New York, Manhattan, 1 Monat später
M arvin drehte eine Pirouette und versagte. Immer und immer wieder hob er sich auf die Fußballen, breitete seine Arme aus, zog sie an seinen Oberkörper und drehte sich schnell um sich selbst. Er konnte den Schwung aber nicht elegant abfangen, wie er es in dem Video gesehen hatte. Cecil hatte ihm gesagt, er solle sich einen Lehrer engagieren. Er würde ihn auch in ein Tanzstudio begleiten. In einer echten Tanzschule lernen. Die Aussicht war verlockend. Aber es musste auch so gelingen.
„Du bist genauso stur wie Cecil“, meinte Seth und seine sanfte Stimme vermochte das, was weder Musik noch Tanz hatten vollbringen können: ihn beruhigen.
Der Frust indes blieb.
„Nicht stur, sondern hartnäckig. Ich will das allein schaffen.“
Seth hatte sich auf den einzigen Stuhl im Tanzsaal gesetzt, breitete seine Arme aus und lehnte sich zurück. Eine Einladung nur für ihn. In Marvins Bauch verursachte die Geste ein heftiges Ziehen im Magen. Mit einer Mischung aus Neid und Begehren, Liebe und Sehnsucht ließ sich Marvin von Seth einfangen und zu ihm ziehen. Sie konnten das jetzt. Aber im Gegensatz zu Seth vergaß er es immer wieder und begann ihn zu vermissen, ohne dass es ihm bewusst wurde. Kam Seth dann, zeigte ihm, wie sehr er sich nach ihm verzehrte, überfiel es ihn mit der Gewalt eines Steinschlags.
Es hätte alles so einfach sein können, aber das war es nicht. Das Zeugs befand sich in seinem Kopf und in seinen Gesten. Dieser Käfig aus Gedanken und Vorstellungen. Er war noch immer ein Gefangener der Boston Boys und er bekam es nicht aus sich raus. Daher atmete er zittrig ein, als er Seths Körper an seinem spürte, dessen ganz eigenen Duft einatmete. Die Wärme, die Muskeln, wie sie sich bewegten, der Druck der Hände auf ihm und die eigenen Hände auf den Schultern, die sich in letzter Zeit deutlich härter als gewohnt anfühlten. Seth lehnte sich noch ein wenig mehr zurück, zog ihn mit und Marvin folgte der Führung, schob seine Beine über die von Seth und ließ sich auf dessen Schoß nieder. So sollte es sein. So und nicht anders!
Es war großartig.
Augenblicklich wurde er gierig. Sie waren geschützt und er konnte Seth ungestört genießen. Niemand würde kommen, um sie auseinanderzureißen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und Seth war ein zu guter Beobachter, als dass ihm das entging. Sie waren beide geil und Marvin ließ Seth spüren, dass er ihn wollte.
Dessen Hände glitten nach unten, kamen auf den Hüften zum Ruhen. Marvin ließ seine Hüften kreisen.
„Du bist ein sehr böser Junge“, wisperte Seth. „Ich will dich!“
Marvin musste grinsen. Das war eine Anspielung, gleichzeitig eine Frage und ein Angebot. Unwiderstehlich. Oh Gott, ja, ich dich auch, dachte er und küsste Seth mit einer Heftigkeit, die sie beide gleichermaßen überraschte. Er schmeckte sogar Blut, weil er sich an seinen eigenen Zähnen verletzte. Doch das fachte nur seine Gier an. Mehr davon, hallte es in seinem Kopf. So viel mehr davon. Seine Unruhe wurde zur Besessenheit. Er riss zügellos Seths Hemd auf. Knöpfe flogen davon. Einer traf ihn, ohne dass er es recht bemerkte. Er biss kurz in Seths Lippen und zog sich erschrocken zurück. Sein Geliebter sah ihn aus funkelnden Augen an. Die Herausforderung war ausgesprochen. Seth packte ihn am Nacken und verhinderte, dass er aus Angst einen Abgang machte. Marvin blieb wie erstarrt sitzen. Er sah zu, wie hypnotisierend langsam Seth die kleine Wunde am Mund betastete und dann das Blut ableckte. „So dringend?“, fragte er und klang dabei ein wenig heiser. „Komm her, ich will dich auch!“
Mehr brauchte er nicht zu sagen. Marvin stöhnte dunkel auf, da Seth begann, ihn systematisch zu entkleiden. Doch beim Öffnen der Hose blieb es. Ihrer beider Hosen. Sie mussten aufstehen, sich trennen, wollten sie mehr. Ungeduldig rutschte Marvin runter. Er wollte und musste jetzt diesen Schwanz in seinem Mund haben.
Salzig, so salzig, dass er sogar ein wenig scharf schmeckte. Die zarte Haut. Der intensive Geruch. Marvin senkte seinen Kopf ohne Zögern, bis seine Nase in den Schamhaaren steckte und seine Lippen die Wurzel umschlossen. Schluckte kurz und zog sich wieder zurück. Seth hatte die Luft angehalten und schnappte jetzt danach. „Langsam. Ich laufe dir nicht fort“, versprach er.
Marvin wusste das. Aber die kurze Versicherung, dass Seth an Ort und Stelle bleiben würde und ihn machen ließ, war alles, was er an Gewissheit gebraucht hatte. Dessen Hand auf seinem Kopf, die Finger, die kurz an den Haaren zupften, dann folgte er dem Druck, nahm Seths Schwanz wieder in sich auf, tief bis in seinen Rachen. Für Sekunden schossen ihm Tränen in die Augen und ein normalerweise längst ausgemerzter Reflex ließ ihn glauben, dass er würgen müsse. Aber dann war er wieder bei der Sache und ließ sich von Seth führen. Seine Zunge legte sich um den Schwanz und er genoss es, seine Nase im schnellen Wechsel immer wieder in dem harten Gestrüpp von Seths Schamhaaren wiederzufinden.
„Wir sind nicht allein“, raunte Seth und so war Marvin nicht wirklich erschrocken, als er Cecils Hände an seinem Hintern fand. Durch den Stoff der Hose stahl sich dessen Wärme. Oh ja, jauchzte er. Er bekam zwei Schwänze. Seine Unruhe flammte erneut auf und er drängte gegen Seths Hand, der ihn freigab. Marvin blickte über seine Schulter. Er sah, wie sich Cecils Pupillen stecknadelgroß zusammenzogen und dann wieder größer wurden. Cecil verstand ihn.
„Ich will es hart“, sagte er und es klang fast wie ein Knurren. Die schmale Augenbraue hob sich in einem eleganten Bogen bis unter den Pony.
„Dein Wunsch ist mir Befehl“, erwiderte Cecil und klang ein wenig spöttisch, aber alles andere als abgeneigt. Er fing etwas aus der Luft auf und Marvin sah zu Seth.
„Ich bin lieber vorbereitet, wenn du tanzt“, meinte der alles andere als uncharmant. War er so leicht zu durchschauen?
Cecil zog ihm die Hose bis runter zu den Knien und schob ihm einen Finger in den Arsch. „Nicht!“, rief Marvin. „Ich will dich richtig spüren!“
Cecil zog den Finger wieder raus und sah ihn prüfend an. Er nickte langsam. „Dann solltest du dich um Seth kümmern“, erinnerte er ihn an eine andere Pflicht.
„Ich werde ihn zu beschäftigen wissen“, meinte der.
Marvin grinste zu ihm hoch. Einen Augenblick später befand er sich in den Händen seiner Männer, die hielten, was sie versprachen. Dazu gehörte auch, dass er fast zu ersticken glaubte, als Cecil ihn hart an den Hüften packte und mit einem einzigen Stoß ohne Vorbereitung in ihn drang. Für Sekunden vergaß er, wie man atmete. Mit Mühe erinnerte er sich daran, dass er auf keinen Fall die Zähne aufeinanderpressen sollte. Kurz nur bockte er auf, dann wurde er weich unter dem Griff seiner Liebhaber. Seth streichelte ihm durchs Haar, während er endlich schnaufend nach Luft schnappen konnte und sich an Cecil gewöhnte, der ihn nach der harten Invasion erst einmal nur festhielt.
Marvin hatte den Eindruck, dass Seth und er sich über ihn hinweg mit Blicken verständigten. Er ächzte, als Cecil sich aus ihm zurückzog. Das war nicht richtig. Er wollte ihn … „Ahhh!“, rief er, als Cecil fast genauso hart wie beim ersten Mal zurückkam. Fleisch klatschte auf Fleisch und er wurde in Seths Schoß gestoßen.
„Du hast noch etwas zu tun und Luft hattest du ebenfalls genug, mein Lieber“, meinte der und grinste. Dabei deutete er auf seine vernachlässigte Erektion, die jedoch nicht im Geringsten nachgelassen hatte. Währenddessen war Cecil wieder einmal raus und zurück. Er begann einen harten, schnellen Rhythmus zu wählen – wie er es gewünscht hatte, und es brannte. Gott, wie es brannte, und es war wundervoll. Marvin vergaß darüber, dass er gerade liebevoll gemaßregelt worden war.
Cecil schlug ihm mit der flachen Hand auf den Hintern und ließ ihn damit zusammenzucken. „Marvin, Seth wartet auf deine Zuwendung. Kümmere dich nicht um das hier!“, säuselte er und stieß einmal extra heftig zu. Marvin begrüßte, wie sich sein Hirn verabschiedete, seine Gedanken in einem Strudel von Empfindungen weggerissen wurde und nur noch er zurückblieb. Geliebt, gehalten, gefickt. Er merkte kaum noch, wie sich Seths Finger in seinen Haaren verkrallten. Nur, dass dieser kam und auch Cecils Hände sich in seine Hüften gruben, bemerkte er. Doch das hielt ihn an Ort und Stelle. Seth riss ihn nach oben und gab ihm die Luft, um zu schreien.
Für Minuten waren nur ihre lauten Atemzüge zu hören und das wenige Rascheln von Stoff auf Stoff. Marvin war, als würde er fliegen. Cecil streichelte ihn und die Bewegungen wirkten fahrig, als wollte er nicht nur Marvin damit beruhigen. Es war schön und Marvin war glücklich. Er blickte zu Seth auf, der einen seligen Eindruck auf ihn machte. Damit sah er genauso aus, wie er sich fühlte.
Die Unruhe war gebrochen.
Vielleicht nur für Minuten, vielleicht für Stunden. Er wusste es nicht und er würde es niemals wissen. Eine Assoziation zog ihn unvermittelt in ihren Bann, wühlte den Dreck einer Lagerhalle irgendwo in Boston auf, ließ ihn Urin und Scheiße riechen. Unwirsch wischte er sie mitsamt den Gefühlen weg. Das hier war anders. Trotzdem begann er zu zittern. Nein, dachte er gequält. Bitte, lass mich in Ruhe! Seth und Cecil. Sie waren niemals wie diese anderen Männer und das eben war nur … Marvin schloss die Augen. Ein Ausrutscher. Er wollte nicht darüber nachdenken. Niemals! Nur genießen. Keine Zweifel haben. Sie gehörten zusammen und der Rest musste aufhören. Nur eine Vergangenheit, die keine Bedeutung mehr besaß. Er wusste, was er tun musste. Einfach vergessen.