Kapitel IX
Lady Ottilie

Faßmann war nur noch etwa 50 Kilometer von Eutin entfernt, als er von Berg anrief, der sich direkt mit der Frage meldete: „Wo bleibst du denn?“

„Am liebsten wäre ich schon längst da. Bei Berlin war ein Mega-Stau und dann ging’s nochmal vor Lübeck nicht weiter. Eine halbe Stunde noch, denke ich.“

„Hast du Hunger?“

„Frag nicht!“

„Gut, dann gib Gas.“

Von Berg deckte den schweren dunklen Eichenholz-Tisch im Wohnzimmer seiner Altbauwohnung in der Eutiner St.-Peter-Straße und fing an, das Abendessen zuzubereiten. Es sollte gebratenen Aal mit Bratkartoffeln geben. Von Berg war kein besonders guter Koch, aber auf dieses Gericht verstand er sich seit seiner Jugend meisterlich und wusste, dass er dem Feinschmecker Faßmann damit wieder eine Freude machen würde.

Als von Berg gerade die vorgekochten Kartoffeln in die Bratpfanne geben wollte, klingelte es an der Tür. Er ging in den Flur und hob den Hörer der Gegensprechanlage ab.

„Ja, hallo“, sagte er fragend, doch er bekam keine Antwort. Wenig später klingelte es erneut. Er nahm wieder den Hörer ab und wiederholte diesmal etwas energischer: „Ja, hallo“. Wieder keine Antwort. Da klopfte es an der Wohnungstür. Eine Männerstimme drang dumpf durch die geschlossene Tür: „Mach endlich auf, Wilhelm, ich hab’ Hunger“. Da riss von Berg die Tür auf und begrüßte Faßmann mit einem herzlichen, kräftigen Händedruck.

„Wie bist du denn unten reingekommen?“

„Ein Hausbewohner kam gerade aus der Tür und ließ sie mir auf.“

Von Berg runzelte kurz die Stirn.

„Ein Hausbewohner? Wie sah er denn aus?“

Als Faßmann die Gestalt beschrieb, schüttelte von Berg mit dem Kopf.

„So jemanden gibt es hier nicht; ich kenne hier alle in- und auswendig. Na egal, komm rein. Du kennst dich ja aus. Ich muss zurück in die Küche.“

Faßmann brachte sein Gepäck in das kleine Gästezimmer und machte sich im Bad frisch. In der ganzen Wohnung fing es an, nach dem bratenden Aal zu riechen, den von Berg zubereitete. Faßmann lief das Wasser im Mund zusammen. Als er in die Küche kam, fragte er von Berg: “Kann ich dir irgendwie helfen?“

„Ja, indem du mir hier aus dem Weg gehst, dieses Bier mitnimmst und dich an den Tisch setzt.“

Faßmann schmunzelte und setzte sich mit großer Vorfreude auf das Abendessen im Wohnzimmer an den gedeckten Tisch. Von Berg folgte ihm wenige Minuten später und tafelte auf. Als die beiden aßen, gab es nur ein Thema: die Suche nach der „Lady Ottilie“, zu der sie am nächsten Morgen mit ihrem Boot aufbrechen wollten.

Als sie mit dem Essen fertig waren, holte von Berg seinen Laptop, setzte sich neben Faßmann und klappte ihn auf. Auf dem Bildschirm erschien eine Online-Seekarte, auf der eine vom Kieler Hafen aus beginnende Route angezeigt war.

„Ich habe den Routenverlauf aus dem alten Dokument genau analysiert und um die bekannten Daten ergänzt. Daraus habe ich diese Route erstellt.“

Von Berg verschob die Karte auf dem Touchpad, bis der Ärmelkanal erschien. „Ab hier fangen wir an, den Meeresboden mit dem Sonar abzutasten“, sagte er und zeigte mit dem Finger auf eine bestimmte Stelle auf dem Bildschirm. „In diesem Gebiet muss sie gesunken sein“, führte von Berg weiter aus und umkreiste mit dem Finger auf dem Bildschirm den Bereich, den er meinte.

„Großartig! Gute Arbeit!“

„Dafür hast du mich doch eingekauft.“

„Und wie ich sehe, bist du deinen Preis wert“, erwiderte Faßmann und beide lachten.

Noch vor 6 Uhr morgens hatten sie ihr Gepäck und noch einiges technisches Equipment in den geräumigen Volvo Kombi von von Berg geladen. Sie fuhren zum Kieler Hafen, wo die Benedicto vor Anker lag. Als sie auf dem befahrbaren Anleger ihrem Boot näher kamen, sahen sie bereits die wartenden fünf Crewmitglieder. Faßmann und von Berg freuten sich, all die Männer wiederzusehen, mit denen sie vor nicht mal einem halben Jahr die „Forbes“ vor der indonesischen Insel Belitung gefunden und ihren millionenschweren Schatz geborgen hatten. Faßmann staunte, wie es von Berg geschafft hatte, die Crew so schnell zusammenzutrommeln. „Wahrscheinlich liegt es an der Prämie, die sie der Mannschaft in Aussicht gestellt hatten, welche bei Erfolg noch um einiges höher ausfallen würde, als bei der Bergung aus der „Forbes“. Gier ist eben immer noch eine der stärksten Urtriebe des Menschen“, dachte er und erinnerte sich an seine Zeit bei Amway und die Heerscharen an Vertretern, die aus genau diesem Impuls heraus für ihn in rauen Mengen Töpfe, Pfannen und Kosmetika verkauft und unablässig weitere Vertreter angeworben hatten.

Durch die exzellente Vorbereitung und Organisation von von Berg konnten sie sofort auslaufen. Der Wetterdienst meldete für die nächsten Tage ruhige See und bestes Wetter. Ideale Bedingungen, um spätestens in drei Tagen den Ärmelkanal zu erreichen.

„Dann küssen wir die alte Dame mal wach“, sagte von Berg und startete die zwei, zusammen 8000 PS leistenden Dieselmotoren der Benedicto. Als die beiden Aggregate zum Leben erwachten, wurde das Boot von einem durchdringenden Vibrieren erfasst, begleitet von einem dumpfen, dröhnenden Grollen. Sie machten die Leinen los und legten ab. Zunächst fuhren sie langsam in Richtung der großen Schleuse, die sie passieren mussten, um in den Nord-Ostsee-Kanal einzufahren. Nach knapp einer Stunde hatten sie sie durchquert und fuhren mit gemächlichen 8 Knoten, was ungefähr 15 km/h entspricht, den Kanal entlang in Richtung Brunsbüttel. Alle richteten sich an Bord für die dreitägige Fahrt ein. Da das Boot ursprünglich für eine über 20 Mann starke Besatzung ausgelegt war, gab es für alle mehr als genug Platz. Die Crew bestand bis auf den ersten Maat aus den Männern, mit denen von Berg bereits die letzten 17 Jahre auf Schatzsuche war.

Von Bergs bisheriger erster Maat war mit seiner Frau vor zwei Jahren nach Österreich gezogen, um einen alten Bergbauernhof zu übernehmen. Er meinte, er hätte von der Seefahrt und allem, was damit zusammenhängt, endgültig die Nase voll und es wäre schon immer der Traum seiner Frau gewesen, in die Berge zu ziehen, um dort einen kleinen Bauernhof zu betreiben. So haben sich von Berg und Faßmann gemeinsam nach einem Nachfolger umsehen müssen. Über die alten Beziehungen von von Berg kamen sie in Kontakt mit Jakob Rauch, der jahrelang Kapitän auf großen Kreuzfahrtschiffen war, unter anderem auch auf der MS Deutschland. Er drang ihn danach, sich mit Mitte 50 nochmal zu verändern. Vor allem wollte er nie wieder auf einem Kreuzfahrtschiff anheuern. Aber zur See fahren wollte er nach wie vor. Als von Berg und Faßmann mit ihm über eine mögliche Zusammenarbeit sprachen, waren sie einigermaßen skeptisch und fragten ihn vor allem, warum er sich mit dem großen Kapitänspatent und seiner immensen Erfahrung, also eigentlich absolut überqualifiziert, auf diesen Job beworben hat. Er meinte, seinen alten Job einfach nicht mehr ausgehalten zu haben. Er wäre weniger Kapitän, als vielmehr erster Stewart und Animateur gewesen und in seiner weißen Paradeuniform, in der er ständig herumlaufen musste, wäre er sich mehr wie ein Zirkusdirektor vorgekommen. Dann die ewigen Meet and Greets mit den Passagieren und die vielen Fototermine. Das Schlimmste seien aber die Captain‘s Dinner gewesen, mit dem ganzen Pomp drumherum und dem Zeremoniell, das man aus der ZDF-Fernsehserie „Das Traumschiff“ nachgeahmt hatte. So überzeugend wie Rauch mit seiner Erklärung auch war, Faßmann und von Berg wollten auf Nummer sicher gehen und überprüften ihn auf Herz und Nieren. Sie konnten aber keinerlei Verfehlungen oder Ähnliches in seiner Vergangenheit finden – nur erstklassige Referenzen. So nahmen sie ihn schließlich in die Crew auf.

Gegen Abend erreichten sie die Elbmündung bei Brunsbüttel, von wo aus sie ins offene Meer stachen. In den folgenden beiden Tagen passierten sie die Friesischen Inseln, Rotterdam, durchquerten die Straße von Dover und fuhren schließlich in den Ärmelkanal ein.

Am Morgen des dritten Seetages, als alle, bis auf den Maschinisten, der auf der Brücke darauf achtete, dass der Autopilot den Kurs hielt, beim Frühstück zusammensaßen, wandte sich von Berg an die Mannschaft: „Langsam wird’s ernst, Freunde. Bis heute Abend werden wir unser Zielgebiet erreicht haben. Dann ankern wir und bereiten uns für den nächsten Tag auf die Suche nach der ‘Lady Ottilie’ vor“. Allen war anzusehen, wie die Anspannung stieg. Es ging um nicht weniger, als einen der größten versunkenen Schätze der Welt zu bergen. So verging nun die Zeit wie im Flug und jeder war eifrig dabei, alles für die Suchfahrt am nächsten Tag optimal vorzubereiten. Als sie abends vor Anker lagen, wurde der nächste Tag noch einmal in allen Details durchgesprochen. Es wurde spät und doch war niemandem so recht nach Schlafen zumute.

Nach einer kurzen Nacht waren von Berg, Faßmann und Rauch bereits im frühen Morgengrauen auf den Beinen, um den Anker einzuholen und die Benedicto startklar zu machen. Kurz darauf gingen auch die übrigen Crewmitglieder auf ihre Posten und die Suchfahrt begann. Mit einem hochmodernen Multibeam-Sonarsystem tasteten sie den Meeresboden Meter für Meter ab.

Das System sendet Schallwellen aus, die vom Meeresboden und den dort liegenden Objekten zurückgeworfen werden. Das zurückgeworfene Echo wird im Computer analysiert und aufbereitet, um ein digitales Abbild des Meeresbodens auf dem Bildschirm wiederzugeben.

Von Berg und Rauch waren auf der Brücke und steuerten die Benedicto in langsamer Fahrt exakt auf dem Kurs, den sie vor allem mithilfe des Dokuments aus dem Staatsarchiv in Antwerpen festgelegt hatten. Faßmann verfolgte im Kontrollraum mit Horst Godau, dem erfahrenen Meeresgeologen in der Crew, aufmerksam das, was kontinuierlich vom Sonar auf den Computerbildschirm übermittelt wurde. Doch über Stunden sahen sie nichts weiter als die Resonanz von Sand, Kies und Schlick. Als es zu dämmern begann, beschlossen Faßmann und von Berg, die Suche zu unterbrechen und zu ankern.

Beim gemeinsamen Abendessen ergriff diesmal Faßmann das Wort: „Wir haben heute etwas mehr als die Hälfte des Suchgebiets geschafft. Es spricht also viel dafür, dass wir morgen die ‘Lady Ottilie’ finden“. Damit sprach er aus, was alle hofften. Alle gingen diesmal früh schlafen, um direkt bei Tagesanbruch mit neuen Kräften die Suche fortzusetzen.

Doch auch der nächste Tag brachte nicht den erhofften Erfolg. Wieder vergingen Stunden und auf dem großen Computerbildschirm zeigte sich nichts als das visuelle Echo von Sand, Kies und Schlick. Als sie am späten Nachmittag schon über das Ende des Suchgebiets hinaus gefahren waren, bat von Berg über die Gegensprechanlage Faßmann auf die Brücke zu kommen.

„Es hat keinen Sinn mehr weiterzufahren, Ulrich. Wir sind schon zu weit über das Suchgebiet hinaus.“

„Da hast du wohl recht. Und was machen wir jetzt?“

„Wir gehen weiter wie geplant vor. Wir suchen das Gebiet noch mal ab und das ein paar Grad weiter nördlich.“

„Dann schlage ich vor, wir brechen für heute ab und rufen die Crew in der Messe zusammen.“

„In Ordnung. Wir ankern hier für heute.“

Faßmann rief die Crew in der Messe zusammen. Als von Berg wenig später dazu kam, stand Faßmann auf und stellte sich vor die Mannschaft. Enttäuschte Blicke waren auf ihn gerichtet.

„Auch heute haben wir die ‘Lady Ottilie’ leider nicht gefunden. Das heißt aber noch nichts. Wir haben bewusst einen ganz leicht südlichen Kurs eingeschlagen, um für den Fall, den wir jetzt haben, das Suchgebiet nochmal etwas weiter nördlich abzufahren.“

„Und wenn wir dann wieder nichts finden?“, fragte ein Crewmitglied.

„Wir werden die ‘Lady Ottilie’ finden. Dafür ist das Suchgebiet viel zu genau eingegrenzt.“

„Und wenn ihr euch vertan habt?“, setzte ein anderes Crewmitglied nach.

Dann stand von Berg auf und meldete sich zu Wort: „Wir haben uns nicht vertan, so wie wir uns auch früher nicht vertan haben, Kameraden. Wenn es so einfach wäre, wären wir längst zu spät hier.“ Von Bergs Autorität und extrem selbstsicheres Auftreten ließ bei den Crewmitgliedern sofort neue Zuversicht aufkeimen, die schließlich die Zweifel überwog. Faßmann war beeindruckt und froh, dass ihm von Berg genau im richtigen Moment beigesprungen war, als die Stimmung zu kippen drohte. Faßmann und von Berg war bewusst, dass alle auf die Prämie scharf waren, die beim Fund der ‘Lady Ottilie’ und der Bergung des Schatzes fällig wird und alle darauf vertrauten, dass von Berg und er genug wussten, um das Wrack auch zu finden.

Früh am Morgen des nächsten Tages setzten sie die Suchfahrt fort. Wieder vergingen Stunden um Stunden ohne auch nur die kleinste Spur von der ‘Lady Ottilie’. Doch gegen 15 Uhr schickte dann endlich das Sonarsystem die so ersehnte Formationen auf den Bildschirm. „Sofort Stopp“ rief Faßmann durch die Gegensprechanlage auf die Brücke. Rauch stoppte augenblicklich die Maschinen und brachte das Boot zum Stehen. Auf dem Grund waren Umrisse zu erkennen, die klar auf ein Wrack hindeuteten.

Von Berg kam in den Kontrollraum, um sich selbst ein Bild zu machen. „Wir haben sie gefunden“, rief Faßmann euphorisch und stieß von Berg mit der Faust gegen den Oberarm. „Nicht so voreilig, mein junger Freund“, erwiderte von Berg mit väterlichem Unterton, den Faßmann so gar nicht mochte. „In der Gegend sind so viele Schiffe gesunken, dass wir überhaupt noch nicht sicher sein können, dass es sich um das Objekt unserer Begierde handelt. Ich schlage vor, dass wir das Gebiet erst mal vollständig erfassen und dazu ‘Poseidon’ runterschicken.“

So nannten sie ihren Unterwasserroboter, einen Saab Seaeye Falcon, der mit einer leistungsstarken Kamera, mehreren Scheinwerfern und zwei Greifarmen ausgestattet war.

Sie befestigten Poseidon, der fast 100 Kilo wog, an dem Kran, der am Heck der Benedicto montiert war und ließen das Wunderwerk moderner Technik vorsichtig zu Wasser. Godau übernahm im Kontrollraum über einen Multifunktions-Joystick die Steuerung. Mit den Bildern, die nun Poseidon auf den Bildschirm sendete, war zunächst wenig anzufangen, da die Sicht schlecht war, nicht zuletzt auch wegen der starken Gezeitenströmung, die im Ärmelkanal herrscht. Trotzdem ließen sie das Gerät die etwa 60 m bis zu dem Schiffswrack hinab. Als Poseidon den Grund erreichte, wurde die Sicht etwas besser. Sie fuhren sehr langsam und vorsichtig über den Meeresboden, um möglichst wenig Sediment durch die Antriebsschrauben des Roboters aufzuwirbeln. Nach kurzer Zeit kamen Teile des Wracks in Sicht und auch alte Kanonen, die auf dem Meeresboden verstreut lagen. Bei allen stieg sofort die Anspannung. Jeder starrte gespannt auf den Bildschirm und auf das, was Poseidon durch seine Kamera übermittelte. Plötzlich tauchte im Lichtkegel von Poseidons Scheinwerfern ein merkwürdiges Artefakt auf. Alle betrachteten es angestrengt, doch keiner hatte eine Ahnung, was es sein konnte. Godau steuerte näher an das Objekt heran, das halb aus dem Meeresboden ragte und aussah wie eine Art Kelch. Als Poseidon noch näher herankam, erkannte Godau plötzlich, was es war. Er konnte kaum glauben, was er da sah. Es war der absolute Jackpot. „Gleich werden wir wissen, mit welchem Schiff wir es zu tun haben“, sagte Godau, während er ganz vorsichtig mit dem Tauchroboter um das Objekt herum fuhr. „Kein Zweifel – es ist die Glocke“, sagte er mit vor freudiger Aufregung hoher Stimme. Voller Begeisterung rissen alle die zur Faust geballten Hände in die Höhe und klatschten sich nach und nach mit der flachen Hand ab.

Nur wenige Artefakte tragen den Namen des Schiffes, von dem sie stammen. Bei der Schiffsglocke allerdings kann man da absolut sicher sein.

„Dann lasst uns das Ding hochholen“, sagte von Berg entschlossen und beugte sich zur Gegensprechanlage.

„Rauch?“

„Ja!“

„Wir müssen jetzt unbedingt auf den Zentimeter genau Position halten.“

„Okay, ich gebe mein Bestes.“

Sie ließen eine an einem weiteren Stahlseil befestigte Metallbox zu Wasser und auf den Meeresboden hinab sinken. Es dauerte nicht lange, und die Box wurde von der Kamera des Tauchroboters erfasst. Godau positionierte mit den Greifarmen des Roboters die Metallbox direkt neben der Glocke und kippte sie auf die Seite, sodass ihre Öffnung der Glocke zugewandt war. Dann hebelte er mit den Greifarmen die Glocke vorsichtig aus dem Meeresboden und schob sie geschickt in die offene Metallbox. „Ganz langsam anziehen“, funkte Godau dem Crewmitglied, das an Deck die Seilwinde betätigte. Auf dem Bildschirm war zu sehen, wie sich die Metallbox mit der Glocke darin langsam aufrichtete. „Wir haben es geschafft! Ihr könnt sie hochholen“, funkte Godau seinem Kollegen. Godau und die anderen verfolgten den Aufstieg gespannt auf dem Bildschirm. Zuerst durchbrach der Tauchroboter die Wasseroberfläche, danach die Metallbox. Alle eilten an Deck, um die Glocke zu begutachten.

Sofort machten sich Godau und zwei weitere Crewmitglieder daran, die Glocke aus der Metallbox zu heben. Als sie sie auf einer bereit gelegten Gummimatte abgestellt hatten, befreite sie Godau unter den gespannten Blicken der übrigen Crewmitglieder zunächst von Algen, Muscheln und anderen Ablagerungen, um danach den eingeprägten Namen nach und nach vorsichtig freizulegen. Mit filigranen Werkzeugen, kleinen Bürstchen, Pinselchen und Tinkturen brachte Godau Buchstabe für Buchstabe zum Vorschein. Die meisten davon waren allerdings so verwittert, dass sie nicht mehr zu erkennen waren. Als Godau nach einer Weile innehielt und den Blick für alle freigab, wurde jedem klar, dass die kläglichen Reste des Schriftzugs keinen Beweis dafür liefern konnten, dass die Glocke die der „Lady Ottilie“ war. Die anfängliche Anspannung begann bei den meisten in Enttäuschung umzuschlagen. Da wandte sich Godau der Glocke wieder zu und drückte einen dicken dunklen Plastikstreifen über den verwitterten Schriftzug und fertigte so einen Abdruck davon. Mit diesem Abdruck verschwand Godau im Kontrollraum und legte ihn auf einen Scanner, der daraus eine Grafik-Datei an den Computer überspielte. Die Grafik gab aber zunächst auch nur das wieder, was direkt auf der Glocke zu sehen war: nicht zu entziffernde Buchstaben-Fragmente. Dann startete Godau ein spezielles Computerprogramm. Mit quälender Ungeduld starrte er auf den Fortschrittsbalken, der anzeigte, wie weit das Programm mit seiner Arbeit war. Als der Balken seinen Anschlag erreichte, erschien auf dem Bildschirm ein kleines rotes Kästchen, in dem stand: <Auswertung der Grafik nicht möglich>. Godaus Anspannung stieg so sehr, dass er feuchte Handflächen bekamen. Er startete das Programm erneut. Diesmal im Modus mit der feinsten Einstellung. Entsprechend langsam bewegte sich nun der Fortschrittsbalken von links nach rechts. Als der Balken längere Zeit an einer Stelle verharrte, befürchtete Godau, dass sich das Programm festgefahren hatte. Es wäre nach seiner Erfahrung nicht das erste Mal, dass es in dieser Einstellung abstürzte. Doch plötzlich machte die Anzeige einen Satz und der Balken bewegte sich zügig zu seinem Endpunkt. Auf dem Bildschirm erschien nun das Ergebnis. Godau schlug vor Erleichterung mit der flachen Hand auf den Tisch. Er sprang auf und ging hinüber zum Drucker, aus dem gerade ein Stück Papier kam. Damit ging er zurück an Deck und hielt das Blatt in die Höhe, sodass jeder lesen konnte, was darauf stand: „Lady Ottilie“. Das Programm konnte die fragmentierten Buchstaben letztlich doch analysieren und um die fehlenden Fragmente ergänzen. So war die Inschrift wieder deutlich lesbar.

Sofort brach großer Jubel aus. Alle fielen sich in die Arme und waren außer sich vor Freude. Faßmann kam aus der Messe mit einem Kasten Bier und gab jedem eine Flasche, um auf den Erfolg sogleich anzustoßen. Als sich alle zugeprostet hatten, fing Faßmann an zu singen. „We are the champions“ der Gruppe „Queen“, intonierte er lautstark und sofort stimmten alle mit ein. Er musste kurz an seine Zeit im Strukturvertrieb bei Amway denken, als dieser Song immer und immer wieder laut gespielt wurde, um die Stimmung im Saal der Verkaufsveranstaltungen anzuheizen. Das Hochgefühl, das er in diesem Moment empfand, war jedoch anders. Es war viel intensiver. Er spürte es im Herzen. Es war keine perfekt inszenierte Show, es war echt.

Die Dämmerung brach herein und von Berg wandte sich wieder an alle: „Lasst uns alles sichern und für die Nacht vorbereiten. Morgen verschaffen wir uns einen Gesamtüberblick und statten der Lady einen persönlichen Besuch ab.“ Nachdem sämtliche Vorbereitungen abgeschlossen waren, traf sich die Crew in der Messe, um den Fund noch weiter zu feiern, wobei die Vorräte an Bier und Schnaps überdurchschnittlich in Anspruch genommen wurden.

Am nächsten Tag wollten Faßmann und von Berg gemeinsam zu dem Wrack tauchen. Die „Lady Ottilie“ liegt in etwa 60 m Tiefe, was selbst für erfahrene Taucher anspruchsvoll ist. Da sie die erforderliche Ausrüstung natürlich dabei hatten und über die nötige Erfahrung verfügten, sprach nichts dagegen, dass es die beiden sein sollten, die den Tauchgang absolvierten.

Den nächsten Tag nutzten Sie zunächst dafür, mit der Benedicto den Wrackplatz aus verschiedenen Positionen zu überfahren, um so eine vollständige Sonarkarte von dem Gebiet zu erstellen. Je öfter sie das Wrack überfuhren, desto vollständiger wurde das Bild, das sie auf dem Computerbildschirm mit Hilfe einer speziellen Software erstellten.

Während der letzten Fahrt über die Fundstelle tauchte auf dem Bildschirm plötzlich ein merkwürdiges längliches Gebilde auf, das schätzungsweise 300 m von dem Wrack entfernt lag. „Was kann das sein?“, fragte Faßmann. „Wahrscheinlich eine kleine Felsformation. In der Gegend nicht ungewöhnlich“, erwiderte Godau. Sie schenkten dem markanten Gebilde keine weitere Beachtung und schlossen die Erstellung der Sonarkarte ab. Sie erkannten noch zahlreiche weitere Kanonen, die um das Wrack herum auf dem Meeresboden verstreut lagen. Das war allerdings keine große Überraschung, da die „Lady Ottilie“ derart schwer bewaffnet war, um Piratenangriffe erfolgreich abwehren zu können. Hingegen noch nichts zu erkennen war von dem großen Schatz, den das Schiff damals mit sich in die Tiefe gerissen hat, was aber auf einer Sonarkarte aufgrund der begrenzten Bildauflösung und Darstellung noch kein Anlass zur Beunruhigung war. So setzten alle um so mehr auf den Tauchgang von Faßmann und von Berg.

Am besten war es, während eines so genannten Gezeitenfensters zu tauchen, da dann die Strömung am geringsten und die Sicht am besten ist. Diese Zeitfenster treten während dem maximalen Hoch- oder Niedrigwasser auf und dauern etwa eine Stunde an. Das nächste Gezeitenfenster war um kurz vor 17 Uhr, sodass für die umfangreiche Vorbereitung noch genug Zeit blieb.

Als Faßmann und von Berg ihre Tauchausrüstung nach einer langen Prozedur endlich fertig angelegt und alle Funktionen überprüft hatten, sprangen sie gleichzeitig vom Deck aus ins Wasser. Sie brauchten etwa 10 Minuten, bis sie am Grund und dem Wrack angekommen waren. Sie schwammen das gesamte Wrack ab. Doch weiterhin keine Spur von den vielen Goldbarren und Silbermünzen, mit denen die „Lady Ottilie“ auf ihrer letzten Fahrt beladen war. Faßmann beschloss, ins Innere des Wracks zu tauchen und bedeutete dies von Berg mit entsprechenden Handzeichen. Von Berg zeigte an, dass er sich weiter außen umsehen werde. „Vielleicht wurde ja alles über die Zeit mit Sand und Schlick überzogen“, dachte sich von Berg und fing an, an einigen Stellen mit den Händen den Meeresboden zu untersuchen. Nach einer Weile kam Faßmann wieder aus dem Wrackinneren. Als er Sichtkontakt zu von Berg hatte, schüttelte er betont mit dem Kopf. Von Berg zeigte mit der gleichen Geste an, dass auch er bis jetzt nichts gefunden hatte. Da sie inzwischen fast eine halbe Stunde am Meeresgrund waren, mussten sie das Wrack verlassen, um noch genug Zeit für das Auftauchen zu haben. Sie mussten beim Aufstieg in regelmäßigen Abständen Dekompressions-Stopps einlegen, um die lebensbedrohliche Taucherkrankheit zu vermeiden.

Als sie schließlich wieder an der Wasseroberfläche ankamen, über die Tauchleiter zurück an Bord geklettert waren und die Tauchermaske abgenommen hatten, blickten sie in die neugierigen Gesichter ihrer Crew. Beide hatten ein ziemlich mieses Gefühl, war ihnen doch bewusst, dass sie augenblicklich über das Ergebnis ihres Tauchgangs Rede und Antwort stehen müssen.

„Und?“, fragte zuerst Godau knapp, als sie noch dabei waren, den Taucheranzug loszuwerden. „Nichts, einfach nur nichts„, erwiderte von Berg in der Überzeugung, dass es sinnlos wäre und die Situation nur verschärfen würde, damit nicht sofort und klar rauszurücken. „Wie, nichts?„, fragte Godau irritiert nach.

„Keine Spur von der Ladung und wir haben da unten keine Fische gezählt. Faßmann war sogar im Wrack.„

„Wie kann das sein?„

„Glaub mir, wenn ich wenigstens eine Ahnung hätte, würde ich sie dir verraten.„

„Und wie machen wir nun weiter?„

„Wir fahren morgen das Gebiet noch großräumiger mit Poseidon ab. Dann müssen wir was finden.„

Die Stimmung beim Abendessen in der Messe war so ziemlich das Gegenteil von der des vorangegangenen Abends. Alle saßen schweigend da und gingen früh in ihre Kajüte. Faßmann und von Berg blieben noch etwas. „Meinst du, das bringt was, den Radius zu vergrößern“, fragte Faßmann.

„Das ist unsere letzte Option.“

„Und wie wahrscheinlich ist es, dass wir auf diese Weise was finden?“

„Schwer zu sagen.“

Faßmann merkte, dass von Berg die Erfolgschancen eher gering einschätzte und dass er wohl auch am Ende seines Lateins war. Er wollte sich gar nicht ausmalen, wie die Stimmung unter der Mannschaft erst sein würde, wenn sie am nächsten Tag immer noch mit leeren Händen da stünden. „Hast du irgendeine Idee, warum wir bei dem riesigen Schatz so gar keinen Hinweis darauf finden?“ fragte Faßmann nach einer Weile. „Wirklich, Ulrich, nicht die geringste. Mir ist das auch ein Rätsel“, erwiderte von Berg.

Am frühen Morgen ließen sie den Tauchroboter wieder zu Wasser und fuhren um die Wrackstelle in immer größeren konzentrischen Kreisen. Wieder vergingen Stunden, ohne auch nur den kleinsten Hinweis auf das Gold und Silber, das die „Lady Ottilie“ geladen hatte. „Verdammt nochmal. Bei der Menge an Ladung muss doch davon was zu sehen sein“, rief Godau unvermittelt aus. „Vielleicht gab es einen Strömungsversatz“, sagte von Berg.

„Was auch immer für ein Versatz. Ich befürchte, wir können die Aktion langsam abblasen.“

„Nein, wir machen weiter“, sagte von Berg und mischte seinem Unterton wieder eine so große Portion Autorität bei, dass sich Godau nicht traute zu widersprechen.

Je größer die Entfernung von dem Wrack wurde, desto näher kamen sie der markanten Felsformation, der sie zunächst keine weitere Beachtung geschenkt hatten. Plötzlich stockte von Berg der Atem, bei dem, was er da auf dem Bildschirm sah. „Fahr mal näher ran“, sagte er zu Godau. Als die Kamera des Tauchroboters dem Objekt näher kam, sog von Berg die Luft ein, beugte sich noch tiefer zu dem Bildschirm und murmelte irgendetwas unverständliches, während er den Kopf schüttelte. Auch Godau und Faßmann starrten nun tief auf den Bildschirm gebeugt auf das Gebilde, das mittlerweile klar zu erkennen war. „Fahr mal drumrum“, sagte von Berg und Godau steuerte Poseidon langsam an dem Objekt entlang, immer die Kamera und Scheinwerfer darauf ausgerichtet. „Stopp“, rief von Berg, als eine Erhöhung in Sicht kam. „Hier mal ganz langsam nach oben“, sagte er, ohne den Bildschirm auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Godau stoppte den Tauchroboter und ließ ihn so langsam wie möglich nach oben steigen. Da wird eine verwitterte Inschrift sichtbar: „U148“.

Godau war sichtlich unbeeindruckt. „Schau an, unser Felsen ist ein U-Boot aus dem letzten Weltkrieg. Wenn sich die Militärhistoriker nicht erheblich verzählt haben, dann ist das eins von über 30, die hier zum kollektiven Stahlsarg wurden“, sagte er betont gelangweilt.

„Okay, das bringt uns also jetzt auch nicht weiter“, bemerkte Faßmann nüchtern nach dem wenig erbaulichen Kommentar von Godau zu dem unerwarteten Fund.

„Oh, ich denke schon“, erwiderte von Berg überraschend optimistisch wie entschlossen.

„Also ich denke, Godau hat recht“, warf Faßmann ein, „ein gesunkenes U-Boot aus dem Zweiten Weltkrieg ist wirklich nichts Besonderes im Ärmelkanal. Was soll uns der alte Stahlkoloss also bringen?“

„Ich denke, hier finden wir endlich, wonach wir suchen.“

„Und wieso das?“

„Vertrau mir! Wir machen hier nochmal einen Tauchgang.“

Faßmann und Godau wunderten sich über die Zuversicht, die von Berg plötzlich hatte. Sie konnten sich nicht erklären, worauf sie sich gründete, doch wollten sie dem erfahrenen Wracksucher schon aus Mangel an einer eigenen Idee nicht widersprechen. Bis zum nächsten Gezeitenfenster war noch genug Zeit. So bereiteten sie erneut alles Nötige vor und kurz vor 17 Uhr tauchten Faßmann und von Berg hinab zu U 148.

U 148 wurde offiziell ausschließlich als Schul- und Ausbildungsboot eingesetzt. Während der gesamten Dienstzeit kam es zu keinem einzigen Gefechtseinsatz. Nach den offiziellen Informationen soll das U-Boot am 5. Mai 1945 in Wilhelmshaven gemäß dem von Großadmiral Karl Dönitz erlassenen, sogenannten „Regenbogen-Befehl“ von seiner Besatzung selbst versenkt worden sein. Dieser Befehl besagte, dass alle nicht für die Fischerei oder zur Beseitigung von Seeminen geeigneten Schiffe und U-Boote der Kriegsmarine zu versenken seien, damit sie nicht in die Hände des Feindes fallen. Demnach wäre es eigentlich nicht möglich, dass U 148 hier auf Grund liegt.

Als sie an dem U-Boot angekommen waren, entdeckten sie an der rechten Flanke des Rumpfs ein großes quadratisches Loch, das aufgrund seiner geometrischen Form nicht durch eine Kollision, einen Torpedoeinschlag oder ein anderes Geschoss verursacht werden konnte. Sie schwammen an die Öffnung heran und erkannten, dass es sich um eine Taucherschleuse handelte. Faßmann staunte, dass es zu dieser Zeit bereits eine solche Vorrichtung bei U-Booten gab. Er glaubte bislang, dass das erst später erfunden worden wäre. Von Berg zögerte keinen Moment und tauchte über diese Öffnung in das U-Boot. Faßmann folgte ihm. Als sie das Innere der Schleuse mit ihren Taschenlampen ausleuchteten, erkannten sie, dass auch die innere Schleusentür offen stand und so ein Zugang möglich war. Während von Berg weiter in das Innere vordrang, machte Faßmann wieder kehrt und schwamm um das U-Boot herum, in der Hoffnung, hier endlich irgendeinen Hinweis auf den Schatz zu finden, den sie seit Tagen vergeblich suchten. Da entdeckte er einen Taucherhelm und daran ein paar Fetzen eines Taucheranzugs, wie er damals üblich war. Als er den Helm langsam anhob und mit seiner Taschenlampe in das Sichtfenster leuchtete, erschrak er, wobei ihm Sekunden später bewusst wurde, dass er mit diesem Anblick hätte rechnen müssen. Er blickte direkt in die dunklen Augenhöhlen eines Totenschädels. Der Taucher hatte es offensichtlich nicht mehr rechtzeitig geschafft, sich zurück in das U-Boot oder an die Wasseroberfläche zu retten. Er legte den Helm zurück auf den Meeresboden und schwamm wieder zu der Taucherschleuse, um nach von Berg zu sehen, der gerade in dem Moment dort wieder auftauchte. Faßmann sah von Berg voller Erwartung an, doch dieser bedeutete ihm mit einer Handbewegung lediglich, dass sie wieder auftauchen sollten. Schlagartig wurde Faßmann bewusst, dass sie auch diesmal mit leeren Händen zu ihrer Crew zurückkehren und große Erwartungen abermals enttäuschen würden.

Als sie wieder auf der Benedicto waren, versprach von Berg der Mannschaft, gleich in der Messe ausführlich von dem Tauchgang zu berichten und dass sie sich die Aufnahmen der GoPro-Kamera gemeinsam ansehen würden, die beide dabei hatten, um den Tauchgang zu dokumentieren.

Kurz vor dem Abendessen klopfte Faßmann an die Tür von von Bergs Kajüte. „Komm rein“, hörte Faßmann von Berg durch die dünne Kajütentür sagen. Er schien mit Faßmanns Besuch gerechnet zu haben.

„Jetzt sag schon, was hast du geglaubt, in dem U-Boot zu finden?„, fragte Faßmann insistierend.

„Na das, was wir hier schon die ganze Zeit suchen oder wenigstens einen Hinweis darauf.“

„Was soll denn das U-Boot mit der ‘Lady Ottilie’ zu tun haben? Das ist doch sicher nur zufällig hier gesunken. Ich versteh’s nicht, Wilhelm.“

Von Berg war froh, dass Faßmann den möglichen Zusammenhang zwischen der für die damalige Zeit hochmodernen Taucherschleuse und der ‘Lady Ottilie’ nicht hergestellt hatte.

„Hättest du eine bessere Idee gehabt?“, entgegnete von Berg.

„Nein, hätte ich nicht, aber ich wäre auch nicht auf die gekommen, in dem U-Boot nach dem Schatz zu suchen.“

„Siehst du.“

„Dann erklär’ mir doch bitte, warum du in dem U-Boot den Schatz oder wenigstens Hinweise darauf vermutet hast.“

„Es war schlicht unsere letzte Option.“

„Letzte Option. Das ist die ganze Erklärung?“

„Over and out.“

Faßmann sah von Berg lange wortlos an. Dann sagte er, während er eine ausladende wegwischende Handbewegung machte: „Sei’s drum. Was machen wir jetzt?“

„Wir brechen ab und fahren zurück.“

„Na, dann mach das mal der Mannschaft klar.“

„Keine Sorge. Das mach’ ich. Was hältst du davon, wenn wir allen das Doppelte der vereinbarten Heuer bezahlen, sozusagen als Ausfallentschädigung für den versprochenen Gewinnanteil?“

Faßmann überlegte kurz, sah aber schnell ein, dass es ein guter Vorschlag war und die Crew es auch verdient hatte.

„Einverstanden“, sagte Faßmann schließlich, atmete tief durch und verließ die Kajüte.