3. KAPITEL

Fadith holte Saffy ab und führte sie eine helle Marmortreppe hinauf, einen Korridor entlang und hielt ihr dann höflich die Tür zu einem ebenfalls in traditionellem Stil eingerichteten Zimmer auf. Die Ebenholzmöbel waren mit Perlmuttintarsien verziert. Beim Anblick des Himmelbetts mit Seidenvorhängen stockte Saffy der Atem. Im Nebenraum befand sich das Badezimmer mit einem Marmorbad und allem erdenklichen Luxus. Als sie ins Schlafzimmer zurückkehrte, nahm Fadith gerade ein Tablett aus den Händen eines anderen Dienstmädchens entgegen und setzte es auf einem Tisch ab.

Saffy bedankte sich leise und trank einen Schluck des aromatischen Pfefferminztees, den sie schon bei ihrem Aufenthalt in Maraban vor fünf Jahren gern getrunken hatte. Maraban – das Land, in dem die Zeit stehen geblieben ist, dachte sie frustriert. Dann bat sie um Wasser.

Fadith zeigte ihr einen in einem Schrank eingebauten Kühlschrank. Saffy nahm sich eine Flasche heraus und öffnete sie.

„Darf ich Ihnen ein Bad einlassen?“, fragte das Dienstmädchen beflissen.

Saffy hielt sich eine Hand vor den Mund und gab vor, ein Gähnen zu unterdrücken. Sie wollte Fadith möglichst schnell loswerden. „Später vielleicht. Erst möchte ich mich hinlegen und etwas ausruhen. Es ist sehr warm.“

Eilig ließ Fadith die Jalousien herunter, schlug die Bettdecke zurück und verließ leise das Zimmer.

Sicherheitshalber ließ Saffy einige Minuten verstreichen, bevor sie auf Erkundungstour ging. Da sie nicht beabsichtigte, bei Zahir zu bleiben und niemand ihr hier helfen würde, musste sie eben selbst eine Möglichkeit zur Flucht finden. Leise schlich sie hinaus auf den Flur, vorbei an unzähligen geschlossenen Türen und sah hinaus auf den Innenhof, bevor sie schließlich auf Zehenspitzen die Treppe bis hinunter ins Souterrain ging. Hier befanden sich Rollwagen mit Reinigungsmitteln. Offensichtlich war hier unten das Personal untergebracht.

Aus der einen Richtung drang das Klirren von Geschirr an ihr Ohr. Das musste die Küche sein. Saffy machte einen weiten Bogen darum. Durch eine einladend offen stehende Hintertür entdeckte sie eine Reihe staubiger Fahrzeuge auf dem Hof und fragte sich, ob einer der Fahrer vielleicht den Zündschlüssel hatte stecken lassen. Sie brauchte auf jeden Fall einen Wagen, zu Fuß hatte sie in der Wüste keine Überlebenschance.

Kurz entschlossen lief sie hinaus und entdeckte am anderen Ende des Innenhofs einen Jeep voller Soldaten. Erschrocken ging sie schnell in Deckung. Vermutlich handelte es sich um Zahirs Leibgarde. Gebückt schlich sie um den ersten Wagen herum und riskierte einen Blick hinein. Kein Zündschlüssel. Auch im danebenstehenden Jeep steckte der Schlüssel nicht.

Inzwischen waren die Soldaten im Gebäude verschwunden, und Saffy setzte ihre Suche nach einem Wagen fort, den sie ‚ausleihen‘ konnte. Sie musste sich wieder schnell ducken, denn aus der Küche näherten sich zwei Angestellte, die sich laut unterhielten. Der jüngere Mann warf seine Tasche in den Pritschenwagen und setzte sich ans Steuer. Offensichtlich wollte er nach Hause, also vermutlich in die Stadt. Saffy überlegte blitzschnell, was sie tun sollte. Wenn sie selbst am Steuer eines Wagens sitzen würde, käme sie nur bis zum Tor. Spätestens dort würden die Wachen sie aufhalten und zurückbringen. Sie musste sich also in einem Wagen verstecken, der von einem der Angestellten gefahren wurde. Bevor sie der Mut verließ, kletterte Saffy auf die Ladefläche und versteckte sich unter der Plane.

Bange Minuten vergingen, denn statt loszufahren, stieg der Fahrer wieder aus, als jemand ihm etwas zurief. Ängstlich versuchte Saffy, dem Gespräch zu folgen, war jedoch überfordert, weil es in rasantem Arabisch geführt wurde. Dazu reichten ihre Sprachkenntnisse nicht aus. Schließlich entfernten sich Schritte, und sie hörte, wie der Fahrer sich wieder ans Steuer setzte und den Motor anließ.

Erleichtert atmete sie auf, als der Wagen sich endlich in Bewegung setzte. Natürlich wurde Saffy auf dem holprigen Weg kräftig durchgeschüttelt. Doch einige Prellungen konnte sie wohl verschmerzen. Hauptsache, sie war Zahirs Fängen entkommen.

Was war nur in ihren Exmann gefahren? Die Ehe war eine Katastrophe gewesen. Wollte er so etwas wirklich noch einmal erleben?

Die Antwort lag auf der Hand: Fehler waren Zahir ein Gräuel. Sein herzloser Vater hatte Bestleistungen von ihm verlangt und ihn für jeden Misserfolg bestraft. Offensichtlich beabsichtigte Zahir, einen Fehler aus der Vergangenheit zu korrigieren. Wieso sah er nicht, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit war? Menschen veränderten sich, entwickelten sich weiter …

Nur du nicht, erinnerte sie ihre innere Stimme. Tatsächlich war Saffy immer noch Jungfrau. Da lag sie nun auf der rostigen Ladefläche eines schaukelnden Wagens und dachte wehmütig an ihre erste Begegnung mit Zahir …

Damals arbeitete sie in der Kosmetikabteilung eines Kaufhauses. Statt zu studieren wie ihre Zwillingsschwester, wollte Saffy nach dem Schulabschluss gleich Geld verdienen. Achtzehn Jahre alt war sie gewesen, als Zahir seine Schwester nach London begleitet hatte. Hayats Hochzeit stand bevor, und eine Brautausstattung musste her. Saffy erinnerte sich noch genau, wie ihr fast das Herz stehen geblieben war, als Zahir sie zum ersten Mal mit seinem hypnotisierenden Blick angeschaut hatte. Golden schimmernde, von dichten schwarzen Wimpern umkränzte Augen, die sie sofort in ihren Bann gezogen hatten. Während Hayat sich mit Kosmetika eindeckte, starrten Zahir und Saffy einander reglos an. Die gegenseitige Anziehungskraft war erregend und beängstigend zugleich. Weder vorher, noch nachher hatte Saffy je wieder so starke Gefühle für einen anderen Menschen empfunden.

„Ich hole dich nach Feierabend hier ab“, hatte Zahir ihr zugeraunt.

Er hatte sich als Heeresoffizier aus Maraban vorgestellt, seine aristokratische Herkunft jedoch für sich behalten. Von Maraban hatte Saffy noch nie etwas gehört und recherchierte zu Hause erst mal im Internet.

Ihre Mutter Odette, bei der sie damals vorübergehend wohnte, hatte nur abfällig gelacht. „Die Mühe kannst du dir sparen. In ein paar Tagen ist der sowieso wieder fort, und du siehst ihn nie wieder.“

Natürlich hatte Saffy das auch befürchtet. Schon nach zwei Dates wusste sie, dass sie sich unsterblich verliebt hatte. Daher war sie überglücklich, als Zahir berichtete, er wäre in vier Wochen wieder in England, weil er an einem Offizierslehrgang an der Militärakademie von Sandhurst teilnehmen werde. Sehr romantisch hatten sie damals unter einem blühenden Kirschbaum im Park gesessen. Zärtlich hatte Zahir eine rosa Blüte aus ihrem Haar gezupft. Später hielten sie beim Kaffeetrinken Händchen, lachten über eine Straßenpantomime. Von Anfang an hatte sie sich geborgen bei Zahir gefühlt, zumal er sie nicht gleich betatschte und mit ihr schlafen wollte. Gleichzeitig reagierte er sehr zurückhaltend, als Saffy erzählte, sie würde manchmal als Model arbeiten. Auch als sie ihm versicherte, nicht nackt oder in Dessous zu posieren, blieb er skeptisch. Er war eben sehr altmodisch. Doch darüber sah sie hinweg, denn sie bewunderte seine Ernsthaftigkeit, seine Intelligenz und seine unerschütterliche Liebe zu seiner Heimat Maraban.

Lange vor Ende des Lehrgangs bat Zahir sie, ihn zu heiraten und gab seine wahre Identität preis. Die Aussicht, bald mit einem Prinzen verheiratet zu sein, war natürlich märchenhaft. Saffy stellte sich ihre gemeinsame Zukunft in den schillerndsten Farben vor.

Wie naiv ich damals war, dachte sie nun.

Die kurze Trauungszeremonie fand in der Botschaft von Maraban in London statt – ohne Familie und ohne Erlaubnis seines Vaters. Es war wirklich sehr mutig von Zahir gewesen, ohne Zustimmung seines Vaters zu heiraten. Der König hätte einer Ehe mit einer Ausländerin niemals zugestimmt. Doch sie hatten im siebten Himmel geschwebt, und niemand sollte ihr Glück stören. Die Realität holte sie erst in Maraban ein. Die Hochzeitsnacht war eine Katastrophe gewesen, denn Saffy geriet in Panik und musste sich übergeben. Und ihr Leben in Maraban ähnelte einem Gefängnisaufenthalt. Die Ehe entwickelte sich auch ganz anders als in Saffys romantischen Träumen. Zahir und sie litten darunter, dass Saffy unfähig war, mit ihm zu schlafen. Schon bald blieben auch harmlose Zärtlichkeiten aus, und Zahir war ständig abwesend …

Der Pritschenwagen kam abrupt zum Stehen. Eine Tür wurde zugeworfen, und laute Stimmen ertönten. Als sie leiser wurden, lugte Saffy vorsichtig unter der Plane hervor und kletterte dann von der Ladefläche. Inzwischen war es dunkel geworden. Daran hatte Saffy bei ihrer Flucht nicht gedacht. Auch hatte sie nicht damit gerechnet, dass der Fahrer mitten in der Wüste in einem großen Zelt verschwinden würde, um seine Familie zu besuchen. Konsterniert blickte Saffy um sich. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war. Was nun? Ratlos griff sie nach ihrer Wasserflasche. In diesem Moment tauchte ein in eine beigefarbene Robe gehüllter Mann am Zelteingang auf. „Es ist kalt“, sagte er. „Komm rein!“

Fassungslos sah Saffy auf, als sie die vertraute Stimme hörte. „Zahir? Was tust du denn hier?“

Er zog sich die mit einer gold-schwarzen Kordel befestigte Kufiya vom Kopf und strich sich das schwarze Haar zurück, das ihm in der leichten Brise sofort ins Gesicht wehte. In der Dunkelheit leuchteten seine Augen wie Sterne. „Ich habe dich hergefahren.“

„Du hast … was?“ Ungläubig starrte sie ihn an.

„Die Festung ist mit einem hochmodernen Überwachungssystem ausgestattet“, erklärte Zahir. „Auf dem Monitor war deutlich zu sehen, wie du auf die Ladefläche des Pritschenwagens kletterst. Da habe ich mich entschlossen, dein Fahrer zu sein.“

„Ich habe über eine Stunde lang unter der Plane gelegen und bin so durchgeschüttelt worden, dass ich mich kaum noch bewegen kann!“ Entrüstet funkelte Saffy ihn an.

Zahirs Mitleid hielt sich in Grenzen. „Du hast es ja nicht anders gewollt.“

„Du bist so gemein.“ Inzwischen war ihr so kalt, dass sie Mühe hatte zu sprechen.

„Ich dachte, es tut dir vielleicht gut, etwas durchgerüttelt zu werden. Wie kannst du nur so dumm sein, zu einem Wildfremden ins Auto zu steigen? Du wusstest ja nicht mal, wohin die Fahrt gehen würde.“

Saffy platzte fast vor Wut. „Ich bin nicht dumm“, zischte sie.

Zahir dachte gar nicht daran, nachzugeben. „Es war sogar sehr dumm, so ein Risiko einzugehen“, konterte er.

Sie ballte die Hände zu Fäusten. „Wenn du mich nicht entführt hättest, wäre ich dazu auch nicht gezwungen gewesen.“

„In meiner Obhut bist du vollkommen sicher. Dafür garantiere ich, bis du wieder in London bist. Ich schlage vor, dass du jetzt ins Zelt kommst. Du kannst dich frisch machen, dann essen wir zu Abend. Ich jedenfalls habe Hunger.“

„Plötzlich kommt also der Pragmatiker in dir zum Vorschein.“ Frustriert musterte sie ihn. Zahir ließ sich einfach nicht aus der Ruhe bringen. „Wie kannst du mir nur so etwas antun, du Mistkerl? Ich hasse dich!“, stieß sie zornig hervor.

Zischend stieß Zahir die Luft aus. „Also gut. Du kannst ja nachkommen, wenn du dich wieder beruhigt hast.“ Er ließ sie einfach stehen und verschwand lautlos wieder im spärlich beleuchteten Zelt.

Frustriert stampfte Saffy mit dem Fuß auf und wäre in ihrer ohnmächtigen Wut am liebsten mit den Fäusten auf den Wagen losgegangen. Sie kam sich so blöd vor! Da hatte Zahir doch tatsächlich ihren Fluchtversuch beobachtet und sich den Spaß gemacht, ihn gründlich zu vereiteln! Sie wusste überhaupt nicht, wohin mit ihrer Wut. Normalerweise war sie eher ruhig und ausgeglichen. Nur Zahir mit seiner unerschütterlichen dominanten Art gelang es mal wieder, sie zur Weißglut zu bringen! Saffy biss die Zähne zusammen und lehnte sich zitternd vor Kälte an den Wagen. So eisig hatte sie sich die Wüstennächte nicht vorgestellt. Das dünne T-Shirt bot überhaupt keinen Schutz vor der Kälte. Verzweifelt rieb Saffy sich die Arme, um die Durchblutung wieder in Gang zu setzen.

Schließlich war sie so durchgefroren, dass ihr keine andere Möglichkeit blieb, als sich im Zelt aufzuwärmen. Es war größer, als sie gedacht hatte, verfügte über mehrere Räume und war mit kostbaren Kelims und sogar Sofas ausgestattet. An der Feuerstelle kniete ein alter Mann vor Zahir und reichte ihm Kaffee.

„Wo sind wir hier eigentlich?“, fragte Saffy knapp.

„In einem Camp, wo ich mich regelmäßig mit den Stammesfürsten treffe. Ich weiß, dass dir niemals im Traum einfallen würde, unter einer Zeltplane zu nächtigen, aber es ist komfortabler als du denkst. Das Badezimmer findest du hinter der zweiten Tür“, antwortete er mit unbewegter Miene.

Verlegen senkte Saffy den Blick. Musste Zahir sie unbedingt daran erinnern, was sie ihm vor fünf Jahren an den Kopf geworfen hatte? Taktlos hatte sie erklärt, Zelte und die Tradition der Nomaden wären nichts für sie. „Auf eine heiße Dusche werde ich hier wohl verzichten müssen“, murmelte sie vor sich hin.

„Musst du nicht. Frische Kleidung liegt auch für dich bereit.“

Unbehaglich sah sie auf und setzte sich dann in Bewegung. Hinter der von einem Wandbehang verhüllten Tür verbarg sich tatsächlich ein Badezimmer, das mit allem erdenklichen Luxus ausgestattet war. Sie zog sich schnell aus. Ihre weiße Jeans hatte die Fahrt auf der rostigen Liegefläche nicht gut überstanden. Na ja, es gibt Schlimmeres, dachte Saffy, stellte sich unter die heiße Dusche und wusch sich mit vertrauten Markenprodukten. Als sie sich wieder sauber fühlte, wickelte sie sich in ein flauschiges Badetuch, kämmte das nasse Haar aus und föhnte es trocken. Hätte sie vor fünf Jahren gewusst, wie komfortabel so ein Wüstenzelt sein konnte, wäre sie begeistert auf Zahirs Vorschlag eingegangen, ihn kurz nach der Hochzeit auf einen Ausflug in die Wüste zu begleiten. Nein, vermutlich hätte sie doch abgelehnt, weil sie Angst vor zu viel Nähe hatte …

Sie schlüpfte in den bereitliegenden Seidenkaftan und in schlichte Pantoffeln und überlegte, ob sie am nächsten Morgen wieder die schmutzigen Sachen tragen müsste. Und wo soll ich heute Nacht schlafen? Mindestens zwei weitere Räume gingen vom Hauptraum ab. Ich werde mich nachher mal umsehen, dachte Saffy.

„Möchtest du jetzt etwas essen?“, fragte Zahir hinter ihr.

Sie wandte sich um und bemerkte erstaunt, dass auch er geduscht und sich umgezogen hatte. Sein Haar war noch feucht, er trug Jeans und sah so unwiderstehlich aus, dass ihr Puls sofort anfing zu rasen, als wäre sie noch immer ein verknallter Teenager. Dabei führte sie seit Jahren ein selbstbestimmtes Leben, war sehr erfolgreich in ihrem Beruf und eigentlich gelassen, weltgewandt und stets beherrscht.

„Hier sitzt man traditionell auf dem Boden“, erzählte Zahir und ließ sich geschmeidig auf Sitzkissen nieder.

„Kein Problem.“

Sowie auch Saffy sich gesetzt hatte, wurde das Essen aufgetragen.

„Du hast hier sogar eine eigene Küche?“, fragte sie erstaunt.

„Natürlich, ich bewirte hier oft Gäste.“

Ach ja, er hatte die Stammesfürsten erwähnt. Ob ihn auch Frauen hier besuchten? Sicher hatte Zahir nach der Scheidung Affären gehabt. Gelegentlich waren Fotos von ihm mit der einen oder anderen bildhübschen Frau am Arm in Hochglanzmagazinen aufgetaucht. Nach dem Sturz seines Vaters führte Zahir als neuer König von Maraban zwar nicht gerade ein Jetsetleben, ließ sich aber häufiger bei internationalen Veranstaltungen blicken. Es zerriss Saffy jedes Mal das Herz, wenn sie ihn mit einer anderen Frau zusammen sah. Sie wusste, dass diese Frau das Bett mit Zahir teilte und ihm alles gab, wozu sie selbst nicht imstande gewesen war. Scheidung war nicht gleichbedeutend mit dem Erlöschen von Gefühlen. Das wusste Saffy leider nur zu gut.

Unauffällig beobachtete Zahir sie und bewunderte ihr natürliches Aussehen. So hatte sie ihm immer am besten gefallen. Sapphires Schönheit kam ohne kunstvolles Make-up aus. Als sie geistesabwesend mit einer goldblonden Haarsträhne spielte, erinnerte er sich, wie seidig ihr Haar sich auf seinem Körper angefühlt hatte und spürte sofort heiße Erregung. Entschlossen verdrängte er die erotischen Gedanken und machte sich bewusst, dass sich hinter dem bildhübschen Äußeren ein eiskalt kalkulierender Geist verbarg. Es überraschte ihn daher auch nicht, dass sie keine einleuchtende Erklärung für den Verbleib der verschwundenen fünf Millionen gegeben hatte. Für seine Familie bedeutete es keinen großen Verlust, aber es ärgerte ihn, dass Saffy das Geld genommen hatte, ohne dafür je eine Gegenleistung erbracht zu haben.

Saffy balancierte einen Teller voller Köstlichkeiten auf dem Schoß und ließ es sich schmecken. Inzwischen war sie nämlich halb verhungert. Immer wieder warf sie Zahir verstohlene Blicke zu. Sie konnte sich kaum sattsehen an seinem schönen markanten Gesicht. Seine unglaublich männliche Ausstrahlung zog sie noch immer in ihren Bann. Begehrlich verhärteten sich ihre Brustwarzen und zeichneten sich unter dem dünnen Seidenstoff ab. Widerstrebend widmete Saffy sich wieder dem Essen auf dem Teller, während sich vor ihrem geistigen Auge erotische Szenen abspielten. Die Ehe hatte damals zwar nicht vollzogen werden können, aber Saffy hatte gelernt, Zahir auf andere Weise Freude zu bereiten. Bei der Erinnerung pulsierte es heiß in ihrem Schoß. Zwar hatte Zahir nicht verstanden, was mit ihr los gewesen war, hatte sich aber sehr bemüht, Geduld mit ihr zu haben und versucht, ihr die Angst zu nehmen. Leider waren die Ängste fest in ihrem Unterbewusstsein verankert gewesen und hatten sich nicht beherrschen lassen …

Ihr war schleierhafter denn je, warum Zahir sie wieder in sein Leben geholt hatte, nachdem ihre Ehe die Hölle auf Erden gewesen war – für ihn und für sie selbst.

„Warum, um alles in der Welt, wolltest du mich unbedingt wiedersehen?“, fragte Saffy plötzlich.

Zahir sah ihr unverwandt in die Augen. „Die meisten Männer erinnern sich ein Leben lang an ihre erste Liebe.“

Ein tiefer Schmerz durchzuckte Saffy. Es stimmte, sie hatten einander sehr geliebt. Doch dann hatte die Liebe sich klammheimlich davongeschlichen.

Die leeren Teller wurden abgeräumt, Kaffee und Gebäck wurde gereicht. Saffy griff zu, um die Leere in ihrem Innern zu füllen, obwohl sie wusste, dass der Versuch misslingen musste. Sie wagte nicht, Zahir noch einmal anzuschauen. Dieser Versuchung musste sie unbedingt widerstehen.

„Ich wollte dich noch einmal sehen, bevor ich wieder heirate“, erklärte Zahir knapp. Sobald er verheiratet war, durfte er Sapphire nicht wiedersehen, das war ihm nur zu bewusst.

Sofort sah sie auf und musterte ihn schockiert mit ihren ausdrucksvollen blauen Augen. „Du willst wieder heiraten?“

Interessante Reaktion, dachte Zahir und zog eine schwarze Braue hoch. „Ich habe noch keine passende Braut, aber mein Volk erwartet von mir, bald eine Frau an meiner Seite zu präsentieren.“

Saffy entspannte sich wieder. Natürlich musste er heiraten, schon um die Thronfolge zu sichern. Was ging sie das eigentlich an? Sie war nicht mehr mit ihm verheiratet. Wieso reagierte sie so sensibel auf das Thema Heirat? Wurde sie denn nie erwachsen? Plötzlich fühlte sie sich unglaublich erschöpft. Kein Wunder, ein langer, anstrengender und ausgesprochen nervenaufreibender Tag lag hinter ihr. Sie gähnte und stand auf. „Ich bin wahnsinnig müde …“

Zahir sprang auf und umschloss ihre Schultern. Wie hypnotisiert verlor Saffy sich im Blick seiner unglaublich schönen Augen.

„Das glaube ich dir aufs Wort“, sagte er leise. „Ich werde dich nicht anrühren.“

Sie erschauerte bei der Vorstellung, mit ihm im Bett zu liegen. Seltsamerweise fürchtete sie sich aber nicht mehr davor.

Zärtlich streichelte Zahir ihren Hals. Die sanfte Berührung reichte, um Saffys Knie weich werden zu lassen. Wie gebannt hielt sie den Atem an. Und dann neigte Zahir den Kopf und küsste sie so wild und leidenschaftlich, dass es ihr früher Angst gemacht hätte. Doch jetzt drängte sie sich fordernd an ihn und erwiderte seine Küsse mit ebenbürtigem Verlangen. Ihr ganzer Körper reagierte voller Sehnsucht, pulsierte, prickelte. Saffy bebte, schmiegte sich noch enger an den harten Männerkörper.

„Ab ins Bett“, flüsterte Zahir rau, hob sie hoch, trug sie in einen der Nebenräume und ließ sie behutsam auf einen frisch mit blütenweißer Wäsche bezogenen breiten Diwan gleiten. „Ich möchte, dass du morgen hellwach bist.“

Enttäuscht schlug sie die Augen auf. Erst entfesselte er heißes Verlangen in ihr und dann ließ er sie allein? Das hatte sie sich aber ganz anders vorgestellt. Jetzt stand er an der Tür, das blauschwarze Haar zerzaust. Von meinen Fingern, dachte Saffy, die noch seine Küsse auf den Lippen schmeckte. Wie mühelos es Zahir gelungen war, ihre Sinnlichkeit zu wecken! Saffy drehte sich auf die Seite und barg das erhitzte Gesicht im Kissen. Da wartete sie nun seit Jahren auf einen Mann, der sie aus ihrem Dornröschenschlaf erweckte, und dann stellte sich heraus, dass es ausgerechnet Zahir war. Noch immer schien er der einzige Mann zu sein, den sie je begehrt hatte. Nur mit ihm konnte sie sich körperliche Liebe vorstellen.

Frustriert drängte sie die Tränen zurück. Durch die Scheidung hatte sie den Glauben an wahre Liebe und eine erfüllte Beziehung verloren. Jahrelang hatte sie Angst gehabt, sich auf einen Mann einzulassen, weil sie das gleiche Desaster fürchtete wie mit Zahir. Nach Abschluss ihrer Therapie sehnte sie sich jedoch danach, ihre Unschuld zu verlieren, und Sex zu haben. Auch, um sich zu beweisen, dass sie ihr Trauma endlich überwunden hatte. Sie wollte einfach nur normal sein. Und jetzt begehrte sie ausgerechnet den Mann, der sie so tief verletzt hatte und zudem vorhatte, bald eine andere Frau zu heiraten!

Zahir stellte sich unter die eiskalte Dusche, um sein brennendes Verlangen zu ersticken. Bilder, der vor Angst zitternden Sapphire tauchten vor seinem geistigen Auge auf. So hatte sie während ihrer kurzen Ehe reagiert, wenn er versuchte, mit ihr zu schlafen. Inzwischen verfügte er zwar über sexuelle Erfahrung, traute sich aber nicht, auf Sapphires körperliche Lustsignale zu reagieren, weil er fürchtete, sie falsch zu deuten – wie damals. Andererseits lag sie in seinem Bett, und er begehrte sie mehr denn je.

Saffy zuckte zusammen, als die Tür geöffnet wurde, und richtete sich halb auf. Beschämt trocknete sie sich die tränennassen Wangen und starrte den nur mit schwarzen Boxershorts bekleideten Zahir erstaunt an. Sein Anblick verschlug ihr den Atem.

„Es gibt hier nur dieses eine Bett …“

„Kein Problem“, behauptete Saffy, gespielt gelassen, stand auf und wickelte sich in die Bettdecke. „Ich schlafe auf dem Boden. Andererseits könntest du dich auf eins der Sofas legen.“

„Ich denke gar nicht daran. Und du wirst auch nicht auf dem Boden schlafen!“

„Das kann ich ja wohl selbst entscheiden.“ Sie streckte sich neben dem Bett aus und schloss ostentativ die Augen.

„Aber nicht, wenn ich dabei bin.“ Schwungvoll hob er sie hoch und ließ sie wieder aufs Bett gleiten, als wäre sie leicht wie eine Feder.

„Ich will nicht das Bett mit dir teilen!“

„Obwohl du genau weißt, dass ich ein Nein von dir nicht akzeptiere?“, fragte er trocken.

Verlegen wandte sie den Blick ab. Musste Zahir sie unbedingt an früher erinnern? Gleichzeitig kam sie sich albern vor, wickelte sich aus der Decke, breitete sie auf dem Bett aus und schlüpfte darunter. „Das ist alles deine Schuld. Wieso musstest du mich unbedingt herbringen?“

Zahir musste sich das Lachen verkneifen. Das war die alte streitsüchtige Saffy. Eigentlich fand er es ganz erfrischend, dass er mal nicht mit ehrerbietigem Respekt behandelt wurde. Er ging um den Diwan herum und schlüpfte auf der anderen Seite unter die Bettdecke. Der blumige Duft von Sapphires Shampoo stieg ihm in die Nase. So vertraut, dass er sofort Erinnerungen auslöste, die Zahir lieber vergessen hätte. Langsam ballte er die Hände zu Fäusten. Er war extrem angespannt.

„Gemütlich, oder?“, fragte Saffy sarkastisch.

„Beschrei es nicht!“

„Dein Englisch hat sich enorm verbessert.“ Sie blickte starr an die Decke. „Hast du es nebenbei gelernt, als du dich mit all den Europäerinnen im Bett gewälzt hast, oder hast du einen Sprachkurs belegt?“

Zahir richtete sich auf und funkelte sie entrüstet an. „Unerhört, mir so etwas zu unterstellen“, empörte er sich.

Sie hielt seinem Blick stand. „Reg dich ab! Es geht mich ja auch nichts an.“

Wortlos drehte Zahir sich auf die andere Seite, und Saffy stockte der Atem, als ihr Blick auf Zahirs Rücken fiel. Ohne nachzudenken, schlug sie die Bettdecke zurück, um ihn sich genauer anzusehen. Der schöne, makellose, muskulöse Rücken, den sie damals gestreichelt hatte, war ja völlig vernarbt! „Um Himmels willen, Zahir! Was ist mit deinem Rücken passiert?“, rief sie entsetzt.

Blitzschnell drehte Zahir sich auf den Rücken und ärgerte sich, weil er vergessen hatte, sich etwas überzuziehen. „Darüber möchte ich nicht sprechen.“

„Es sieht aus, als wärst du ausgepeitscht worden.“ Die Tränen schossen ihr in die Augen, als Saffy sich bewusst machte, welche Schmerzen Zahir erlitten haben musste.

Eisiges Schweigen. Schon damals hatte Zahir sie auf diese Weise von seinen Gedanken ausgeschlossen. Er hatte ihr nie erzählt, wo er während seiner langen Abwesenheit gewesen war. Als Offizier war er wahrscheinlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Verzweifelt verkniff Saffy sich weitere Fragen, obwohl sie wissen wollte, ob ihm das während der Rebellion gegen seinen Vater passiert war, die den Tyrannen ja schließlich gestürzt hatte. Wieso hatte man Zahir als den Thronfolger nicht beschützt?

Saffy ließ sich wieder in die Kissen fallen und versuchte, sich mit der Erinnerung an Zahirs Anblick abzulenken, wie er in den schwarzen Boxershorts an der Tür gestanden hatte. Diese Ansicht war noch so perfekt wie früher. Verträumt lächelte sie vor sich hin. Wie Zahir wohl reagieren würde, wenn er wüsste, dass sie sich ihn nackt vorstellte, wenn man sexy Posen vor der Kamera von ihr verlangte?