Wir kamen im Abenddunkel an. Es war spät, ehe wir an Land gehen konnten und ehe ich Passkontrolle und Einreisecheck hinter mich gebracht hatte, doch schließlich erreichte ich meinen Zug, der erst nicht losfahren konnte, aber spät in der Nacht endlich durch die Dunkelheit fuhr. Ich versuchte, an die Dunkelheit als freundliche Frühjahrsdunkelheit zu denken, aber es war spät, und ich schlief auf der Fahrt ein.
Am frühen Morgen erreichten wir London, und ich machte mich gleich auf die Suche nach einer Unterkunft. In den Straßen war kein Schnee und kein Regen. Es war weder kalt noch mild. Ich sah Lichter und Laute und offene Läden im Dunkel. Ich sah Menschen auf den Straßen, ich versuchte ans Frühjahr zu denken, aber niemand war so angezogen, als stünde der Frühling vor der Tür. Ich dachte, vielleicht würde sich ein wenig Frühling in den Straßen bemerkbar machen, wenn es hell wurde, und nach kurzer Zeit fand ich ein Hotel mit einem leerstehenden Zimmer, in das ich sofort einziehen konnte.
Den Frühling fand ich erst am nächsten Tag. Das heißt, am nächsten Tag fand ich alles. Alle Jahreszeiten. Auf der Suche nach Frühlingsvorzeichen ging ich in mehrere Geschäfte, zunächst heiter und neugierig, dann verwirrt, überwältigt und später beinahe paralysiert über die Verheerungen der Jahreszeiten, und ich weiß nicht, was mich am meisten verwirrte: die sich biegenden Regale mit Früchten und Beeren und Gemüse aller Jahreszeiten und Kontinente oder die Variationen ihrer Verpackungen. Ich schlängelte mich durch Regale und Vitrinen und Kisten und Stapel. Ich sah Behälter aller Art, sechseckige und quadratische, kleine rechteckige und große ovale, mittelgroße Becher mit durchsichtigen gewölbten Deckeln und viereckige Schachteln, deren Ecken scharf waren. Es gab flache Schälchen aus Plastik und Papier, geflochtene Körbe in absonderlichen Formen und zerknitterte Beutel mit Löchern, damit Luft ein- und austreten konnte. Es gab lange Behälter mit Rhabarber und kleine Töpfchen mit Kräutern, die im grellen Frühjahrslicht auf dem Regal weiterwuchsen. Reihenweise Kisten mit Obst, Beutel und Schalen mit seltsamen Schließmechanismen, mit Reißverschlüssen und Knöpfen und kleinen Gummibändern. Ich kam an Schachteln mit Blaubeeren und Himbeeren und Erdbeeren vorbei, sorgfältig auf weiche Unterlagen gebettet. Ich fand gelbe Netze mit Zitronen, orangefarbene mit Apfelsinen, grüne mit Limetten und ein bordeauxfarbenes mit roten Trauben. Es gab Regale mit geschnittenen Früchten, durchsichtige Plastikschalen mit Obst in allen möglichen Formen, in Würfeln und Stäbchen, in Scheiben und Dreiecken oder in Kugeln in Grün oder Gelb. Es gab Gemüse in Tüten und Schachteln, geschnippelt und gerissen und gehackt oder in Ringe geschnitten. Es gab Behälter mit gemischtem Salat und Dressing und Topping und Gabeln und Löffeln, sorgsam in Tütchen verpackt, und ich irrte herum und konnte mich nicht entscheiden, ich hatte vergessen, was zum Frühling gehörte.
Ich dachte an den Frühling im Garten des alten Selter. Die ersten Frühlingsblumen, Schnittlauch, der kleine Spitzen aus dem Boden trieb, und die Petersilie aus dem Herbst, in die Leben kam und die sich anschickte, eine Weile zu wachsen, ehe sie plötzlich ins Stocken geriet. Der Mangold, der im Winterdunkel gestanden hatte und jetzt aus seiner tiefgrünen Mitte heraus weiterwuchs, der letzte Porree, den man ernten musste, ehe es zu spät war, etwas weich nach einem Winter im Garten, die Zwiebeln im Schuppen, Kartoffeln, falls welche übrig geblieben waren, und etwas später der erste Rhabarber, der sich entfaltete, der Spinat, der auftauchte, die Artischocken, die überlebt hatten und deren scharfe Blätter aus der winterträgen Pflanze schossen, während drumherum ihre graubraunen Reste vom letzten Jahr verrotteten, und wieder später der grüne Spargel, erst der allerkleinste, der sich sozusagen selbst gesät hatte, und einige Wochen später die großen hellgrünen Schösslinge, mehr und mehr, bis zum Mittsommer, wenn sie dann weiterwachsen und sich in lange, dunkelgrüne Büsche verwandeln durften.
Ich dachte an den Markt in Clairon. Händler mit weiten Frühjahrsmänteln, Hausfrauen und ältere Herren, die ihre Körbe hinhielten, in die das unverpackte Obst und Gemüse in ungleichmäßigen Schichten gelegt wurde, obendrauf eine braune Tüte mit Weintrauben, jüngere Männer und Frauen mit bedruckten Jutebeuteln und Passanten mit knisternden Plastiktüten.
Ich legte nichts in meinen Korb. Ich zog ihn hinter mir her, er schlingerte auf seinen schiefen Rollen, ich konnte mich nicht entscheiden, während ich durch die Läden ging, wie ein in dem grellen Licht verwirrtes Tier, hin- und hergerissen zwischen meiner Suche nach dem Frühling und den Farben sämtlicher Jahreszeiten.
Letztendlich waren es die Wörter, die mir weiterhalfen, und ich ging zur Kasse mit Frühlingsnamen in meinem Korb: spring greens, spring onions und ein Plastikbehälter mit spring soup und verließ den Laden mit einer kleinen Tüte voller Frühling, nicht viel, aber genug, um zu fühlen, dass ich mich auf dem rechten Weg befand.
Im Zimmer aß ich meine Frühlingssuppe, kalt und undefinierbar im Geschmack, ehe ich mein Gemüse in der Tasche verstaute und am Empfang um Auskunft bat, wie ich am besten nach Süden käme, dem Frühling entgegen.