K leine Planänderung, Ma’am«, sagte Poe in Bradshaws Laptop hinein. Er und Mathers sprachen über Zoom miteinander, was zum Teufel das auch immer genau war. »Er weigert sich, das Haus zu verlassen, will hier auf gar keinen Fall weg, und wir können ihn nicht dazu zwingen.«
»Und er hat Poe dabei erwischt, wie er so getan hat, als ob er einen Würfelbecher schüttelt, stimmt’s, Poe?«, meldete Bradshaw sich zu Wort. »Mr Salt hat das irrtümlich für eine vulgäre Geste gehalten.«
»Danke, Tilly«, knurrte Poe. »Das war echt hilfreich.«
»Gern geschehen, Poe.«
»Und wie wirkt sich das auf Ihren Plan aus?«, wollte Mathers wissen, der es nicht ganz gelang, ein Feixen zu unterdrücken.
Poe sah sich in dem minimalistischen Wohnzimmer um. Betrachtete die Glaswände. Die polierten Flächen. Das völlige Fehlen jeglicher Verstecke.
»Ich kriege das hin«, sagte er. »Wir richten uns hier ein und sagen allen Bescheid.«
»Okay. Melden Sie sich regelmäßig.« Mathers streckte die Hand aus und beendete das Gespräch.
»Tilly, sollen wir von hier aus arbeiten?«, fragte Poe und zeigte auf den Granit-Couchtisch. »Von hier aus sehen wir die Tür und die Treppe nach unten, und wir können durch alle Fenster schauen.«
»Ich klinke mich in sein WLAN ein, Poe. In einer Viertelstunde habe ich alles am Laufen.«
»Mr Salt, bevor mein Team eintrifft, werden wir noch ein paar Vorsichtsmaßnahmen treffen«, sagte Poe.
»Na schön. Aber wie gesagt, für meine Sicherheit sorge ich schon seit Jahren selbst. Dieses Haus ist uneinnehmbar.« Er hielt ein kleines Tablet hoch. »Hier kommt niemand rein, der nicht reinkommen soll.«
»Ich bin hier drin.«
»Ja, aber Sie …«
Salt trat einen Schritt zurück. Griff nach seinem Handy.
»So ist es recht, Mr Salt«, meinte Poe. »Jetzt denken Sie mit. Und keine Angst, wir sind wirklich hier, um Sie zu beschützen. Aber von jetzt an müssen Sie davon ausgehen, dass jeder, für den ich mich nicht persönlich verbürgt habe, hier ist, um Sie umzubringen.«
»So schlimm kann es doch sicher nicht sein?«
»Sie sagen, das Haus wird mit diesem Tablet da gesteuert?« Poe ignorierte die Frage und stellte seinerseits eine.
»Richtig. Es ist so konfiguriert, dass es mit meinem Handabdruck aktiviert wird, und es kann nicht gehackt werden.«
»Tilly?«
»Bin schon drin, Poe.«
»Das ist doch lächerlich!«, verwahrte sich Salt. »Das System hat jemand aus dem Pentagon für mich installiert; das gibt’s offiziell noch gar nicht.«
»Tilly?«, wiederholte Poe. »Eine kleine Demonstration?«
»Selbstverständlich, Poe.«
Sie tippte ein paar Befehle in ihren Laptop und drückte auf »Enter«. Die Deckenbeleuchtung ging an und aus. »Tin Soldiers«, ein Song der Stiff Little Fingers, von dem Bradshaw wusste, dass Poe ihn mochte, ertönte aus den verborgenen Lautsprechern. Der Wasserkessel begann zu brodeln. Der Fernseher schaltete von Citizen Kane auf einen Nachrichtensender um.
»Aber … wie jetzt?«, stammelte Salt. »Das ist nicht mög…«
»Gibt es in diesem Haus normale, analoge Schlösser, Mr Salt?«
»Nein, das ganze System ist elektrisch.«
»Dann suchen Sie sich mal einen Buchstaben aus.«
»Wie bitte?«
»Suchen Sie sich einen Buchstaben aus. A bis Z.«
»A.«
»Himmel, Ar… Einen anderen Buchstaben. Und wenn Sie jetzt Z sagen, knalle ich Ihnen eine.«
»Dann eben H.«
»Tilly, such eine Sicherheitstechnik-Firma, die mit H anfängt, und bestell das Beste, was die haben. Sag ihnen, wir wollen moderne, analoge Schlösser an jedem möglichen Eingang. Die Kohle kommt aus Detective Chief Superintendent Mathers’ Budget, also bezahl ruhig alle Mehrkosten für sofortigen Einbau. Ich will, dass das vor Einbruch der Dunkelheit erledigt ist. Und erklär denen, dass derjenige, den sie schicken, hier die ganze Zeit überwacht werden wird.«
»Mach ich sofort, Poe.«
»Ich mache uns mal etwas Heißes zu trinken«, meinte Salt. »Ist japanischer grüner Tee akzeptabel?«
Poe packte Salt am Arm.
»Mr Salt, von jetzt an stecken Sie sich nichts in den Mund, was Sie nicht von mir persönlich oder meinem Team bekommen haben.«
»Wissen Sie, das ist gar nicht gut für meinen Blutdruck.« Salt griff in die Tasche und zog eine Blisterfolie hervor. »Ich nehme doch an, es ist okay, wenn ich mein Norvase nehme?«
»Nein, das ist natürlich nicht okay«, antwortete Poe. »Sagen Sie mir, was das für ein Zeug ist, und ich besorge Ihnen ein neues Rezept. Einer von meinen Leuten geht damit zur Apotheke.«
Er nahm Salt das Medikament aus der Hand und verstaute es in einer Asservatentüte.
»Das ist doch wohl alles ein bisschen übertrieben, oder?«, bemerkte Salt.
»Wie viel wissen Sie über den Botaniker?«, erkundigte sich Poe.
Salt zuckte die Achseln. »Ich bin ein viel beschäftigter Mann.«
»Dann erzähle ich Ihnen mal, was bisher passiert ist. Sein erstes Opfer hat er umgebracht, bevor irgendjemand wusste, wer er ist; was mich betrifft, kann man uns das also nicht in die Schuhe schieben. Die nächsten beiden allerdings schon. Die Leute von der Parliamentary and Diplomatic Protection haben vor Harrisons Wohnung campiert, und trotzdem hat er’s geschafft, ihn kaltzumachen. Und Karen Royal-Cross stand in einem Krankenhaus auf einer Isolierstation rund um die Uhr unter Beobachtung. Ich habe mir die Aufnahmen angesehen, und ich habe keine Ahnung, wie er an sie rangekommen ist.«
»Poe sagt, er ist nur eine depressive Verstimmung davon entfernt, das Ganze als schwarze Magie zu bezeichnen«, rief Bradshaw herüber. Sie baute gerade Bildschirme und Computer auf und eine ganze Menge Kram, von dem Poe nicht wusste, was es war.
»Ich möchte, dass Sie hier sitzen bleiben, während ich mit einem Müllsack nach unten gehe. Alles Wegwerfbare wird entsorgt. Wir besorgen Shampoo, Seife, Essen, Toilettenpapier …«
»Das soll doch wohl ein Witz sein? Toilettenpapier?«
»Irgendwie kommt er an seine Opfer heran, Mr Salt, und man hat mir gesagt, am wahrscheinlichsten ist, dass sie sich vergiften. Und wäre Toilettenpapier nicht der perfekte Überträger? Man benutzt es, man infiziert sich und man spült die Beweise runter.«
»Niemand hat an meinem Toilettenpapier herumgemacht, Sergeant Poe.«
»Mr Salt. Ich glaube, ich dringe nicht ganz zu Ihnen durch. Wenn Sie bei dieser Abstimmung gewinnen, und Tilly versichert mir, dass das passieren wird, dann geben wir Ihnen eine Überlebenschance von sechs Prozent.«
Salt öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Laut heraus.
»Also, ja, ich gehe jetzt Ihre Scheißklopapierrolle austauschen«, fügte Poe hinzu.
Es klopfte an der Tür. Poe blickte auf einen der Bildschirme, die Bradshaw aufgestellt hatte. Er lächelte.
Die Kavallerie war da.