85 . Kapitel

D a Mathers die Leitung der Jagd auf Frederick Beck übernahm, fragte Poe, ob er zu Douglas Salt zurückfahren könne. Er würde Bradshaw bitten, ein aktuelleres Bild von Beck aufzutreiben, um bei der landesweiten Fahndung zu helfen. Im Moment hatte Mathers lediglich ein zwanzig Jahre altes Führerscheinfoto und ein sogar noch älteres Bild vom Passamt. Wirres Haar, Rauschebart und Hornbrille. Mit Kontaktlinsen, einem Haarschnitt und frisch rasiert könnte er glatt an ihnen vorbeimarschieren, ohne dass sie es merken würden.

Mathers wollte eigentlich, dass Poe am Tatort blieb und schaute, ob ihm irgendetwas auffiel, doch er fürchtete um Douglas Salts Sicherheit. Beck hatte gewollt, dass sie die Wohnungen fanden. Sein jüngster Schachzug mochte aussehen wie ein Puzzle in einem Puzzle, doch Poe glaubte, dass es etwas zu bedeuten hatte. Vielleicht war es ja der Beginn einer neuen Phase.

Widerstrebend erklärte sie sich bereit, ihn fahren zu lassen.

»Bevor ich mich vom Acker mache, Ma’am, sollten wir irgendetwas vom Tatort entfernen?«, fragte er.

»Das hatte ich eigentlich nicht vor. Wieso?«

»Das hier ist der aufsehenerregendste Fall, den wir seit Jahren hatten. Macht auf der ganzen Welt Schlagzeilen. Sind Sie absolut sicher, dass die Tatortfotos nicht geleakt werden? Die Boulevardpresse wird fünfstellige Summen dafür abdrücken, das Versteck dieses irren Arschlochs von innen zu sehen. Wenn Sie etwas wegschaffen, bevor hier alles fotografiert wird, können Sie später die Spinner aussortieren.«

»Hatten Sie an etwas Bestimmtes gedacht?«

»Tilly sagt, die Wohnungen sind ausgestattet wie jedes Oberschullabor, hier ist also nichts, womit jemand, der halbwegs Ahnung davon hat, wie man Gifte extrahiert und herstellt, nicht rechnen würde.« Er ging zu dem Dörrautomaten hinüber. »Außer dem Ding hier. Wir sind davon ausgegangen, dass er eine Pflanzenpresse für die Blumen benutzt, also könnte das hier reichen, um jemanden auflaufen zu lassen.«

Mathers nickte.

»Könnten Sie das hier bitte eintüten lassen, bevor Sie anfangen, den Tatort zu fotografieren?«, bat sie den Leiter der Spurensicherung.

Der Mann wartete in der Tür und konnte es kaum erwarten, anzufangen. Rasch flitzte er die Treppe hinunter, um eine große Asservatentüte zu holen, und war gleich darauf wieder da. Sie sahen zu, wie er die Dörrmaschine fotografierte. Dann öffnete er den Deckel und griff mit einer Pinzette hinein. Holte vorsichtig ein Blütenblatt heraus. Es war so trocken wie die Haut einer gerösteten Erdnuss. Vorsichtig legte er es in eine Tüte, versiegelte diese und notierte sich die Bezugsnummer. Dann tat er dasselbe mit dem Dörrautomaten.

Poes Handy vibrierte. Es war Henning Stahl.

»Was haben Sie da drin gefunden?«

Poe sagte es ihm.

»Ich will ein Foto«, verlangte Stahl. »Und zwar nicht so ein steriles Tatortfoto, ich will auch ein Bild davon, wie es vorher war.«

Poe runzelte die Stirn. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass Stahl Zugang zu den Ermittlungen bekam. Aber Poe konnte ihn doch nicht auf einem aktiven Tatort herumlaufen lassen. Er sagte Mathers, was Stahl wollte.

»Der kann uns mal«, antwortete sie.

»Wie wär’s, wenn wir ihn bis an die Wohnungstür lassen? Soll er mit seinem Handy ein paar Fotos machen. Die maile ich an Tilly, und dann löschen wir alles. Er kann sie wiederhaben, wenn alles vorbei ist, und wenn dann doch irgendwas geleakt wird, wissen wir, dass er’s nicht war.«

»Okay«, stimmte sie zu. »Aber ich möchte, dass einer von meinen Leuten das alles von seinem Handy löscht. Nichts für ungut, Poe, aber Tilly sagt, wenn’s um Technik geht, sind Sie ungefähr so nützlich wie die Eier des Papstes.«

»Das hat sie gesagt?«

»Nein, ich habe paraphrasiert. Wörtlich hat sie gesagt: ›Lassen Sie Poe bloß nichts Elektronisches anfassen. Der drückt in irgendeiner komischen Reihenfolge auf die Knöpfe, sodass der Akku explodiert.«

»Das ist doch bloß ein einziges Mal passiert«, beschwerte er sich.