S ie wollte das Gedicht der Presse verkaufen, nachdem wir wieder weg waren«, sagte Flynn in ihr Handy. »… Ja, sie ist wirklich strohdumm. Erst als wir die Spurensicherung erwähnt haben, ist ihr wieder eingefallen, wo es war … Okay, ich regele das. Bis bald, Ma’am.« Sie steckte das Handy wieder ein. Drehte sich zu den anderen um. »Also, worauf wartet ihr?«, fragte sie. »Alle raus hier. Sofort!«
Das Zimmer leerte sich. Karen Royal-Cross ging an Poe vorbei. Er packte sie am Arm.
»Sie nicht«, sagte er.
»Ich bleibe verdammt noch mal nicht hier!«
»Was gibt’s denn für ein Problem, Poe?«, wollte Flynn wissen.
»Wir haben keine Ahnung, wie er den Opfern sein Gift verabreicht. Sie könnte es an sich haben, ohne es zu wissen. Wir können nicht riskieren, noch andere zu gefährden.«
»Wir können sie aber auch nicht allein hierlassen.«
»Ich bleibe bei ihr. Zumindest bis sie und die Wohnung für unbedenklich erklärt worden sind.«
»Warum Sie?«
»Sie müssen das weitere Vorgehen koordinieren, und Tilly würde sie wahrscheinlich mit ihren Statistiken zum Klimawandel zu Tode langweilen.«
Bradshaw streckte den Kopf durch die Tür. »Das habe ich gehört.«
»Werde ich sterben, Sergeant Poe?«, fragte Karen Royal-Cross.
Lügen war im Moment nicht die beste Option. Sie sollte ja Angst haben. Menschen, die Angst hatten, taten, was man ihnen sagte.
»Vielleicht«, antwortete er.
Sie seufzte. »Also, wie meine Mutter immer gesagt hat, es gibt kein Problem auf der Welt, das sich nicht durch eine schöne Tasse Tee lösen lässt. Ich setze mal Wasser auf.«
»Haben Sie eigentlich irgendwann mal zugehört? Er droht Ihnen mit Rizin. Das ist ein Todesurteil. Es gibt kein Heilmittel dafür. Es gibt keinen Impfstoff. Wenn das Zeug in Ihren Körper gerät, sterben Sie. So einfach ist das.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Dass Sie jetzt verdammt noch mal kein Teewasser aufsetzen.«
»Ich gehe mal davon aus, dass Sie kein Problem damit haben, wenn ich meine Medikamente nehme?«, schmollte sie.
»Was für Medikamente?«
Hunt hatte Sildenafil genommen, wegen Erektionsstörungen, und Cummings hatte seinen erhöhten Cholesterinspiegel mit Statinen kontrolliert. In ihren Tabletten war nichts gefunden worden, aber …
»Das ist Privatsache«, wehrte sie ab.
Also etwas Peinliches.
»Wie Sie wollen«, brummte Poe. »Die Spurensicherung findet’s ja doch raus.«
Sie griff in eine schreiend bunte, mit Pailletten besetzte Handtasche und holte eine kleine Pappschachtel heraus. Er konnte den weißen Aufkleber sehen, mit dem alle apothekenpflichtigen Medikamente versehen werden mussten. Sie reichte sie Poe.
Er trug noch immer Latexhandschuhe, zog jedoch noch ein zweites Paar an. Doppelt hielt besser. Karen Royal-Cross war Orlistat verschrieben worden. Poe las sich den Beipackzettel durch. Es war ein Lipasehemmer, ein Medikament zur Behandlung von Fettleibigkeit. Ein Drittel des Fetts in einer Mahlzeit wurde dadurch vom Körper nicht aufgenommen.
»Sie finden mich fett, stimmt’s?«, fragte Karen Royal-Cross.
»Ich mache mir wegen Ihnen keinerlei Gedanken«, antwortete Poe.
»Reizend.«
»Wer hat Ihnen das Zeug verschrieben?«
»Ich bestell’s online.«
»Aber zuerst hat Ihr Hausarzt es Ihnen verschrieben?«
»Ja. Allerdings hat meine Ärztin gemeint, ich soll’s stattdessen mit den Weight Watchers versuchen.«
»Und Sie haben abgelehnt?«, fragte er. »Und sich gleich für die einfache Lösung entschieden.«
»Da haben Sie verdammt noch mal recht. Können Sie sich vorstellen, wie das in der Presse ausgesehen hätte?«
»Wo holen Sie sich die Tabletten ab?«
»Ich klicke auf ›an Wohnadresse liefern‹, und ein paar Tage später landen die Dinger in meinem Briefkasten. Keine Ahnung, wer die einwirft.«
»Wann haben Sie das letzte Mal eine genommen?«
Poe bezweifelte, dass ihre Medikamente vergiftet worden waren – Rizin wirkte schnell, und sie sah immer noch irritierend gesund aus.
»Ich nehme nach jeder Mahlzeit eine.«
»Und Sie fühlen sich okay?«
»Sie glauben, es sind meine Tabletten?«
»Dann würden Sie jetzt im Koma liegen.«
»Sie müssen wirklich lernen, wie man mit Kranken …«
Poes Handy klingelte. Es war Flynn.
»Leben Sie noch?«
»Gerade eben so.«
»Und was macht KRC ?«
»Nervt immer noch.«
»Ich habe gute Nachrichten«, berichtete Flynn. »Chief Superintendent Mathers hat geliefert. Sie hat der Idiotin ein Bett in der Hochrisiko-Isolierstation des Royal Free Hospital besorgt. Normalerweise behandeln die virale hämorrhagische Fieber, aber Mathers hat den Oberarzt überzeugt, dass hier eine echte Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht. Sie wird in ein Spezialzelt mit kontrollierter Belüftung gelegt und das Personal der Station für Infektionskrankheiten wird sie betreuen.«
»Super Idee. Cummings und Hunt müssen das Gift zu Hause aufgenommen haben, wir müssen nur noch rausfinden, wie. Die sicherste Möglichkeit, das zu tun, ist, sie von zu Hause wegzuholen und in eine Umgebung zu bringen, die wir kontrollieren können.«
»Das ist fast Wort für Wort dasselbe, was Mathers gesagt hat. Ein Krankenwagen holt sie ab. Sowohl der Rettungshelfer als auch der Fahrer sind Polizisten.«
»Warum denn das?«
»Es war keine Zeit, jemanden genau zu überprüfen.«
»Clever«, meinte Poe. »Und Mathers sichert die Station mit Cops?«
»Genau. Ihr ist schon ein Abgeordneter draufgegangen, also wird sie hier nicht kleckern, sondern klotzen. Wir müssen uns alle umziehen und durch eine Gefahrenstoff-Waschanlage, aber danach treffen wir uns mit Mathers und dem Kommandoposten, den sie in der Isolierstation eingerichtet hat.«
Poe fiel nichts ein, was man noch unternehmen könnte. Wenn der Botaniker es schaffte, auf einer Isolierstation an Karen Royal-Cross heranzukommen, wo sie von Cops umgeben war, dann würden sie wohl einen katholischen Prieser zu Hilfe rufen müssen – die einzige dann noch mögliche Erklärung wäre, dass der Täter ein Geist war.
»Was passiert jetzt?«, fragte Karen Royal-Cross, als er das Gespräch beendet hatte.
Poe bedachte sie mit einem bösartigen Grinsen. »Haben Sie mal die Seinfeld -Episode ›The Bubble Boy‹ gesehen?«
»Ja, die kenne ich.«
»Gut, Sie spielen nämlich demnächst die Hauptrolle in der britischen Version davon.«