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»Hi, ihr«, sagte Jackson und verzichtete dabei auf seinen britischen Akzent. »Schön, dich wiederzusehen, Olivia.«
Er erinnert sich an meinen Namen!, dachte Olivia.
»Ähm, schön, dich auch wiederzusehen.«
Jacksons Verkleidung was so vollkommen, mit den schweren Stiefeln und dem Walkie-Talkie; sogar seine Arme waren muskulös genug, um die Uniform auszufüllen. »Ich hätte nie gedacht, dass du das bist«, sagte sie und fragte sich, warum er wohl wollte, dass man ihn für einen Sicherheitsmann hielt.
»Wie wäre es, wenn ich mit dir und deinen beiden Freundinnen eine kleine Tour über das Filmset machen würde?«, bot er an, wobei er die Sonnenbrille wieder nach oben schob. »Um mich dafür zu bedanken, dass ihr mich gegen Harry verteidigt habt.«
»Das wäre mördergenial!«, rief Sophia.
»Dann kommt schnell hier durch!« Jackson zog eine der Plastikabsperrungen weg, gerade weit genug, damit sie hindurchschlüpfen konnten. Er warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass niemand zusah. »Los, hinter den Lastwagen dort!«
Als sich Olivia als Erste unten durchduckte, flüsterte Jackson. »Erregt keine Aufmerksamkeit, sonst werden wir völlig überrannt.«
»Was ist mit Brendan?«, fragte Lucy, als sie durch die Absperrung traten.
»Wir treffen ihn später«, vertröstete Sophia sie, während sie sich ebenfalls hindurch schob.
Lucy und Sophia huschten hinter den Lastwagen, doch als Olivia ihnen folgte, stolperte sie über den Sockel der hohlen Plastikabsperrung und es krachte laut. Mit einem gedämpften Schrei fiel sie gegen Jackson. Sofort schlang er seine starken Arme um ihre Taille und zog sie hinter den Lkw. So viel zum Thema »keine Aufmerksamkeit erregen«. Warum bin ich in Jacksons Gegenwart bloß so tollpatschig?, dachte Olivia.
»Ich glaube, wir sind gerade noch mal davongekommen«, sagte Jackson und riskierte einen Blick hinter dem Lastwagen hervor. Er hielt sie noch immer vorsichtig am Arm fest. Dann merkte er, dass sie auf seine Hand hinunter sah und nahm sie weg. Olivia ertappte sich dabei, wie sie ihren gestrickten Regenbogenschal lockerte.
»Warm?«, fragte Lucy.
Sophia grinste. »Trotz des Frostes?«
Olivia schüttelte den Kopf und zog an ihrem Schal. »Das liegt an der ganzen Aufregung.«
»Aufregung?«, fragte Lucy, zog die Augenbrauen hoch und warf einen vielsagenden Blick zu Jackson hinüber.
»Ich meine die Aufregung, sich hier einzuschleichen!«, zischte Olivia und stieß ihrer Schwester den Ellbogen in die Rippen.
»Gut, meine Damen«, sagte Jackson. »Wenn ihr mir bitte folgen würdet, die private Besichtigungstour fängt jetzt an. Zuerst muss ich euch einige Sicherheitshinweise geben«, sagte er in einem offiziellen Tonfall. »Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein Feuer ausbrechen könnte, springt ihr einfach über die Absperrung und sucht das Weite … und mich lasst ihr dabei bitte nicht zurück.«
Olivia kicherte.
Selbstbewusst trat er auf den Parkplatz hinaus, auf dem hektische Betriebsamkeit herrschte, und die Mädchen beeilten sich, ihm zu folgen.
»Das ist so fantastisch!«, sagte Sophia.
Olivia überlegte immer noch, was ihn dazu gebracht haben mochte, sich zu verkleiden. »Was soll das mit der Uniform?«, fragte sie.
Jackson führte sie zwischen zwei Wohnwagen hindurch und drang immer tiefer in das Labyrinth aus Lastwagen ein. »Es ist echt öde am Set, wenn nicht gedreht wird.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass es an einem Filmset langweilig sein kann«, erwiderte Sophia.
Ich auch nicht, dachte Olivia. Ein junger Mann trug einen Stapel großer Pappposter an ihnen vorbei, die wie Comics in kleine Vierrecke unterteilt waren.
Jackson merkte, was sie gerade anschaute, und erklärte: »Das sind die Storyboards. Darauf ist abgebildet, wie der Regisseur jede einzelne Szene haben will.«
»Und dieser blaue Klecks da in der Hütte, das bist du?«, fragte Lucy.
Jackson gluckste. »Ja, es ist eine romantische Komödie zwischen zwei verschwommenen Klecksen.«
»Liebe ist tatsächlich universell«, sagte Lucy philosophisch. Dabei sah sie Olivia an und zwinkerte.
»Ha, ha«, sagte Olivia und strengte sich an, ihrer Schwester einen tödlichen Blick zuzuwerfen.
Ich wünschte, Lucy würde aufhören, mich aufzuziehen, dachte Olivia. Es ist schon schwierig genug, mich nicht weiterhin dumm anzustellen, auch ohne dass ich dauernd daran erinnert werde, wie gern ich ihn mag.
»Um deine Frage zu beantworten«, fuhr Jackson fort, »nach meinem dritten Film hatte ich mich an diesen ganzen Wahnsinn gewöhnt. Außerdem kann ich auf diese Weise ohne die ganze Eskorte und das Geschrei Leute treffen.« Er sah Olivia an und lächelte.
Ihr Herz machte einen Sprung.
»Ab und zu ist es schön, wieder ein normaler Mensch zu sein«, schloss er.
Jackson zeigte auf ein Zelt, das rechts von ihnen stand. »Das ist für die Requisiten und da vorne rechts ist einer der Kostüm-Wohnwagen.«
Olivia hörte, wie Lucy und Sophia hinter ihr flüsterten, aber sie beschloss, sie nicht zu beachten. Jackson wollte ein normaler Mensch sein, deshalb würde sie so tun, als sei sie mit einem normalen – aber total netten – Sicherheitsmann unterwegs.
»Das macht wirklich Spaß«, sagte Olivia. Mit Jackson Caulfield auf einem Filmset herumzulaufen war sogar noch besser, als Cheerleader bei einer nationalen Meisterschaft zu sein.
»Der schwarz gekleidete Typ ist der Tonassistent. Und die Frau da ist für den Schnitt zuständig.« Jackson beugte sich ganz dicht zu ihr, um zu zeigen, wen er meinte. »Und der Kerl da drüben? Der in dem weißen Hemd und Jeans?« Neben dem Requisitenzelt lümmelte ein Typ auf einer Kiste herum. »Das ist mein Zwillingsbruder.«
Olivia schnappte nach Luft. »Echt? Du bist ein Zwilling?«
»Eigentlich nicht. Er ist mein Double«, erklärte Jackson. »Wenn sie die Kamera- und Lichteinstellungen proben, nimmt er meinen Platz ein, damit sie wissen, wie ich aussehen werde, wenn sie filmen. Im Grunde verschafft mir das Freizeit, in der ich verkleidet am Set herumstöbern kann.«
Olivia wollte gerade anmerken, dass Lucy und sie auch Zwillinge waren, aber da kam Jacksons rothaarige Managerin auf sie zugestürzt. Ihre hochhackigen Schuhe klapperten laut auf dem Asphalt. Ihr maßgeschneidertes graues Kostüm hatte winzige rosa Nadelstreifen und ihre spitzen Schuhe bestanden aus grauem Lackleder und waren mit einer rosafarbenen Schleife verziert. »Amy Teller«, las Olivia auf dem Namenschild, das ihr Zugang zu allen Bereichen verschaffte.
»Sie da!«, bellte Amy Jackson an.
»Auf frischer Tat ertappt«, murmelte Olivia.
»Psst«, sagte Jackson und zog seinen Hut weiter herunter.
»Sie! Wachmann! Haben Sie Jackson gesehen?«, wollte Amy wissen, während sie ihm direkt in die Augen sah. Oder eher direkt in die Sonnenbrille.
Jackson räusperte sich. »Wer ist Jackson?«, antwortete er mit britischem Akzent.
Amy stampfte mit dem Fuß auf und seufzte. »Der Star des Filmes, für den Sie arbeiten!«
Olivia musste ihr Lachen unterdrücken.
»Nein, Madam«, sagte er.
Amy blinzelte, aber sie erkannte Jackson einfach nicht. »Der Junge verursacht mir graue Haare«, murmelte sie und stapfte davon.
»Ihre Haare sind eh schon alle grau«, sagte Jackson, während sie ihr nachsahen. »Sie lässt sie alle sechs Wochen färben.«
Endlich konnte Olivia lachen. »Das war knapp.« Sie wunderte sich, dass Lucy nicht schon längst irgendeinen mörderischen Kommentar über das zornfunkelnde Gesicht der Dame abgegeben hatte. »Hey, Lucy – hast du den Gesichtsausdruck gesehen?« Sie wandte sich zu ihrer Schwester um, drehte sich jedoch einmal komplett im Kreis. »Lucy?« Nichts als Luft in einem Umkreis von mehreren Metern. Ihre Schwester war weg!
Olivias und Jacksons Blicke trafen sich.
»Sieht so aus, als wären nur noch du und ich da«, sagte Jackson und lächelte.
Olivias Herz machte einen dreifachen Flickflack.
»Mission erfüllt«, erklärte Lucy. Sie hatte Sophia hinter das Requisitenzelt gezogen, als Olivia gerade nicht hingeschaut hatte.
Das wird funktionieren, dachte Lucy. Ein wenig Zeit zu zweit und die Funken springen über.
Jetzt gingen sie und Sophia auf das Meat & Greet zu, um sich das Set genauer anzuschauen.
»Ob das für Olivia wohl in Ordnung ist?«, fragte Sophia.
»Solange sie nicht wieder mit irgendeinem Gewieher herausplatzt«, erwiderte Lucy. Sie rückte ihre sargförmige schwarze Kuriertasche zurecht. »Olivia und Jackson sind echt wie Romeo und Julia – sie sind füreinander bestimmt!« Lucy dachte daran, dass Jackson nur Augen für Olivia gehabt hatte, als sie ihm zum ersten Mal begegnet waren, und vorhin an der Absperrung auch. Sie schienen perfekt zusammenzupassen, außer dass Olivia einen »total normalen« Freund wollte. »Wenn wir jetzt schon mal an einem Filmset sind – wollen wir nicht ein wenig herumschnüffeln?«
Sophias Blick hellte sich auf. »Oh, meinst du, wir kommen ins Restaurant hinein?«
»Boah, mach mal langsam, Miss Flitze-Fledermaus. Lass es uns nicht herausfordern«, erwiderte Lucy. »Wie wäre es, wenn wir lieber den Ausrüstungsbereich da drüben auskundschaften, anstatt gleich dorthin zu gehen, wo sie filmen?« Neben dem Seiteneingang des Restaurants standen Kameras und kompliziert aussehende elektronische Tafeln unter einer Markise. Vielleicht können wir hinterher versuchen, irgendwo etwas zu essen zu schnorren, dachte Lucy. Sie sehnte sich noch immer nach etwas Fleischigem zum Frühstück.
Die Vampirmädchen schlenderten hinüber und versuchten so zu tun, als wären sie genau da, wo sie sein sollten.
Eine Frau mit strengem Dutt und einem Klemmbrett in der Hand ging an ihnen vorüber. Sie schaute sich alles an und machte Notizen. Lucy hielt den Atem an, doch die Frau warf ihnen nur einen Blick zu und ging weiter.
Wir sind drin, dachte Lucy.
»Oh, du liebe Nacht«, sagte Sophia.
»Was?«, fragte Lucy und drehte sich um.
»Das ist eine hochauflösende Xtra Vision LT-2K Digitalkamera mit austauschbarer Optikbaugruppe, Touchscreen-Interface und der Möglichkeit, vier Stunden Serienaufnahmen zu machen.« Sophia seufzte und schwebte praktisch auf den sehr teuer aussehenden Ausrüstungsgegenstand zu.
»Ähm, Sophia?« Aber ihre Freundin streckte bereits die Hand nach der Kamera aus und strich über den digitalen Bildschirm.
In Lucys Hinterkopf schrillten alle Alarmglocken und sie trat vor, um sie aufzuhalten. »Sophia …«
»Hey, ihr da!«
Lucy erstarrte, als sie die strenge Stimme hörte. Sophia fuhr herum und hätte dabei fast die Kamera umgeworfen.
»Vielleicht hätten wir lieber bei Jackson bleiben sollen«, flüsterte Lucy, während sie sich langsam umdrehte.
»Wo sind eure Set-Pässe?«, fragte eine blasse dünne Frau mit krausem schwarzem Haar, das unter ihrem riesigen Kopfhörer hervorquoll.
Lucy und Sophia standen schweigend und schuldbewusst da. Jetzt war der Spaß wohl zu Ende, dachte Lucy.
»Ihr solltet eigentlich nicht hier sein, nicht wahr?«, fragte die Frau mit New Yorker Akzent.
Lucy schüttelte den Kopf.
»Ich verstehe nicht, warum wir bei der Begrüßung keinen Set-Plan austeilen. Also wirklich!«
»Wie?«, fragte Sophia.
Doch Lucy nickte vorsichtig. Vielleicht werden wir jetzt doch nicht gleich gepfählt, dachte sie.
Die Frau musterte die beiden von oben bis unten. »Hmmm. Ja, ich verstehe, warum sie euch beide ausgesucht haben – der alternative Stil, die hübschen Gesichter. Gut.«
Lucy blickte Sophia an, die ebenso verwirrt aussah.
»Ich bin Lillian, die zweite Regieassistentin.« Sie sah auf die Uhr. »Kommt mit, dann bringe ich euch zum Wohnwagen für die Komparsen.«
Zum Wohnwagen für die Komparsen?, dachte Lucy.
Lillian machte sich auf den Weg.
»Heißt das, dass wir im Film sein werden?«, fragte Lucy Sophia.
»Ich glaube schon!« Sophia hüpfte der Frau praktisch hinterher, und Lucy beeilte sich, sie einzuholen.
Normalerweise hasste Lucy Rampenlicht, aber sie würde ja nicht im Mittelpunkt stehen, sondern nur im Hintergrund agieren. Einfach mördergeil!
»Setzt eure Hintern in Bewegung, Ladys«, sagte Lillian. »Wir müssen euch fertig machen, bevor wir die erste Einstellung vornehmen.«
Lucy hatte keine Ahnung, wovon sie sprach, aber Sophia flüsterte: »Das bedeutet, dass man plant, wie sich die Schauspieler in einer Szene bewegen.«
»Der Finsternis sei Dank, dass du hier bist, um zu übersetzen«, sagte Lucy.
Sie gingen zu einem großen Wohnwagen, auf dem »Statisten« stand, und Lillian reichte ihnen zwei Ausweise. Dann klopfte sie an die Tür.
»Da sind noch zwei für dich, Spencer!«
Ein Mann mit kurz rasiertem dunklem Haar und Bartstoppeln machte die Tür auf. Sein blaues Seidenhemd war bis auf die Brust aufgeknöpft und er trug Lederschuhe mit Absätzen. Er stemmte eine Hand in die Hüfte und musterte die Mädchen von oben bis unten. Er schnaufte und legte sich die andere Hand an die Stirn. »Oh, mein Gott. Was mache ich bloß mit euch beiden?« Er lispelte ein wenig und redete ziemlich schnell. »Kommt einfach ganz schnell hier rein.«
Er drehte sich auf dem Absatz um und verschwand nach drinnen. Lillian eilte davon, noch bevor Lucy sich bei ihr bedanken konnte.
Zögernd betraten sie den Wohnwagen und sahen etwa ein Dutzend Leute in ihrem Alter, die gerade frisiert und geschminkt wurden.
»Wartet hier«, befahl Spencer und zeigte auf zwei Lacklederstühle, die vor hell erleuchteten Spiegeln standen. Er flitzte ans andere Ende des Wohnwagens und blätterte in einem riesigen Notizbuch, wobei er vor sich hinmurmelte.
»Das ist total grottig!«, erklärte Lucy und lehnte sich in dem bequemen Sessel zurück. Besser hätte das gar nicht laufen können.
Ich hoffe, Olivia hat genauso viel Spaß wie ich, dachte Lucy.
»Ist das euer erstes Mal?«, fragte neben ihr ein Junge, der mehrere T-Shirts übereinander anhatte.
Lucy nickte.
Als Spencer zurückkam, hatte er ein Tablett mit Tuben, Tiegeln und Pinseln dabei. Er legte den Finger auf die Lippen und legte nachdenklich den Kopf schräg. Lucy spürte, wie sie unter seinem prüfenden Blick rot wurde. Dann klatschte er in die Hände, als hätte er eine Entscheidung getroffen.
»Nun, an deinen Haaren machen wir nicht viel – sie sind lang und üppig, sehr schön, Süße.« Lucy lächelte. »Aber wir müssen die Haut von euch beiden glätten. Und bei dir dachte ich an eine toupierte Hochfrisur«, sagte er zu Sophia. Sie schenkte ihm ein zittriges Lächeln.
Er schnipste mit den Fingern, und ein Friseur trat vor, der sich an Sophias Haaren zu schaffen machte. Dann zückte Spencer ein Kosmetiktuch. Lucy konnte einfach nicht glauben, dass sie jetzt gleich an einem Film-Set von einem professionellen Make-up-Künstler verwöhnt würde.
Spencer griff nach einem rosa-gelben Mister-Smoothie’s-Becher, der auf der Ablage vor dem Spiegel stand, und nahm einen großen Schluck daraus.
»Welche Geschmacksrichtung haben Sie sich ausgesucht?«, fragte Lucy, während er sich an die Arbeit machte.
»Ooh«, sagte Spencer. »Ich habe gehört, dass der Twist and Shout sehr sehenswert ist, deshalb musste ich den einfach nehmen!«
Lucy schüttete sich aus vor Lachen. »Mein Vater hat das gestern auch bestellt.«
Spencers Augen weiteten sich. »Dein Vater? Ha!« Spencer vollführte einen fabelhaften Hüftschwung. »Wir älteren Männer tanzen gern! Seit der Rest der Truppe von der kleinen Show gehört hat, bestellen sie jeden Tag Twist and Shouts. Ich LIEBE es!« Spence schnipste dreimal zackig mit den Fingern.
Lucy überkam ein Anflug von Mitleid für die Mitarbeiter von Mister Smoothie’s.
»Du bist wirklich hübsch«, sagte er zu Lucy, während er ihr sanft mit einem Reinigungs-Pad über die Stirn fuhr. »Deine Freundin auch. Aber ihr seid beide so blass. Diese Grundierung wird nicht ausreichen. Zum Glück haben wir für den Hauptdarsteller haufenweise Selbstbräuner am Set!«
In Lucys Hinterkopf regte sich etwas. Haufenweise Selbstbräuner?
»Georgie!«, rief Spencer; ein junges Mädchen mit toupierten, hochgesteckten Haaren, das ein fließendes Kleid aus Pannesamt trug und nun zu ihnen herüberkam. »Könntest du mir bitte ein paar Dosen Santa Monica holen?«
Als Georgie davoneilte, überkam Lucy das Gefühl drohenden Unheils. Santa Monica war der Selbstbräuner der Vampirheit schlechthin.
»Für den Hauptdarsteller?«, quietschte Lucy.
Spencer nickte. »Der Vertragszusatz verlangt mindestens drei Kisten des hochwertigen Santa-Monica-Selbstbräunersprays.«
Lucy spürte, wie sich ihr Magen verknotete. Sie dachte an Jacksons Pfirsich-Teint – wenn er ein Mensch war und dieses Selbstbräunerspray benutzte, würde er wie eine Orange aussehen. Tat er aber nicht; er sah vollkommen normal aus. Vollkommen menschlich. Was bedeutete, dass seine Haut ohne die falsche Bräune sehr, sehr blass sein musste. War Jackson …
»Ein Vampir«, flüsterte Lucy.
»Pardon?«, fragte Spencer, sein Kosmetik-Pad erstarrte in der Luft.
»Ach nichts«, sagte Lucy und senkte den Blick.
»Alles in Ordnung?«, fragte Sophia.
»Ich … ich muss Olivia suchen«, platzte Lucy heraus und versuchte, von ihrem Stuhl aufzustehen. Sie konnte nicht zulassen, dass sich ihre Schwester in einen Vampir verliebte. Olivia würde das auf keinen Fall wollen, das hatte sie selbst gesagt. Lucy musste es ihr sagen, bevor es zu spät war.
Doch Spencer legte ihr die Hand auf die Schulter. »Langsam, Süße. Bevor du nicht kamerafertig bist, gehst du nirgendwohin.«
»Aber ich …«
»Ts, ts, ts!« Spencer wedelte ihr drohend mit dem Finger vor dem Gesicht herum und ließ sie nicht gehen.
Lucy seufzte und sank in ihren Sessel zurück.
»Was ist los?«, zischte Sophia und beugte sich über ihre Sessellehne herüber.
Lucy schluckte schwer und versuchte, ihre Freundin anzulächeln. »Nichts!«, sagte sie strahlend. Sie würde ihre Ängste erst mit ihr teilen können, wenn sie wieder allein waren. »Alles wunderbar!«