15 . Kapitel

H i, Poe«, sagte Bradshaw. »Wie geht’s Estelle Doyle?«

»Wo warst du denn, Tilly? Ich dachte, du kommst nach Newcastle.«

»Director Edward van Zyl hat gesagt, ich darf nicht.«

Poe knurrte verdrossen. Er hatte Respekt vor Flynn und er hatte Respekt vor van Zyl, aber es war ihm sehr viel lieber, wenn die beiden ihn tun ließen, was er wollte.

»Wie geht’s Estelle Doyle?«, fragte Bradshaw noch einmal.

»Nicht gerade gut, Tilly. Ich weiß, dass jemand ihr was anhängen will, aber ich sehe nicht, wie. Es gibt da ein Problem mit Spuren im Schnee, und wenn wir nicht …«

»Tut mir leid, Poe«, schnitt Flynn ihm das Wort ab, »aber das wird warten müssen. Zeit ist hier ein kritischer Faktor.«

Er runzelte die Stirn. Noch toter konnte Hunt doch nicht werden. Was verschwiegen sie ihm?

»Tilly«, fuhr Flynn fort, »sagen Sie mir, was Sie haben.«

»Ach ja«, sagte Bradshaw. »Ich habe mich in meinen British-Library-Account eingeloggt, und nachdem Hyoscin als Mordwaffe identifiziert worden ist, ergibt das Gedicht sehr viel mehr Sinn. Wir haben auch die Blume identifiziert.«

»Und?«

»Sie gehört zur Pflanzengattung Mandragora. Im Volksmund heißt sie Alraune, und abgesehen von Agatha Christies Black Coffee war Dr. Crippen der Letzte, der Hyoscin als Mordwaffe benutzt hat.«

»Erzähl mir von dem Gedicht«, sagte Poe.

»Erinnerst du dich an die Alraune in Harry Potter und die Kammer des Schreckens, Poe?«

»Ich habe keinen Fernseher. Warum muss ich das immer wieder sagen?«

»Den haben wir uns angesehen, als du Weihnachten bei mir warst. Sogar du solltest das noch wissen, es ist ja noch keinen Monat her.«

Poe zuckte innerlich zusammen. Weihnachten bei den Bradshaws war … anders gewesen. Tillys ungezügelter Enthusiasmus im Gegensatz zu seiner misanthropischen Herangehensweise an die Weihnachtszeit hatte definitiv bewiesen, was geschieht, wenn eine unaufhaltsame Kraft auf ein unbewegliches Objekt trifft. Wobei das unbewegliche Objekt gezwungen worden war, einen Papierhut zu tragen und Weihnachtslieder zu singen.

»War das der über das Zauberer-Internat?«

»Genau!«

»Es könnte sein, dass mir ein paar von den auffälligsten Details entgangen sind.«

»Du meinst, als du geschlafen hast«, sagte Bradshaw.

»Ich bin nicht eingeschlafen – das wäre unhöflich gewesen, Tilly.«

»Oh, bitte . Du hast beim Lunch mit meinem Dad vier Flaschen Bier getrunken. Du bist eingeschlafen.«

Chief Superintendent Stewart räusperte sich. »DI Flynn?«

»Ja, Schluss damit, ihr zwei«, befahl Flynn. »Können wir wenigstens so tun, als wären wir normal?«

»Entschuldigung, DI Flynn«, sagte Bradshaw. »Wie gesagt, das Gedicht ergibt jetzt mehr Sinn. ›Unter des Gehängten Haupt, wo sein Blut tropft in das Laub‹ bezieht sich auf den Aberglauben, dass die Alraune nur dort wachsen würde, wo das Blut eines Gehängten in die Erde gesickert ist. ›Unter der Frucht, so leuchtend gelb‹ ist einfach, die mediterrane Alraune trägt eine gelbe, pflaumenartige Frucht. Das mit dem Ohrenverschließen und Ausreißen bezieht sich auf die Legende, dass der Schrei der Wurzel jeden tötet, der ihn hört, wenn man sie ausgräbt. Darüber hat nicht nur J. K. Rowling geschrieben; Shakespeare erwähnt das auch in Romeo und Julia. «

»Okay«, sagte Poe. »Wir haben es also mit jemandem zu tun, der Zugang zu gefährlichen Medikamenten und eine sardonische Einstellung zur Folklore hat.« Er wandte sich an Flynn. »Aber deswegen sind wir doch nicht hier, oder?«

Flynn sah Chief Superintendent Stewart an. Er nickte.

»Nein, Poe«, antwortete sie. »Wir sind nicht wegen Kane Hunt hier, sondern wegen etwas anderem.«