50 . Kapitel

P oe fuhr sofort los und war um Mitternacht wieder in Northumberland. Er setzte Bradshaw im Shap Wells Hotel ab und fuhr dann mit dem Quad über das Shap Fell zum Herdwick Croft.

Er war hundemüde, und die beiden Fälle begannen in seinem Kopf miteinander zu verschmelzen. Beide unmöglich, bei beiden tickte die Uhr. Jemand, der über frischen Schnee hinwegschweben konnte, hatte Estelles Vater ermordet und der Botaniker tötete ungestraft. Beides konnte er nicht einmal ansatzweise erklären, und die Risiken wurden jeden Tag größer.

Als er über den letzten Hügel kam, schwarz vor dem sternenhellen Himmel, tippte er eine rasche SMS an Mathers und bat um ein Update. Sie antwortete sofort. Keinerlei Veränderungen, was Karen Royal-Cross’ Gesundheitszustand betraf, keinerlei Durchbrüche bei den Ermittlungen. Sie beendete die Nachricht mit der Anweisung, sich auszuruhen und erholt zurückzukommen.

Wohl kaum, dachte er. Er war zum Arbeiten hier.

Poe schaltete seinen Generator an und machte Feuer im Herd. Hunger hatte er nicht, doch er machte sich eine Flasche Bier auf und trank sie auf einen Sitz aus. Er nahm eine zweite Flasche mit nach oben, um sie im Bett zu trinken. Die Ironie daran entging ihm nicht. Henning Stahl war wahrscheinlich gerade irgendwo an eine Trage geschnallt, schwitzend und voll auf Entzug, und Infusionen pumpten Medikamente und Flüssigkeit in seinen vom Alkohol verwüsteten Körper, während er im Bett Bier trank.

Er hob die Flasche. »Gute Besserung, Kumpel.«

Ania Kierczynska, Estelle Doyles Anwältin, hatte für Poe und Bradshaw eine offizielle Besuchserlaubnis beantragt. Das hieß, dass sie in einem separaten Raum mit Doyle sprechen konnten statt im Besuchssaal.

HMP Low Newton war ein Hochsicherheits-Frauengefängnis im Dorf Brasside in der Grafschaft Durham. Zu den ehemaligen Insassinnen zählten Rosemary West und die Serienmörderin Joanna Dennehy. Es war kein Kuschelknast.

Poe war seit Jahren nicht mehr dort gewesen, und das Prozedere des Hineinkommens hatte sich dramatisch gewandelt. Beim letzten Mal hatte er seinen Dienstausweis vorgezeigt und war durchgewunken worden. Diesmal musste er die Schmach erdulden, auf dem Körperhöhlen-Scanner Platz zu nehmen. Nachdem sich erwiesen hatte, dass er kein Handy in seinem Rektum »gebunkert« hatte, hatte man ihm einen laminierten Besucherpass gegeben und ihn für unbedenklich erklärt. Er drehte sich um und wartete auf Bradshaw. Sie war in ein Gespräch mit der Gefängniswärterin vertieft, die für den Scanner zuständig war.

Poe runzelte die Stirn und ging zu ihr hinüber.

»Was gibt’s denn für ein Problem?«, fragte er. »Sagen Sie bloß nicht, das Ding hätte bei Tilly angeschlagen?«

»Warum sollte ich Metall im Po haben, Poe?«, antwortete Bradshaw. »Ich habe die Lady gefragt, ob das geringe Magnetfeld, das der Stuhl verwendet, um leitfähiges Metall zu entdecken, in einem Mach-Zehnder-Interferometer-Arrangement konfiguriert wird.«

»Das stimmt«, bestätigte die Wärterin. »Das hat sie wirklich gefragt.«

»Ich bin sicher, ich habe mal irgendwo gelesen, dass das genauso gemacht wird, Tilly«, sagte Poe. »Komm jetzt, Estelle wartet auf uns.«