I st die irre?«, fragte Poe. »Und was zur Hölle ist ein KRC ?«
»Sie heißt Karen Royal-Cross«, erklärte Flynn. »Sie nennt sich KRC .«
»Wie der Fast-Food-Laden, den Tilly mir verboten hat?«
Flynn sah ihn an. »Hä?«
Sie saßen hinten in einem Minivan der Polizei. Detective Chief Superintendent Mathers hatte für Transport und Unterstützung gesorgt, Flynn und Poe jedoch gebeten, als Erste Kontakt aufzunehmen und zu schauen, ob Karen Royal-Cross tatsächlich das avisierte dritte Opfer des Botanikers war. Sie wohnte in London, so wie alle Opfer bisher, aber von ihrem Hotel aus gesehen auf der anderen Seite des Flusses. In Northumberland hätte Poe für die Fahrt zehn Minuten gebraucht. Sie saßen jetzt seit über einer Stunde in dem Minivan.
»Spielen Sie das Video ab, Boss.«
»Noch mal? Wir haben es doch schon dreimal gesehen.«
Doch sie drückte auf PLAY . Alles hinten im Van drängte sich um den Bildschirm.
Eine stark geschminkte Frau lehnte sich von der Kamera zurück; Poe nahm an, dass es die ihres Laptops war. Offenbar hatte sie gerade ihre Webcam aktiviert. Sie trug ein tief ausgeschnittenes weißes T-Shirt mit roten Lippen darauf. Ihr Haar war blond – zu blond, um natürlich zu sein – und ihre Augenbrauen waren dick und schwarz, wie mit einem dicken Filzstift aufgemalt.
»Hier ist wieder KRC «, sagte sie. »Und ich habe vielleicht eine Geschichte für euch!«
Sie griff nach etwas außerhalb des Bildschirms und hielt dann eine gepresste Blume in die Kamera. Sie war klein, grün und gezackt. Außerdem hatte sie eine weit vorstehende rote Narbe, der Teil einer Blume, der die Pollen aufnimmt. Bradshaw hatte sie noch nicht identifizieren können, doch das Video war an den Botanischen Garten geschickt worden. Sie rechneten noch in dieser Stunde mit einer Antwort.
»Die liberalen Bilderstürmer sind mal wieder am Werk. Diesmal versuchen sie, mich mit einer gepressten Blume und einem drittklassigen Gedicht einzuschüchtern.«
Sie griff nach einem Blatt Papier und tat so, als würde sie es lesen. Unglücklicherweise zeigte die Kamera nicht, was darauf stand. Poe hoffte, dass sie es nicht vernichtet hatte.
»Und das ist alles totaler Blödsinn«, fuhr sie fort und schüttelte mit gespieltem Abscheu den Kopf. Dann beugte sie sich zur Kamera vor und flüsterte: »Ich weiß, das ist nicht politisch korrekt, aber ich glaube nicht, dass Englisch die Muttersprache von diesem Typen ist, wenn ihr versteht, was ich meine.«
Poe drückte auf die Pausetaste. »Und was meint sie damit?«
»Sie ist auf den Rechts-außen-Zug der Einwanderungsgegner aufgesprungen«, antwortete Flynn. »Sie findet, nur ein ertrunkener Asylsuchender ist ein guter Asylsuchender.«
»Reizend.«
Poe ließ das Video weiterlaufen.
»Ich meine, es reimt sich ja schon«, gab Karen Royal-Cross zu, »aber die Worte ergeben keinen Sinn. Hier steht sogar etwas von Schnecken. Wahrscheinlich eine Delikatesse da, wo der herkommt. Und während der hier ist und britische Bürger bedrohen kann, ist es unseren Soldaten verboten, Mohnblumen am Revers zu tragen und fröhliche Weihnachten zu sagen.«
»Sehr subtil«, bemerkte Poe.
»Und ich weiß, die Schneeflöckchen werden wieder auf mich losgehen, weil ich das sage, aber ihr wisst es und ich weiß es: Jedes Mal, wenn so jemand« – sie wedelte mit dem Gedicht – »in unser Land gelassen wird, wird die reinste Blutlinie der Welt noch ein bisschen mehr verunreinigt.«
Flynn hielt das Video an.
»Was für eine Scheißdumpfbacke«, stellte Poe fest.
»Das ist ihre Masche, Poe«, erwiderte Flynn. »Sie ist gut darin, Dinge zu finden, die sie in den sozialen Medien manipulieren kann.«
»Und warum tut sie das?«
»Anscheinend hofft sie, dass eine von den Shows im amerikanischen Kabelfernsehen auf sie aufmerksam wird, wenn sie eine solche Welle macht. Möchte Kommentatorin für die extreme Rechte werden.«
»Sind ihre Zielscheiben immer Asylsuchende und Liberale?«
»Normalerweise schon, aber dicke Menschen kann sie auch nicht leiden. Sagt, die seien eine Belastung fürs Gesundheitssystem.«
»Die hat ein Gewichtsproblem, mit dem sie sich nicht auseinandersetzen will.«
»Wahrscheinlich«, pflichtete Flynn ihm bei. »Was meinen Sie?«
»Ich meine, dass sich zu viele Leute angewöhnt haben, irgendwelchen Scheiß online zu posten, ohne eins in die Fresse zu kriegen.«
»Aber sehen Sie, warum der Botaniker ein Auge auf sie geworfen hat? Ein paar rassistische Sackgesichter werden vielleicht Alarm machen, aber der Rest von uns feiert dann Straßenfeste.«
»O ja«, antwortete Poe. »Sie ist ideal. Ich frage mich, ob sie begreift, in welch großer Gefahr sie ist.«
Der Fahrer sah sie im Rückspiegel an und verkündete: »Wir sind da.«