128 . Kapitel

P oe weckte Doyle gegen fünf Uhr Nachmittag zum Essen: Ofenkartoffeln, Lammkoteletts und ein paar gedämpfte Blätter, die er für Kohl gehalten hatte, die sich jedoch als Spinat entpuppten. Sie war noch ganz verschlafen, als sie nach unten kam, wurde jedoch wach, als er ihr eine Bierflasche in die Hand drückte.

»Ich fürchte, ich hab keinen Wein«, sagte er.

Sie ließ ihre Flasche gegen seine klirren und erwiderte: »Das ist genau das, was ich jetzt brauche.«

Sie aßen schnell und schweigend und ließen sich beide von Edgar den Fettrand abbetteln, den sie von ihren Lammkoteletts abgeschnitten hatten.

»Hast du ein bisschen Schlaf gekriegt, Poe?«, wollte Doyle wissen.

»Ein paar Stunden heute Nachmittag«, antwortete er. »Genug, um heute Nacht nicht einzuschlafen.«

»Du rechnest damit, dass er kommt, stimmt’s?«

Poe überdachte die Frage sorgfältig. »Eigentlich nicht«, sagte er dann. »Vorhin war ein gutes Fahndungsbild von ihm in den Nachrichten, und morgen früh ist es auf sämtlichen Titelseiten. Er wird sich irgendwo verkriechen und versuchen, das Ganze auszusitzen. Ich habe keine Zweifel, dass er irgendwann versuchen wird, Zeit für dich zu finden, aber ich glaube nicht, dass es so weit kommt.«

»Nein?«

»Ich glaube nicht, dass Frederick Beck klar ist, wie berühmt er sehr bald sein wird.«

Nach dem Abendessen gingen sie mit Edgar spazieren, und Poe zeigte Estelle sein Land.

»Sind nur ein paar Hektar, also in einer ganz anderen Liga als dein Vater«, meinte er. Augenblicklich wurde ihm klar, wie taktlos das war, und er entschuldigte sich.

Sie wischte seine Entschuldigung mit einer Handbewegung weg. »Er war der größte Grundbesitzer im ganzen Norden«, sagte sie. »Das heißt dann wohl, dass ich das jetzt bin.«

Poe brühte Tee auf, als sie nach Herdwick Croft zurückkehrten, und sie nippten an ihren Bechern und starrten in das glühende Herz des Herdes. Etwas geschah hier zwischen ihnen, doch Poe vermochte nicht zu entschlüsseln, was es war. Ungefähr eine Stunde lang hatten sie geplaudert wie die Freunde, die sie ja auch waren, doch seit Kurzem hatte sich die Atmosphäre verändert. Ganz subtil, aber genug, dass Edgar es merkte. Der Spaniel winselte. Poe griff nach unten und spielte mit seinen Ohren.

Doyle gähnte. Poe hielt es für ein erzwungenes Gähnen.

»Ich glaube, ich gehe ins Bett«, sagte sie und sah ihn unverwandt an.

»Okay«, antwortete er.

»Und was hast du vor?«

»Ich und Pelznase hier behalten heute Nacht die Tür im Auge.«

»Wird dir nicht kalt werden?«

»Ich lasse das Feuer an.«

Sie seufzte und hob in einer »Ich geb’s auf«-Geste die Hände. »Dann bis morgen.«

Und ohne ein weiteres Wort verließ sie das Zimmer.

Edgar sah erst die leere Treppe und dann wieder Poe an. Er schien enttäuscht von ihm zu sein.

»Ich weiß«, sagte Poe.

Dann starrte er wieder auf die Tür, die Augen halb geschlossen, das Gesicht eine Maske ungeheurer Ruhe. Nur die Anspannung seines Unterkiefers verriet den inneren Kampf, den er soeben gewonnen hatte.