Abends gehe ich in die Stadt. Nicht nur einen Abend, nein, es war erst einer, dann noch einer, und ein paar Tage später zog ich wieder los. Ich tanze, ich rede nicht viel, weil die Musik so laut ist. Wir sprechen unterschiedliche Sprachen, aber es sind einfache Sätze, die in der Musik fast ertrinken.
Ich wuschele mir kurz durchs Haar und sage auf Englisch: My hair and my hope, und dann tanze ich weiter. In der Nacht darauf sage ich es auf Deutsch und auf Französisch, aber dann gibt die Bemerkung auch nichts mehr her. Meine Haare und meine Hoffnung. Mes cheveux et mes espoirs.
Ich tanze, dass die Röcke fliegen, und denke an die Tage in Clairon. Ich denke, dass ich wieder eine Laune habe. Ich denke freudvoll und ohne Hoffnung. Ich trinke Drinks mit Eiswürfeln, ich tanze, ich stoße mit den nächtlichen Gästen an, während ich große Oliven und baskische Guindilla pebre esse. Ich tanze mit Frauen, aber vor allem mit Männern. Der Raum ist voller Details, und nichts entgeht mir. All die Signale, ich bemerke eine ganze Reihe fast vergessener Signale, die zur Geltung kommen. Es sind meine Arme und mein Gesicht. Es sind die Hände, die es nicht lassen können, meine verbliebenen Haare zu zwirbeln. Ich zupfe ein bisschen an meinem Kleid, wir lesen uns, kommen uns näher, ziehen uns zurück. Ich trinke säuerliche Drinks mit einem Mann, der auf meine Hand schielt, und erst spät geht mir auf, dass er nach den Spuren eines Rings sucht. Er hat einen schwachen hellen Streifen am Finger, und ich frage ihn, ob er seinen Ring in der Tasche hat. Hat er. Er zeigt ihn mir, und ich erzähle ihm, dass Thomas und ich keine Ringe getragen haben. Wir hätten Signale nicht so nötig gefunden. Ein überflüssiges Detail, sage ich. Er ist es, der mir verrät, dass wir baskische Guindilla pebre essen. Er hat in Navarra gelebt, und er versucht mir beizubringen, wie es auf Baskisch heißt: dass ich meine Haare und meine Hoffnung verloren habe, doch das ist zu schwer, ich stolpere über die Details der Wörter, also sprechen wir stattdessen über prä-indoeuropäische Sprachen, aber erst später, als wir im Abenddunkel spazieren gehen. Unser Gespräch bewegt sich im Kreis. Ich habe ihm vom achtzehnten November berichtet, aber ich kann hören, dass er mir nicht glaubt.
Spät in der Nacht gehe ich zu meinem Haus zurück. Meine Schuhe machen klick und klack in der Nacht, klick, klick und klack, sagen sie. Ich zögere, aber ich bleibe nicht stehen. Ich weiß, wenn ich über Nacht einen Gast mit nach Hause nehme, sind es Thomas’ Details, die ich vorfinden werde. Ich schicke meine Signale zur Ruhe und setze mich in die Nachtdunkelheit hinters Haus.
Mein Sinn für Details richtet sich nach innen auf das Bild von Thomas und dann wieder nach außen. Auf den Sternenhimmel, denn heute Nacht hat der Himmel meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ich habe kein Teleskop, aber die Nacht ist dunkel. Ich erkenne viele Sterne, es sind meine Freunde von unserm Rasen in Clairon. Ich höre die Geräusche, ein paar nächtliche Jogger laufen mit regelmäßigen Schritten an meinem Zaun vorbei, aber ich kann sie nicht sehen, denn die Büsche rund um die Terrasse verstellen die Sicht auf die Straße. Ein Kind weint, eine Frau mit einer alten Stimme versucht, es zu trösten. Ein Mann und eine Frau gehen vorüber. Sie sind mitten in einem Gespräch. Dann kommt eine Gruppe von Leuten vorbei und später zwei Frauen, die anfangen zu lachen.
Ich höre alle Sommersprachen, die sich miteinander vermischen, ich höre Spanisch und Englisch und Deutsch, und dann höre ich Finnisch und etwas später eine asiatische Sprache, dann etwas Skandinavisches, Norwegisch, glaube ich.