U nd, was meinen Sie?«, fragte Flynn.
Poe lag in genau derselben Stellung in der Wanne, in der Harrison Cummings aufgefunden worden war. Den Kopf gegen den Rand gelehnt, die Füße unter den vergoldeten Wasserhähnen.
»Weiß noch nicht«, antwortete er. »Ich versuche gerade, ein Gefühl dafür zu kriegen, was er gemacht haben könnte, als er hier drin war. Er hat eine Weinflasche mitgenommen, also hatte er offensichtlich vor, eine Weile hier drinzubleiben. Was macht man denn sonst so in der Badewanne?«
»Lesen. Musik hören.«
»Sonst noch was?«
»Sie holen sich hier keinen runter, falls es das ist, was Sie denken. Nicht solange ich hier stehe.«
Poe antwortete nicht.
»Was ist?«, wollte Flynn wissen.
»Er hatte eine Weinflasche dabei.«
»Das haben Sie gerade gesagt.«
»Nein, Sie verstehen n… Hören Sie, ich trinke keinen Wein, aber wie lange braucht man, um … sagen wir mal, zwei Gläser zu trinken?«
Sie zuckte die Achseln. »So teuren Wein sollte man genießen«, meinte sie. »Und nicht weglenzen wie irgendeinen Billigfusel aus einem Karton für drei Pfund.«
»Wie lange?«
»Vielleicht eine Viertelstunde pro Glas.«
»Also hat er mindestens eine halbe Stunde hier dringelegen.«
»Wahrscheinlich länger, Poe, aber wir haben keinerlei Anhaltspunkt, wann er in die Wanne gestiegen ist. Sobald die Personenschützer sich vergewissert hatten, dass die Wohnung leer war, sind sie draußen geblieben und haben ihn in Ruhe gelassen.«
»Das ist mir egal«, erwiderte er. »Was interessant ist, ist, dass er eine Zeit lang in der Wanne war.«
»Warum?«
»Was passiert, wenn man länger als zwanzig Minuten in der Badewanne liegt?«
»Man wird schrumpelig.«
»Und was passiert mit dem Wasser?«
»Der Schaum verschwindet.«
»Und?«
»Es wird kalt.«
»Ach ja? Wie oft haben Sie schon in einem kalten Vollbad gesessen? Das Wasser kühlt ab, aber es wird nicht kalt. Und es wird nicht kalt, weil wir immer wieder heißes nachfüllen.«
»Okay«, pflichtete Flynn ihm bei. »Es sei denn, man hat den Heißwasserboiler leer gemacht.«
»Und wie wärmt man ein Bad wieder auf?«
»Natürlich indem man heißes Wasser reinlaufen lässt.«
»Zeigen Sie’s mir mal. Ganz vorsichtig.«
Flynn runzelte die Stirn, beugte sich jedoch vor und streckte die Hand nach dem Heißwasserhahn aus.
»Stopp«, sagte Poe. »Sie liegen doch schon in der Wanne.«
Begreifen dämmerte in ihrem Gesicht. »Ich würde den Hebel mit dem Fuß anheben«, sagte sie.
»Genau. Er hätte den Fuß unter den Hebel geschoben und ihn hochgedrückt. Deswegen haben die meisten Badewannen Hähne mit Hebeln und nicht mit Drehgriffen.«
Er setzte sich auf.
»Vorsichtig, Poe«, mahnte Flynn.
Poe hockte sich auf die Knie und tastete behutsam den Hebel des Heißwasserhahns ab. Fuhr mit dem Finger an der Unterseite entlang auf der Suche nach etwas Scharfem oder Ungewöhnlichem. Nach irgendetwas, woran man sich die Haut aufreißen könnte.
Sein Zeigefinger berührte etwas.
Er drehte sich herum und legte sich auf den Rücken, den Kopf unter den Hähnen. Sehen konnte er nichts, doch er fühlte es definitiv. Etwas Kleines, aber Scharfes. Wahrscheinlich ein Feilspan, der den Einbau überlebt hatte. So scharf wie ein Rasiermesser und unmöglich zu sehen. Aber wenn man wusste, dass er da war, und wusste, dass Cummings gern lange badete, dann wüsste man, dass er heißes Wasser nachlaufen lassen würde. Und dass er den Hebel mit dem Spann anheben würde. Mit dem Teil des Fußes zwischen Zehen und Knöchel. Wo die Haut sehr dünn war. Wenn man wusste, dass der Feilspan da war, dann konnte man hier eine Falle stellen.
»Wir brauchen die Spurensicherung und wir brauchen einen Klempner«, verkündete er.
»Wir lassen das sofort …« Flynn legte den Kopf schief. »Was zum Teufel ist denn da draußen los?«
»Sie dürfen da nicht rein«, sagte jemand.
»Mein Name ist Matilda Bradshaw, und ich gehe jetzt da rein, vielen Dank auch. Ich habe wichtige Informationen für Detective Inspector Stefanie Flynn und Detective Sergeant Washington Poe.«
»Ist mir egal«, erwiderte dieselbe Person.
»Lassen Sie sie rein«, rief Flynn.
Gleich darauf trat Bradshaw ins Badezimmer.
»Sie erraten nie, was gerade passiert ist, DI Flynn«, sagte sie. »Jemand hat eben … Was machst du denn da, Poe? Ich dachte, du duschst lieber?«
»Ich bade doch nicht, du Dussel. Ich bin vollständig angezogen und unsere Vorgesetzte steht neben mir.«
»Ja aber, was …«
»Was ist passiert, Tilly?«, wollte Flynn wissen.
»Der Giftmörder«, antwortete sie. »Er war gerade am Telefon.«