Der Rheingraf vom Stein, zu Pferd, zieht mit einem Troß Fußvolk über die Brücke. Ihnen folgt der Graf vom Strahl zu Pferd; bald darauf Ritter Flammberg mit Knechten und Reisigen zu Fuß. Zuletzt Gottschalk gleichfalls zu Pferd, neben ihm das Käthchen.
Rheingraf (zu dem Troß). Über die Brücke, Kinder, über die Brücke! Dieser Wetter vom Strahl kracht, wie vom Sturmwind getragen, hinter uns drein; wir müssen die Brücke abwerfen, oder wir sind alle verloren! (Er reitet über die Brücke.)
Knechte des Rheingrafen (folgen ihm). Reißt die Brücke nieder! (Sie werfen die Brücke ab.)
Der Graf vom Strahl (erscheint in der Szene, sein Pferd tummelnd). Hinweg! – Wollt ihr den Steg unberührt lassen?
Knechte des Rheingrafen (schießen mit Pfeilen auf ihn). Hei! Diese Pfeile zur Antwort dir!
Der Graf vom Strahl (wendet das Pferd). Meuchelmörder! – He! Flammberg!
Käthchen (hält eine Rolle in die Höhe). Mein hoher Herr!
Der Graf vom Strahl (zu Flammberg). Die Schützen her!
Rheingraf (über den Fluß rufend). Auf Wiedersehn, Herr Graf! Wenn Ihr schwimmen könnt, so schwimmt; auf der Steinburg, diesseits der Brücke, sind wir zu finden. (Ab mit dem Troß.)
Der Graf vom Strahl. Habt Dank ihr Herrn! Wenn der Fluß trägt, so sprech ich bei euch ein! (Er reitet hindurch.)
Ein Knecht (aus seinem Troß). Halt! zum Henker! nehmt Euch in acht!
Käthchen (am Ufer zurückbleibend). Herr Graf vom Strahl!
Ein anderer Knecht. Schafft Balken und Bretter her!
Flammberg. Was! bist du ein Jud?
Alle. Setzt hindurch! Setzt hindurch! (Sie folgen ihm.)
Der Graf vom Strahl. Folgt! Folgt! Es ist ein Forellenbach, weder breit noch tief! So recht! So recht! Laßt uns das Gesindel völlig in die Pfanne hauen! (Ab mit dem Troß.)
Käthchen. Herr Graf vom Strahl! Herr Graf vom Strahl!
Gottschalk (wendet mit dem Pferde um). Ja, was lärmst und schreist du? – Was hast du hier im Getümmel zu suchen? Warum läufst du hinter uns drein?
Käthchen (hält sich an einem Stamm). Himmel!
Gottschalk (indem er absteigt). Komm! Schürz und schwinge dich! Ich will das Pferd an die Hand nehmen, und dich hindurch führen.
Der Graf vom Strahl (hinter der Szene). Gottschalk!
Gottschalk. Gleich, gnädiger Herr, gleich! Was befehlt Ihr?
Der Graf vom Strahl. Meine Lanze will ich haben!
Gottschalk (hilft das Käthchen in den Steigbügel). Ich bringe sie schon!
Käthchen. Das Pferd ist scheu.
Gottschalk (reißt das Pferd in den Zügel). Steh, Mordmähre! – – – So zieh dir Schuh und Strümpfe aus!
Käthchen (setzt sich auf einen Stein). Geschwind!
Der Graf vom Strahl (außerhalb). Gottschalk!
Gottschalk. Gleich, gleich! Ich bringe die Lanze schon. – Was hast du denn da in der Hand?
Käthchen (indem sie sich auszieht). Das Futteral, Lieber, das gestern – nun!
Gottschalk. Was! Das im Feuer zurück blieb?
Käthchen. Freilich! Um das ich gescholten ward. Früh morgens, im Schutt, heut sucht ich nach und durch Gottes Fügung – – nun, so! (Sie zerrt sich am Strumpf.)
Gottschalk. Je, was der Teufel! (Er nimmt es ihr aus der Hand.) Und unversehrt, bei meiner Treu, als wärs Stein! – Was steckt denn drin?
Käthchen. Ich weiß nicht.
Gottschalk (nimmt ein Blatt heraus). »Akte, die Schenkung, Stauffen betreffend, von Friedrich Grafen vom Strahl« – Je, verflucht!
Der Graf vom Strahl (draußen). Gottschalk!
Gottschalk. Gleich, gnädiger Herr, gleich!
Käthchen (steht auf). Nun bin ich fertig!
Gottschalk. Nun, das mußt du dem Grafen geben! (Er gibt ihr das Futtral wieder.) Komm, reich mir die Hand, und folg mir! (Er führt sie und das Pferd durch den Bach.)
Käthchen (mit dem ersten Schritt ins Wasser). Ah!
Gottschalk. Du mußt dich ein wenig schürzen.
Käthchen. Nun, bei Leibe, schürzen nicht! (Sie steht still.)
Gottschalk. Bis an den Zwickel nur, Käthchen!
Käthchen. Nein! Lieber such ich mir einen Steg! (Sie kehrt um.)
Gottschalk (hält sie). Bis an den Knöchel nur, Kind! bis an die äußerste, unterste Kante der Sohle!
Käthchen. Nein, nein, nein, nein; ich bin gleich wieder bei dir! (Sie macht sich los, und läuft weg.)
Gottschalk (kehrt aus dem Bach zurück, und ruft ihr nach). Käthchen! Käthchen! Ich will mich umkehren! Ich will mir die Augen zuhalten! Käthchen! Es ist kein Steg auf Meilenweite zu finden! – – Ei so wollt ich, daß ihr der Gürtel platzte! Da läuft sie am Ufer entlang, der Quelle zu, den weißen schroffen Spitzen der Berge; mein Seel, wenn sich kein Fährmann ihrer erbarmt, so geht sie verloren!
Der Graf vom Strahl (draußen). Gottschalk! Himmel und Erde! Gottschalk!
Gottschalk. Ei, so schrei du! – – Hier, gnädiger Herr; ich komme schon. (Er leitet sein Pferd mürrisch durch den Bach. – Ab.)
Szene: Schloß Wetterstrahl. Platz, dicht mit Bäumen bewachsen, am äußeren zerfallenen Mauernring der Burg. Vorn ein Holunderstrauch,
der eine Art von natürlicher Laube bildet, worunter von Feldsteinen, mit einer Strohmatte bedeckt, ein Sitz. An den Zweigen
sieht man ein Hemdchen und ein Paar Strümpfe usw. zum Trocknen aufgehängt.