»
R
ica.«
Ich spüre deinen Mund auf mir.
Auf meiner Haut.
Ich liege auf dem Bauch und bin wieder eingeschlafen, womit ich niemals gerechnet hätte.
Ich dachte, deine Anwesenheit reicht, um mich wachzuhalten.
Weil ich dir nicht traue, dachte ich, dass meine Zweifel mich wachhalten.
Doch der Schlaf hat mich übermannt.
Und jetzt weckst du mich mit deinen Küssen.
Ich kann mich wieder an alles erinnern, Vaughn.
Du hast mich gefragt, ob ich dir verzeihe.
Ich tue es nicht.
»Was ist?« Ich strecke mich wohlig, um den zickigen Unterton in meiner Frage zu überspielen.
Vaughn scheint es tatsächlich nicht bemerkt zu haben und lässt seinen Mund weiterhin über meine Schulterpartie
wandern. Behutsam streicht er mein Haar beiseite und küsst meinen Nacken. Von dort aus wandert er hinunter, zieht eine Spur über meinen Rücken, schiebt dabei die Decke weg und landet schließlich an meinem Hintern, in den er forsch hineinbeißt.
»Ey. Adler.« Ich stütze mich ab, drehe meinen Kopf zu ihm und funkele ihn an.
»Was ist?« Sein dunkler, verlockender Blick trifft mich genau dort, wo er mich nicht treffen sollte. Mein Unterleib zieht sich begierig zusammen, und als er seine Erektion zwischen meine Pobacken drückt, reagiert mein Körper ganz von allein.
»Du wolltest mir etwas sagen«, versuche ich ihn an den Grund zu erinnern, weshalb er mich geweckt hat, möglichst bevor mein Verstand sich komplett abschaltet.
»Ja? Wollte ich das?« Sein Mund ist plötzlich direkt an meinem Ohr und seine Worte sind vielmehr ein tiefes Stöhnen, da ich mich ihm in diesem Moment instinktiv entgegenstrecke. Er schiebt seine Hand unter mein Becken, hebt meinen Unterleib an und versenkt sich mit einem einzigen langen Stoß in mir.
»Ja, ich glaube schon«, gebe ich zurück und keuche, als Vaughn ein weiteres Mal in mich eintaucht.
»Hmm.« Seine Zähne bohren sich sanft in meine Ohrmuschel. »Möglicherweise wollte ich dir davon erzählen, warum du mein Eigentum bist.«
»Bin ich das, ja?« Meiner Stimmlage nach finde ich diese Vorstellung gar nicht so abwegig, egal wie sehr mein Verstand gerade rebelliert. »Benutzt du deswegen keine Kondome? Weil du deinen Samen in mir willst?«
Vaughn gibt ein leises Lachen von sich und schiebt sich ein weiteres Mal in mich. Er fühlt sich so gut an, dass ich gar nicht anders kann, als seinen Stoß zu parieren und erneut laut aufzustöhnen. »Die Vorstellung gefällt dir doch, wenn ich mir das so ansehe – und anhöre.«
»Ich hasse dich.«
Nochmals lacht er und erst jetzt fällt mir auf, warum mich dieser Laut mit Glücksgefühlen, aber auch gleichzeitig mit Verwirrung erfüllt.
Vaughn Adler lacht nicht.
Doch ich bringe ihn zum Lachen. Ich. Die Tochter seines Erzfeindes.
In diesem Moment umfasst er mein Gesicht und zwingt mich, ihn anzusehen. »Ich ficke dich ohne Kondome, weil ich keine dabei habe. Du etwa?«
»Du lügst. Du bist schließlich hierhergekommen, um mich in deine Gewalt zu bringen und zu ficken. Sei wenigstens ehrlich.«
Augenblicklich hält er in seinen rhythmischen Bewegungen inne und entzieht sich mir sogar. »Okay, Ramirez. Du willst Ehrlichkeit?« Er packt mich an der Schulter und wirbelt mich mühelos herum. Es ist genau wie vorhin, als wir gevögelt haben. Nur das Gesprächsthema ist ein anderes. »Ich habe dich geweckt, um etwas mit dir zu besprechen, das stimmt.«
Sofort richte ich mich auf und rutsche ein Stück weit zurück, um ihm zu entkommen. »Und was?«
Er macht keinerlei Anstalten, mir nachzusetzen, sondern zieht sich stattdessen seine Shorts hoch, rutscht bis zur Bettkante und greift nach seinem Smartphone, das er wohl gestern Nacht irgendwann auf meinem Nachttisch abgelegt haben muss, als ich geschlafen habe. Er wischt auf dem Display herum und hält sich das Telefon schließlich ans Ohr. »Hast du mir die Klamotten besorgt? … Alles klar. Bis gleich.« Er legt auf und sieht mich für einen Moment an. »Ich werde dich hier oben für ein paar Tage einsperren müssen, bis meine Leute diesen Nachtclub und – im Zuge dessen – auch den Süden von NJ eingenommen haben.«
»Ach, und so lange bin ich dann deine kleine Fickpuppe, ja?« Aufgebracht greife ich nach einem Zipfel der Bettdecke und
ziehe sie mir über den Leib.
Adler lässt seinen Mundwinkel zucken, weicht allerdings meinem Blick aus. »Im Idealfall schon.«
»Vergiss es.« Die alte Wut, die mich seinetwegen seit gestern Abend beherrscht hat, kehrt wieder in ihrer absoluten Vollkommenheit zurück.
Ich muss ihn loswerden. So bald wie möglich.
»Hör zu, Blair.« Scheinbar nervös fährt er sich durchs Haar und weicht weiterhin meinem Blick aus. »Du weißt, wie ich zu deinem Dad stehe. Ich weiß, wie du zu meinem Vater ... und zu mir stehst.«
Ich zucke mit den Schultern. »Das ist ja auch kein großes Geheimnis. Mein Dad hat deinem Vater die Frau geklaut
und im Gegenzug meinte er, meine Mutter umbringen zu müssen, als er sie in die Finger bekommen hat.«
»Richtig ...« Er steht auf und sieht sich gründlich in meinem Schlafzimmer um, als hätte er nicht schon genug Zeit und Gelegenheiten dazu gehabt. »Eines von vielen Dingen, die er getan hat, die ich nicht gutheißen konnte.« Er öffnet sogar meinen Kleiderschrank, was mich angespannt die Luft anhalten lässt. Glücklicherweise scheint er es nicht zu bemerken, sondern schiebt lediglich die Sachen an der Stange von rechts nach links, zieht einige Stofffetzen aus den Regalen und legt sie wieder zurück.
»Ach so. Führst du Listen? Wie viele Gründe, die du nicht gutheißen kannst, brauchst du, bis du jemanden kaltmachst?« Ich würde selbst gern aufstehen – und mich vor allen Dingen einkleiden –, nur um Vaughn zu beweisen, dass er seinen verdammten Schwanz eben zum letzten Mal in mir hatte. Allerdings will ich mir nicht die Blöße geben, auch nur eine Sekunde vor ihm nackt auf und ab zu spazieren.
»Du findest es also nicht richtig, dass ich meinen Vater umgelegt habe?«, erkundigt er sich gelassen und wirft mir zu meiner eigenen Überraschung eine Jogginghose und ein Shirt
zu, gefolgt von Unterwäsche und Socken.
»Darum geht es nicht.« Hastig greife ich nach der Unterwäsche, ziehe mir zuerst den BH an und schlüpfe danach aus dem Bett, um mir den Slip und den Rest der Kleidung überzuziehen. Meine Beine sind wackelig und kraftlos, und ich benötige einen Moment, um noch einmal verwirrt die gestrigen Geschehnisse zu rekapitulieren.
Okay. Mir fallen gleich mehrere Erklärungen ein, weshalb meine Muskeln sich weigern, mein Gewicht zu tragen, und jede Einzelne von ihnen lässt mich mit einer gewissen Art von ... Traurigkeit zurück. Weil es keinen Grund gibt, Vaughn Adler zu verzeihen. Er hat mir heute Nacht so viele Dinge angetan, die schlicht und ergreifend unverzeihlich sind. Selbst wenn: Wie soll ich ihm jemals vertrauen, dass er mir nie wieder so einen Scheiß antut?
»Ach ja? Und worum geht es dann, wenn nicht darum, dass ich Menschenleben auslösche, als wären sie nicht mehr wert als lästige Fliegen, die um mich herumschwirren?!«
»Das hast du jetzt gesagt.« Mit verschränkten Armen lasse ich mich auf der Bettkante nieder, was meine Beine erleichtert begrüßen. Zuletzt haben meine Oberschenkelmuskeln wie wild zu beben begonnen und gegenwärtig habe ich keine Lust, vor Adler auch nur eine winzige Schwäche zuzugeben.
»Geht’s?«, fragt er im beunruhigten Tonfall und kommt mit schnellen Schritten auf mich zu, wie um mich notfalls aufzufangen, falls ich unkontrolliert vornüberkippen sollte – oder was immer ihm gerade vorschwebt.
»Ja!« Verärgert schlage ich seine Hand weg, als er diese behutsam an meine Wange legt. »Du legst einfach so deine nächsten Angehörigen um. Weil du meinst, dass sie es so verdient haben«, bringe ich das ursprüngliche Thema wieder auf. »Oder auch Menschen, die dir schlicht im Weg sind, dir aber nie etwas getan haben.«
»Das stimmt nicht.« Er lässt sich nicht von mir beirren, legt
die Hand erneut an meine Wange, diesmal allerdings um einiges konsequenter, und drückt dabei meinen Kopf in den Nacken. »Du solltest heute vielleicht noch im Bett bleiben.«
Wütend packe ich seinen Unterarm und versuche, seine Finger von mir zu entfernen, doch er hat entschieden, dass seine Hand an meiner Wange verweilen soll – und wenn Vaughn Adler das entscheidet, dann wird es wohl auch so geschehen.
Eine ohnmächtige Wut ballt sich wie eine glühende Woge aus Lava in meiner Brust zusammen und schießt von dort aus katapultartig bis zu meinem Gehirn. »Sollte ich, ja! Weil du
dafür gesorgt hast!«, brülle ich ihn an und hole aus, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen oder ihn wegzuschubsen, irgendetwas in der Richtung. Da ich mich allerdings nicht entscheiden kann, was den größtmöglichen Effekt erzielen wird, stoße ich ihm mit der flachen Hand gegen den Kehlkopf. Ich versuche es zumindest, doch Adler weicht rechtzeitig zurück, sodass meine Finger gerade einmal für einen kurzen Moment seinen Hals berühren.
»Was soll das denn jetzt werden?« Ein Schmunzeln ziert seine Miene, wenn auch nur einen Atemzug lang, bevor sein Gesicht wieder die altbekannten, harten Züge annimmt. »Jahrelang hat dein Vater eine seiner Fickhuren dafür bezahlt, dich in Selbstverteidigung zu unterrichten und bei demjenigen, der offenbar, deiner Meinung nach, das Schlimmste ist, was dir jemals passieren konnte, versagst du auf ganzer Linie.«
Seine Worte gehen regelrecht durch mich hindurch, weil mich die Tatsache, dass ich ihn zum Lachen bringe, schon wieder vollkommen aus dem Takt bringt. »Tust du das, um mich zu irritieren?«, frage ich ihn, ohne darüber nachzudenken, und merke, dass mein Blick dem eines kleinen Kindes gleicht, wenn es vor dem Weihnachtsmann steht.
»Tue ich was?« Ehrliche Verwirrung streicht durch seine Gesichtszüge, während er verständnislos die Brauen
zusammenzieht und dabei noch kälter wirkt als ohnehin schon.
Vielleicht bilde ich mir ja nur ein, dass ich ihn zum Lachen bringe. Vielleicht sind es die letzten Nachwehen des Heroins, das nach wie vor durch meinen Blutkreislauf zirkuliert.
Allein bei dem Gedanken daran, was die Droge mit mir gemacht hat, wird mir ganz komisch. Ich schätze, ich werde wohl für den Rest meines Lebens einen riesigen Bogen um Kirschsaft machen.
Augenblicklich drücke ich die Schultern durch und setze mein Pokerface auf. Ich werde Adler bestimmt nicht darauf ansprechen, dass er in meiner Gegenwart lächelt. Wenn ich mir das nämlich tatsächlich nicht einbilde, und es mir stattdessen seine Schwäche mir gegenüber offenbart, sollte ich auf den Moment warten, an dem ich diese Schwäche für mich nutzen kann.
»Sie war keine Fickhure
von meinem Dad, sondern eine seiner Söldnerinnen.« Mein Tonfall ist blasiert und irgendwie auch herablassend. »Langsam geht es mir gehörig auf den Sack, dass du ständig diese Spitzen gegen ihn setzt. Ich werde ihn wohl ein bisschen besser kennen als du. Schließlich habe ich bis vor einem halben Jahr mit ihm unter einem Dach gelebt; da wäre mir doch aufgefallen, wenn er sich irgendwelche Fickhuren
ins Haus geholt hätte!« Nochmals verschränke ich meine Arme in einer perfekten Imitation von Adler, der selbst mit vor der Brust verschränkten Armen zu mir hinuntersieht. »Im Gegenteil! Seit dem Tod
meiner Mutter hat er nie wieder eine Frau an sich herangelassen.«
Einen Atemzug lang mustert er mein Gesicht mit gerunzelter Stirn, als würde er versuchen, in irgendeiner Weise herauszufinden, ob ich ihn verarschen will oder ob es mein Ernst ist. »Dein Vater hat dich an mich verkauft, Blair«, knurrt er auf einmal. »Du bist so verblendet, was ihn betrifft, dass ich mich langsam ehrlich frage, was ich tun kann, um dir endlich diese verfickten Scheuklappen vom Gesicht zu reißen. Ich
befürchte sogar, dass seine Manipulationen an dir so tiefgehend sind, dass ich es niemals schaffen werde, dich von ihm freizubekommen.«
»Was?!
« Mit einem lauten Lachen springe ich auf die Füße, ignoriere meine protestierenden Oberschenkel und drücke mich an Adler vorbei, indem ich mich an der Wand abstütze. »Mein Dad soll also derjenige sein, der mich manipuliert, ja?! Mein Dad
hat mich an dich verkauft? An dich!
Seine einzige Tochter?! An seinen Erzfeind?« Ich merke selbst, wie hysterisch ich klinge, doch es ist einfach zu absurd.
Kopfschüttelnd arbeite ich mich bis zur Tür vor und halte einen Atemzug lang inne, weil mein linkes Bein so intensiv zittert, dass ich das Gefühl bekomme, meine Motorik nicht mehr unter Kontrolle zu haben.
Im gleichen Moment greift Adler nach meinem unversehrten Oberarm, um mich aufrechtzuhalten. »Lass mich!« Entrüstet schüttele ich ihn ab und überraschenderweise lässt er mich tatsächlich sofort los.
Schnaufend hangele ich mich an der Wand entlang, bis ich die Küche erreiche. Eigentlich will ich mir dringend irgendetwas mit Fruchtzucker genehmigen, damit dieses verdammte Zittern endlich aufhört, doch dann setze ich mich einfach erschöpft auf einen der zwei Stühle und starre den silberglänzenden Kühlschrank an, der auf einmal so unerreichbar für mich zu sein scheint.
Du kannst nur gelogen haben.
Mein Vater würde mich niemals auch nur an irgendwen verkaufen.
Schon gar nicht an dich, Vaughn.
Ich bin die Tochter seiner einzigen großen Liebe.
Sein ein und alles.
Du bist sein größter Feind und Konkurrent.
Warum, zum Teufel, sollte er mich an dich verkaufen?!
Das Schlimmste an dem Ganzen ist, dass da eine leise Stimme in meinem Kopf ist, die mir zuflüstert, dass du recht haben könntest.
Dass ich verblendet bin, wenn es um meinen Vater geht.
Aber er ist nun einmal das Einzige, was ich habe.
Und jetzt, da du mir das genommen hast, was ich mir aufbauen wollte, habe ich gar nichts mehr.
Bist nicht eher du derjenige, der versucht, mich zu manipulieren, Vaughn?
Du scheinst mich auf eine Art zu kennen, die mir unheimlich ist.
Du weißt Dinge über mich, die du nicht wissen solltest.
Du scheinst zu ahnen, dass ich mich – warum auch immer – zu dir hingezogen fühle, und nutzt es aus.
Du bist das Schlechte in meinem Leben.
Nicht mein Vater.
»Soll ich dir einen Kaffee machen?«, ertönt Adlers tiefe Stimme neben mir und ich schrecke auf. Ich war so tief in Gedanken versunken, dass ich alles um mich herum vergessen habe. Sogar Adlers Präsenz habe ich für einen Moment ausgeblendet.
Wie schön, dass ich in seiner Gegenwart zu genau jenem Frauenbild mutiere, das in der Gesellschaft so energisch verbreitet wird. Zu einem naiven Dummchen, das dem starken, dominanten Mann nichts entgegenzusetzen hat; weder geistig noch körperlich. Kaum befinden wir uns nicht mehr im selben Raum, habe ich die Gefahr bereits vergessen, die fortwährend von ihm ausgeht. Dann habe ich vergessen, was er mir angetan hat, um mich gefügig zu machen, und ich denke nicht daran, was er mir womöglich noch antun wird, damit der Status quo aufrechterhalten wird.
»Nein, ich brauche O-Saft, um meinen Blutzucker in geregelte Bahnen zu bekommen«, murmele ich, ohne ihn dabei
anzusehen.
Es dauert keine zehn Sekunden, da hält er mir ein volles Glas vor die Nase. »Du solltest mehr essen, damit dein Körper auch Energiereserven hat.«
»Damit was
passiert?« Gereizt schaue ich zu ihm auf, nehme das Glas allerdings entgegen. »Damit du mir weiterhin Drogen unterjubeln kannst?!«
Sein Mundwinkel zuckt. »Zum Beispiel.«
Der Drang, ihm das Glas ins Gesicht zu werfen, ist übergroß. Bloß merke ich jetzt, wie sehr mein Körper nach dem Zucker lechzt, und leere es stattdessen in einem Zug. Dabei schießt mir die Erinnerung in den Kopf, wie einer von Adlers Schatten mir den Kirschsaft eingeflößt hat. Sofort kommt ein eigenartiger Widerwille in mir auf, diesen Saft zu trinken, doch ich schaffe es, ihn zu unterdrücken.
Keuchend setze ich das Glas ab und stelle es auf den Tisch. Wieder habe ich Schwierigkeiten, Adlers Blick zu begegnen, der noch immer direkt vor mir steht und jede meiner Bewegungen zu beobachten scheint.
Ich kann
ihn nicht angreifen. Ich hätte ja wenigstens das leere Glas nach ihm werfen können, aber etwas in mir widerstrebt dem.
Vielleicht, weil ich Antworten brauche. »Wäre nett, wenn du mir deine Sicht der Dinge erläutern würdest, inwiefern mein Vater seine einzige Tochter an denjenigen verschachern sollte, in dessen Gewalt er sie eigentlich nicht sehen will«, maule ich ihn an, während ich eingehend meine Finger betrachte. Ich spüre bereits, wie der Fruchtzucker in meine Zellen gelangt und mein Körper die ihm zugeführte Energie dankbar begrüßt.
»Soll ich dir etwas zu essen machen? Rührei? Ein Sandwich?«
Beides?!
»Schön. Weiche mir einfach aus.«
»Ich weiche deinen Fragen aus, solange du meinem Blick ausweichst, Blair. Ist es, weil du dich von mir ficken lassen hast? Bereust du es?«
Oh Gott. Er klingt so ... gekränkt? Und warum bekomme ich jetzt ein schlechtes Gewissen?
Noch während meine Wangen in Rekordzeit erröten, atme ich einmal tief durch und sehe ihm direkt in die verärgert funkelnden Augen. »Natürlich bereue ich es.«
Eine Sekunde lang starrt er mich an. Möglicherweise überlegt er, ob er mir eine scheuern soll, doch dann nickt er und dreht mir den Rücken zu. »Natürlich.«
Ich räuspere mich leise. »Es ist nicht in Ordnung, dass du es gemacht hast. Ich stand unter Drogeneinfluss.«
Er gibt ein humorloses Lachen von sich und öffnet kopfschüttelnd den Kühlschrank. »Rede du dir das mal ruhig ein. Zu dem Zeitpunkt warst du längst wieder clean, außerdem habe ich dich zu nichts gezwungen. Im Gegenteil, ich hatte sogar den Eindruck, dass dir gefallen hat, was ich mit dir gemacht habe.«
Er wirft mir ein arrogantes Feixen zu, worunter meine Wangen noch heißer werden und mein Unterleib sich begierig zusammenzieht. Nicht nur wegen des aktuellen Gesprächsthemas, das überwältigende Erinnerungen in mir weckt, sondern auch, weil ich dieses arrogante Feixen ... verdammt sexy an ihm finde. Nicht nur, dass es ihm steht und zu ihm passt, sondern ... tja, weil er dieses Feixen nur für jemanden wie mich übrighat.
»Oder nicht?«, fügt er zu allem Überfluss hinzu.
Okay. Ich dachte, meine Wangen können nicht mehr heißer werden, aber sie tun es trotzdem. »Ich ...«
»Lass es einfach, Ramirez!«, lässt er auf einmal seine dunkle Stimme durch den kleinen Raum dröhnen und wirft die Packung mit den Eiern achtlos auf die Arbeitsplatte neben dem Kühlschrank. »Mir ist klar, dass du niemals zugeben könntest, dass es dich verdammt scharfgemacht hat, meinen Schwanz in dir zu spüren! Schon allein, wie du mich nach wie vor mit großen Augen anglotzt, nur weil ich halbnackt bin, sagt mir,
dass meine Existenz dich nicht kaltlässt. Selbst wenn die Gründe oberflächlicher Natur sind.«
»Ich habe doch versucht wegzusehen! Schließlich ist es absolut unnormal, wie du mit deinem kaum verhüllten Adoniskörper in meiner Küche herumstehst und auf fürsorglichen Liebhaber machst. Und ja, ich möchte sowohl Rührei als auch ein Sandwich, bitte!« Schmollend drehe ich mich Richtung Tisch, stütze den Kopf auf und schaue aus dem kleinen Fenster, durch das man – zumindest von meiner Position aus – lediglich ein paar Häuserdächer und den strahlend blauen Himmel von New Juarez erkennen kann.
Adler lacht leise. Schon wieder!
»Okay.«
In erster Linie wollte ich natürlich in Erfahrung bringen, inwiefern er auf die Idee kommt, dass mein Vater mich allen Ernstes an ihn verkauft haben soll. Doch um ehrlich zu sein, interessiert mich viel brennender, warum
es so weit gekommen ist. »Woher kommt dieses angebliche Interesse an mir, Adler? Solltest du mich nicht schon längst im Hinterhof verscharrt haben? Oder mich wenigstens bis zum Weitertransport meiner leblosen Hülle in den Kühlraum geworfen haben? Ich hätte es irgendwie nachvollziehen können, wenn du mich so lange am Leben gelassen hättest, bis du mich gevögelt hast, weil ... keine Ahnung. So ein Eroberungsdingens, oder so. Aber jetzt? Du tust ja geradewegs so, als hättest du ein schlechtes Gewissen wegen dem, was heute Nacht passiert ist.«
»Und was ist daran so unglaubwürdig?« Er erscheint in meinem Blickwinkel, stellt sich neben mich, beugt sich zu mir hinunter und küsst mein Haar. »Ich kümmere mich halt um meine Leute und ... um mein Eigentum.«
»Ich bin nicht dein Eigentum!« Empört schaue ich zu ihm auf, sodass ich genau erkennen kann, wie das amüsierte Funkeln in seinen Augen langsam verblasst und zu einem verärgerten Funkeln wird. Im ersten Moment dachte ich, dass er auf das schlechte Gewissen anspielt, aber das kann gar nicht sein.
Vaughn Adler hat kein Gewissen.
»Doch, das bist du. Sag mir einen Anhaltspunkt, der dir weismachen will, dass es nicht so ist. Dann zerstöre ich ihn sofort.« Blitzschnell umfasst er meinen Hals, beugt sich nun ziemlich bedrohlich zu mir hinunter, sodass unsere Gesichter direkt voreinander sind. »Dein Daddy hat dich als Pfand genutzt, Rica. Dafür, dass ich ihm den verlotterten Süden von NJ und seine mickrigen Marihuana-Plantagen lasse, hat er mir dein Leben angeboten. Ich hätte dich jederzeit holen, jederzeit ficken, jederzeit foltern und dich jederzeit kaltmachen dürfen. Ich habe seine verdammte Erlaubnis, alles mit dir anzustellen, wonach mir der Sinn steht! Er hat dich so behütet aufwachsen lassen, weil ich
es so wollte! Er hat dich von anderen Männern ferngehalten, weil du mein
bist, weil du mir gehörst!
Kapierst du es jetzt?! Dein beschissener Daddy ist nichts wert! Keine vierundzwanzig Stunden, nachdem ich meinen verschissenen Vater umgelegt und verkündet habe, dass ich beabsichtige, den Süden in meine Gewalt zu bringen, hat er mir die verdammten Füße geküsst, Blair! Er hat mir dein Leben angeboten; dafür, dass ich ihm erlaube, weiterhin den Schein zu wahren! Ich könnte ihn mit einem Fingerschnippen vernichten, aber ich habe es nicht getan. Dir zuliebe! Ich habe ihm verboten, von unserer Abmachung zu sprechen und ihm abverlangt
, den dich vergötternden Daddy zu spielen, damit wenigstens du eine halbwegs angenehme Kindheit hast. Dein Vater liebt dich nicht, Blair. Genauso wenig, wie er deine Mutter geliebt hat. Er hat sie sich einfach genommen, weil er meinem Vater beweisen wollte, dass er es kann.
Es grenzt an ein Wunder, dass er es niemals gewagt hat, mich mit dir zu erpressen, als er es noch konnte. Doch wahrscheinlich ist es ihm wichtig genug, dass seine ach so vortreffliche DNA eines Tages weitervererbt wird.«
Entgeistert starre ich ihn an. »Du lügst.« Es kann nicht sein. Seine Geschichte macht hinten und vorne keinen Sinn. »Mein
Dad würde nie ...!« Doch. Würde er. Um seine eigene Haut und sein Vermögen zu retten, würde er schlichtweg alles tun. Das weiß ich einfach. Auch die flüsternde Stimme in meinem Kopf nickt zustimmend.
Nur ... Nein. Mein Vater mag vielleicht ein selbstverliebter Narzisst sein; er ist gerissen und in gewisser Weise genauso hinterhältig, aber ich, seine einzige Tochter, zähle definitiv zu seinem größten Vermögen. Er würde mich niemals verkaufen. Schon gar nicht an Vaughn Adler.
»Denk nach, Blair.« Er lässt mich los, dreht mir wieder den Rücken zu, öffnet den Kühlschrank und holt den Aufschnitt und das Toastbrot heraus. »Hat er dir jemals angeboten, seine Geschäfte zu übernehmen?«
»Ja. Er hat mich in den vergangenen Monaten sogar richtiggehend dazu gedrängt.« Ha! Damit hat er nicht gerechnet.
Mit angespannten Gesichtszügen dreht er den Kopf zu mir. »Ich rede vom Waffenhandel. Nicht von dem Kleckerkram, der NJ und seine Möchtegern-Plantagen betrifft.«
Oh. »Ähm. Nicht ... explizit.«
Er nickt. »Das bestätigt meine Vermutungen nur. Es heißt, dein Vater habe in den letzten Monaten ein paar lukrative Geschäfte mit der Regierung abgeschlossen, weshalb sein Interesse bezüglich NJ, seinem Marihuana und auch dir nun hinfällig ist. Er hat dich mir heute Nacht ausgeliefert. Er wollte
, dass ich dich holen komme. Sonst hätte er dich diesen Nachtclub nicht im Grenzgebiet aufziehen lassen. Es war keine Kriegserklärung an mich, sondern vielmehr ein Du kannst den Scheiß haben, ich habe mich wichtigeren Dingen zugewendet.
«
»Wenn du meinen Dad so gut kennst und bereits wusstest, dass das hier keine Kriegserklärung an dich ist, wieso hast du dann ... all die Dinge getan, die du getan hast?«
»Ich wusste es nicht. Es war nur eine Vermutung
. Es hätte genauso gut sein können, dass dein Vater dich doch in alles
eingeweiht hat und nun auf hinterhältige Weise versucht, mich zu hintergehen. Bis jetzt bin ich mir nicht sicher, was der Wahrheit entspricht.«
»Du denkst ... dass ich Theater spiele?«, frage ich sowohl irritiert als auch überrascht.
Vaughn, der mich die ganze Zeit nicht angesehen hat, dreht sich nun endlich um, lehnt sich an die Küchenzeile und betrachtet mich von oben bis unten. »Nein ... ich denke nicht.«
»Allerdings bist du dir nicht sicher?«
In diesem Moment klopft es am Türrahmen und ich fahre erschrocken zusammen. »Ich will euer Liebesgeflüster ja nur ungern stören, aber ... Verdammt
, Alter! Du solltest dir echt etwas anziehen, sonst erkältest du dich noch!« Ein athletisch gebauter Mann in T-Shirt, tiefsitzender Bluejeans und Sneakers betritt die Küche. Er hat die ungefähre Statur von Adler, von der Sonne gebleichtes, blondes Haar und blitzende blaue Augen. Seine Unterarme sind durchgehend tätowiert, und als er sich mir zuwendet und mich mit seinen strahlend weißen Zähnen angrinst, fühle ich mich wie in einem bescheuerten Surferfilm. »Hi Blair. Ich bin Chase. Ich fürchte, wir sehen uns jetzt häufiger.«
Klar. Dass ich nicht vorher drauf gekommen bin. Ich weiß nicht alles über die Schatten, aber vieles. »Wie bist du hier rein ...?« Mein alarmierter Blick schnellt zu Vaughn, der augenrollend mit den Schultern zuckt. »Chase hat sich längst in deine Systeme gehackt. Er kann sich quasi überall Zugang verschaffen, wenn ich es ihm erlaube.«
Mein Blick huscht zurück zu dem Surferverschnitt, der mich nochmals angrinst und Vaughn dann den Packen Klamotten reicht, den er bis eben unterm Arm geklemmt hatte. »Noch nicht. Ich musste uns erstmal etwas zu essen besorgen. Sny hat den Stuhl nicht weggeräumt, den du mit der Schiebetür verkeilt hast. Von daher war euer Stöhnen im gesamten Club zu hören.« Wieder schaut er zu mir und wackelt schelmisch mit
den Brauen. »Freut mich, dass ihr euch so schnell vertragen konntet.«
Augenblicklich nehmen meine Wangen die altbekannte Hitze an, weshalb ich am liebsten wie ein verdammter Teenie das Gesicht hinter meinen Haaren verstecken würde. »Niemand hat sich vertragen. Er hat mich hinterhältig verführt.«
Vaughn gibt ein widerwilliges Brummen von sich und verlässt die Küche. »Pass auf, dass sie nicht abhaut. Die kleine Ramirez glaubt mir nämlich kein Wort, was ihren Vater betrifft.«
»Wieso sollte ich auch?!«, rufe ich ihm aufgebracht hinterher, während meine Aufmerksamkeit allerdings unmittelbar von Chase eingefangen wird, der sich wie selbstverständlich vor den Herd stellt und das erste Ei an der Pfanne, die Vaughn schon bereitgestellt hat, aufschlägt.
»Hat er dich zu irgendetwas gezwungen?«, fragt er leise und mit einem gar nicht mehr so fröhlichen Tonfall wie eben.
Tatsächlich bin ich versucht, zu behaupten, dass der Sex nicht einvernehmlich war, doch das wäre schlicht und ergreifend nicht wahr. Der Sex war genauso, wie ich ihn mir immer ausgemalt habe. Mit ihm. Vaughn Adler. »Nein. Er hat mir aber ... Drogen spritzen lassen.«
Chase nickt. »Darüber hat Sny sich bereits ausreichend aufgeregt. Dir scheint es besser zu gehen.«
»Ja.« Ich nicke bekräftigend, während er sich zu mir umdreht und mich kurz mustert. »Es war trotzdem nicht in Ordnung.«
»Das sage ich auch nicht. So ist Adler halt. Wenn du dazu bereit bist, ihn kennenzulernen, wirst du schneller, als dir lieb ist, herausfinden, wie er tickt und warum er manche Dinge tut, die er eben tut.«
»Und was, wenn ich nicht
bereit bin, ihn kennenzulernen?«, hake ich sofort nach.
Augenblicklich lehnt er sich zu mir, stützt sich an der
dunklen Tischplatte ab und funkelt mich eiskalt mit seinen blauen Augen an. »Dann bekommst du von mir ein winziges Zeitfenster, um von hier abzuhauen, Ramirez. Nutze es, und stell dich vor allem nicht blöd an. Denn Adler wird dich jagen und mit seinen bloßen Händen zerfleischen, sobald er dich wieder in die Finger kriegt.«