24 . Kapitel

W er zum Teufel ist Brian Price?«, fragte Flynn.

SB Wilson öffnete eine Datei auf ihrem iPad. Dann drehte sie es so, dass sie das Display sehen konnten. Es war ein Zertifikat einer Sicherheitsüberprüfung.

»Detective Constable Brian Price«, sagte sie. »Ist seit zehn Jahren beim Personenschutz, seit den letzten drei bei der Abteilung Parliamentary and Diplomatic Protection. Berechtigt, im Einsatz eine Schusswaffe zu tragen. Vorher war er bei der Londoner Polizei. Hat so ziemlich die höchste Sicherheitsstufe, die man als Polizist haben kann. Wie bei jedem Job wie diesem hier wurde das Team gebeten, mögliche Interessenkonflikte offenzulegen, bevor die Auswahl bestätigt wurde.«

Flynn öffnete ihre Datei und überprüfte etwas. »Laut Dienstplan hatte Price frei, als Cummings gestorben ist«, bemerkte sie. »Er wäre erst drei Stunden später dran gewesen, und da die Leute Zwölfstundenschichten geschoben haben, war er seit neun Stunden abwesend.«

»Wir müssen mit dem Schichtleiter sprechen«, sagte Poe. »Und nachsehen, ob es irgendwelche Änderungen gegeben hat, die nicht im Dienstplan stehen.«

Flynn nickte und machte sich daran, eine SMS an irgendjemanden zu tippen. Poe hörte das Signal, als die Nachricht abgeschickt wurde.

»Was haben die Maulwürfe gefunden, Tilly?«, fragte er. »Was haben sie bei der Sicherheitsüberprüfung übersehen?«

»Bei der Sicherheitsüberprüfung haben sie gar nichts übersehen, Poe«, antwortete Bradshaw. »Aber nur, weil sie bloß Verbindungen zu Harrison Cummings gecheckt haben. Wir haben auch nach Verbindungen zu Kane Hunt gesucht.«

Poe sah Wilson vielsagend an.

»Ach, Herrgott noch mal, Mann«, knurrte die Frau. »Der Personenschutz für Cummings ist in zwei Tagen zusammengestoppelt worden. Sie können doch nicht von uns erwarten, dass wir an alles denken.«

»Warum nicht?«, fragte Poe. »Tilly hat das getan, und sie hatte viel weniger Zeit als Sie.«

»Sie sind ein unerträglicher Kerl, Sergeant Poe! Sobald das hier vorbei ist, spreche ich mit …«

»Die haben einen Fehler gemacht, Poe«, schnitt Flynn Wilson mitten im Satz das Wort ab. »Machen wir’s nicht noch schlimmer. Was für eine Verbindung hat Brian Price zu Kane Hunt, Tilly?«

»Natasha Price, seine Tochter«, antwortete Bradshaw. »Sie ist von einem von Hunts sogenannten Leibwächtern online beleidigt worden, nachdem sie sich geweigert hatte, auf einem Datingportal mit ihm zu kommunizieren. Ich habe Screenshots von der Interaktion.«

Sie reichte allen Kopien. Poe las seine durch.

Ashley3782 : Hi, ich bin Ash, ein Gentleman auf der Suche nach einer langfristigen Freundschaft und vielleicht auch einer Beziehung. Möchtest du reden?

Natasha: Nein danke, Ash.

Ashley3782 : Dann leck mich doch! Was hast du überhaupt hier zu suchen, du frigide Zicke?

»Der macht ja einen echt netten Eindruck«, bemerkte Poe. »Ich frage mich, wieso er Single ist.«

»Ashley McCall hat drei Wochen lang immer wieder Hassbotschaften geschickt«, erklärte Bradshaw.

»Drohungen?«

»Hauptsächlich Beleidigungen. Schließlich hat sie ihn den Administratoren gemeldet, und er wurde gesperrt.«

»Aber damit war es nicht vorbei, nehme ich an?«

Bradshaw schüttelte den Kopf.

»Die Website hat keine asymmetrische 128 -Bit-Datenverschlüsselungstechnik verwendet …«

»Was ist das?«, unterbrach Wilson sie.

»Solche Fragen stellt man am besten nicht«, meinte Poe. »Erzähl uns, was passiert ist, Tilly.«

»Durch die laxe Security der Website war er in der Lage, sie auf anderen Plattformen zu identifizieren, bevor er gesperrt wurde. Er hat angefangen, sie zu beschimpfen. Wie sich herausgestellt hat, sind sie beide aus Wigan. Das ist eine Stadt im Nordwesten von England, Poe.«

»Ich weiß, wo Wigan ist, Tilly.«

»Als sie herausgefunden hat, dass er ganz in der Nähe wohnt, hat sie ihn bei der Polizei angezeigt.«

»Und da hat ihr Dad davon erfahren?«

»Ja, Poe.«

»Hat der gegen irgendwelche Datenschutzgesetze verstoßen, als er ihn unter die Lupe genommen hat?«

»Nein, Poe.«

»Was hat er dann getan?«

»Nichts, was wir sehen können.«

»Wie unwahrscheinlich ist es, dass jemand aus Harrison Cummings’ Personenschutztrupp außerdem noch eine persönliche Verbindung zu Kane Hunt hat?«

»Sehr unwahrscheinlich, Poe.«

»Wie unwahrscheinlich?«

»Unwahrscheinlich genug, um es bemerkenswert zu machen.«

Poe sah Flynn an. »Boss?«

Flynn zögerte nicht lange. »Ich lasse ihn zur Vernehmung holen«, sagte sie.

Sie ging, um zu telefonieren, und kam zwei Minuten später zurück.

»Price hat sich nicht zum Dienst gemeldet und sein Handy ist ausgeschaltet«, verkündete sie. »Ein Sergeant von der Territorial Support Group ist unterwegs. Die sollen ihn ausfindig machen.«

Poe knurrte. Die TSG , die Einheit, die die umstrittene Special Patrol Group ersetzt hatte, bekam all die unangenehmen Jobs aufgedrückt. Aber sie waren gut. Harte Kerle, und noch härtere Frauen. Das mussten sie auch sein: Ihre Hauptaufgabe bestand darin, auf öffentliche Störungen zu reagieren, von Kneipenschlägereien bis hin zu ausgewachsenen Aufständen.

Nachdem Flynn dem Sergeant von der TSG die Lage geschildert hatte, kehrte sie in die mobile Kommandozentrale zurück. In den Händen hielt sie zwei Tassen Kaffee und einen Donut. Sie reichte Poe eine der Tassen und biss von dem Donut ab. Marmelade quoll an der Seite heraus und lief ihr auf den Handrücken. Sie leckte sie ab.

Dann bemerkte sie, dass er ihr zusah. »Holen Sie sich verdammt noch mal selbst einen«, brummte sie.

SB Wilson kam herein. »Danke«, sagte sie.

»Noch haben wir ihn nicht«, erwiderte Poe.

»Aber Sie werden ihn kriegen. Die Polizei von London hat über dreißigtausend Officers, und die suchen alle nach Brian Price. Es ist nur eine Frage der Zeit.«

»Das ist unser Job«, meinte Flynn.

»Ich fahre jetzt wieder zur Arbeit, aber hier ist meine Karte, wenn Sie Kontakt aufnehmen müssen.« Sie reichte Flynn eine goldgeprägte Visitenkarte und ging.

»Ich dachte, dieser Fall wird noch richtig schräg, Poe«, sagte Flynn. »Ist eine nette Abwechslung, ihn schnell abzuschließen.«

Poe trank einen kleinen Schluck Kaffee und antwortete nicht.