D ie Fahrt nach Norden ging glatt über die Bühne. Der Konvoi aus zehn Fahrzeugen brach exakt um sieben Uhr früh auf und hielt sechs Stunden später vor Carleton Hall, dem Hauptquartier der Cumbria Constabulary in Penrith. Sie wurden in einen abgeteilten Bereich des Parkplatzes gelotst.
Detective Superintendent Jo Nightingale, die Leiterin des CID von Cumbria, begrüßte sie. Die SCAS hatte bereits bei einigen größeren Fällen mit ihr zusammengearbeitet; sie kannten sie gut. Sie war clever, intuitiv und eine der wenigen Vorgesetzten, mit denen Poe etwas anfangen konnte.
»Sie können sich im Konferenzraum A einrichten«, sagte sie. »Ich nehme an, er hat sich noch nicht wegen des Treffpunkts gemeldet?«
»Wir rechnen morgen damit«, antwortete Mathers. »Ich bezweifele, dass wir viel Zeit bekommen werden.«
»Wir sind hier ziemlich zentral. Mit Blaulicht und Sirene braucht man bis nach Carlisle zwei Stunden. West Cumbria könnte schon schwieriger werden, die Straßen sind nicht immer erstklassig und bei der Kommunikation kann’s auch mal haken.«
»Luftunterstützung?«
»Der National Police Air Service hat drei Eurocopter EC 135 auf die Basis in Newcastle verlegt. Ab sechs Uhr früh sind morgen immer zwei über Cumbria in der Luft.«
»Und auf dem Boden?«
»Einhundert Polizisten und fünfzig weitere als Reserve. Allen CID -Mitarbeitern ist der Urlaub gestrichen worden, und solange sie nicht gerade direkt mit einem Fall beschäftigt sind, werden sie strategisch in sämtlichen Städten und größeren Dörfern stationiert. Wir haben gestern einen Probelauf durchgeführt und denken, dass wir binnen zwanzig Minuten jede Location umstellen können.«
»Ganz schön gründlich«, bemerkte Mathers.
»Stimmt. Und genau das macht mir Sorgen. Warum ein solches Risiko eingehen? Er muss doch wissen, dass wir alle Register ziehen werden.«
»Vielleicht taucht er ja gar nicht auf. Könnte doch nur dazu gedacht sein, die Schlüsselermittler aus London rauszulocken.«
»Denken Sie das auch, Poe?«, fragte Nightingale.
»Ich denke, er wird auftauchen, Ma’am.«
»Dann will er also geschnappt werden?«
»Nein, Ma’am«, erwiderte Poe. »Ich glaube, er denkt, er kann sich mit Henning Stahl treffen und sich der Festnahme entziehen. Damit will ich nicht sagen, dass ihm das gelingen wird, nur dass er glaubt, er kann’s schaffen.«
»Und warum in Cumbria? Bisher sind die Taten doch alle in London begangen worden.«
Poe zuckte die Achseln. »Keine Ahnung«, antwortete er. »Hier oben ist es sehr ländlich, aber das ist es in Wales auch, und Wales ist viel näher an London. Eigentlich hatte ich angenommen, er würde sich einen Ort aussuchen, wo viel los ist, wo er sich mit Stahl treffen und dann in der Menge untertauchen kann. Ich zerbreche mir schon die ganze Zeit den Kopf und kann bei Cumbria keinerlei taktischen Vorteil erkennen. Überhaupt keinen. Und das heißt, es gibt da etwas, woran wir nicht gedacht haben.«
»Sie erfüllen mich nicht gerade mit Zuversicht, Poe«, bemerkte Nightingale.
»Weil ich auch nicht zuversichtlich bin. Ich schätze, die Chancen für morgen stehen eins zu zehn.«
»Dass er uns durch die Lappen geht?«, fragte Mathers. »Ich denke mal, damit könnte ich leben.«
»Sie verstehen mich falsch, Ma’am«, brummte Poe. »Ich glaube, wir haben eine Chance von eins zu zehn, ihn zu schnappen.«