Die Großmutter hielt dem Großvater oft vor, dass wir arme Leute waren.
»Was bringt es, das Kind in den Westen zu schleppen, wenn man es nicht ernähren kann und auf die deutschen Almosen angewiesen ist?«, zeterte sie, als wäre die Auswanderung die Idee meines Großvaters gewesen. Ich hatte nie verstanden, welchen Beruf er früher ausgeübt hatte, die Großmutter hatte die Tätigkeit meist als »nicht der Rede wert« bezeichnet. Im Wohnheim hatte er begonnen, tropfende Wasserhähne und störrische Heizungen zu reparieren, weil der Hausmeister lieber an seinem eigenen Auto herumschraubte. Bald schrieb die Großmutter »Mache jede Arbeit billig« auf fünfzig Blatt Papier, unsere Telefonnummer darunter und klebte die Zettel an Laternenpfähle.
Nun lag der Großvater viel seltener auf dem Feldbett im Nebenzimmer. Es gab Tage, da ging er im Morgengrauen aus dem Haus, während ich am Tisch saß und Hühnerbrühe in mich hineinwürgte, und kam zurück, als ich bereits im Halbschlaf auf der ausgezogenen Couch lag und die Großmutter ihre Fersen mit Gänseschmalz einfettete. Er schob sich dann vorsichtig durch den schmalen Spalt zwischen Tür und Bett, flüsterte einen Gruß und verschwand im Nebenzimmer, kommentiert von der gesenkten Stimme meiner Großmutter: »Wo warst du den ganzen Tag? Ich tanze vierundzwanzig Stunden am Tag um das kranke Kind, und er treibt sich rum, und das wenige Geld, das er mitbringt, treibt einem nur die Tränen in die Augen.«
Der Großvater schwieg. Ich lag neben der Großmutter und tat so, als ob ich schliefe.
Wenn ich am Morgen vom Wecker aus dem Schlaf gerissen wurde, sah ich die Großmutter am Tisch sitzen und Geld zählen. Sie strich die Scheine glatt und stapelte sie ordentlich aufeinander. Dabei schien sie mit der Höhe des Stapels nie einverstanden zu sein. Sie schüttelte den Kopf und schnalzte verächtlich mit der Zunge. »Wahrscheinlich zahlt er noch dafür, dass er einen Zaun streichen darf«, murmelte sie, sobald sie merkte, dass ich wach war. »Jeder normale Mann hätte mindestens das Doppelte mitgebracht.«
Ich lag im Bett und staunte darüber, wie nah sie der Wahrheit kam. Ich war mir sicher, dass der Großvater exakt die Hälfte seines Verdienstes bei Nina ablieferte, nachdem er einen kleinen Betrag für seine Zigaretten und Zeitungen abgezweigt hatte. Dass der Klavierunterricht zum Lebensunterhalt reichte, glaubte ich genauso wenig wie die Großmutter, die sicher war, dass Nina von einem Unbekannten ausgehalten wurde. Einmal hatte ich erlebt, wie Nina mitten in meinem Klavierstück aufstand, als könnte sie keine Sekunde länger warten, und nach nebenan ging. Durch die angelehnte Tür sah ich, wie dem Großvater Geldscheine ins Gesicht flatterten.
»Als ob ich deine Almosen brauche! Soll ich mir dann auch die Hälfte von dir abschneiden, einen Arm, ein Bein?«
Der Großvater war in die Knie gegangen, hatte die Zwanziger eingesammelt und sie ihr in die Hand gedrückt. Er hielt ihre rechte Hand in seinen beiden fest. An diesem Tag klimperte ich die immer gleichen Akkorde meiner Kinderversion der Schwarzen Augen allein vor mich hin. Nina kehrte nicht mehr ans Klavier zurück. Das Hemd meines Großvaters hatte feuchte Flecken auf der Schulter, die der Wind auf dem Heimweg trockenpustete.
Meine Warnung, der Großmutter nichts von Nina und dem Großvater zu verraten, schien Vera beeindruckt zu haben. Sie redete nun häufiger mit mir, was nicht immer ein Grund zur Freude war.
Sie stellte Fragen. Viele Fragen. In ihrer Art, Dinge auszusprechen, die sich wie ein Schlag in die Magengrube anfühlten, ähnelte Vera der Großmutter. Sie fragte mich, warum die Großmutter mich immer noch bewachte, wenn ich auf den Spielplatz ging. Warum sie meinen Schulranzen trug und eine Thermoskanne mit Heilkräutersud ans Schultor brachte, warum sie einmal vor den Augen der ganzen Straße auf den Boden gefallen war, mit einem gellenden Schrei die Nachbarschaft beschallend, nur weil ich eine Limonadendose in der Hand hielt, die in Wirklichkeit Vera gehörte und an der ich nur einmal genippt hatte, um zu überprüfen, ob mein Magen sich wirklich daraufhin auflösen würde. (Er tat es nicht, aber ich hatte auch gleich ausgespuckt.) Ob meine Großmutter wirklich die Hexe war, für die sie gehalten wurde, ob sie total krank im Kopf war oder nur teilweise, warum ich mir vor und nach den Mahlzeiten die Hände wusch, ob ich wirklich allergisch gegen Tier- und Menschenhaare war, ob meine Mutter mich vielleicht doch meiner Großmutter verkauft oder ob diese mich entführt hatte. Veras Taktlosigkeit faszinierte mich, und ich gab mir aufrichtig Mühe, ihre Neugier zu befriedigen.
Die Großmutter betrachtete fremde Kinder weiterhin mit einer Mischung aus Faszination, Neid und Argwohn. Die blonden deutschen Kinder weigerten sich standhaft, sie zu verstehen, was sie sogar einmal zu der Bemerkung verleitete, dass es offenbar noch debilere Kinder gebe als mich. Sie verschmähten die dargebotenen Waffelpralinen, mit Kondensmilch gefüllte Mürbeteignüsse und andere Köstlichkeiten aus dem benachbarten russischen Supermarkt, die die Großmutter in nostalgischen Momenten kaufte und an deren Verpackung sie mich riechen ließ. Vera dagegen nahm nicht nur nach wie vor die Süßigkeiten an, sondern setzte sich nun noch bereitwilliger an unseren Küchentisch, angeblich, um mir bei den Hausaufgaben zu helfen. Im Gegensatz zu meiner Großmutter wusste ich, was sie umtrieb: Wenn der Großvater nach Hause kam und Vera erblickte, genoss sie das schlechte Gewissen, das sich als kurzer Schmerz in seinem sonst so regungslosen Gesicht zeigte.
»Erklär es dem Schwachkopf, Kindchen, erklär es ihm«, umschwirrte uns die Großmutter, während Vera und ich uns über unsere Hefte beugten und die Fußspitzen gegeneinanderstupsten. Es waren nicht mehr die Tritte der ersten Zeit, sondern tastende und manchmal fast streichelnde Bewegungen, die schrecklich kitzelten.
»Ich war früher so gut in Mathematik, aber die deutsche Mathematik ist irgendwie anders, und er glaubt seiner Großmutter nicht, wie es richtig geht. Er hält seine Großmutter für blöd, so ist das eben im Alter. Irgendwann werde ich gar nicht mehr gebraucht, dann kann er auf meinem Grab tanzen. Egal, den Goldzahn vererbe ich ihm trotzdem. Willst du ihn auch sehen, Kindchen?«
»Sie sind doch gar nicht alt«, erwiderte Vera großzügig und biss von der Praline ab, die die Großmutter ihr in die Hand gedrückt hatte.
»Ich bin alt, Mädchen, bei mir zählt jedes Jahr doppelt. So gesehen bin ich schon über hundert. Dafür hat sich die Alte noch gut gehalten, was.« Während Vera weiterkaute, bekam ich von der Großmutter einen liebevollen Klaps auf den Hinterkopf.
»Deine Mutter muss dankbar sein, so eine kluge Tochter, selbständig und gesund, dreimal über die Schulter spucken, Hals- und Beinbruch. Wie geht es Nina? Ist sie gesund? Sie ist ja allein, die Glückliche, aber manchmal fühlt man sich ja doch von allen verlassen in der Fremde.«
Vera murmelte etwas und vergrub die Zähne in das bereits abgekaute Ende ihres Bleistifts.
»Nimm das Ding aus dem Mund, Kindchen, das gibt Splitter, die werden dir die Speiseröhre zerstechen, das ist ein qualvoller Tod.«
Vera ignorierte den Hinweis. Anstatt, wie von der Großmutter verlangt, mir die Hausaufgaben zu erklären, hatte sie längst mein Heft neben ihres gelegt und schrieb meine Lösungen ab. Danach spitzte sie ihre Stifte mit meinem Spitzer und leerte ihn nicht aus. Ich hörte das Ticken der Uhr immer lauter, während Vera endlos lange auf die Toilette ging und sich danach die Hände nicht wusch und ich mich fragte, wieso es der Großmutter nicht auffiel, die schon wildfremde Erwachsene gern über die Gefahren von Cholera und Ruhr belehrte. Ich hätte die Auseinandersetzung mit Vera gern erlebt, doch die Stunden bei uns verliefen und endeten immer gleich: Wenn der Großvater abends die Tür aufschloss, saß sie immer noch da und grinste ihn an.
»Da kommt schon der Alte, hungrig wie immer, hat wohl mehr Geld ausgegeben als verdient, wasch dir die Hände. Nein, setz dich nicht an den Tisch, du bist alt und kannst warten. Das Mädchen hier muss erst nach Hause, in ihrer Straße sind lauter Türken, und man sieht ihr die Jüdin an, ich meine es nicht als Beleidigung, Kindchen, du hast bestimmt schon mal selbst in den Spiegel geschaut. Begleite sie bis zur Wohnungstür, wir sind schließlich keine Tiere. Soll ich dir für unterwegs eine Stulle schmieren?«
Der Großvater lehnte mit einer Kinnbewegung ab. Er sah Vera an, und in seinem Blick schimmerte eine Bitte um Entschuldigung, die mir nicht gefiel: Schließlich war er mein Großvater und nicht ihrer.
Ich nahm dem Großvater seine zunehmende Abwesenheit nicht übel und machte mir selten Gedanken darüber, ob er gerade wegen einer Arbeit mehrere Nächte am Stück woanders verbringen musste und wie viel davon er für Nina abzweigte. Weniger großzügig war ich, als mir auffiel, dass er in Bezug auf Vera von einem merkwürdigen Gerechtigkeitsprinzip geleitet wurde. Kehrte er nach einigen Tagen wieder zurück, brachte er mir kleine Geschenke mit, eine der wenigen Ausgaben, die er sich neben seinen Zigaretten erlaubte. Jedenfalls dachte ich das, bis ich in Veras Zimmer zu viele ähnliche Dinge entdeckte, um es noch als Zufall durchgehen zu lassen.
Schenkte mir mein Großvater Seifenblasen, fand sich ein identisches Fläschchen auf Veras Schreibtisch. Brachte er mir ein Kuscheltier mit, sprang mir dessen Zwilling in Veras Bett ins Auge. Dass er so wenig Unterschied zwischen einem fremden Mädchen und seinem Enkel machte, bestätigte, was meine Großmutter immer behauptete: Niemand auf der ganzen Welt würde sich jemals so für mich interessieren wie sie.
»Und vielleicht noch der rothaarige Jude«, ergänzte sie zuverlässig.
»Den gibt’s doch gar nicht,« versuchte ich manchmal einzuwenden.
»Glaubst deiner Oma nicht, was«, höhnte die Großmutter. »Aber was sagst du dazu: Als du fünf Monate alt warst, hat er dich aus dem Kinderwagen geklaut. Tatsache. Ich habe dich vor dem Bäcker abgestellt, die Stufen zu hoch, kein Schwein hilft. Und da ist er gleich zu dir und hat dich geschnappt. Ich bin ihm hinterher, habe nach der Miliz gerufen und dich ihm entrissen.«
»Und er?« Die Überzeugungskraft meiner Großmutter war enorm: Ich hatte wirklich das Gefühl, eine verschwommene Erinnerung würde sich plötzlich vor mein inneres Auge drängen, ein verzerrtes Gesicht mit einem zuckenden Lid, der gnadenlose Zug an meinen Gliedmaßen, der allerdings aus der Gegenrichtung kam.
»Abgehauen ist er, der Feigling«, empörte sich die Großmutter.
»Aber was wollte er?«
»Sicher nichts Gutes.«
»Aber er wollte mich? Vielleicht hatte er keine eigenen Kinder?«
Die Großmutter schnaufte. »Was soll die Fragerei? Glaubst der Oma nicht? Irgendwann wirst du ja vielleicht doch noch erwachsen. Und dann drehst du dich nicht einmal mehr nach mir um. Lässt mich krepieren, ohne ein Glas Wasser. Vergisst mich einfach. Der Mensch ist ein undankbares Tier.«
Mir schien es unmöglich, die Großmutter jemals vergessen zu können. Das Kuscheltier, das ich vom Großvater bekam, nahm sie mir mit der Begründung weg, dass es nach Chemie stinke, und steckte es einem rotznäsigen Nachbarskind zu. Ein vom Großvater mitgebrachtes Comicheft wanderte in den Müll, weil es Schund war, von dem sich mein Gehirn auflösen würde. Ich trauerte ihm nach und las es schließlich in Veras Kinderzimmer fertig. Dabei erfuhr ich, dass mein Großvater Nina und sie zum Eisessen ausgeführt hatte. Auf dem Nachhauseweg vom Klavierunterricht verlangte ich, dass der Großvater dem Prinzip der Gleichbehandlung treu blieb. Ich wollte auch ein Eis.
Der Großvater schaute mich an. Ich versank in seinem bodenlosen Blick. Ich schämte mich ein wenig für meine Forderung und war überrascht, als der Großvater langsam nickte.
Meine Hand in seiner, betraten wir eine Eisdiele. Es war nicht so, dass ich noch nie in einer gewesen wäre. Die Großmutter liebte Eis. Wenn sie sich eins kaufte und ich dabei war, ließ sie mich manchmal die Waffel halten, während sie ihre Hände mit Feuchttüchern desinfizierte. Doch als der Verkäufer mich jetzt persönlich nach der gewünschten Sorte fragte, schwirrte mir der Kopf. Überfordert vom Angebot, deutete ich auf eine Wanne mit rosafarbener Masse, während der Großvater Pfefferminz bestellte. Wir traten mit unseren Eiswaffeln an die frische Luft und setzten uns auf eine Bank.
Erst als der Großvater mit seinem Eis fertig war, merkte er, dass ich meines nicht einmal probiert hatte. »Schmeckt nicht?«, fragte er und streckte die Hand aus, um einen rosa Tropfen mit dem Zeigefinger aufzufangen. Ich schüttelte den Kopf. Das Eis schmolz in meinen Händen, und ich hatte das Gefühl, eine entsicherte Granate zu halten.
In manchen Nächten, wenn ich nicht einschlafen konnte, weil mein vom Reisschleim und Haferbrei frustrierter Magen knurrte, malte ich mir aus, was ich alles verschlingen würde, wenn ich nur noch eine Woche zu leben hätte. Den Abgang vor Augen, dachte ich an Schokoladentorten mit Buttercreme, an vor Nutella triefende Pfannkuchen, an frittierte Teigbällchen, die mit Marmelade gefüllt waren und die ich ab und zu in Schaufenstern von Bäckereien sah. Mit derlei Bildern im Kopf wälzte ich mich hin und her, bis die Großmutter sich stöhnend erhob, um für mich in ihrer unergründlichen Medikamententasche ein Beruhigungsmittel zu suchen. Danach konnte ich mich an die nächsten zwei Tage nicht mehr erinnern.
Die dickflüssige rosa Masse rann mir über die Finger. Mein Großvater begriff, was in mir vorging, und streckte die Hand aus, um mich von der Qual zu erlösen. Aber ich hielt mich an der klebrigen Waffel fest. Er ging zurück in die Eisdiele, um ein paar Servietten zu holen, und in diesem Moment beschloss ich, dass es die Sache wert war. Ich würde mir die Finger ablecken und danach endlich tot umfallen.
Als der Großvater mit einem Stapel Servietten vor mir stand, war ich gerade damit beschäftigt, die letzten Waffelreste mit den Zähnen zu zerteilen. Geschmolzen war es lächerlich wenig Eis gewesen. Er interpretierte meinen Blick richtig und holte ein neues.
Wenn ich nicht mehr da wäre, könnte er für immer zu Nina ziehen und Vera Comics und Kaugummis kaufen, überlegte ich und zerbiss die zweite Eiskugel, dass mir die Zähne schmerzten. Nun wartete ich, dass irgendwas passierte.
Wir liefen zur Straßenbahnhaltestelle. Unterwegs feuchtete der Großvater die Papierserviette an einem Brunnen an und half mir, Hände und Mund zu säubern. Mir war, als würden an einem Tatort die Spuren beseitigt, und ich dachte nur flüchtig daran, dass die aggressiven deutschen Keime aus dem Brunnenwasser sofort meinen Darm und meine Lunge besiedeln und mich qualvoll verrecken lassen würden.
Mein Magen krampfte sich zusammen, aber der Schmerz kam nicht von innen, sondern von meiner panisch gekrümmten Haltung und dem angehaltenen Atem. Der Großvater zündete sich eine Zigarette an, obwohl ich direkt neben ihm stand.
Es war naiv zu glauben, dass ein solches Verbrechen meiner Großmutter hätte entgehen können. Als wir die Wohnung betraten, saß sie gut gelaunt am Küchentisch und strickte Wollsocken für mich. Der Großvater versuchte, an ihr vorbei ins Nebenzimmer zu gelangen. Die Großmutter zog geräuschvoll die Luft ein. Ihre Nasenflügel bebten.
»Hast du vor dem Kind geraucht? Ganz den Verstand verloren?«
»Es war an der Haltestelle«, rief ich verzweifelt. »Da stand ein fremder Mann! Er hatte eine Zigarette!«
»Und wozu hattest du deinen Großvater dabei? Hätte er dem Schwein nicht die Zigarette aus dem Maul reißen und sie ihm in den Hintern stopfen können?«
Begeistert über die Wortwahl, vergaß ich für einen Augenblick meinen Schreck.
»Opa ist zu alt zum Prügeln«, sagte ich leise.
»Zu alt? Dieser Hengst? Hast du gesehen, wie er Bretter und Rohre durch die Gegend schleppt? Asiaten werden nicht alt. Alt werde hier nur ich.«
Ich streckte die Hand aus und streichelte meiner Großmutter über den Unterarm. Für einen Moment wurde ihr Gesicht weich, doch dann zogen sich die Augenbrauen bedrohlich zusammen. Sie griff nach meiner Hand, drehte sie um, roch daran. Mein Herz blieb stehen.
Sie schubste mich überraschend schwungvoll von sich, sodass ich hinfiel und mir den Kopf an der Wand stieß. Sie rannte ins Nebenzimmer, wo der Großvater gerade sein Hemd über die Stuhllehne hängte. Wie ein wild gewordener Bullterrier stürzte sich die Großmutter auf ihn, zerrte an seinem Unterhemd, schlug mit den Fäusten auf ihn ein.
»Den Verstand weggehämmert, was?«, schrie sie, während mein Großvater versuchte, sein Gesicht mit den Händen abzuschirmen. »Was gibst du dem Kind? Warum nicht gleich Rattengift? Ist dir das Kind egal? Maya getötet, jetzt noch schnell den Jungen loswerden? Aber nicht mit mir. Ich bringe dich hinter Gitter.«
Ich lehnte meinen pochenden Schädel gegen die Wand und schloss die Augen. Der Großvater antwortete nicht. Die Schläge meiner Großmutter wurden langsamer und dumpfer. Plötzlich wurde es ganz still. Ich schaute vorsichtig ins Nebenzimmer.
Die Großmutter hatte die Augen geschlossen und lehnte sich gegen den Großvater. Er hielt sie in seinen Armen fest, die Wange an ihre Schläfe geschmiegt. Seine Schultern und Oberarme waren zerkratzt, als wäre er durch eine Brombeerhecke gelaufen.
Sie standen eine gefühlte Ewigkeit so da. Ich hielt die Luft an, unfähig, mich zu rühren.