Er stieg zu Anouk in den Citroën. Den Jaguar hatte er auf dem Grundstück von Hubert geparkt, gut getarnt hinterm Schloss. Sein Oldtimer war zu auffällig für eine Observierung, das wusste Luc aus Paris.

»So, Mademoiselle, was gibt es denn so Spannendes?«

Da lachte sie ihn schon an, überschwänglich, und dann, dann küsste sie ihn kurz auf den Mund.

»Du bist da, toll …«

Was für eine Begrüßung.

»Du wirst es nicht glauben. Vor einer Stunde fährt ein Auto hier auf den Hof. Und ich dachte: Den Wagen kenn ich doch. Und dann seh ich ihn aussteigen.«

»Ihn?«

Anouk nickte.

»Lass mich raten … Monsieur Trintignant.«

Anouk schlug wütend aufs Lenkrad.

»Du Spielverderber. Woher wusstest du das?«

»Du hattest den richtigen Instinkt, weißt du noch? Nachdem wir Monsieur Trintignant kennengelernt haben, hast du gesagt, er würde doch viel besser zur de Langeville passen als zu seiner Frau.«

»Und? Wollen wir?«

»Was?«

»Na, mal hören, was die beiden so besprechen.«

»Klar. Und wie?«

»Komm. Ich hab keinen Hund gesehen, als wir das erste Mal hier waren.«

»Ich auch nicht.«

Mit einem Satz war Luc aus dem Auto, Anouk folgte ihm einfach. Als sie vor der hohen Mauer standen, fragte Anouk:

»Wirklich, Luc? Hausfriedensbruch?«

»Gefahr im Verzug. Unsere beiden Hauptverdächtigen treffen sich konspirativ. Den Durchsuchungsbefehl würde mir selbst ein sozialistischer Justizminister unterschreiben.«

Anouk musste lachen, doch im selben Moment zog sich Luc schon am Mauervorsprung hoch, der ein Stück über seinem Kopf eine Kante hatte. Hier konnte er sich gut festhalten. Gab es Kameras? Egal. Einige Sekunden später saß er oben auf dem Mauersims. Dass er in diesem Fall jetzt schon zum dritten Mal irgendwo einbrechen musste …

Er reichte Anouk seine Hand, sie ergriff sie, und er zog. Mit der anderen Hand krallte sie sich an eine Kante weiter unter an der Mauer. Dann saß auch sie oben, Luc gegenüber.

»Mann, ist das romantisch. So was sollte man öfter machen beim dritten Date.«

Luc hätte sie jetzt gerne geküsst. Für diesen Satz, für ihre Leichtigkeit, für ihre Zuneigung, die sie so offen zeigte.

Sie aber war schon heruntergesprungen und landete unten auf ihren Füßen, auf dem Grundstück des Château le Loup. Luc sprang hinterher, ging kurz in die Hocke, um den Sprung abzufedern, und dann schlichen die beiden in Richtung Schloss.

Luc drückte vorsichtig die Klinke der Eingangstür, sie bewegte sich nach unten, und die Tür ließ sich öffnen

In so einem Bed and Breakfast fand sich ja immer ein Tourist, der die Tür nicht abschloss. Dem dankte Luc nun nachdrücklich.

Sie schlichen hinein, geduckt. Das Licht war nur noch spärlich, der große kitschige Kronleuchter im Entrée war ausgeschaltet.

Sie umrundeten all den Kitsch, der auf dem Boden stand. All die Porzellanhunde, die Vasen und die Engel aus Acryl. Es war ein wahrer Spießrutenlauf.

»Die Privaträume?«

Anouk zuckte mit den Schultern.

»Oben?«

Luc nickte. Sie schlichen die breite Wendeltreppe hinauf.

Er war wirklich gespannt, was die beiden zu bereden hatten. Würden Anouk und er nun das Rätsel lösen können? Ohne Richard zu schaden?

An der Tür im ersten Stock hing wirklich ein Schild mit der Aufschrift Privée.

Luc öffnete sie, es war nicht so einfach in diesem alten Schloss, alles hier quietschte.

Doch dann war die Tür einen Spalt offen. Und sie hörten keine Stimmen. Nein. Sie hörten … Gestöhne. Spitze kleine Schreie. Und ein Röcheln. Die Hitze des Tages stand noch im Raum. Die beiden waren ganz und gar nicht leise. Anouk verdrehte die Augen.

»Nicht zu glauben«, flüsterte sie. Auch Luc glaubte es kaum.

»Nun denn.«

»Madame de Langeville, Monsieur Trintignant«, seine Stimme war laut und deutlich, »anziehen und ab in den Salon. Wir müssen reden.«

Anouk drückte gleichzeitig auf den Lichtschalter. Das Bild, das sich ihnen bot, war eindeutig.

Madame de Langeville saß mit schwarzer Spitzenwäsche bekleidet auf dem schmerbäuchigen Monsieur Trintignant. Er war nackt und atmete immer noch schwer und schnaufend, während er ungläubig auf die beiden Polizisten blickte.

Es wäre ein passendes Filmplakat gewesen für »Die Schöne und das Biest«, dachte Luc.

»Was ist das für eine Scheiße?«, schrie er, und Madame de Langeville hielt sich schnell ihre Bluse vor die Brust. »Was soll das? Raus mit Ihnen …«

»Ganz und gar nicht, Madame. Ich werde vor der Tür warten, aber meine Kollegin bleibt hier, damit Sie sich nicht absprechen. In fünf Minuten reden wir unten.«