87 . Kapitel

E r hat zwei Pässe?«

»Zwei, von denen ich weiß«, antwortete Bradshaw. »Einen auf seinen richtigen Namen, den anderen auf den Namen Stuart Rich.«

»Wie ist er an den zweiten gekommen?«

»Es ist vollkommen legal, mehr als einen Pass zu haben, Poe.«

»Echt?«

»Ja, Poe. Wenn man beruflich sehr viel international reisen muss, braucht man vielleicht mehr als einen Pass, damit man einen für ein Visum einschicken kann, während man den anderen benutzt. Das ist ganz üblich.«

»Aber doch bestimmt nicht auf zwei verschiedene Namen?«

»Nein, das ist weniger üblich. Aber man kann einen zweiten Pass beantragen und dabei ein Dokument wie ein Affidavit, eine Namensänderungsurkunde oder eine eidesstattliche Erklärung vorlegen. Dazu hätte er nur nachweisen müssen, dass er seinen neuen Namen auch benutzt.«

»Hat er seinen neuen Namen denn benutzt?«

»Ja, das hat er getan, Poe. Nach dem Bericht in der Zeitung hatte er Mühe, Arbeit zu finden, obwohl er eine Koryphäe auf seinem Fachgebiet …«

»Oder er wollte keine Aufmerksamkeit erregen, während er die ganze Nummer hier geplant hat?«

»Der Gedanke ist mir noch nicht gekommen, aber abzutauchen ist sehr viel logischer. Jedenfalls, am Ende saß er in einer kleinen Wohnung in Kenilworth, das ist in der Nähe von Coventry. Er hat sein Gemeindesteuerformblatt benutzt, um einen Pass auf seinen neuen Namen zu beantragen. Sobald er den hatte, hat er das Land verlassen.«

»Und wie hast du ihn gefunden?«

»Das war in der Datenbank des Passamtes.«

»Und wie bist du …? Ach, weißt du was, ist auch egal.« Poe zog es vor, jegliches Mitwissen glaubhaft dementieren zu können. »Dann lassen wir wohl mal lieber jemanden an dieser Adresse in Coventry nachsehen.«

»Die Wohnung ist seitdem schon ein paarmal neu vermietet worden, Poe.«

»Wo ist er denn hingeflogen?«

»Zum Flughafen Leonardo da Vinci in Rom.«

»Verdammt«, brummte Poe. Da Vinci war ein Drehkreuz mit fünfundvierzig Millionen Passagieren im Jahr. Von Rom aus konnte man überall auf der ganzen Welt hinfliegen.

»Hast du ihn von da aus weiterverfolgt?«

»Er hat keinen Anschlussflug genommen, Poe.«

»Nicht?«

»Vielleicht hat er sich ja noch einen Pass besorgt?«, meinte Bradshaw. »Diesmal einen illegalen.«

Das war gar nicht so unwahrscheinlich. Er erinnerte sich, vor ein paar Jahren ein NCA -Bulletin über einen Schwung fehlerhafte italienische Pässe gesehen zu haben. Tausende davon waren auf dem Weg zum Schreddern gewesen, als sie gestohlen worden waren. Für um die zehntausend Euro konnte man einen kaufen, mit allen weiteren Unterlagen. Und in Schweden konnte man seinen Pass sechsmal im Jahr verlieren und bekam sechs Ersatzpässe. Europa hatte ein Riesenproblem mit Passvergehen.

»Ich rufe mal Detective Chief Superintendent Mathers an«, meinte er. »Das könnte bei ihrer Interpol-Anfrage helfen.«

Er scrollte gerade durch seine letzten Telefonkontakte, als Mathers ihn anrief.

»Was gibt’s, Ma’am?«, fragte er. »Ich wollte Sie gerade anrufen.«

»Ich brauche Sie und DI Flynn hier.«

»DI Flynn hat gerade ihre Aufsichtsschicht hinter sich, Ma’am. Wenn’s wichtig ist, wecke ich sie, aber sie hat in den letzten Tagen ganz schön Überstunden gemacht.«

Mathers zögerte kurz. »Dann eben nur Sie.«

»Was ist denn los?«

»Wir glauben, wir haben etwas gefunden.«

Wieder betrachtete Poe die langsam gegarte Ziege. »Ich bin gleich da«, seufzte er.