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Thomas Barton, Christian Müller und Christian Seel (Hrsg.)Digitalisierung in UnternehmenAngewandte Wirtschaftsinformatikhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-22773-9_5

5. Nutzen und Rahmenbedingungen informationsgetriebener Geschäftsmodelle des Internets der Dinge

Dominik Schneider1  , Frank Wisselink1   und Christian Czarnecki2  
(1)
Detecon International GmbH, Köln, Deutschland
(2)
Hochschule für Telekommunikation Leipzig, Leipzig, Deutschland
 
 
Dominik Schneider (Korrespondenzautor)
 
Frank Wisselink
 
Christian Czarnecki

Zusammenfassung

Im Kontext der zunehmenden Digitalisierung wird das Internet der Dinge (englisch: Internet of Things, IoT) als ein technologischer Treiber angesehen, durch den komplett neue Geschäftsmodelle im Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure entstehen können. Identifizierte Schlüsselakteure sind unter anderem traditionelle Industrieunternehmen, Kommunen und Telekommunikationsunternehmen. Letztere sorgen mit der Bereitstellung von Konnektivität dafür, dass kleine Geräte mit winzigen Batterien nahezu überall und direkt an das Internet angebunden werden können. Es sind schon viele IoT-Anwendungsfälle auf dem Markt, die eine Vereinfachung für Endkunden darstellen, wie beispielsweise Philips Hue Tap. Neben Geschäftsmodellen basierend auf Konnektivität besteht ein großes Potenzial für informationsgetriebene Geschäftsmodelle, die bestehende Geschäftsmodelle unterstützen sowie weiterentwickeln können. Ein Beispiel dafür ist der IoT-Anwendungsfall Park and Joy der Deutschen Telekom AG, bei dem Parkplätze mithilfe von Sensoren vernetzt und Autofahrer in Echtzeit über verfügbare Parkplätze informiert werden. Informationsgetriebene Geschäftsmodelle können auf Daten aufsetzen, die in IoT-Anwendungsfällen erzeugt werden. Zum Beispiel kann ein Telekommunikationsunternehmen Mehrwert schöpfen, indem es aus Daten entscheidungsrelevantere Informationen – sogenannte Insights – ableitet, die zur Steigerung der Entscheidungsagilität genutzt werden. Außerdem können Insights monetarisiert werden. Die Monetarisierung von Insights kann nur nachhaltig stattfinden, wenn sorgfältig gehandelt wird und Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. In diesem Kapitel wird das Konzept informationsgetriebener Geschäftsmodelle erläutert und anhand des konkreten Anwendungsfalls Park and Joy verdeutlicht. Darüber hinaus werden Nutzen, Risiken und Rahmenbedingungen diskutiert.

Schlüsselwörter

Digitale TransformationInternet der DingeMonetarisierungInformationsgetriebene GeschäftsmodelleQualitative WertschöpfungsanalyseRisikomanagement

5.1 Das Internet der Dinge als technologischer Treiber der digitalen Transformation

Unter dem Begriff digitale Transformation werden momentan in Theorie und Praxis fundamentale Veränderungen der Geschäftswelt, der Gesellschaft und des privaten Lebens ausgelöst durch sogenannte disruptive Technologien diskutiert [13]. Die Herausforderung der digitalen Transformation ist dabei eine Kombination aus strategischen, organisatorischen und kulturellen Fragestellungen, die weit über den reinen Technologieeinsatz hinausgehen [4, 5]. Ziel muss es sein, den Zusammenhang zwischen innovativen Technologien und digitalen Geschäftsmodellen sowie die daraus resultierenden Veränderungen von Organisationen, Wertschöpfungsketten und Märkten zu verstehen [68].

In diesem Zusammenhang gilt das Internet der Dinge (englisch: Internet of Things, IoT) als eine vielversprechende disruptive Technologie [9], da es sich zwei bis drei Mal schneller entwickelt als viele Innovationen und Technologien zuvor [10]. Die Internationale Fernmeldeunion (englisch: International Telecommunication Union, ITU) definiert das IoT als globale Infrastruktur für die Informationsgesellschaft, die fortgeschrittene Dienste durch die Verbindung physischer und virtueller Dinge auf der Grundlage bestehender und sich entwickelnder interoperabler Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglicht [11].

Bereits wenige Jahre nach der Einführung hat das IoT 2016 zu einer Vernetzung von etwa 6,4 Milliarden Geräten geführt [12]. Im Vergleich dazu wurden für 2016 weltweit nur etwa 3,9 Milliarden aktive Smartphone-Anschlüsse [13] und 3,4 Milliarden Internetnutzer [14] prognostiziert, sowie 1,6 Milliarden TV-Haushalte [15] festgestellt. Damit scheint das IoT bei weitem kein Hype mehr zu sein, als welcher es noch 2011 von Gartner klassifiziert wurde [16]. Damals erschien das IoT zusammen mit der Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M) erstmals auf dem Gartner Hype Zyklus [16]. Es begann eine vierstufige Evolution des IoT (Abb. 5.1) [17]. M2M umfasste zu diesem Zeitpunkt die einfache Vernetzung von mechanischen oder elektronischen Geräten, sowie den automatisierten Austausch zwischen den Geräten [18, 19]. Daraus ging in der nächsten Evolutionsstufe das IoT 1.0 hervor, welches zusätzlich die Vernetzung und das Monitoring von Sensoren fokussierte und Gerätemanagement mithilfe von Dashboards ermöglichte. Mit dem darauffolgenden IoT 2.0 wurde die Möglichkeit geschaffen, Daten zwischen IoT-Geräten auszutauschen und erste Analysen basierend auf diesen Daten durchzuführen. IoT gilt seitdem nicht mehr nur als Enabler für die Vernetzung von Geräten, sondern vielmehr als Middleware, auf der Applikationen aufgesetzt werden können. Heute steht das IoT vor dem Durchbruch zum IoT 3.0, das umfassende Ökosysteme, neue Industrieservices und Service-Plattformen mit fortgeschrittenen Analysemöglichkeiten mit sich bringen wird.
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Abb. 5.1

Die Evolution von Machine-to-Machine zum Internet der Dinge in Anlehnung an [17]

Als Katalysator für den Durchbruch vom IoT 2.0 zum IoT 3.0 zählen Low Power Wide Area (LPWA) Technologien. Das sind Kommunikationstechnologien, die unter anderem durch eine hohe Energieeffizienz und große Reichweiten, aber gleichzeitig geringe Kosten charakterisiert sind. Ein Beispiel für eine LPWA-Technologie ist NarrowBand Internet of Things (NB-IoT). NB-IoT wurde 2016 standardisiert und ermöglicht es, Geräte energieeffizient und unmittelbar über das Mobilfunknetz zu vernetzen und an das Internet anzubinden [20]. Geräte werden dadurch über große Reichweiten eigenständig kommunikationsfähig. Im Oktober 2017 wurden weltweit bereits 21 kommerziell verfügbare NB-IoT-Netzwerke gezählt [21]. Prognostiziert wurden bis Ende 2017 sogar insgesamt 30 kommerziell verfügbare NB-IoT-Netzwerke [21].

Das IoT steht mit NB-IoT vor einem gestiegenen Nutzenpotenzial [41], da eine zunehmende Anzahl miteinander verbundener Geräte und der Austausch von Daten zwischen den Geräten realisierbar sind [20]. Durch den starken Anstieg der Gerätezahl entstehen insgesamt große Datenmengen, obwohl jedes einzelne Gerät nur kleine Datenpakete über NB-IoT sendet. Die fortgeschrittenen Analysemöglichkeiten des IoT 3.0 helfen dabei, aus IoT-Daten entscheidungsrelevantere Informationen – sogenannte Insights – zu generieren, die für eine höhere Entscheidungsagilität genutzt werden können. Im Kontext der digitalen Transformation wird das IoT daher als ein technologischer Treiber angesehen, durch den neue Geschäftsmodelle im Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure entstehen können [2, 20]. Identifizierte Schlüsselakteure sind unter anderem traditionelle Industrieunternehmen, Kommunen und Telekommunikationsunternehmen (Telkos) [22]. Letztere ermöglichen mit der Bereitstellung von Konnektivität, dass kleine Geräte mit winzigen Batterien nahezu überall und direkt an das Internet angebunden werden können. Industrieunternehmen sorgen unter anderem für die Entwicklung von Hardwarekomponenten mit langlebigen Batterien.

Zum Beispiel entwickelt NOWI in Kooperation mit T-Mobile in den Niederlanden derzeit Sensoren, die eine Technologie zur Energiegewinnung aus 4G-Netzen nutzt [23]. Die Technologie wird Energy Harvesting genannt und ermöglicht es, kleine Energiemengen aus z. B. Kommunikationssignalen zu entnehmen. Beim Energy Harvesting kann außerdem Energie aus Licht, Vibrationen und Wärme genutzt werden. Obwohl die entnommene Energiemenge begrenzt ist, ermöglicht der geringe Energieverbrauch von NB-IoT den Sensoren eine lebenslange Betriebsdauer [24]. Damit wird die technologische Grundlage für Anwendungsfälle geschaffen, die zuvor nicht möglich gewesen wären. Beispielsweise können Temperatursensoren im Straßenasphalt, in Betonplatten oder Fliesen fest verbaut werden und bei der Messung von Oberflächentemperaturen unterstützen [24]. Das niederländische Eisenbahninfrastrukturunternehmen ProRail testet einen solchen Anwendungsfall momentan in Delft (Niederlande), indem es zwischen den Fliesen am Bahnsteig batterielose Sensoren von NOWI verlegt, um die Temperatur zu messen [25]. Die Sensoren senden ein Signal, wenn die Temperatur sich dem Gefrierpunkt nähert. Auf diese Weise kann ProRail gezielt gegen Glätte auf dem Bahnsteig vorgehen, indem es zum richtigen Zeitpunkt Salz streut. Zukünftig werden Sensoren mit nahezu unendlicher Betriebsdauer durch die Nutzung energieeffizienter Kommunikationstechnologien auch im Konsumentenmarkt Anwendung finden. Philips bietet mit Philips Hue Tap bereits einen Tippschalter zum Verkauf an, der die kinetische Energie des Tastendrucks nutzt und daher keine Batterien benötigt [26]. Der Tippschalter kann in Häusern oder Wohnungen als Fernbedienung für bevorzugte Szenen verwendet werden, um beispielsweise alle Lampen auf einmal auszuschalten [26]. Weitere denkbare Einsatzbereiche im Konsumentenmarkt für kabellose Sensoren, die ohne Batterieersatz auskommen, sind Smart Watches oder Fitnessarmbänder [24, 27].

Die Beispiele verdeutlichen den engen Zusammenhang zwischen der technischen Entwicklung von IoT, den sich daraus ergebenden neuen Anwendungsfällen, deren Innovationspotenzial für Geschäftsmodelle und die daraus resultierende Umsetzung in neu strukturierte Wertschöpfungsnetzwerke, bei denen die Sammlung und Verarbeitung von Informationen einen hohen Stellenwert einnimmt. Der Mehrwert aus IoT-Anwendungsfällen entsteht meist aus einer Kombination aus Konnektivität und der Bereitstellung von entscheidungsrelevanten Informationen. In diesem Zusammenhang gibt es unterschiedliche Ansätze, die Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Akteuren aufzuteilen. So ist aus Sicht der Industrieunternehmen ein möglicher Vorschlag, Ökosysteme um die Industrieunternehmen herum zu gestalten [28]. Soll die Konnektivität über ein öffentliches Telekommunikationsnetz (z. B. Mobilfunknetz) realisiert werden, ist die Beteiligung eines Telkos unerlässlich. In dem vorliegenden Kapitel wird die Gestaltung von IoT-Anwendungsfällen im Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure aus der Sicht eines Telkos diskutiert. Dabei wird zwischen den folgenden beiden Fällen unterschieden: Durch das Telekommunikationsunternehmen wird (1) ausschließlich die Konnektivität bereitgestellt oder (2) es werden darüber hinausgehende Dienste angeboten, die durch die Vermarktung von Insights ermöglicht und im Folgenden als informationsgetriebene Geschäftsmodelle bezeichnet werden. Als Grundlage wird in Abschn. 5.2 der Anwendungsfall von ProRail und NOWI ausführlicher hinsichtlich dessen Wertschöpfung betrachtet. Anschließend wird in Abschn. 5.3 das Konzept neuer, informationsgetriebener Geschäftsmodelle am Beispiel des Anwendungsfalls Park and Joy [29] der Deutschen Telekom AG vorgestellt, das zukünftig für einen großen Teil der IoT-Anwendungsfälle relevant sein wird. Dabei werden insbesondere Nutzen, Risiken und Rahmenbedingungen informationsgetriebener Geschäftsmodelle diskutiert (Abschn. 5.4). Das Kapitel schließt mit einem Fazit und Ausblick in Abschn. 5.5.

5.2 Neue Anwendungsfälle des IoT beziehen Wertschöpfung aus Insights

Grundsätzlich existieren heute schon viele IoT-Anwendungsfälle auf dem Markt, die eine Vereinfachung für Endkunden darstellen oder die der Gesellschaft einen Mehrwert bieten [41]. Seit der Standardisierung von NB-IoT in 2016 haben insbesondere NB-IoT-Anwendungsfälle an Bedeutung gewonnen [30], da sie die neue Evolutionsstufe – das IoT 3.0 – realisieren. Warum hat NB-IoT so eine hohe Bedeutung für neue Anwendungsfälle?

Viele Anwendungen erfordern, dass die IoT-Geräte sehr klein sind. Kleine IoT-Geräte können jedoch nur mit entsprechenden Batterien ausgestattet werden. IoT-Geräte sind also auf energieeffiziente Kommunikationstechnologien angewiesen, um von langen Batterielebensdauern zu profitieren [24]. Anwendungsfälle wie Tracking, die auf eine mobile Anwendung ausgerichtet sind, setzen außerdem drahtlose Kommunikation der IoT-Geräte voraus. Für Anwendungsfälle wie Smart Metering, bei denen IoT-Geräte meistens in tiefen Kellern angebracht sind, ist auch eine hohe Gebäudedurchdringung der Kommunikationstechnologie erforderlich [20]. Gleichermaßen stehen niedrige Gerätekosten und niedrige Kosten für Konnektivität im Vordergrund, wenn – wie prognostiziert – bis 2020 über 20 Milliarden IoT-Geräte vernetzt sein sollen [12]. NB-IoT erfüllt alle diese Anforderungen und wird daher als Wegbereiter für neue Anwendungsfälle angesehen. Nachfolgend wird am Beispiel des in Abschn. 5.1 beschriebenen Anwendungsfalls von NOWI und ProRail erläutert, wie (NB-)IoT-Anwendungsfälle generell technisch bzw. logisch aufgebaut werden können und welche Umsetzungsoptionen im Zusammenspiel unterschiedlicher Partner dazu in Frage kommen. Das Hauptaugenmerk dieses Abschnitts liegt darauf, die Rolle und Geschäftsmodelle von Telkos bei bestehenden (NB-)IoT-Anwendungsfällen herauszustellen. Der Schwerpunkt dieser Anwendungsfälle liegt also auf der Bereitstellung von Konnektivität zwischen unterschiedlichen Geräten.

NB-IoT ermöglicht den Anwendungsfall von NOWI und ProRail, bei dem batterielose Temperatursensoren am Bahnsteig in Delft zur Vorbeugung von Glätte genutzt werden [25]. Zur Realisierung des Anwendungsfalls werden die Sensoren mithilfe von NB-IoT vernetzt, die beim Unterschreiten einer bestimmten Temperatur ein Signal senden. Es ist davon auszugehen, dass die Sensoren die gemessenen Temperaturen über NB-IoT in eine Cloud übertragen. In Abb. 5.2 ist eine Realisierungsmöglichkeit des Anwendungsfalls vereinfacht dargestellt, die auf Annahmen und praktischen Projekterfahrungen basiert. In der Cloud können historische und aktuelle Daten gespeichert werden, beispielsweise Daten wie die Sensor-ID, die Sensorposition, Zeit und Datum der Temperaturmessung, sowie die gemessene Temperatur. Mithilfe von einfachen Analysemethoden können aus den vorhandenen Daten entscheidungsrelevantere Informationen abgeleitet werden. Relevantere Informationen sind für ProRail vor allem positionsgenaue Oberflächentemperaturen am Bahnsteig und das Wissen darüber, wann und an welcher Stelle der Bahnsteig zu frieren droht. Wenn ProRail relevantere Informationen als Resultat der einfachen Datenanalysen zur Verfügung stehen, kann ProRail schneller und gezielter handeln. Es entsteht Entscheidungsagilität. Dadurch dass ProRail zu jeder Zeit genau weiß, wie kalt es am Bahnsteig ist, kann ProRail zur richtigen Zeit an den entsprechenden Stellen Salz streuen. Wenn relevantere Informationen zu einer Entscheidungsagilität führen, entsteht Mehrwert [20]. In diesem Anwendungsfall entsteht Mehrwert für die Gesellschaft, ProRail und die Niederländische Eisenbahnen AG. Zum einen wird Glätte am Bahnsteig vermieden, die für Passagiere und Bedienstete gefährlich sein kann. Zum anderen kann ProRail durch effizienteres Salzstreuen Kosten einsparen. Die Vermeidung von Glätte führt auch dazu, dass Passagiere schneller in die Züge ein- und aussteigen können und unerwartete Vorfälle am Bahnsteig vermieden werden. Dadurch kann letztendlich die Pünktlichkeit des Zugverkehrs im Winter erhöht werden. Diese komplexen Nutzenbeziehungen sind typisch für IoT-Anwendungsfälle, wodurch häufig die Umsetzung eines Zusammenspiels aus unterschiedlichen Akteuren entsteht.
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Abb. 5.2

Temperatursensoren senden Daten über NB-IoT zur Analyse in eine Cloud

Im Folgenden werden die Umsetzungsoptionen im Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure beispielhaft am Anwendungsfall von ProRail diskutiert.1 In Abb. 5.2 wird nicht nur deutlich, wie der Anwendungsfall realisiert werden kann, sondern auch in welche technischen bzw. logischen Schichten er sich vereinfacht unterteilen lässt. Der Anwendungsfall wird physisch durch die Installation der Sensoren am Bahnsteig realisiert. Die Sensoren spiegeln die Geräte-Schicht wieder, zu der neben Sensoren auch andere Hardwarekomponenten wie Aktuatoren zählen. Die Sensoren werden im beschriebenen Anwendungsfall von NOWI in Kooperation mit T-Mobile Niederlande entwickelt und bereitgestellt [24]. Die darüberliegende Schicht umfasst die Zugangsnetzdienste. Da NB-IoT ein Mobilfunkstandard ist, wird die Konnektivität typischerweise von einem Telko, wie zum Beispiel T-Mobile Niederlande, bereitgestellt. Die mittlere Schicht beschreibt horizontale Dienste, die unabhängig von den zugrundeliegenden Geräten und Übertragungstechnologien funktionieren. Diese Schicht umfasst unter anderem Cloud-Dienste, die in der Praxis häufig von Dienstanbietern wie IBM, Microsoft oder SAP [42] bereitgestellt werden. Aber auch Hardwarehersteller wie Dual Inventive [31] und Telkos wie die Deutsche Telekom AG bieten Cloud-Dienste zur Steuerung und zum Monitoring von IoT-Geräten an [32]. In der Schicht der intelligenten Datenanalysen werden aus vorhandenen Daten relevantere Informationen abgeleitet, die in der darüberliegenden Schicht für agiles Handeln und Entscheiden genutzt werden. Intelligente Datenanalysen sind häufig eine integrierte Komponente der darunterliegenden horizontalen Dienste, werden allerdings auch von verschiedenen Anbietern separat angeboten. Es ist davon auszugehen, dass die horizontalen Dienste und intelligenten Datenanalysen im Anwendungsfall von NOWI und ProRail von entsprechenden Dienstanbietern zur Verfügung gestellt werden.

Der beschriebene NB-IoT-Anwendungsfall und dessen Architektur (Abb. 5.2) ist als Beispiel für eine Vielzahl bestehender Anwendungsfälle anzusehen. Der Schwerpunkt dieser Anwendungsfälle liegt auf der Realisierung von Konnektivität, im konkreten Beispiel steht die Verbindung zu einer Vielzahl von Sensoren im Bahnsteig im Vordergrund. Die gesammelten Daten werden relativ einfach analysiert, wie die Überwachung der Temperatur bei ProRail. Die Zuständigkeit der Akteure erfolgt gemäß einer Schichtenarchitektur. Somit sind z. B. Telkos überwiegend den physischen Schichten der Zugangsnetze und Geräte zugeordnet, was somit nur der Bereitstellung von IoT-Konnektivität2 und ggf. Sensoren entspricht. Die Datenhoheit liegt bei dieser Art der Anwendungsfälle üblicherweise bei einem Akteur, der die gesammelten Daten aus seiner Sicht analysiert. Eine Zusammenführung aus unterschiedlichen Datenquellen und Interpretation der Daten aus unterschiedlichen Blickwinkeln findet nicht statt. Insofern besteht ein großes Potenzial für Telkos, neben der Bereitstellung von IoT-Konnektivität zukünftig auch Beiträge zu weiteren Teilen der Ende-zu-Ende-Wertschöpfungskette zu liefern. Eine Möglichkeit dafür stellen informationsgetriebene Geschäftsmodelle dar, die in den drei oberen technischen bzw. logischen Schichten (Abb. 5.2) angesiedelt sind. Die ausschließlich auf IoT-Konnektivität basierenden Geschäftsmodelle geraten zunehmend unter Druck, weil die Umsätze durch IoT-Konnektivität gemessen am Gesamtumsatz eines Telkos gering sind und die Bereitstellung von IoT-Konnektivität langfristig zum Kerngeschäft werden wird. Deshalb müssen Telkos herkömmliche Geschäftsmodelle mit informationsgetriebenen Geschäftsmodellen unterstützten und weiterentwickeln, um auf dem IoT-Markt eine zentrale Rolle einzunehmen. Wie bestehende IoT-Anwendungsfälle durch informationsgetriebene Geschäftsmodelle weiterentwickelt werden können, wird in Abschn. 5.3 erklärt.

5.3 Entscheidungsagilität und Einzigartigkeit bestimmen die Mehrwertschöpfung

IoT-Anwendungsfälle bieten für Telkos neben der Bereitstellung von IoT-Konnektivität die Möglichkeit, mit informationsgetriebenen Geschäftsmodellen weitere Beiträge zur Wertschöpfung zu liefern. Deshalb sollten Telkos die Entwicklung informationsgetriebener Geschäftsmodelle forcieren, um herkömmliche Geschäftsmodelle zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Mit informationsgetriebenen Geschäftsmodellen wird allgemein das Ziel verfolgt, aus Daten zunächst relevantere Informationen (Insights) abzuleiten und diese für eine Erhöhung der Entscheidungsagilität einzusetzen, um einen Mehrwert zu generieren. Zur Ableitung von Insights aus großen Mengen strukturierter und unstrukturierter Daten in einer hohen Geschwindigkeit werden Algorithmen bzw. Big Data-Analysen eingesetzt [20]. Insights können außerdem monetarisiert werden, um eine zusätzliche Wertschöpfung aus dem Analysegeschäft zu erzielen. Informationsgetriebene Geschäftsmodelle können auf Daten aufsetzen, die in IoT-Anwendungsfällen erzeugt werden. Ergänzend dazu können auch Insights aus anderen Informationsquellen, wie beispielsweise Social Media, CRM- oder Produktionssystemen, in die Big Data-Analysen einbezogen und kombiniert werden.

Ein Beispiel für informationsgetriebene Geschäftsmodelle ist der IoT-Anwendungsfall Park and Joy, bei dem Parkplätze mithilfe von Sensoren vernetzt und Autofahrer in Echtzeit per App über verfügbare Parkplätze informiert werden. Park and Joy ermöglicht es Nutzern außerdem, Parkplätze direkt per App zu buchen und zu bezahlen [29]. Somit wird der gesamte Parkprozess abgedeckt, vom Parkplatz finden, über das Buchen und Parken, bis hin zum Bezahlen [33]. Technisch wird Park and Joy realisiert, indem Sensoren auf den Parkflächen erfassen, ob ein Parkplatz frei oder belegt ist [33]. Die Sensoren senden die Daten über NB-IoT in eine sichere Cloud der Deutschen Telekom AG [33], die als Datenquelle für Datenanalysen fungiert. Die Analyseergebnisse werden in Echtzeit in der App als Gesamtüberblick über die verfügbaren Parkplätze einer Kommune bereitgestellt [33].

Anwendungsfälle wie Park and Joy bestehen wie der ProRail-Anwendungsfall häufig auch aus den technischen und logischen Schichten, die in Abb. 5.2 dargestellt sind. Jedoch ist die Zuständigkeit der Akteure anders verteilt. Bei informationsgetriebenen Geschäftsmodellen fungieren Telekommunikationsunternehmen als Intermediäre. Zusätzlich zur Bereitstellung von Sensoren und Konnektivität werden horizontale Dienste (z. B. eine eigene Cloud), intelligente Datenanalysen und die Bereitstellung von Anwendungen (z. B. einer App) angeboten. Dadurch haben Telekommunikationsunternehmen bei diesen Anwendungsfällen einen maßgeblichen Anteil an der Ende-zu-Ende-Wertschöpfung. Wie sieht die Ende-zu-Ende-Wertschöpfung von IoT-Anwendungsfällen aus, die auf informationsgetriebenen Geschäftsmodellen basieren?

Um zu analysieren, wie die Ende-zu-Ende-Wertschöpfung eines IoT-Anwendungsfalls aussieht, wurden in mehreren Vorarbeiten verschiedene Modelle entwickelt.

Schneider et al. [20] schlagen ein Analyseverfahren vor, dessen zentrales Element die Untersuchung der Geschäftsbeziehungen – vor allem der Daten- und Informationsflüsse – zwischen den beteiligten Partnern eines IoT-Anwendungsfalls ist. Wertschöpfungsanalysen mit diesem Modell haben gezeigt, dass zur Realisierung von IoT-Anwendungsfällen neue Partnermodelle erforderlich sind [20]. Außerdem kann ein Anwendungsfall nur dann einen Wert erzielen, wenn ein expliziter Endkundennutzen erzeugt wird und der Wert für den Kunden konsequent im Fokus des Anwendungsfalls steht [34]. Bei den meisten Anwendungsfällen wird der Endkundennutzen durch die Analyse der IoT-Daten mithilfe von Big Data erzeugt. Nach einem Modell von Wisselink et al. [35] entsteht durch Big Data-Analysen Mehrwert, wenn aus großen Mengen strukturierter und unstrukturierter Daten bessere Informationen (Insights) abgeleitet und diese für agile Handlungen und Entscheidungen (Entscheidungsagilität) eingesetzt werden (Abb. 5.3) [35].
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Abb. 5.3

Wertschöpfung durch Daten und Algorithmen [36]

Ein aktuelles Positionspapier des Bitkom [36] beschreibt, wie aus Daten automatisierte Entscheidungen abgeleitet werden, die für die Entscheidungsagilität wichtig sind. Automatisierte Entscheidungen sind eine zentrale Komponente von Anwendungsfällen wie Park and Joy, bei denen mit Hilfe von Algorithmen in Echtzeit auf der Grundlage von Daten Entscheidungsalternativen ermittelt, bewertet und umgesetzt werden (z. B. die Auswahl freier oder belegter Parkplätze) [36]. Je besser ein Algorithmus diese Alternativen bewertet und entsprechende Entscheidungen daraus ableitet, desto größer ist sein Mehrwert [36].

Die Anwendung dieser Modelle auf Smart Parking-Anwendungsfälle wie Park and Joy, hat gezeigt, dass vor allem Telekommunikationsunternehmen, Kommunen und Endkunden Schlüsselpartner für die Realisierung sind. Durch die Vernetzung von Parkflächen, die Ableitung von Insights aus den erfassten Daten und agile Entscheidungen können Mehrwerte für alle Schlüsselpartner generiert werden. Dabei hat immer der Mehrwert des Endkunden im Vordergrund zu stehen, den die Akteure durch den primären Anwendungsfall generieren. In dem konkreten Anwendungsfall von Park and Joy können durch die Kooperation von Kommune und Telekommunikationsunternehmen dem Endkunden über die App entscheidungsrelevantere Informationen angeboten werden. Die bessere Kenntnis darüber, welche Parkflächen verfügbar oder besetzt sind, vereinfacht dem Endkunden die Parkplatzsuche. Ihm wird insofern agiles Handeln ermöglicht, als dass er direkt zu einem verfügbaren Parkplatz fahren kann. Dadurch ergeben sich Zeitersparnisse und Kostenreduzierungen als Mehrwerte, da die Parkplatzsuche entfällt und der Kraftstoffverbrauch, sowie der Verschleiß am Fahrzeug reduziert werden. Die minutengenaue Erfassung und Anzeige der Parkdauer in der App ermöglicht es dem Endkunden außerdem, die Parkdauer vor dem Ablauf der bezahlten Parkdauer zu verlängern. Der Mehrwert davon ist, dass der Endkunde weder ein zu teures Parkticket kaufen muss, um die benötigte Parkdauer sicher abzudecken, noch Gefahr läuft, einen Strafzettel für das Überschreiten der bezahlten Parkdauer zu erhalten.

Für die Kommune bzw. das Ordnungsamt werden Kontrollaufgaben durch die Verfügbarkeit von Echtzeit-Parkinformationen effizienter und effektiver. Durch die Verfügbarkeit relevanterer Informationen erfährt das Ordnungsamt, welcher Parkplatz belegt ist und ob für die Nutzung des Parkplatzes über die App bezahlt wurde. Diese bessere Kenntnis erhöht die Entscheidungsagilität des Ordnungsamts, da Parkkontrollen punktuell vorgenommen werden können, wenn ein Parkplatz belegt ist, jedoch nicht über die App bezahlt wurde. Der Mehrwert für die Kommune liegt darin, dass das Personal des Ordnungsamts effizienter eingesetzt und die nicht bezahlte Nutzung von Parkplätzen durch optimierte Kontrollmöglichkeiten minimiert werden kann. Weiterhin sind durch die digitale Parkplatzbezahlung nicht mehr so viele Parkautomaten und Papier für Parkticketdrucks notwendig, so dass die Kommune an dieser Stelle Kosten einsparen kann. Für das Telekommunikationsunternehmen folgen aus dem primären Anwendungsfall vor allem Einnahmen aus der Bereitstellung von NB-IoT-Konnektivität und Parksensoren, sowie mögliche Provisionen von der Kommune für Parkticketbezahlungen des Endkunden per App.

Nicht direkt aus dem primären Anwendungsfall, sondern aus dem Analysegeschäft basierend auf den Insights, die aus den Daten des Anwendungsfalls generiert werden können, entstehen für die Kommune und das Telekommunikationsunternehmen weitere Mehrwerte. Aus den großen Mengen an Parkdaten, wie zum Beispiel den Parkorten, den Parkuhrzeiten, den Parkdauern und den Fahrzeugtypen auf Parkplätzen lassen sich Parkstatistiken generieren. Mit den Parkstatistiken erhält die Kommune beispielsweise genauere Informationen über das Verkehrsaufkommen zu bestimmten Zeiten, an verschiedenen Orten. Damit kann zum Beispiel die Verkehrsführung durch Ampeln und digitale Straßenschilder agil angepasst und Staus minimiert werden. Mehrwerte, die daraus für die Kommune resultieren, sind zum Beispiel die Reduzierung von Kohlenstoffdioxid-Emissionswerten, eine höhere Attraktivität der Kommune und ggf. weniger Verkehrsunfälle. Das Telekommunikationsunternehmen kann die Informationen aus Parkstatistiken beispielsweise nutzen, um Beratung für Verkehrsflüsse anzubieten. Weiterhin können die Parkinsights aus dem primären Anwendungsfall monetarisiert werden, um einen weiteren Mehrwert zu generieren.

Die Anwendung der Modelle hat am Beispiel eines Smart Parking-Anwendungsfalls verdeutlicht, wie Insights zu einer höheren Entscheidungsagilität führen und wie dadurch Mehrwert für verschiedene Partner entstehen kann. Informationsgetriebene Geschäftsmodelle weisen die Besonderheit auf, dass die Ende-zu-Ende-Wertschöpfung nicht nur durch den primären Anwendungsfall erfolgt, sondern auch durch das Analysegeschäft. Dadurch dass Telekommunikationsunternehmen als Intermediäre fungieren, ist eine vielfältige Nutzung der generierten Insights möglich, welche sich von den einfachen Analysen der auf Konnektivität basierenden Anwendungsfälle abgrenzt.

Das in Abb. 5.4 dargestellte Modell veranschaulicht, wie die Ende-zu-Ende-Wertschöpfung von Anwendungsfällen basierend auf informationsgetriebenen Geschäftsmodellen funktioniert. In dem Modell wird angenommen, dass ein IoT-Anwendungsfall von zwei Partnern realisiert wird. Beim Smart Parking-Anwendungsfall sind diese zwei Partner das Telekommunikationsunternehmen und die Kommune, die den Anwendungsfall durch die Installation und Vernetzung von Sensoren in Parkflächen, sowie die Bereitstellung einer Parking-App realisieren. Durch den IoT-Anwendungsfall schaffen die Partner einen Mehrwert für einen gemeinsamen Business-to-Consumer (B2C)-Kunden. Die Wertschöpfung für die beiden Partner entsteht dadurch, dass der gemeinsame B2C-Kunde bereit ist, für den Mehrwert zu bezahlen oder seine Daten bereitzustellen, aus denen wiederum Mehrwert für beide Partner generiert werden kann. Beim Smart Parking-Anwendungsfall gibt der B2C-Kunde zur Nutzung des Services bestimmte Parkdaten frei und bezahlt den Parkplatz per App, wodurch unentgeltliche und entgeltliche Wertschöpfung entsteht. Eine Eigenschaft von informationsgetriebenen Geschäftsmodellen ist, dass zusätzliche Wertschöpfung aus dem Analysegeschäft entsteht. Dazu werden von den Partnern aus den Daten des primären Anwendungsfalls Insights generiert und einem anderen Endkunden, einem Business-to-Business (B2B)-Kunden, zur Verfügung gestellt. Wenn ein B2B-Kunde die Insights zur Erhöhung seiner Entscheidungsagilität verwenden und damit einen Mehrwert generieren kann, können die Insights monetarisiert werden. Um Insights generell monetarisieren zu können, müssen sie nicht nur entscheidungsrelevante Informationen und Entscheidungsagilität mit sich bringen, sondern auch im Markt einzigartig sein. Das liegt daran, dass Insights nur dann wertvoll sind, wenn sie nicht von anderen Anbietern oder nicht in einer ähnlichen Qualität angeboten werden können [37]. Deshalb muss das qualitative Wertschöpfungsmodell aus Abb. 5.3 um den Parameter Einzigartigkeit ergänzt werden, um Markteffekte zu berücksichtigen (siehe Abb. 5.5).
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Abb. 5.4

Wertschöpfung durch den primären Anwendungsfall und Analysegeschäfte

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Abb. 5.5

Die Monetarisierung von Insights wird durch deren Einzigartigkeit geprägt [37]

Aus der Anbieterperspektive – also der Perspektive der Partner – ist es wichtig zu berücksichtigen, dass die Wertschöpfungsbilanz nur dann positiv sein kann, wenn die Wertschöpfung durch die Einzigartigkeit der Insights größer ist als die Summe der Kosten der Insights-Generierung und des Risikos der Anwendung bzw. Monetarisierung. Um Insights nachhaltig zu monetarisieren sind deshalb gewisse Rahmenbedingungen zu beachten, auf die in Abschn. 5.4 eingegangen wird. Wertschöpfung kann für beide Partner außerdem entstehen, wenn sie die Insights aus dem Analysegeschäft selber nutzen, um das eigene Geschäft zu optimieren. Aus der Wertschöpfung des primären Anwendungsfalls und der Wertschöpfung aus dem Analysegeschäft ergibt sich eine Gesamtwertschöpfung für beide Partner. Die Verteilung der Gesamtwertschöpfung auf die Partner hängt vom Anwendungsfall ab und wird in der Regel verhandelt und vertraglich festgehalten. Dabei müssen die Verteilung der Wertschöpfung aus dem primären Anwendungsfall und die Verteilung der Wertschöpfung aus dem Analysegeschäft zwischen den Partnern nicht notwendigerweise gleich sein.

5.4 Rahmenbedingungen für das Analysegeschäft informationsgetriebener Geschäftsmodelle

Die Monetarisierung von Insights kann nur nachhaltig stattfinden [36], wenn sorgfältig gehandelt wird und Rahmenbedingungen berücksichtigt werden [37]. In diesem Abschnitt werden die wesentlichen Rahmenbedingungen zur Monetarisierung von Insights für Telkos erläutert.

Kundenvertrauen ist für Telkos ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu Over-The-Top-Anbietern (OTT) [38]. Es ist essentiell, dass das Kundenvertrauen immer aufrechterhalten wird [39]. Um das Kundenvertrauen dauerhaft sicherzustellen, sind für informationsgetriebene Geschäftsmodelle klare ethische Grundsätze und Leitlinien erforderlich. Ein aktuelles Beispiel dafür sind die Leitlinien der Deutschen Telekom AG [40]. Solche Leitlinien stellen unter anderem sicher, dass mit Insights nachhaltig umgegangen wird. Aus der Perspektive eines Telekommunikationsanbieters stellt das in Abb. 5.6 dargestellte Modell die Prinzipien der nachhaltigen Insights-Monetarisierung dar [37]. Vor der Nutzung eines Dienstes, wie zum Beispiel einer Smart Parking-App, müssen Kunden der Datennutzung durch den Anbieter einwilligen. Dabei wägen Kunden zwischen dem Nutzen des angebotenen Dienstes und den wahrgenommenen Kosten für die Bereitstellung ihrer Daten ab (siehe Punkt 1 in Abb. 5.6). Daher müssen Provider attraktive Dienste anbieten, bei denen der Mehrwert höher ist als die wahrgenommenen Kosten. Wenn der Kunde seine Einwilligung zur Datennutzung gegeben hat, dürfen Telkos Insights generieren und nachhaltig monetarisieren (siehe Punkt 2 in Abb. 5.6).
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Abb. 5.6

Abwägungsszenarien für Kunden eines Big Data Dienstes [37]

Es ist dabei immer zu berücksichtigen, dass die Monetarisierung von Insights ein sehr sensibles Thema ist, das mit vielen Risiken verbunden ist. Für Telkos ist das Kundenvertrauen von hoher Bedeutung. Da sich der Verlust von Kundenvertrauen auf den gesamten Umsatz auswirkt, sollten Risiken minimiert und sollte sichergestellt werden, dass die Wertschöpfung nachhaltig stattfindet. Wenn das der Fall ist, entsteht durch die Insights-Monetarisierung Mehrwert für das Telekommunikationsunternehmen und den Kunden – eine Win-Win-Situation [37]. Wenn die Bilanz zwischen Wertschöpfung und Risiko kippt, erhöhen sich die wahrgenommenen Kosten des Kunden und es entsteht eine Lose-Lose-Situation [37].

Eine exemplarische Anwendung des Modells auf einen Smart Parking-Anwendungsfall zeigt Abb. 5.7 unter der Annahme, dass der Anwendungsfall alleine von einem Telko und entsprechenden Partnern (z. B. einer Kommune) realisiert wird. Es ist davon auszugehen, dass der Kundennutzen bei einem Smart Parking-Anwendungsfall wie Park and Joy hoch und die wahrgenommenen Kosten für die Einwilligung zur Datennutzung gering sind. Es sollten daher aufgrund eines attraktiven Dienstes und der gegebenen Vertrauenswürdigkeit des Telkos die Voraussetzungen für die Einwilligung zur Datennutzung und Generierung von Insights aus Parkdaten erfüllt sein. Da die Parkdaten innerhalb des Telkos genutzt und verarbeitet werden, ist das Risiko des Kunden- und Imageverlusts gering. Da Parkinsights eine hohe Einzigartigkeit auf dem Markt haben dürften, kann von einer hohen Wertschöpfung ausgegangen werden. Solange das Kundenvertrauen aufrechterhalten wird, sind die wahrgenommenen Kosten gering, so dass Insights nachhaltig monetarisiert werden können.
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Abb. 5.7

Insights-Monetarisierung bei einem Smart Parking Anwendungsfall eines Telkos [37]

Anders sieht die exemplarische Anwendung des Modells auf einen Smart Parking-Anwendungsfall in Abb. 5.8 aus, wenn davon ausgegangen wird, dass der Anwendungsfall nicht alleine von einem Telekommunikationsunternehmen und entsprechenden Partnern realisiert wird, sondern beispielsweise auch von einem OTT. Denkbar wäre eine Realisierung in Kooperation mit einem OTT, um den Anwendungsfall auf bestehendem Kartenmaterial eines OTTs (z. B. Google Maps) aufzusetzen. Wenn ein attraktiver Smart Parking-Dienst angeboten wird, ist der Kundennutzen vermutlich immer noch höher als die wahrgenommenen Kosten, weshalb die Einwilligung des Kunden zur Datennutzung weiterhin erfolgt. Die wahrgenommenen Kosten dürften allerdings höher sein als beim vorherigen Szenario ohne OTT, weil die Vertrauenswürdigkeit in OTTs geringer ist und lediglich vom Telko auf den OTT übertragen wird. Da die Parkdaten bei einer Kooperation nicht überwiegend in der Domäne des Telkos, sondern auch in der des OTTs genutzt und verarbeitet werden, entsteht für das Telko ein hohes Risiko. Datenschutzprobleme beim OTT werden auf das Telko übertragen und können unmittelbar zu Kunden- und Imageverlust führen. Gleichzeitig geht auch die Einzigartigkeit der Insights verloren, da das OTT ebenfalls Insights aus den Parkdaten generieren kann. Eine nachhaltige Monetarisierung ist nicht möglich, weil zum einen die Einzigartigkeit der Insights nicht gegeben ist und sich zum anderen das hohe Risiko auf die wahrgenommenen Kosten auswirken kann. Wenn der Kundennutzen niedriger wird als die wahrgenommenen Kosten, kann es passieren, dass eine Einwilligung des Kunden zur Datennutzung nicht mehr erfolgt bzw. widerrufen wird.
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Abb. 5.8

Insights-Monetarisierung bei einer Smart Parking-Kooperation zwischen Telko und OTT [37]

Wenn ein Telekommunikationsanbieter sein Kundenvertrauen verliert und Kunden abwandern, gehen nicht nur die Umsätze aus der Monetarisierung von Insights verloren, sondern auch aus dem Kerngeschäft [37]. Einer Detecon-Abschätzung [37] nach werden ungefähr 90 % des Umsatzes aus dem Kerngeschäft und maximal ein Zehntel aus informationsgetriebenen Geschäftsmodellen generiert. Das bedeutet, dass Telkos bei der Anwendung informationsgetriebener Geschäftsmodelle sehr vorsichtig und nachhaltig sein müssen und informationsgetriebene Geschäftsmodelle nur unter Berücksichtigung des Kundenvertrauens sowie klarer Leitlinien durchgeführt werden sollen.

5.5 Fazit

Ausgelöst durch disruptive Technologien werden momentan in Theorie und Praxis fundamentale Veränderungen – auch als digitale Transformation bezeichnet – der Geschäftswelt, der Gesellschaft und des privaten Lebens diskutiert. Als ein wichtiger technologischer Treiber ist dabei das IoT anzusehen. Aufgrund der zunehmenden Verbreitung des IoT – was auch durch die technischen Möglichkeiten des NB-IoT begünstigt wird – können neue Geschäftsmodelle im Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure entstehen. Relevante Akteure sind insbesondere traditionelle Industrieunternehmen, Kommunen und Telkos. Letztere verfolgen bei vielen IoT-Anwendungsfällen überwiegend das Ziel, mit der Bereitstellung von IoT-Konnektivität einen Beitrag zur Wertschöpfung zu leisten. Damit wird von Telekommunikationsunternehmen jedoch nicht die gesamte Ende-zu-Ende-Wertschöpfung unterstützt, die allerdings ein großes Potenzial bietet. Neben der Bereitstellung von IoT-Konnektivität sollten sich Telekommunikationsunternehmen zukünftig auch an weiteren Teilen der Ende-zu-Ende-Wertschöpfung beteiligen und herkömmliche Geschäftsmodelle durch informationsgetriebene Geschäftsmodelle unterstützen und weiterentwickeln. In dem vorliegenden Kapitel wird dazu das Konzept informationsgetriebener Geschäftsmodelle vorgeschlagen sowie Nutzen, Risiken und Rahmenbedingungen werden diskutiert.

Informationsgetriebene Geschäftsmodelle zielen darauf ab, aus Daten zunächst relevante Informationen (Insights) abzuleiten und diese für eine Erhöhung der Entscheidungsagilität einzusetzen, um einen Mehrwert zu generieren. Vereinfacht wird ein IoT-Anwendungsfall von zwei Partnern realisiert, um einen Mehrwert für einen gemeinsamen B2C-Kunden zu schaffen. Durch die Realisierung des primären Anwendungsfalls entsteht für beide Partner entgeltliche oder unentgeltliche Wertschöpfung, da der B2C-Kunde bereit ist dafür zu zahlen oder seine Daten bereitzustellen. Aus den Daten des primären Anwendungsfalls können Insights generiert und monetarisiert werden. Dazu werden die Insights einem B2B-Kunden zur Verfügung gestellt. Wenn der B2B-Kunde die Insights zur Erhöhung seiner Entscheidungsagilität verwenden und damit einen Mehrwert generieren kann, ist eine Monetarisierung möglich. Aus dem primären Anwendungsfall und dem Analysegeschäft ergibt sich eine Gesamtwertschöpfung, dessen Verteilung unter den Partnern verhandelt werden muss. Um Insights generell monetarisieren zu können, müssen sie im Markt einzigartig sein. Insights sind nur wertvoll, wenn sie nicht von anderen Anbietern oder nicht in einer ähnlichen Qualität angeboten werden können. Bei der Monetarisierung von Insights ist immer zu berücksichtigen, dass es sich dabei um ein sehr sensibles Thema handelt, das mit vielen Risiken verbunden ist. Beispielsweise kann sich der Verlust des Kundenvertrauens durch die Monetarisierung von Insights auf den gesamten Umsatz eines Unternehmens auswirken, weil bei Kundenabwanderung nicht nur die Umsätze aus der Monetarisierung von Insights verloren gehen, sondern auch Umsätze aus dem Kerngeschäft. Deshalb sollten Risiken minimiert und sollte sichergestellt werden, dass die Monetarisierung nachhaltig stattfindet. Dazu sind klare ethische Grundsätze und Leitlinien erforderlich.

Die vorliegenden Inhalte basieren auf der Auswertung erster Anwendungsszenarien. Als nächster Schritt sollte eine weitere Evaluation zum Beispiel anhand von Praxisprojekten oder Befragungen durchgeführt werden. Die konkrete Ausgestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken zur Umsetzung von NB-IoT-Geschäftsfällen bietet weitere Fragstellungen für zukünftige Forschung.