P oe hatte es nicht riskieren wollen, zum Herdwick Croft zurückzufahren, also nahm er sich wie der Rest des Teams ein Zimmer im North Lakes Hotel. Außerdem konnte er so Henning Stahl im Auge behalten. Bisher tat der Journalist alles, was man ihm sagte. Dazu gehörte auch, sich ein kleines Büschel Haare wegscheren zu lassen, damit ein Mikrofon auf seine Kopfhaut geklebt werden konnte. Das war Flynns Idee gewesen. Der Botaniker wusste, dass Stahl verkabelt sein würde, und ein zweites, weniger leicht zu entdeckendes Mikro schien eine gute Maßnahme zu sein, falls das erste gefunden wurde. Poe hielt das für überflüssig – der Botaniker wollte doch gehört werden –, erhob jedoch keinen Einspruch. Mathers hatte den Spielzeugschrank des Counter Terrorism Command geplündert und war mit einem kleinen flachen, fleischfarbenen Abhörgerät zurückgekommen, das fast unsichtbar sein würde, wenn es an Stahls Kopf klebte.
»Ist das okay für Sie?«, fragte Poe.
»Ich komme mir vor wie dieser Typ aus den Mission: Impossible- Filmen«, antwortete Stahl.
Wenn er schon im Hotel wohnte, meinte Poe, könne er sich auch das Zimmer mit Stahl teilen und aufpassen, dass der sich nicht nachts rausschlich, um einen zu heben. Mathers war sehr einverstanden und schickte jemanden los, um die beiden auf ein Doppelzimmer umbuchen zu lassen.
»Ich postiere ein Team vor Ihrer Tür und Ihrem Fenster«, sagte sie. »Nur für den Fall, dass das Ganze ein Vorwand war, um heute Nacht an ihn heranzukommen.«
Poe schlief unruhig und wachte früh auf. Stahl war bereits aufgestanden; er saß am Tisch und machte sich schon wieder Notizen.
»Sie sind ein ganz schön aggressiver Schläfer, Sergeant Poe«, bemerkte er.
»Ach ja?«
»Ja. Sie haben sich die ganze Nacht rumgewälzt. Einmal haben Sie geschrien.«
Poe berührte sein T-Shirt. Es war feucht, und seine Haut fühlte sich kalt an. »Man hat wohl die Albträume, die man verdient.«
»Und damit haben wir den Buchtitel.« Lächelnd wandte sich Stahl wieder seinem Notizbuch zu.
»Schmeißen Sie einfach den verdammten Wasserkessel an.«
»Sind Ihnen über Nacht irgendwelche Erleuchtungen zuteilgeworden?«, erkundigte sich Poe über den Rand seines Kaffeebechers hinweg.
»Versuchen Sie, mich von dem abzulenken, was demnächst passieren wird, Sergeant Poe?«, fragte Stahl zurück.
»Bin ich so leicht zu durchschauen?«
»Keine Sorge, ich weiß die gute Absicht zu schätzen.«
»Trotzdem.«
»Ich habe an nichts anderes gedacht. Es stimmt, früher haben mir Wodka und Selbstmitleid den Verstand vernebelt, aber jetzt nicht mehr. Ich habe auf die Liste gestarrt, die Tilly mir gegeben hat, die mit all den Storys, an denen ich beteiligt war, bis ich sie im Schlaf vor mir gesehen habe.«
»Und?«
»Nichts. Die Leute, über die ich in meinem späteren Berufsleben geschrieben habe, waren Prominente, und auch wenn ich damals ganz anständigen investigativen Journalismus betrieben habe – Sie haben dieselben Namen gesehen wie ich. Da ist keiner dabei, der ein Motiv oder die Fähigkeiten hätte, so etwas abzuziehen.«
Poes Handy klingelte. Es war Tilly. Er fragte sich, ob sie überhaupt ins Bett gegangen war.
»Seid ihr angezogen, Poe?«, wollte sie wissen.
»Na klar. Wir trinken gerade einen Kaffee, bevor wir uns mit euch zum Frühstück treffen.«
»Darf ich reinkommen? Ich muss dir etwas zeigen.«