83 . Kapitel

P oe folgte Mathers durch das enge Treppenhaus. Sie trugen komplette Schutzausrüstung: weiße Papieroveralls, Kapuzen, Mundschutz, Handschuhe und Überschuhe. Wie Krankenpflegepersonal während einer Pandemie.

Mit Ausnahme von Sergeant Holder waren die Männer von der SCO 19 draußen und hatten den Block umstellt.

»Was haben wir?«, fragte Mathers.

»Er hat alle Zimmer benutzt, Ma’am. In Bravo steht ein Einzelbett, und an der Wand hängt jede Menge Zeugs. Sieht aus, als hätte er die Zimmer in Alpha als Labore benutzt.«

»Vielen Dank, Sergeant Holder. Hervorragende Arbeit.«

Nachdem Holder sich zu seinen Kollegen gesellt hatte, bat Mathers den Leiter der Spurensicherung, mit den Aufnahmen zu beginnen. Er und seine Leute würden mindestens eine Woche lang hier zu tun haben. Im Fernsehen wurde so etwas immer falsch dargestellt – den Schauplatz eines Verbrechens zu untersuchen war mühsame, akribische Arbeit. Dabei durfte man nicht hetzen.

Die Grundrisse zeigten, dass die beiden Wohnungen spiegelbildlich entworfen worden waren. Die Türen waren dünn und leicht und waren von der SCO 19 aus den Angeln getreten worden. Sie betraten zuerst Alpha, die Wohnung, die laut Sergeant Holder Labore enthielt. Durch die Tür kam man direkt in ein beengtes Wohnzimmer; an der Wand gegenüber des Fensters befand sich die Küchenzeile. Nicht viel mehr als ein Herd und ein Backofen, beide elektrisch und beide mit einem Münzautomaten an der Wand betrieben.

Das billige Mobiliar des Vermieters war zur Seite geschoben worden, um Platz für Gegenstände zu machen, die man in einem Einrichtungshaus nur selten fand. Die meisten konnte Poe nicht identifizieren, doch er wusste, wofür sie verwendet worden waren.

Er folgte Mathers, während diese sich methodisch vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer und von dort ins Bad vorarbeitete und dabei auf Dinge zeigte, die der Leiter der Spurensicherung filmen sollte. Keine Emotionen, keine eigene Meinung, nur Fakten. Das Video könnte eines Tages Teil der Anklage werden, und es war wichtig, Gefühle da herauszuhalten. Bei diesem Teil der Ermittlungen ging es ausschließlich um Beweiserhebung.

Sie verließen Alpha, überquerten den Flur und betraten Bravo. Sergeant Holder hatte nicht übertrieben, als er gesagt hatte, da hinge Zeugs an den Wänden. Nicht ein Quadratzentimeter Wand war mehr frei. Das Wohnzimmer war den drei Opfern gewidmet: Kane Hunt, Harrison Cummings und Karen Royal-Cross. Zeitungsausschnitte, von Weitem aufgenommene Fotos von ihnen und ihren Wohnorten, Recherchen über ihre Freunde, Verwandten und Nachbarn. Detailinformationen zu ihren Fahrzeugen und dazu, welche öffentlichen Verkehrsmittel sie benutzten. Offizielle Anfragen im Rahmen der gesetzlichen Auskunftspflicht. Krankengeschichten und Informationen zu ihren Hobbys. Die Pubs und Restaurants, die sie frequentierten, die Fitnessstudios, in denen sie trainierten, wo sie einkaufen gingen.

Die Gedichte, die er geschickt, die Gifte, mit denen er sie umgebracht hatte …

Sie warteten, bis der Mann von der Spurensicherung alles gefilmt hatte, dann gingen sie ins Schlafzimmer. Das Bett war an die Wand gerückt worden. Es war ordentlich gemacht. Eine saubere Daunendecke und ein einzelnes Kissen. Ein Nachttisch mit einer Lampe. Keinerlei persönliche Gegenstände. Wie in den anderen Zimmern waren die Vorhänge zugezogen.

Mathers machte das Licht an.

»Verflucht noch mal«, knurrte Poe. »Wo kriegt er das alles her?«

Auf zweien der Wände war das Leben von Chrissie Stringer und Douglas Salt ausgebreitet. Eine dritte war der Website gewidmet. Der Server, den Beck verwendete, die Hashtags, durch die er globale Reichweite für die Abstimmung zu erzielen hoffte. Maßnahmen, die er ergriffen hatte, um sicherzugehen, dass sie nicht abgeschaltet werden konnte. An der letzten Wand ging es ausschließlich um den Park-Lauf. Eine Schätzung, wie viele Personen daran teilnehmen würden. Start- und Endzeit. Ein Schaltplan des Störsenders, den er benutzt hatte, um Stahls Mikrofon nutzlos zu machen. Sogar ein Foto von dem Baum, unter dem er seinen Hut abgenommen hatte – der simple Trick, mit dem er dafür gesorgt hatte, dass die Luftüberwachung ihn nicht mehr ausmachen konnte. Poe hatte an Armee-Einsätzen teilgenommen, die weniger gut geplant gewesen waren. Wäre er nicht so entsetzt gewesen, hätte ihn das alles tief beeindruckt.

Nachdem beide Wohnungen dokumentiert worden waren, entließ Mathers den Leiter der Spurensicherung, damit er sein Team einweisen konnte. Dann wandte sie sich an Poe. »Verarscht der Typ uns etwa?«

Poe nickte. »Das ist kein Tatort«, stellte er fest. »Das ist eine Ausstellung.«