33 . Kapitel

B radshaw rief zehn Minuten später zurück. Poe fuhr zusammen; Flynn ebenfalls. Stahl hatte die Augen geschlossen. Poe konnte nicht sagen, ob er schlief oder tot war.

»Alles klar, Tilly?«, fragte er.

»Ich habe Intonation, Sprachfluss und individuelle Vokal- und Konsonantenaussprache abgeglichen, Poe, und ich bin hundertprozentig sicher, dass Henning Stahl nicht der Mann ist, der die Botaniker-Hotline angerufen hat.«

»Okay, bis bald.« Er tippte auf das rote Icon und steckte das Handy wieder ein. »Alles klar, Boss«, meldete er. Dann beugte er sich vor und schüttelte Stahl. Dieser erwachte mit einem Ruck und griff sofort nach seinem Wodka.

»Mr Stahl«, sagte Flynn, »vor ein paar Stunden hat der Mann, der sich als der Botaniker ausgibt, die Hotline der Polizei angerufen und gesagt, dass er mit Ihnen sprechen will.«

»Das hat Sergeant Poe draußen schon gesagt«, antwortete Stahl. »Aber er hat nicht gesagt, warum.«

»Wir hatten gehofft, Sie hätten dazu vielleicht irgendwelche Erkenntnisse?«

Stahl zeigte mit einer großen Geste auf sein Wohnzimmer. »Was glauben Sie, wie gut ich im Moment über das Weltgeschehen informiert bin?«

»Wir hätten gern, dass Sie mitkommen«, antwortete Flynn. »Im Moment sind Sie der einzige Anhaltspunkt, den wir haben.«

»Ich gehe nirgendwohin.«

»Warum, was haben Sie denn sonst so vor?«

»Ich habe einen Plan.«

»Was für einen Plan, Mr Stahl?«

»Ich habe vor, zu schauen, was mich zuerst umbringt: Lungenkrebs oder Leberzirrhose.« Er hielt kurz inne und fragte dann: »Wie dringend brauchen Sie mich?«

Poe antwortete nicht.

»Also sehr dringend«, fuhr Stahl fort. »Wenn das so ist, müssen wir ein paar Spielregeln festlegen.«

»Und was sind das für Spielregeln?«, fragte Flynn.

»Ich werde in einem Fünfsternehotel untergebracht, mit freier Minibar-Benutzung.«

»Vier Sterne und keine freie Minibar«, konterte Flynn. »Weiter.«

»Sie können es sich von meinem Hausarzt bestätigen lassen, aber wie Sie vielleicht gemerkt haben, habe ich ein kleines Alkoholproblem.«

»Ach, wirklich?«

»Und das heißt, wenn ich nicht jeden Tag eine bestimmte Menge Alkohol kriege, bekomme ich Entzugserscheinungen«, erklärte Stahl und ignorierte den Sarkasmus. »Ich will Geld, um mir Wodka zu kaufen, und ein Zimmer, in dem ich ihn trinken kann.«

Poe schnaubte.

»Einverstanden«, sagte Flynn. »Ich berate mich mit einem Polizeiarzt und gebe Ihnen genug, um jeden Tag eine medizinisch vertretbare Menge Alkohol zu kaufen.«

»Echt jetzt?«, fragte Poe. »Wenn ich mir einen Brief von meinem Arzt besorge, kann ich dann …«

»Nein, können Sie nicht. Was wollen Sie sonst noch, Mr Stahl?«

»Vollständigen und exklusiven Zugang zu den Ermittlungen«, antwortete Stahl. »Ich will Kopien sämtlicher verfügbarer Akten und ich will bei allen Vernehmungen dabei sein.«

»Nein«, sagte Poe.

»Nein?«

»Natürlich nicht, Sie kleiner Schwachkopf.«

Stahl sackte wieder in seinen Sessel.

»Aber«, fuhr Poe fort, »wenn Sie einigermaßen ausnüchtern, bekommen Sie bestimmt so einiges mit, wofür Ihre ehemaligen Kollegen gutes Geld bezahlen würden. Und solange es den Fall nicht kompromittiert, könnten wir Ihnen vielleicht sogar die eine oder andere Information zukommen lassen. Das heißt, solange Sie nützlich für uns sind.«

»Das ist das beste Angebot, das Sie dieses Jahr kriegen werden, Mr Stahl«, bemerkte Flynn. »Und eine Chance, wieder relevant zu sein. Vielleicht auch eine Chance, Ihrer Leber mal eine kleine Pause zu gönnen.«

»Okay«, sagte er.

»Okay?«

»Ich helfe Ihnen bei allem, was Sie brauchen. Und jegliche Erkenntnisse zu den Ermittlungen werden dankend angenommen.«

Er streckte ihnen die Hand hin. Wider bessere Einsicht schlug Poe ein. Flynn tat so, als hätte sie es nicht bemerkt.

»Gehen wir«, sagte sie. »Wir stecken Sie in dasselbe Hotel, in dem wir wohnen. Ich lasse sogar was für ein paar neue Klamotten springen, wenn Sie nichts Sauberes zum Mitnehmen haben.«

»Danke«, lächelte er. Seine Zähne waren schartig und verfärbt, wie eine Tüte kaputte Smarties.

»Gibt’s hier einen Hund oder eine Katze, an die wir denken müssen?«, erkundigte sich Poe.

Stahl trank noch einen Schluck Wodka. Ein Drittel der Flasche. »Die Katze ist schon vor Wochen abgekratzt«, antwortete er. »Überhaupt, können Sie mir da helfen? Ich glaube, die ist immer noch irgendwo in der Küche.«

»Ja«, knurrte Poe halblaut. »Sie werden uns bestimmt eine große Hilfe sein.«