86 . Kapitel

W ie läuft’s mit der Abstimmung, Tilly?«, erkundigte sich Poe, sobald er durch die Tür kam. »Liegt Salt vorn?«

»Er hat jetzt einen Vorsprung von fast einer Million, Poe«, antwortete Bradshaw.

»So viel? Wo ist er denn?«

»Unten. Er schmollt.«

»Wieso?«

Bradshaw griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. »Es ist fast zehn Uhr«, sagte sie. »Schau’s dir selbst an.«

»Wir schalten jetzt für ein ausführliches Update zu Maria Dorey«, verkündete der Nachrichtensprecher.

Maria Dorey stand vor der Polizeiabsperrung in der Straße, in der Frederick Beck wohnte. Feiner Nieselregen hing in der Luft. Offensichtlich hatte sie schon eine ganze Weile auf ihr Stichwort gewartet, denn ihr Haar war feucht.

»Danke, Charles«, sagte sie. »Vorhin hat hier Chaos geherrscht, als die Polizei ein Haus in dieser Straße gestürmt hat …«

Ein reichlich mit Mutmaßungen, dafür jedoch mit wenig Fakten garnierter Bericht folgte. Es war eindeutig, dass die Presse zwar wusste, dass es einen Durchbruch gegeben hatte, sie aber von niemandem näher informiert worden war. Sie kannten den Namen des Botanikers nicht. Poe hatte den Verdacht, dass Doreys wildere Behauptungen schlicht und einfach ein Versuch waren, jemanden zu einer Richtigstellung zu verleiten.

Sie lieferte ein rasches Update zu der Abstimmung, bevor sie zu bereits aufgezeichneten Biografie-Beiträgen über Chrissie Stringer und Douglas Salt überleitete. Jetzt verstand Poe, warum Salt schmollte. Der Beitrag über ihn war besonders unangenehm. Der Amerika-Korrespondent des Senders hatte mit Familien gesprochen, die durch multiresistente Tuberkulose geliebte Angehörige verloren hatten. Sie waren nur zu gern bereit, gegen den Mann zu wüten, der den Preis des Medikaments in die Höhe getrieben hatte, das sie hätte retten können.

Der Bericht ging noch ein paar Minuten weiter, bevor die Reporterin zum Ende kam.

»Dies hier folgt natürlich direkt auf den verunglückten Polizeieinsatz im Chance’s Park in Cumbria. Während die Beliebtheit des Botanikers wächst, ist das Vertrauen in die Fähigkeit der Polizei, ihn zu fassen, an einem absoluten Tiefpunkt …«

Bradshaw machte den Fernseher aus. »Douglas Salt sagt, wir übertreiben mit Absicht, aus Rache dafür, dass er ein erfolgreicher Kapitalist ist«, meinte sie. »Er hat DI Flynn gesagt, wir müssten sein Haus verlassen.«

»Und was hat sie geantwortet?«, fragte Poe grinsend.

»Sie hat gesagt, er soll aufhören, so kindisch zu sein. DI Flynn und Ian Gamble schlafen jetzt, weil ihre Schicht zu Ende ist. Detective Sergeant Andrew Rigg und Detective Constable Anne Hawthorne haben die Aufsicht übernommen.«

»Ist noch was von der Ziege da? Ich bin am Verhungern.«

»Du machst Witze, stimmt’s? Niemand hat sie angerührt. Wir mussten sie sogar nach draußen in den Garten stellen, weil das ganze Haus eklig gerochen hat.«

»Und was habt ihr stattdessen gegessen?«

»Jefferson Black ist zu McDonald’s gefahren. Ich habe mir einen veganen Wrap mitbringen lassen.«

»Du? Du hast was von McDonald’s gegessen?«

»Ja, hab ich. Und das tue ich nicht noch mal.«

»Eklig, stimmt’s?«

»Das Schlimmste, was je in meinem Mund gewesen ist«, pflichtete sie ihm bei.

»Du kannst doch keine ganze Ziege essen, Poe.«

»Ich kann und ich werde.«

»Aber bekommen wird es dir nicht.«

»Alles, was ich weiß, ist, ich esse jetzt meine Ziege.« Poe beugte sich vor und sog die Aromen ein, die aus den fettigen Take-away-Tüten aufstiegen. Der Geruch war betörend. »Gleich wirst du Zeugin von etwas sehr Besonderem, Tilly.«

Bradshaw seufzte. »Bevor du anfängst, muss ich dir etwas sagen.«

»Wenn du jetzt damit anfängst, wie ungesund …«

»Weißt du noch, wie Detective Chief Superintendent Mathers gesagt hat, Frederick Beck hätte das Land nicht verlassen, seit er in dem Zeitungsartikel aufgeflogen ist?«

»Die von der UK Border Agency haben das bestätigt.« Poe nickte. »Wenn er geprobt hat, dann irgendwo im UK

»Ich glaube, er hat zwei Pässe.«

Poe betrachtete seine Ziege.

»Scheiße«, knurrte er.