Kapitel neunzehn
Alles lief gut, bis der Anruf von Pauls Schule kam.
Shanti und Caine hatten den Bungalow abgeschlossen und den Schlüssel unter den Pflanztopf gelegt, unter dem Caine ihn gefunden hatte. Als sie anschließend zum Parkplatz zurückkehrten, kam die Sonne heraus und zauberte ein helles Glitzern aufs Meer, das sich vor ihnen ausbreitete wie eine verheißungsvolle Zukunft.
Dann vibrierte Shantis Handy, und es schien fast, als läge in dem Brummen eine gewisse Dringlichkeit.
»Hallo? Spreche ich mit Shantala Joyce?«
»Wer ist dran?«
»Yvonne Khan, die Schulleiterin. Passt es Ihnen gerade?«
»Oh, Yvonne … Ja, selbstverständlich. Paul steckt doch nicht schon wieder in Schwierigkeiten? Ich dachte, er hätte sich in letzter Zeit recht gut eingefügt …«
»Ich möchte keine allzu große Sache daraus machen, Shantala, aber ich habe beschlossen, Paul für eine kurze Zeit vom Unterricht zu suspendieren. Es tut mir wirklich leid.«
»Er darf nicht mehr zur Schule kommen? Aber er ist erst acht Jahre alt! Außerdem war er doch gestern gar nicht da, was kann er denn heute …«
»Das weiß ich«, fiel ihr die Schulleiterin ins Wort, »aber ich muss das Wohl meiner Mitarbeiter an erste Stelle setzen. Pauls aggressives Benehmen ist einfach nicht zu dulden. Ich hoffe, Sie verstehen das. Könnte ihn jemand von der Schule abholen, am besten jetzt gleich?«
Shanti bejahte, beendete das Gespräch und rief mit zitternden Händen Amma an. Sie bat ihre Mutter, Paul so schnell wie möglich abzuholen, und versprach, in einer knappen Stunde zu Hause zu sein.
Caine hörte schweigend zu, als Shanti erklärte, was passiert war. Anschließend versicherte er ihr, ohne zu zögern, dass er für sie und Paul da sein werde und dass er sich freue, wenn er sie nach Yeovil begleiten dürfe.
Während der Fahrt schilderte Shanti ihm mit sorgenverzerrtem Gesicht, wie sehr sich Pauls Verhalten seit der Scheidung verändert hatte, und ließ auch die gelegentlichen Wutausbrüche nicht aus, die sich gegen sie und Amma richteten. In letzter Zeit war ihr in den Augen ihres Sohnes etwas aufgefallen, das ihr Angst machte – ein Aufglimmen von Freude darüber, welche Auswirkungen sein Benehmen auf das Verhalten anderer Personen hatte. Paul schien zum ersten Mal zu bemerken, dass er Macht ausüben konnte. Shanti erschrak deswegen darüber, weil sie exakt denselben Ausdruck – bei Paul noch in unausgereifter Form – auf dem Gesicht ihres Ex-Mannes bemerkt hatte, der ein unverbesserlicher Tyrann gewesen war.
Und jetzt hatte ihr Sohn ebenjene Aggressionen im Klassenzimmer herausgelassen, und als die Lehrer eingeschritten waren, hatten sie einen Schwall von Beschimpfungen und Pöbeleien über sich ergehen lassen müssen.
»Hören Sie, Shantala, wir alle mögen Paul sehr gern«, hatte Ms. Khan ihr versichert. »Diese Suspendierung ist ja nur für ein paar Tage. Ich möchte ihm die Chance zum Nachdenken geben. Der gesamten Belegschaft ist bewusst, unter welchem Druck Sie in Ihrem Job stehen – vor allem bei diesem Havfruen-Fall. Trotzdem bin ich der Ansicht, dass Sie und ich so bald wie möglich ein ausführliches Gespräch führen sollten. Ich möchte wissen, ob alles okay ist. Vielleicht kann ich Sie auf die eine oder andere Art unterstützen …«
Also fuhr Shanti – ein bisschen zu schnell – durch das Marshwood Vale, ein tief gelegenes Tal nördlich der A35, durch Crewkerne und West Coker nach Yeovil. Als sie in ihrer ruhigen Sackgasse ankamen, tendierte sie dazu, Caines Einladung, Paul in seine Hütte mitzunehmen, zu akzeptieren. Der Kollege schien eine nahezu unwiderstehliche Anziehungskraft auf den Jungen auszuüben. Zu Shantis Erstaunen kam Paul in aller Seelenruhe aus dem Haus spaziert und nahm die Hand des hochgewachsenen Mannes. Es war, als würden seine Verwirrung und all sein Zorn auf einen Schlag verpuffen, sobald er Caine sah.
Auf der Fahrt nach Lyme und auf der langen, langsamen Wanderung durch den Wald wurde Shanti klar, dass es das Beste war, wenn sie sich ausnahmsweise mal hinten anstellte und Caine und Paul die Dinge auf ihre eigene, mysteriöse Männerart klären ließ.
Caine ging die Sache an, indem er dem Jungen die Natur nahebrachte. Er zeigte ihm Nester, die im Gebüsch versteckt waren, einen Grünspecht, der auf der Suche nach Nahrung gegen einen Baumstamm hämmerte, und schnitzte mit ihm mit einem scharfen Taschenmesser einen Speer aus einem Haselzweig.
An einer Stelle hörte sie Paul sagen: »Sieh mal, die Bienen, Caine!«
»Ja, sie sind in diesem Jahr sehr geschäftig. Das ist ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass die Wiesen gesund sind. Weißt du, wie das funktioniert, Paul? Bienen und Blumen sind Freunde. Sie arbeiten zusammen. Man nennt das eine symbiotische Beziehung.«
»Ist das wie bei dir und Mum? Habt ihr eine sündbiotische Beziehung?«
»Symbiotisch? Ha, die Frage solltest du besser ihr stellen! Fest steht, dass alles besser läuft, wenn man zusammenarbeitet. Lehrer und Schüler können ebenfalls eine Symbiose eingehen.«
Endlich kamen sie bei dem Verlorenen Schornstein an und stiegen den steilen Pfad zur Hütte hinauf. Oben angekommen, beobachtete Shanti, wie Paul seine Schuhe auszog und sie ordentlich neben Caines stellte. Anschließend lehnte er den Speer neben Caines Surfbretter gegen die Wand und machte sich daran, wie ein Traumwandler die unbekannte Umgebung zu erkunden.
Eins musste Shanti Caine lassen – ihr Kollege war ein Naturtalent, was den Umgang mit dem Jungen anging. Er bedrängte ihn nicht zu sehr oder drangsalierte ihn mit irgendwelchen Fragen; stattdessen beschäftigte er sich mit Dingen, die jeden Achtjährigen faszinieren würden, und bald schon zogen die zwei los, um Feuerholz zu sammeln.
Caine hatte Shanti gebeten, es sich in der Hütte gemütlich zu machen – es gab Bücher, und sie durfte sich auch gern auf seinem Bett oder in dem Liegestuhl auf der Veranda ausruhen. Sie durchstreifte die Hütte, die sich nach wie vor fremd anfühlte: die Domäne eines Mannes, der noch dazu sehr außergewöhnlich war. Da war dieser Schrein mit Räucherstäbchen, einer Kerze, einer kleinen Vase voll Wildblumen und einem winzigen Tierschädel. Neben dem Bronze-Buddha entdeckte sie einen kleinen, umgekippten Bilderrahmen. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte sich Shanti, dass Caine und Paul außer Sichtweite waren, dann nahm sie den Rahmen zur Hand und betrachtete das verblasste Foto eines älteren Mannes. Sein Haar war fast weiß, doch die außergewöhnlich hohen Wangenknochen kamen ihr bekannt vor. Als sie seine Augen sah, die sie an Bohrlöcher erinnerten, wusste sie, dass sie zweifelsfrei ein Foto von Caines Vater in der Hand hielt. Aber warum befand es sich in diesem Schrein? Und warum lag es mit der Bildseite nach unten?
Sie legte das Foto genauso hin, wie sie es vorgefunden hatte, ging zum Bücherregal und nahm den dünnsten Roman heraus, den sie finden konnte. Anschließend trat sie vor die Hütte, wo Caine Paul beibrachte, wie man Feuerholz mit einer kleinen Axt spaltete.
Dieser Ort hatte etwas Unzeitgemäßes – nein, er schien jenseits der Zeit zu liegen. Jenseits von allem. Caine und der Junge entfachten in einem Ring aus Steinen ein Feuer, um etwas zu essen zuzubereiten – simple, ursprüngliche Aktivitäten. Ihr Ex-Mann, dachte Shanti, hätte so etwas nie mit seinem Sohn gemacht, außerdem hasste er die Natur.
Als das Essen fertig war, verkniff sie sich sogar eine Bemerkung über Pauls schmutzige Hände. Und obwohl es sich um ein vegetarisches Gericht handelte, schaufelte Paul Gabel um Gabel in sich hinein, als hätte er seit Monaten nichts mehr gegessen, dann schnappte er sich einen Maiskolben, von dem Butter tropfte, und aß ihn direkt vom Spieß. Als sie fertig waren, befestigte Caine eine Hängematte auf der Veranda und zeigte Paul, wie er hineinklettern konnte. Binnen fünf Minuten war der Junge eingeschlafen.
»Das hat er schon seit Jahren nicht mehr gemacht«, sagte Shanti verblüfft, die es sich auf dem Liegestuhl bequem gemacht hatte. »Mitten am Tag einschlafen, meine ich. Danke, Caine. Sie scheinen tatsächlich an ihn heranzukommen; auf mich ist er in letzter Zeit nur noch wütend.«
»Oh, ich weiß, wie ich ihn drankriege«, erwiderte Caine, schenkte Tee in zwei Becher ein und ließ sich zu ihren Füßen auf der Veranda nieder.
Der Spruch auf Shantis Becher lautete: Keep Calm and Meditate – Bleibe gelassen und meditiere.
Auf Caines Becher stand: Buddhisten-Sandwich: eins mit allem.
»Ich nehme an, ich hatte Glück«, sagte Shanti. »Sie haben meine Mutter kennengelernt – sie treibt mich in den Wahnsinn, aber sie steht immer hinter mir. Mein Dad war genauso. Ich war gerade erst ein Teenager, als er starb, und ich dachte, ich würde niemals über seinen Tod hinwegkommen. Die Trauer verging tatsächlich nicht, aber sie veränderte sich, und jetzt hat sich der Kummer in Liebe verwandelt.«
»Das ist schön, Shanti. Auch wenn Paul das mitunter vergessen mag: Sie sind ihm eine wunderbare Mutter. Übrigens – ist das nicht schön? Hier zu sitzen und den Sonnenuntergang über dem Meer zu betrachten?«
Den Sonnenuntergang? Erschrocken stellte Shanti fest, dass sie seit Stunden nicht mehr an die Ermittlungen gedacht hatte. Was war mit dem Tag passiert? Hier draußen gab es keinen Handyempfang. Mal angenommen, jemand versuchte dringend, sie zu kontaktieren?
Nun, dann war das eben so. Sollte Benno für eine Weile die Zügel übernehmen.
»Erzählen Sie mir von diesem Buddhismus-Kram, Caine. Ich meine, worum geht es dabei? Aber kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit einem sechsstündigen Vortrag – drei Worte genügen.«
»Mitgefühl. Gelassenheit. Liebe.«
»Nun, vielleicht doch ein bisschen mehr … aber auch nicht zu viel.«
»Im Buddhismus geht es um Achtsamkeit und Leichtigkeit. Darum, ein erfülltes Leben zu führen, ohne andere zu verletzen. Die helleren und dunkleren Abschnitte des Lebens zu akzeptieren. Herr über den eigenen Verstand zu sein. Loszulassen. Frei zu sein.«
»Okay, das gefällt mir im Großen und Ganzen recht gut. Ich meine jedoch, ich hätte gehört, dass es zahlreiche verschiedene Ausrichtungen gibt. Was für eine Art Buddhist sind Sie?«
»Ich weiß es nicht. Ich nehme an, ich bin ein Querbeet-Buddhist.«
»Ist das so was wie ein Querbeet-Cop?«
»Vielleicht. Ich nehme die Dinge so, wie sie für mich passen. Buddha sagt, wir sollen nichts glauben, was wir lesen oder hören – auch nicht das, was er sagt –, wenn wir es nicht mit unserem gesunden Menschenverstand nachvollziehen können und es nicht dem Wohl der Allgemeinheit dient.«
»Das ist dann so, als würde man sich die Süßigkeitentüte selbst zusammenstellen, oder?«
»Falls es Sie wirklich interessiert: Ich glaube, es gibt so etwas wie einen goldenen Faden, der sich durch sämtliche großen Religionen zieht, genau wie durch die große Kunst, die große Literatur und auch durch die Natur – vor allem durch die Natur. Es ist im Grunde völlig gleich, an welcher Stelle Sie ihn zu fassen bekommen.«
»Hm … das ist entweder unglaublich tiefgründig oder aber der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe. Ich werde darüber nachdenken und Sie wissen lassen, wie ich dazu stehe.«
Eine lange Zeit saßen sie schweigend zusammen und betrachteten die Bäume, die sich langsam in der Brise wiegten.
»Shanti, würden Sie mich für einen Augenblick entschuldigen? Für gewöhnlich gehe ich um diese Zeit zum Meer hinunter. Einfach, um mich dort ein wenig hinzusetzen.«
»Klar«, erwiderte Shanti und setzte sich in ihrem Liegestuhl zurecht. »Ich hab mir ein Buch geholt.«
»Siddhartha von Hermann Hesse. Das ist eine großartige Wahl. Eine magische Geschichte. Sie werden sie lieben.«
Als er den Pfad zu der kleinen Bucht entlangwanderte, spürte Caine, wie in seinem Inneren eine komplexe Mischung von Gefühlen aufwallte. Eine Art Zärtlichkeit dieser kleinen Familie gegenüber, den unverhofften Gästen im Gasthaus seines Lebens, überlappt von einer Furcht, die er schon vor Jahren begraben zu haben glaubte und die nun an die Oberfläche zurückdrängte. Würde er jemals frei sein von dem, was passiert war? Die turbulente Polizeiarbeit war nicht gerade hilfreich. So viel Aufregung.
Auf einer der Klippen war ein kleiner Grasfleck, auf dem er gern saß und über das Meer blickte. Der anmutige Zweig einer Eiche beschattete seinen Kopf. Als er sich im Schneidersitz zwischen die moosbewachsenen Wurzeln setzte, erinnerte er sich daran, wie sich sein alter Lehrer Tu an die jungen Mönche gewandt hatte. Dabei hielt er ein Glas Wasser in seiner schmalen braunen Hand. »Das Wasser ist unsere Seele«, hatte er augenzwinkernd gesagt. »Seht, was passiert, wenn ich das Glas schüttele …« Das Wasser fing an zu zittern. »Das ist die aufgewühlte Seele. Das Wasser wird dunkel und trüb. Was kann ich tun, damit es wieder klar wird?«
»Hören Sie auf zu schütteln!«, hatten sie gerufen.
Tu hielt das Glas also wieder still, und wie durch Zauberei beruhigte sich das Wasser. »Wenn Sorgen und Begierden nachlassen, wird die Seele klar und rein. Ausgeglichenheit ist der natürliche Zustand. Nur wenn Klarheit herrscht, sind wir in der Lage, in die Tiefe zu blicken. Das nennt man Einsicht oder Erkenntnis.«
Und nun hatte Caine das heftige Gefühl, dass ihm die Lösung des Havfruen-Falls so selbstverständlich einfallen würde, wie der Herbst ins Land einfiel – vorausgesetzt, seine Seele käme zur Ruhe.
Als er etwa eine Stunde später die Augen öffnete, stand Paul barfuß an seiner Seite, den Speer in der Hand, und beobachtete ihn beim Meditieren. Caine lächelte und stand langsam auf, dann nahm er den Jungen bei der Hand und kehrte mit ihm zur Hütte zurück.
»Was ist das, Caine?«, fragte Paul und deutete mit seinem Speer auf den Stamm des alten Baums.
»Oh, das ist ein Pilz, Pfifferling genannt. Wenn man ihn kocht, kann man ihn essen.«
»Er sieht aus wie ekelige Eiercreme.«
»Weißt du was, Paul? Das hier ist ein weiteres Beispiel für eine Symbiose … wie die Bienen und die Blumen arbeiten auch der Pfifferling und die Eiche zusammen wie Freunde.«
»Wie können ein Baum und ein Pfifferling Freunde sein?«
»Nun, wenn ich mich recht entsinne, hat der Pilz kleine Fäden, die sich um die Wurzeln schlingen. Die Fäden helfen dem Baum, gute Dinge wie Nährstoffe und Wasser aus der Erde zu ziehen, außerdem schützen sie ihn vor unangenehmen Krankheiten. Im Gegenzug dazu liefert der Baum dem Pfifferling Zucker, der ihm seinen guten Geschmack gibt.«
»Das ist cool. Ekelig, aber cool.«
Als sie den Pfad zur Hütte hinaufstiegen, verspürte Caine ein ungewöhnliches Kribbeln im unteren Wirbelsäulenbereich. Das Kribbeln wanderte langsam aufwärts, Wirbel um Wirbel, bis in den Nacken. Dann explodierte es in seinem Kopf.
Natürlich! Das war die Erkenntnis, auf die er gewartet hatte! Wordsworth’ Impuls aus dem immergrünen Wald.
»Paul, du bist ein Genie!«
»Tatsächlich?«
»Du weißt es nicht, aber du bist eins. Ich denke, du hast gerade eben den symbiotischen Nagel auf den symbiotischen Kopf getroffen.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Macht nichts. Deine Mum wird wissen, was ich meine. Lauf einfach vor zur Hütte und sag ›symbiotisch‹! Erzähl ihr, dass du den Fall gelöst hast.«
Shanti entspannte sich in dem alten Liegestuhl auf der Veranda und versuchte, den Sinn von Caines Roman zu verstehen.
»Hallo«, begrüßte sie ihren Sohn, der aufgeregt zu ihr gelaufen kam. »Hast du Caine gefunden?«
»Symbiotisch!«, rief Paul.
»Wie bitte?«
»Symbiotisch, Mum. Caine sagt, ich habe den Fall gelöst.«
»Ach, da sind Sie ja, Caine. Haben Sie eine Ahnung, wovon mein Sohn redet?«
»Ich denke, er hat recht. Paul und ich haben über Symbiose gesprochen – Sie wissen schon, die Art und Weise, auf die sich zwei Dinge in der Natur gegenseitig helfen?«
»Wie die Vögel, die Krokodilszähne reinigen?«
»Exakt. Nun, aufgepasst: Wer immer Kristal umgebracht hat, benötigte zweierlei …«
»Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde, aber könnten Sie vielleicht etwas langsamer machen?«
»Ich denke, wir haben uns den Ermittlungen von der falschen Seite genähert.«
»Hätten wir Krokodile befragen sollen?«
»Nein, aber vielleicht hätten wir nach potenziellen Partnerschaften suchen sollen.«
»Aha …«
»Vor allem nach Partnerschaften, bei denen zwei Personen über Fähigkeiten verfügen, die sich bei dem Verbrechen ergänzt haben.«
Shanti klappte das Buch zu und setzte sich auf. »Dann behaupten Sie also gerade, dass der Mord von zwei Leuten begangen wurde?«
»Exakt. Muskelkraft und Gehirn.«
»Eine Person, die über den nötigen Intellekt verfügt, um das Ganze zu planen. Und eine weitere mit der körperlichen Kraft, die es erfordert, Kristal in den Tank zu verfrachten.« Shanti sprang auf und stopfte verschiedene Sachen in ihre Schultertasche. »Paul, ich möchte, dass du hier bei Caine bleibst. Ich muss noch etwas erledigen.«
»Juchhu! Was sollen wir unternehmen, Caine?«
»Shanti, das sollten Sie nicht allein machen«, warnte Caine.
»Passen Sie auf Paul auf. Bitte. Ich komme schon klar.«
Und damit setzte sie sich in Bewegung, sprintete den schmalen Pfad von der Hütte hinunter Richtung Küstenweg. Während sie rannte, stellte sie mit einiger Zufriedenheit fest, dass sie definitiv fitter war als beim ersten Mal, als sie sich diesen Weg entlanggekämpft hatte.
»Hab ich den Fall wirklich geknackt?«, wollte Paul wissen, als sie weg war.
»Ich denke, das hast du«, sagte Caine und legte dem Jungen beunruhigt eine Hand auf die Schulter. »Oder vielmehr: Das haben wir zusammen getan.«
»Symbiotisch?«, fragte Paul.
»Symbiotisch«, sagte Caine.