S
ieben geschlagene Minuten hat es gedauert, bis Sny sich endlich blickenlassen hat. Sieben Minuten, während derer ich Ramirez beim Kotzen zugesehen habe und sogar recht froh darüber war, dass ich es bisher nicht geschafft hatte, ihre Hochsteckfrisur zu entwirren. Das hätte mir noch gefehlt, dass ich ihr nicht nur beim Kotzen zusehen, sondern mich auch noch neben sie setzen muss, um ihr währenddessen die Haare hochzuhalten.
Sny hat ihr sofort venöse Zugänge an beiden Armen gelegt, ihr ein Medikament gegen die Übelkeit und eines gegen das Fieber injiziert und ihr insgesamt zwei Liter Kochsalzlösung verabreicht.
Während Sny die kleine Rica überwacht hat, habe ich damit begonnen, ihre Bude auf den Kopf zu stellen. Von der Tür hinter der Treppe gehen drei weitere Türen ab: Eine führt zu einer winzigen Küche, in der neben der obligatorischen Einbauküche gerade einmal ein Tisch und zwei Stühle Platz finden. Eine weitere Tür führt zum Bad und eine zu Ramirez’ Schlafzimmer. Jeder Raum hat seine eigenen quadratischen Fenster, durch die inzwischen das sanfte Licht der Morgensonne dringt, und nochmals bin ich nicht umhingekommen, festzustellen, dass diese Bude für meinen
Geschmack einen Hauch zu ... unschuldig wirkt. Irgendetwas stimmt mit diesem Gebäude nicht.
Es ist eine verdammte Festung, daher passt es einfach nicht, dass das Treppenhaus wie ein einziger Atomschutzbunker wirkt und das Apartment im Obergeschoss stattdessen wie ein beschissenes Penthouse, mit Fenstern zu allen Seiten. Fehlt nur noch, dass das Scheißteil eine eigene Dachterrasse hat.
Gut, ich wette, wenn eine Drohne einen verfickten Torpedo auf dieses Penthouse
abwerfen würde, wäre eine sanfte Erschütterung dennoch das Einzige, was die kleine Ramirez vernehmen würde. Diese würde sie in ihrer grenzenlosen Naivität, in der ihr Daddy der verfluchte Held ihrer Kindheit ist, bestenfalls als Überschallknall interpretieren.
Trotzdem. Irgendetwas stimmt ganz gewaltig nicht mit diesem beschissenen Haus. Das ist auch der verdammte Grund, warum ich mir unbedingt Zutritt verschaffen wollte. Ich brauche die Baupläne. Ich muss wissen, ob es sich tatsächlich lohnt, hier meinen Stützpunkt zu errichten, oder ob es cleverer ist, weiterhin meine Geschäfte von der Ranch aus zu regeln.
Allerdings ist Ramirez nach wie vor keine große Hilfe. Entweder pennt sie tief und fest oder sie kehrt wieder die altbekannte Rotzgöre heraus, sobald ich ihr ein paar Fragen stelle.
»Alter, geh pennen«, murmele ich schließlich, als ich registriere, dass meinem alten Freund die Augen zufallen. Er hat sich vor dem Sofa platziert, die Arme auf den angezogenen Knien abgelegt und genauestens Ramirez’ Genesungszustand beobachtet, die Infusionen inzwischen entfernt und die Einstichstellen mit Pflastern versehen.
Natürlich konnte er es sich nicht nehmen lassen, die Wundnaht zu kontrollieren, mir anschließend einen kritischen Blick zuzuwerfen und mir danach zu versichern, dass die Wunde keineswegs entzündet wirkt.
Währenddessen habe ich Ramirez’ Schreibtisch durchwühlt
und versucht, den Zugang zu ihrem Notebook zu bekommen. Bereits an der Passworteingabe bin ich gescheitert. Da ich allerdings keinen Bock habe, nun auch noch Chase herzubestellen, damit er sich ins System hackt und zu allem Überfluss auch noch dumme Sprüche von sich gibt, werde ich mein Vorhaben, die Baupläne dieses Gebäudes zu studieren, auf den Zeitpunkt verschieben, an dem ich zumindest ein paar Stunden geschlafen habe.
»Bist du dir sicher? Soll ich nicht hierbleiben?«, entgegnet Sny, steht aber auf, als seien seine Fragen lediglich rhetorischer Natur gewesen.
»Klar. Ich werde Ramirez nur noch unter die Dusche drücken und ihr die Kotze vom Körper waschen. Danach wird gepennt.« Sofort lässt Sny eine skeptische Augenbraue hochschnellen. »Vergiss nicht, ihr nach der Dusche neue Pflaster draufzukleben. Sonst schaffst du es tatsächlich noch, dass die Naht sich entzündet.«
»Geht klar, Mom.« Entnervt schüttele ich den Kopf. »Und ihr habt euch jetzt die Gästequartiere unter den Nagel gerissen, oder wie?« Keine Ahnung, warum ich Sny diese eigentlich offensichtliche Frage stelle.
»Ja, wir mussten ein paar Idioten aus ihrer Familie rauswerfen, aber ich denke, sie haben es überlebt.« Mit dem Daumen deutet er hinter sich zu Ramirez, die von unserer Unterhaltung nichts mitzubekommen scheint.
»Wenn nicht, wäre es auch kein allzu großer Verlust«, murmele ich und stehe nun ebenfalls auf. »Sagen die Quartiere euch denn zu?«
Sny runzelt irritiert die Stirn. »Es lässt sich in ihnen aushalten. Oder was meinst du?«
»Keine Ahnung.« Erschöpft fahre ich mir durchs Gesicht. »Der Süden lässt sich von hier aus besser kontrollieren als von der Ranch aus. Denke ich.«
»Es ist deine Entscheidung, Adler. Nicht unsere. Wenn du
uns befiehlst, uns hier häuslich einzurichten, werden wir es tun.«
Ich nicke etwas geistesabwesend. Im Grunde habe ich gerade echt keinen Nerv dafür, mich mit der Frage auseinanderzusetzen, von wo aus ich mich nun als alleiniger Herrscher und Richter von NJ aufspielen soll. Meine Prioritäten haben sich in den vergangenen Stunden leicht verschoben. »Meinst du, Demon wird da mitspielen? Sie hasst Veränderungen.«
»Nein.«
»Dachte ich mir.« Entnervt schaue ich zur Decke. »Wieso frage ich eigentlich?«
Snyper gibt ein leises Lachen von sich. »Wir müssen sie nur ein bisschen bei Laune halten. Vielleicht können sich ja ein paar von den netten Tänzerinnen vorstellen, auch mal was mit einer Frau anzufangen. Diese Art von reizvoller Ablenkung gab es schließlich nicht auf der Ranch.«
»Ach, wirklich?« Ich schnaube spöttisch und beuge mich zu Ramirez hinunter, um sie von der Couch aufzusammeln. Sie gibt ein verschlafenes Murren von sich, schlingt ihre Arme allerdings wie selbstverständlich um meinen Hals, als ich sie aufnehme. »Fuck, mein Rücken«, stöhne ich angestrengt, worüber Sny nur rau auflachen kann.
»Na ja. Im Norden ist sie Nacht für Nacht durch die Clubs gezogen. Das braucht sie nun nicht mehr, sofern wir hierbleiben.«
Ich trage Ramirez an Sny vorbei und steuere auf die Tür zu. »Wir werden
hierbleiben. Außerdem ist mir nicht entgangen, dass du die vergangenen Wochen unermüdlich versucht hast, die Blutspur zu verwischen, die sie hinterlassen hat, wenn sie durch die Clubs gezogen
ist.« Bevor ich die Tür durchquere, wende ich noch einmal meinen Kopf in Sny’s Richtung. »Das hat nun ein Ende. Demon hat Ausgangssperre.«
»Yes, Sir«, höre ich ihn hinter mir brummen, doch ich
reagiere schlichtweg nicht darauf, sondern biege nach links ins Bad. Die kleine Rica wirkt weniger begeistert, als ich sie auf der Toilette absetze. Sie kippt einfach zur Seite, sodass ich sie weiterhin stützen muss.
»Ist dir immer noch kalt?«, frage ich, im Grunde eigentlich nur deshalb, um sie möglichst wach zu halten.
Ihre Antwort ist ein schwer zu identifizierendes Schnauben, und ich entschließe mich einfach dazu, es aufzugeben, in irgendeiner Weise mit ihr zu kommunizieren.
Mit einer Hand drücke ich sie rückwärts, sodass sie an der Wand hinter sich lehnt und bis auf Weiteres keine Anstalten zu machen scheint, wieder zur Seite wegkippen zu wollen. Das nutze ich aus, um die Badezimmerschränke einen nach dem anderen zu öffnen und schließlich ihre Zahnbürste ausfindig zu machen.
Gerade will ich sie ihr reichen, da bemerke ich aus dem Augenwinkel, wie Bewegung in die kleine Rica kommt. Schnell springe ich in ihre Richtung und schaffe es gerade noch rechtzeitig, sie festzuhalten, bevor sie womöglich mit dem Kopf voran auf den harten Fußbodenfliesen aufkommt.
Wieder drücke ich sie mit einer Hand an die Wand in ihrem Rücken, während ich ihr ungeduldig die Zahnbürste vors Gesicht halte. »Mund auf«, fordere ich herrisch ein, und tatsächlich scheint mein Tonfall diesmal nicht ihren Dickschädel, sondern ihre Gehorsamkeit zu aktivieren.
Vielleicht hat sie einfach keine Lust mehr, sich gegen mich aufzulehnen. Schließlich wird dies ein ewiger Kampf zwischen uns sein: Wer behält die Oberhand und wer lässt sich am Ende unterbuttern? Wer wird das Sagen haben und wer wird ... ist ja auch egal. Ich bezweifle, dass Blair Ramirez sich zeit meines Lebens vorschreiben lässt, wo es langgeht. Schon gar nicht von mir.
Ein wenig grob stecke ich ihr die Zahnbürste in den Mund, sodass zwar nicht ihr Würgreflex ausgelöst wird, sie aber
nichtsdestotrotz erschrocken die Augen aufreißt. »Ich hoffe, du erwartest nicht von mir, dass ich
dir die Zähne putze«, halte ich sie im scharfen Tonfall dazu an, in meiner Gegenwart bloß nicht mehr auf dumme Gedanken zu kommen – schon gar nicht, bevor ich nicht ein paar Stunden schlafen konnte. Wenn ich genau darüber nachdenke, bin ich bereits seit sechsunddreißig Stunden auf den Beinen, und langsam zehrt das nicht nur an meinen Nerven und an meiner Geduld, sondern auch an meiner Kraft.
So sollte es eigentlich nicht sein, da ich dafür trainiert habe, mindestens zweiundsiebzig Stunden wach zu bleiben, aber … was soll ich sagen? Die kleine Ramirez schafft mich.
Tatsächlich nimmt sie die Zahnbürste in die Hand und putzt sich in aller Ruhe die Zähne, während ihre halboffenen Augen mich beobachten. Ihr Haar hat sich teilweise aus den Klemmen gelöst, ihr Make-up ist verschmiert und irgendwie erinnert sie mich zum einen an einen Junkie, zum anderen muss ich feststellen, dass sie wie ein junges Mädchen wirkt, das gerade von seiner ersten durchzechten Party zurückkehrt.
Wird Zeit, dass ich dieses Bild von ihr zerstöre, bevor ich noch anfange, mich wie ein Pädophiler zu fühlen. Ich bin nur zwölf Jahre älter als sie, und auch wenn sie längst erwachsen ist, habe ich hin und wieder doch das Gefühl, dass ich ... zu alt für sie bin. Als sie fünfzehn war und für mich geschwärmt
hat, wie sie es so schön formulierte, hatte ich bereits das Drogenimperium meines Vaters an mich gerissen und mehr Menschen kaltgemacht und Frauen gevögelt, als ich zählen konnte. Ich hatte – zusammen mit Sny – mehr Lines durch meine Nase gejagt, als gut für mich war, Autos zu Schrott gefahren, die unbezahlbar waren und ...
Hat die kleine Ramirez mein Leben verändert, als ich ein Angebot erhielt, das ich nicht ausschlagen konnte? Nein. Meine Mordlust blieb ungestillt. Wird sie mein Leben verändern? Vielleicht.
Damals, als sie als mein Eigentum auf meinem Radar auftauchte und ich jede ihrer Bewegungen beobachten ließ, war sie nur eine pubertierende Göre für mich. Doch das änderte sich mit den Jahren.
Mit den Jahren erinnerte sie mich immer mehr an ihre Mutter, obwohl optisch kaum eine Ähnlichkeit besteht. Sie ist kleiner, hat weiblichere Rundungen – zumindest, wenn sie sich nicht gerade, so wie jetzt, zu Tode hungert –, ihr Haar ist dunkler, ebenso wie ihre Augen, und ihre Lippen sind voller.
Meine Stiefmutter erinnerte dagegen in ihrer Optik an den typischen, amerikanischen Filmstar – meinem Vater wird vielleicht, als er sie das erste Mal traf, in den Sinn gekommen sein, dass sie das arische Ideal einer Frau verkörperte. Blair Ramirez ist einfach ... auf ihre eigene Art verführerisch. Ihr Aussehen mag sie zwar komplett von der Ramirez-Seite vererbt bekommen haben. Dennoch steckt sehr viel von ihrer Mutter in ihr.
Nicht nur das weiche Herz und die Liebe zu Tieren hat sie von ihr.
Ich erhoffe mir, dass sie die Fähigkeit besitzt, zu verzeihen, und dass sie das Gute in jeder noch so düsteren Seele erkennen kann. Ich werde sie fragen, ob sie in mir auch das Gute sieht, oder ob meine Seele bereits derart verdorben ist, dass es hoffnungslos zu sein scheint.
Während sie gemächlich ihre Zähne putzt, reiche ich ihr den mit Wasser gefüllten Zahnputzbecher und beginne schließlich schweigend damit, ihr Haar zu öffnen.
Endlich, als ich die letzte Spange entfernt habe, fallen die ebenholzfarbenen Wellen über ihren Rücken und ich höre auf, sie mit dem fünfzehnjährigen Mädchen zu vergleichen, das ich eben die ganze Zeit vor Augen hatte.
Ja, mit den Jahren ist sie zu einer verführerischen Frau herangewachsen, was dazu geführt hat, dass meine Mordlust ihr gegenüber sich in etwas anderes wandelte. Vielleicht will
ich sie noch immer umlegen. Vielleicht aber auch nicht.
Auf einem hüfthohen Schrank liegt eine Haarbürste, die ich nun aufnehme und ihr damit durch die Strähnen kämme. Sofort finden die Drähte einen Knoten, weshalb die kleine Ramirez verärgert brummt. Ihre Augen schießen dunkle Blitze auf mich ab, doch ich zucke lediglich mit den Achseln. »Stell dich nicht so an.«
Sie nimmt einen Schluck Wasser, spuckt die schaumige Brühe zurück in den Becher und hält ihn mir hin. Mit einer angewiderten Grimasse nehme ich ihn entgegen. »Geh duschen«, befehle ich ihr sofort.
»Du hast mir gar nichts ...«
»Du hast dich achtundfünfzigmal übergeben, Ramirez. Also ja, ich habe dir was zu sagen, weil du nämlich stinkst wie eine verdammte Kotztüte! Zieh dich aus und stell dich unter die Dusche, denn sonst werde ich dir dabei behilflich sein, und das willst du nicht!«
»Ich muss aber pinkeln.«
»Fein!«, raunze ich, schmettere den Becher ins Waschbecken, reiße ihr die Zahnbürste aus der Hand und werfe diese hinterher. Mit hastigen Schritten verschwinde ich aus dem Bad und knalle die Tür hinter mir zu.
Japp. Mein Geduldsfaden ist gerissen. Es gab überhaupt keinen Grund so auszurasten, aber aus irgendeinem Grund bin ich beleidigt, weil Ramirez nicht anerkennt, dass ich die vergangenen Stunden quasi einen emotionalen Striptease vor ihr hingelegt habe. Zumindest für meine Verhältnisse – und für mein Verständnis von emotional.
Es gibt kaum jemanden, für den ich mich derart weit aus dem Fenster lehne, um ihn zu umsorgen. Wie eine verdammte Glucke habe ich mich ihretwegen benommen, doch die Frau hat noch immer nichts Besseres zu tun, als mir auf den Geist zu gehen.
Okay. Ich bin auch schuld an dem ganzen Scheiß. Ich habe
ihr das Heroin von Sny spritzen lassen. Wenn ich da nicht meine verfickte Erbarmungslosigkeit hätte demonstrieren wollen, wäre der Abend wahrscheinlich anders verlaufen.
Doch mir ging es verdammt nochmal darum, ein Exempel zu statuieren. Ramirez sollte wissen, dass meine Drohungen keine heiße Luft sind, sondern dass ich ernst mache.
Ich werde es wieder tun. Wenn der ganze Scheiß von vorn losgeht, sobald sie klar im Kopf ist und wir beide hoffentlich
ein bisschen schlafen konnten, werde ich nicht zögern, es ihr ein weiteres Mal zu beweisen
.
Mit verschränkten Armen lehne ich mich an die Wand neben der Badezimmertür und warte ungeduldig darauf, dass die Klospülung zu vernehmen ist. Natürlich werde ich sie beim Duschen beobachten. Ihr Körper ist mein Eigentum, von daher habe ich jedes Recht der Welt, sie zu betrachten.
Es folgt kein Händewaschen. Nicht, dass ich mir Sorgen um ihre Handhygiene mache, aber da ich in den kommenden drei Sekunden wirklich gar kein Geräusch mehr vernehme, kommt wie gewohnt der Argwohn in mir durch. Lassen sich die Fenster öffnen? Ist sie irgendwie … abgehauen?
Im nächsten Moment dringt ein dumpfer Aufschlag zu mir durch, und bevor ich überhaupt einen normalen Gedanken fassen kann, habe ich die Tür bereits aufgerissen und registriere erst, was abgeht, als ich über Ramirez’ bewusstlosen Leib stehe.
Das verdammte Heroin muss ihrem Körper echt zugesetzt haben, denn trotz der zwei Liter Infusionen scheint ihr Kreislauf noch immer nicht richtig mitzuspielen.
Wahrscheinlich ist sie zu schnell vom Klo aufgestanden und kollabiert, weil ihr Herz es nicht geschafft hat, genügend Blut in ihr Gehirn zu pumpen.
Seufzend befühle ich ihre Stirn und ihre Arme, die komplett kaltschweißig sind. Wenigstens scheint das Fieber rückläufig zu sein. Möglicherweise haben aber auch die Medikamente ihr
Übriges getan und ihren Kreislauf zu sehr heruntergefahren.
Und ja, mein Gewissen klopft erneut an. Ich bin schuld an dem ganzen Scheiß.
Ich seufze noch einmal und merke selbst, wie genervt ich klinge, während ich Ramirez auf den Rücken drehe und ihre Beine in einen rechten Winkel hochstemme.
Es dauert nur ein paar Sekunden, da beginnen ihre Lider zu flattern, ein paar weitere Sekunden später fixiert sie mich erschrocken. »Was ist passiert?«
»Du bist kollabiert. Kein Grund zur Sorge, das liegt wahrscheinlich an den Medikamenten.«
»Mir ist schon wieder so kalt.«
Ich zeige zur Dusche. »Bitte sehr. Heißes Wasser.«
»Aber ...«
Ohne zu zögern, löse ich meine rechte Hand von ihrem Unterschenkel, halte sie weiterhin mit meiner linken Hand in der rechtwinkeligen Position und ziehe Ramirez mit einem Ruck die Hose über den Arsch, sodass ihr schwarzer Spitzenslip zum Vorschein kommt. Ich gebe ein angeregtes Brummen von mir. »Hmm. Schick.«
»Hey! Was soll das, Cabrón?!
«, zetert sie und versucht verzweifelt, ihre Jeans festzuhalten, die ich mit geringem Kraftaufwand weiter hinunterschiebe und schließlich komplett ausziehe, gefolgt von ihren dunklen Nylonstrümpfen.
»Kannst du den Rest selbst machen? Ich meine, ohne wieder Kreislaufprobleme zu bekommen?!«
»Du bist derjenige, der von mir abverlangt zu duschen. Ich will einfach nur ins Bett!«
»Ah, okay.« Ohne Vorwarnung rücke ich von ihr ab und lasse ihre Beine fallen. »Schaffst du es denn allein ins Schlafzimmer?«
Wütend schiebt sie das Kinn vor. Ich warte eigentlich nur darauf, dass sie behauptet, kein Problem damit zu haben, im Badezimmer auf dem Boden zu schlafen. Allerdings dürften
ihre Klamotten von dem Kaltschweiß komplett durchnässt sein und zudem hat sie mir eben dummerweise verraten, dass ihr schon wieder kalt ist.
»Nein«, murmelt sie schließlich, als sie selbst zu merken scheint, dass sie auf meine Hilfe angewiesen ist.
»Ich mache dir einen Vorschlag«, beginne ich und muss bei dem Gedanken, dass dies nun die Gelegenheit ist, sie zu hintergehen, tatsächlich damit kämpfen, ein Feixen zu unterdrücken. »Ich gebe dir jetzt einen Schluck Wasser aus deinem dämlichen Zahnputzbecher und bin dir beim Duschen und dabei behilflich, heil ins Bett zu kommen. Ich werde dir nichts weggucken und auch nicht damit anfangen, dich zu begrabschen. Ich will einfach nur pennen.«
»Dann leg dich doch auf die Couch.« Ja, war klar, dass sie weiterhin patzig zu mir ist.
»Jetzt?« Sofort gebe ich vor, aufstehen zu wollen und mich zu verpissen.
»Nein! Ich ...« Irgendwie gefällt sie mir so hilflos.
»Jaaa?«
Resigniert weicht sie meinem Blick aus und schaut seufzend zur Decke. »Ich brauche deine Hilfe.«
»War das jetzt so schwer?« Warum stelle ich ihr diese Frage eigentlich? Ich kenne die Antwort.
»Ja!« Und der Kandidat hat hundert Punkte. Der sarkastische Teil von mir stellt gerade fest, dass es nun so weit mit mir gekommen ist, dass Ramirez und ich uns schon ohne Worte
verstehen. Sehr witzig.
Kopfschüttelnd trete ich um sie herum, schiebe meine Hände unter ihre Achseln und drücke ihren Oberkörper in eine aufrechte Position.
»Oh Mann«, mault sie und lässt den Kopf hängen.
»Geht’s? Oder wird dir wieder schwindelig?«, erkundige ich mich alarmiert, während mir einfällt, dass ich vergessen habe, ihr das versprochene Wasser zu reichen.
Gott. Sieh dich an. Die Frau macht dich gerade zu einem lächerlichen Flachwichser.
»Ja, alles gut. Es ist nur so demütigend.«
Du sagst es, Rica. Nicht nur für dich.
»Kannst du dich aufrechthalten?«, frage ich, anstatt direkt auf ihre Aussage einzugehen.
Sie nickt und ich wende mich prompt von ihr ab, um den Zahnputzbecher abzuspülen und aufzufüllen. Ich reiche ihn ihr und beobachte sie dabei, wie sie ihn mit einem Zug leertrinkt.
»Willst du noch mehr?«
»Nein.«
»Okay.« Mit verschränkten Armen stelle ich mich an ihre Seite und schaue zu ihr hinunter. »Zieh dich aus.« Wie lange ich diese Worte schon zu ihr sagen wollte – nur leider in einem anderen Zusammenhang.
Mit wütend blitzenden Augen zieht sie sich das schwarze Top über den Kopf, während sie mich unablässig mit ihren Blicken durchbohrt. »Genieß die Show, so schnell ...«
»Was hast du von mir erwartet, Ramirez? Dass ich ganz gentlemanlike wegschaue? Für wen hast du denn die Spitzenunterwäsche angezogen? Für deinen Spiegel? Der BH drückt deine Möpse derart zusammen, dass ich mich frage, wie du überhaupt Luft bekommst.«
Gerade wollte sie ihn wohl auch tatsächlich öffnen, doch nun hält sie inne und schiebt erneut das Kinn vor. Wahrscheinlich hat sie nur auf eine Gelegenheit gewartet, alles hinauszögern zu können. »Für mein Ego.«
»Na klar.« Mit einem spöttischen Schnauben wende ich mich von ihr ab und beginne ebenfalls mein Hemd aufzuknöpfen. »Für dein Ego
zwängst du dich in diese Unterwäsche. Dein Slip rutscht dir sicher in einer Tour in die Kimme, das muss dir doch tierisch auf den Sack ...«
»Nein!«, ruft sie irgendwie alarmiert dazwischen, nachdem ich mein blutbesudeltes Hemd einfach auf den Boden fallen
lassen habe und mich nun an meiner Bundfaltenhose zu schaffen mache.
»Was?
« Ich bin bereits drauf und dran, mich irritiert zu ihr umzudrehen, doch dann halte ich in der Bewegung inne.
»Du
ziehst dich nicht aus. Ich werde nicht mit dir in diese Dusche steigen, wenn wir beide nackt sind.«
Ich stöhne genervt. »Ramirez, ich bin voller Blut und ... Kotze, schätze ich, ich brauche diese Dusche genauso dringend wie du. Und ich bin dermaßen im Arsch, dass ich heute Nacht bestimmt keinen Ständer mehr kriege, sobald ich die entblößte Haut einer Frau sehe. Ich bin keine vierzehn mehr und habe meinen Schwanz ziemlich gut im Griff.« Das ist schlicht und ergreifend gelogen. Sobald es darum geht, Ramirez’ weiche Haut unter meinen Händen zu spüren, werde ich meinen verfluchten Schwanz ganz gewiss nicht im Griff haben. Ich weiß selbst noch nicht so genau, wie ich das gleich bewerkstelligen soll. »Du kannst es ja allein probieren. Vielleicht klappt es. Ich bleibe in der Nähe, gucke auch brav weg, bin aber sofort zur Stelle, sofern du wieder meinst, den Klappmann machen zu müssen. Wenn alles gut ist, dusche ich nach dir und penne auf der Couch.«
Ich wüsste echt gern, warum ich ihr diesen Vorschlag unterbreite. Einen Teufel werde ich tun und auf dieser verdammten Couch schlafen. Ich bin verfickte zwei Meter groß und die Couch ist höchstens auf Ein-Meter-sechzig-Zwerge wie Ramirez ausgelegt.
»Du wirst so oder so auf der Couch pennen, Adler. Oder in einem der Gästequartiere. Am besten verpisst du dich einfach komplett auf deine Ranch. Ich kapiere eh langsam nicht mehr, was diese Farce hier soll.«
Das reicht jetzt. Mit einer hochgezogenen Augenbraue drehe ich mich zu ihr um und schiebe wie in Zeitlupe meine Shorts herunter. Ramirez, die sich selbst vollkommen entkleidet hat und sich mit wackeligen Beinen an der
Duschwand festklammert, reißt erschrocken die Augen auf. Allerdings gleitet ihr Blick ungehindert an meinem Oberkörper hinab, scheint jedes meiner Tattoos genauestens zu studieren, das Brandzeichen meines Familienwappens auf meiner Brust, und bleibt schließlich an meinem Schwanz hängen.
Angespannt beiße ich die Zähne zusammen. Ich werde ihr, scheiße nochmal, nicht den Gefallen tun und wie ein beschissener Vierzehnjähriger eine Latte bekommen, nur damit sie mir vorwerfen kann, ich würde sie sexuell nötigen. Ich starre ihr also ins Gesicht und lasse meinen Blick – zu ihrer und auch meiner Überraschung – nicht einmal südwärts huschen. Ihr Gesicht, das von Sekunde zu Sekunde blasser wird.
»Bist du bald fertig mit deiner Schwanzvisite oder soll ich mir etwas zum Lesen besorgen?« Meine Frage ist rein rhetorisch, denn in diesem Augenblick knicken Ramirez’ Beine weg, womit ich bereits gerechnet habe: Ich mache einen schnellen Schritt auf sie zu und fange sie auf. »Alles klar?«, raune ich ihr direkt ins Ohr, als ich merke, dass sie zwar wieder kaltschweißig geworden ist, aber nicht das Bewusstsein verloren zu haben scheint.
»Ja, ich ... mir war nur kurz schwindelig«, murmelt sie und klingt dabei gleichzeitig dankbar und genervt.
Der sarkastische Teil in mir meldet sich wieder und findet es extrem amüsant, nebenbei anzumerken, dass Ramirez bei dem Anblick meines Schwanzes fast ohnmächtig geworden ist, und ich muss mich echt zusammenreißen, ihr nicht einen entsprechenden Spruch zukommen zu lassen. Stattdessen ringe ich mir lediglich ein verständnisvolles Brummen ab, drehe sie in meinen Armen, sodass mein Schwanz nicht gegen ihre Pussy, sondern nur
gegen ihren Arsch drückt, und hebe sie ein paar Zentimeter an, um sie endlich unter die Dusche zu schleppen.
»Du musst mich echt für ein klägliches Sensibelchen halten«,
merkt die kleine Rica an, während ich an der Armatur herumdrehe und sie – einen Arm fest um ihren Bauch gewickelt – außerhalb der Gefahrenzone halte, damit sie nicht auch noch einen kalten Schwall Wasser abbekommt.
»Geht so.« Und mich muss sie echt für einen absoluten Vollpfosten halten, wenn ich weiterhin den Softie markiere. So war das alles eigentlich nicht geplant.
Als das Wasser endlich annehmbare Temperaturen annimmt, schiebe ich sie wortlos unter die Brause. »Hey!«, beschwert sie sich – keine Ahnung, ob sie plötzlich auf wasserscheu macht oder ihr meine unsanfte Behandlung nicht gefällt, aber mir ist es ziemlich egal.
»Hast du Tollwut, oder was soll die plötzliche Angst vor Wasser?« Ich positioniere mich wieder hinter ihr, beobachte drei Sekunden lang ihre matten Bewegungen, wie sie sich im Schneckentempo durchs Haar fährt, und beginne dann vor lauter Ungeduld selbst tätig zu werden: Ich schnappe mir das Shampoo und drehe das Wasser ab.
Stoisch lässt sie sich von mir einseifen, während ich sie weiterhin mit meinem Arm umschlinge. Mit geschlossenen Augen lässt sie es über sich ergehen.
Ja, Rica.
Wir sind beide müde.
Wir sind inzwischen so weit, dass wir alles nur noch über uns ergehen lassen.
Da ist keine Wut mehr; kein Hass.
Nur noch diese allumfassende Müdigkeit.
Wir brauchen eine Pause.