16 . Kapitel

S agt Ihnen der Name Harrison Cummings etwas, Poe?«, erkundigte sich Chief Superintendent Stewart.

Poe legte die Stirn in Falten. Der Name kam ihm bekannt vor, doch er wusste nicht, wieso.

»Nein?«, fuhr Stewart fort. »Das ist der Tory-Abgeordnete für Sheffield South East.«

Jetzt erinnerte er sich. Der Ehrenwerte Harrison Cummings war Staatssekretär für Außenhandel im Wirtschaftsministerium gewesen und dabei erwischt worden, dass er vom Steuerzahler finanzierte Vergnügungsreisen in alle Welt unternommen hatte. Die hatte er als Erkundungsmissionen für künftige Handelsabschlüsse deklariert; tatsächlich war er auf von Firmen gesponserten Großwildsafaris gewesen.

Die Geschichte war ans Licht gekommen, als seine Tochter zufällig in einem Cloudordner versteckte Fotos gefunden hatte, auf denen Cummings mit Tieren posierte, die er von einem verborgenen Ansitz aus geschossen hatte – Löwen, Giraffen, Elefanten, sogar das extrem gefährdete Sumatra-Nashorn. Angewidert von ihrem Vater, hatte sie die Bilder an einen Journalisten weitergegeben.

Statt sie sofort auf sämtlichen Titelseiten zu bringen, hatte die mit dem Fall betraute Reporterin gewartet. Sie hatte geahnt, dass an der Geschichte mehr dran war als nur ein weiterer Parlamentarier, der mit der Schnauze im Trog ertappt worden war. Also hatte sie sich richtig reingekniet und ein wenig altmodischen investigativen Journalismus betrieben.

Und den größten Parlamentsskandal des Jahres aufgedeckt.

Harrison Cummings hatte nicht nur öffentliche Gelder für teure und moralisch verwerfliche Trophäenjagden ausgegeben, er hatte sich auch von Lobbyisten auf der ganzen Welt Vergnügungsreisen bezahlen lassen. Teure Reisen, für die er als Gegenleistung seine eigene Regierung ersuchte, entsprechende Gesetzesvorhaben einzubringen. Die Investigativjournalistin fand belastende Dokumente, die zeigten, dass Cummings dafür geworben hatte, britischen Polizisten das routinemäßige Tragen von Schusswaffen zu erlauben, wovon sich amerikanische Waffenproduzenten eine Lockerung der Waffengesetze im UK erhofften. Für seine Mühen war er mit einer rotgoldenen Breitling Chronomat-Armbanduhr im Wert von fünfzigtausend Pfund beschenkt worden. Nachdem ihn die großen Tabakfirmen gekauft hatten, hatte er mächtig Druck gemacht, um die Verpackungsverordnung für Zigaretten zu kippen. Plätze in der ersten Reihe bei Spielen der New York Knicks und der Chicago Bulls im Madison Square Garden, eine kleine Aufmerksamkeit der Pharmaindustrie, überzeugten ihn davon, dass es an der Zeit war, die Preise, die die gesetzliche Krankenkasse für amerikanische Medikamente zahlte, erneut auf den Prüfstand zu stellen.

Bei einem Undercover-Einsatz hatte die Reporterin, die sich als Repräsentantin eines Fracking-Unternehmens ausgegeben hatte, ihn gefragt, was die Bewohner seines Wahlkreises dazu sagen würden, wenn sie herausfanden, dass krebserregende Chemikalien ins Grundwasser sickern könnten. Seine Antwort hatte gelautet: »Scheiß doch auf die Arschlöcher da oben im Norden!«

Als die Zeitung die Story druckte, drehte das ganze Land durch. Cummings wurde aus der Fraktion ausgeschlossen. Er verlor seinen Posten im Ministerium. Unfassbarerweise weigerte er sich, zurückzutreten. Und da er gegen kein Gesetz verstoßen hatte, konnte auch keine Neuwahl ausgerufen werden.

Poe brauchte keinen Taschenrechner, um sich das hier auszurechnen.

»Es hat wieder eine Todesdrohung gegeben, stimmt’s?«