, und gemeinsam durchschnitten sie das breite weiße Band, das vor dem Eingang gespannt worden war. Maeve klatschte, als das Band zu Boden fiel, und dachte, dass es aussah wie hell schimmernde, verlaufende Farbe.