Zweimal zeigst du uns sein Foto. Du hält es aufrecht vor dich und dein Blick verliert sich in der Vergangenheit. Du scheinst uns zu sagen: »Hier ist mein Vater!« Und auch: »Seht, wie ich ihm ähnele.« Du bist jenseits von ihm und weit zurück. Einerseits stellst du dich unter seine Ägide, andererseits prüfst du ihn. Wie alle Söhne hoffst du, seiner würdig zu sein. Du möchtest, dass er stolz auf dich ist. Vielleicht erwartest du auch seine Ermutigung. Du forderst seinen Schutz. Er fehlt dir, er hat dir immer gefehlt. Er ist das Gespenst, das all deine Leben heimsucht. Du hast dir deine Identität um seine Abwesenheit herum gebaut, um eine zentrale Abwesenheit, einen gähnenden Abgrund. Indem er in noch jungem Alter starb, hat er eine jahrhundertealte Kette zerrissen und eine kleine Apokalypse, eine Erschütterung hervorgerufen, die an das Ende der Welt gemahnt. Nach ihm wurdest du aus seinem Haus, seiner Ahnenreihe, seiner Welt vertrieben, aus seiner Geschichte, weg von allem, was du liebtest. Seitdem vagabundierst du von einem Ende des Mittelmeers zum anderen. Bald wirst du dich den Eingängen des Hades nähern und mit den Schatten sprechen.

Ständig blickst du hinter dich. Dabei kommst du aus dem Land der Lotophagen. Wenn man der Odyssee glaubt, so verteilt dein Volk eine Droge, die zu Amnesie führt. Der Lotus löscht bei jedem, der ihn kostet, alle Erinnerung aus bis hin zu Namen und Herkunft. Auf deiner Insel ohne jede Erhebung und jede Erinnerung muss Odysseus eine seiner ersten Prüfungen bestehen. Nachdem seine Gefährten von der verbotenen Pflanze gekostet haben, verlieren sie das Bewusstsein dessen, was sie sind. Sie wissen nicht mehr, woher sie kommen, wohin sie gehen und zu wem sie gehören. Sie sind nicht mehr Bestandteil einer Menschheit, die als Vielzahl miteinander verflochtener Fäden begriffen wird. Um sie zu zwingen, wieder in See zu stechen, muss ihr Anführer sie mit Gewalt an Bord bringen und im Laderaum in Ketten legen. Du hast nichts vergessen und nichts verziehen. Dir bleibt eine bittere Wunde, die sich nie geschlossen hat und die anderen Wunden mehrt.

Du kennst den Krieg und seine Schrecken. Du kommst aus ihm zurück, auch du, müde, vielleicht sogar gebrochen, ohne jeden Zweifel verändert. Sein Lärm, seine Gerüche prägen weiter deinen Körper und deinen Geist. Bei der kleinsten Detonation zittern dir die Glieder. Du kannst kein Blut sehen. Wir wissen nicht, welches Leid du hast erdulden müssen. Kein Aöde singt deine Verdienste. Als du ins Zivilleben zurückkehrst, findest du keine Ruhe. Bist du an weiteren, jetzt geheimen Aktionen beteiligt? In diesem Krieg, der seinen Namen nicht nennt, ist deine Waffe zwangsläufig die List, die Intelligenz, der Erfindungsreichtum, die Lüge, das, was die Griechen metis nennen, die Fähigkeit, sich aus jedem Schlamassel zu befreien, und auch, sich zu verkleiden, Masken zu tragen und in verschiedene Rollen zu schlüpfen.

Hinter deinem unveränderlichen Lächeln erfüllt dich gewaltige Wut, ein schreckliches Gefühl der Ungerechtigkeit. Du verzweifelst daran, auf ein fehlendes Kettenglied reduziert zu werden, auf eine Schlinge, die mit keiner anderen verbunden ist, eine einfache narzisstische Monade. Deine Porträts zeugen von deiner absoluten Einsamkeit, deinem Bedürfnis, zu dir selbst zurückzukehren, zu diesem kleinen Teil deines Brustbildes. Wenn du deine Abkapselung einmal durchbrichst und Gefährten in deine Kabine einlädst, nimmst du allen Platz ein, einen Platz, der dir genommen wurde. Unaufhörlich bekräftigst du deine Existenz und schreibst überall, wo du kannst, deinen Familiennamen hin. All deine Unterschriften sind zugleich Fragezeichen, Bittgesuche, Wutgeheul. Dein Album ist ein einziger Schrei: Du bist Jacob, der Sohn von Khamaïs, der einst auf seine Weise einer der Könige von Djerba war, und du forderst deine Rechte.

Du bist nichts als Bewegung, ein Strom von Atomen und Energie. Du willst die weite Welt sehen. Deine Neugier treibt dich immer weiter. In zehn Jahren hast du beachtliche Entfernungen zurückgelegt: Du hast in Israel gelebt, hast Europa von Osten nach Westen und von Norden nach Süden durchstreift, hast Asien und Amerika besucht. Selbst wenn du in einer Stadt Halt machst, wechselst du das Viertel und die Straße, schlägst eine Tür zu, um eine andere zu öffnen. Du navigierst blind, vertreibst dir die Zeit, weil du nirgends hinkannst.

Im Laufe dieser unendlichen Reise kehrst du nicht ein einziges Mal in das Land deiner Vorfahren zurück. Du begibst dich überall hin, nur nicht dorthin, wo du geboren wurdest und aufgewachsen bist, und zwar nicht als Konsequenz irgendeines erdenklichen Fluchs, nicht wegen eines Rachegotts, der Fallstricke auf deinem Weg auslegen würde, oder aus Angst vor Repressalien aufgrund deiner neuen Staatsangehörigkeit, des Kriegszustands zwischen deinen beiden Ländern, sondern weil du es nicht willst. Dein eigenes Ithaka existiert nicht mehr. Du hast keinen Palast, in den du zurückkehren, keinen Rang, den du zurückerobern könntest.

Es bleiben dir nur Erinnerungen, vergleichbar deinen Blitzlichtern, die dich blinzeln lassen. Das mit schwarzen Nägeln geschmückte blaue Hoftor, der viereckige Hof mit dem Brunnen, der Weinpresse und dem Backofen, wie ein Gynäzeum, in dem die Frauen und Kinder regieren, und rundherum die Olivenhaine, die Hohlwege zwischen zwei Erdwällen, der Sand, der überall eindringt, die Schule mit ihren Lehrbüchern, die aus der Kälte kommen, voller schnurrbärtiger Flügelhelmträger und Könige in Kettenhemden, und später dann die riesige Werkstatt mit ihren Glasfronten, der Grube, in der du dich gerne unter einem Rohrrahmen aus Chrom und Stahl versteckst, der einem Sternenhimmel gleicht. Eine glückliche Kindheit, die im Zeitraffer projiziert wird, wie ein Film, der immer schneller läuft, bis zu dem Moment, wo das Zelluloid zu schmelzen beginnt, sich in alle Richtungen verdreht, schließlich verschwindet und dabei große Flecken auf der Leinwand hinterlässt.

Künftig ist deine Insel leer. Es gibt nur noch Ruinen. Niemand wartet dort auf dich. Am Ende sind die Deinen dir gefolgt. Und erneut bist du es, der weggegangen ist. Kiryat Charêt 109/1 in Ra’anana, die Adresse, die gut sichtbar wie ein Wegweiser am Ende der Nacht hinten auf dem Nachsatzblatt deines grünen Buches klebte, als wäre sie die letzte Etappe deines Herumreisens, in gewisser Weise die Auflösung deiner Odyssee, ist die Adresse deiner Mutter. Am Ende ist sie ihrerseits nach Israel emigriert, gleichzeitig mit ihren Geschwistern. Selbst dorthin, in jenes Land, für das du den Militärdienst geleistet hast und in dem deine Familie jetzt lebt, kehrst du, von kurzen Aufenthalten abgesehen, nicht mehr zurück.

Du bist ein Überlebender. Du hast gegen trügerische Sirenen, widrige Winde, mörderische Klippen, erbarmungslose Feinde kämpfen müssen. Du hast Exil und Verzicht kennengelernt. Nach zehn Jahren der Prüfungen und des Umherirrens erreichst du das Ende deiner Reise, aber mit den Ungeheuern hast du nicht abgeschlossen. Fügen wir eines hinzu, auf die Gefahr hin, die homerischen Metaphern zu überstrapazieren, ein weiteres Ungeheuer, das du auf deiner neuen Insel entdeckt hast, oder eher einem Nicht-Ort, einer Heterotopie, einer Art Illusion und Perfektion. In deinem Fotoautomaten misst du dich mit einem Auge, einem Einzelauge, einem Auge, das alles sieht. Du stellst dich einem Zyklopen gegenüber, einem Menschenfresserriesen, der dich einsperrt, dich mit Haut und Haar verschlingt und dich in vier Exemplaren wieder ausspeit. Du schaffst es, ihm zu entfliehen, während du schreist: »Mein Name ist Niemand.«

Selbst indem du deiner Heimaterde den Rücken kehrst, bist du doch auf dem Rückweg, wenn man unter diesem Wort einfach ein Zuhause versteht. Du strebst, wie alle, nach einem normalen Leben, einem banalen Alltag, unauffällig, nach etwas, das einer Heimstatt ähnelt, einem Ort, an dem du dich endlich wohl fühlen kannst. Mehr als alles willst du dich wiederfinden. Du willst nicht die Verbindung zu einem hypothetischen Ort, einem unauffindbaren Anfang wiederherstellen, sondern zu dir selbst, zu dem, was dir vorausgeht und dir folgt, jener zerbrochenen unvordenklichen Kette. Auf diesem sehr langen Weg begleitet dich dein Vater. Er ist da, mit dir, in deiner Zuflucht. Du findest Schutz hinter seinem winzigen Medaillon und mit einem Mal wirkst du friedlich.