I ch kann nachvollziehen, dass Sie ein Problem haben, Sergeant Poe«, antwortete Tai-young Lee. »Aber nicht, wieso ich eins habe.«
»Sie haben ein Problem, Ma’am, weil die Frau, die Sie verhaftet haben, eine Mitarbeiterin der NCA ist. Und zwar schon seit einiger Zeit.«
Lee furchte die Stirn. »Davon hatte ich keine Kenntnis.«
»Ich setze Sie davon in Kenntnis. Die SCAS zahlt Professor Doyle eine jährliche Pauschale. So gesehen ist sie dort angestellt, allerdings würde ich das an Ihrer Stelle ihr gegenüber nicht ansprechen.«
»Sie ist wegen Mordes verhaftet worden, und ohne voreingenommen wirken zu wollen, die Beweislage ist erdrückend. Solange Sie mir nicht sagen, dass sie diplomatische Immunität besitzt, kommt sie da nicht …«
»Sind Sie ehrgeizig, Ma’am?«, erkundigte sich Poe.
Lee zuckte die Achseln. »So ehrgeizig wie jede Koreanerin, deren Eltern wollten, dass ihr einziges Kind Ärztin wird.«
»Dann lassen Sie mich zu ihr.«
»Drohen Sie mir etwa, Sergeant Poe?«
»Natürlich nicht, Ma’am. Aber vielleicht sollten Sie sich fünf Minuten Zeit nehmen, mich zu überprüfen. Und überlegen, wie viel von mir Sie in Ihrem Leben haben wollen; ich werde das hier nämlich sicher nicht auf sich beruhen lassen.«
Sie stand auf, sagte halblaut: »Das kann ich im Moment wirklich nicht brauchen«, und eilte davon.
Poe wandte sich wieder seinen E-Mails zu. Noch immer nichts von Flynn oder Bradshaw.
Eine Viertelstunde später kehrte Tai-young Lee zurück. Glücklich sah sie nicht aus.
Diesmal setzte sie sich nicht. Poe stand nicht auf. Wenn sie es nötig hatte, ihn zu überragen, nur zu. Er war wegen Doyle hier, nicht wegen seines Egos.
»Mein Chief Superintendent kennt Sie anscheinend, Poe«, verkündete sie. »Er hat gesagt, Sie hätten sich letztes Jahr so richtig mit den Sicherheitsbehörden angelegt und gewonnen.«
»Das wurde stark übertrieben«, wiegelte Poe ab.
»Er schien beeindruckt zu sein.«
»Das ist wirklich nicht nötig.«
»Gut, ich bin’s nämlich nicht. Alles, was ich hier sehe, ist jemand, der versucht, sich in eine laufende Ermittlung einzumischen.«
»Ich verspreche Ihnen, ich habe nicht vor …«
»Aber«, würgte sie seine halbherzigen Beteuerungen ab, »aus Kulanz der NCA gegenüber werden wir Ihnen gestatten, mit Professor Doyle zu sprechen. Da bei diesem Treffen keine anwaltlichen Privilegien gelten, wird das Aufnahmegerät laufen und ich höre mit. Wenn ich der Ansicht bin, dass Sie im Begriff sind, Dinge preiszugeben, die wir noch zurückhalten wollen, werde ich das Gespräch sofort beenden und Sie festnehmen, weil Sie sich in eine polizeiliche Ermittlung eingemischt haben. Diese Bedingungen sind nicht verhandelbar.«
Da gab es nichts zu überlegen. »Schön.«
Sie seufzte. »Um was geht’s hier wirklich, Sergeant Poe? Warum wollte sie, dass Sie informiert werden?«
»Keine Ahnung«, antwortete er. »Aber ich glaube, Sie sollten mir lieber erzählen, was passiert ist.«