A ls ich erwachte, suchte ich mit der Hand das Bett ab. Doch er war nicht da. Kurz streckend zwang ich mich aus dem Bett. Nackt schlief ich in Deans Armen ein, fühlte mich wie auf drei Zylindern und wollte trotz der kalten Dusche nicht anlaufen.
Also schleppte ich mich nur im Slip und Shirt die Treppe hinunter, weil der Kaffeedrang in mir schrie.
Es war noch früh, gerade erst zehn Uhr. Für meine Verhältnisse viel zu früh. Auf den Fluren kamen mir die Frauen entgegen, die ich geschickt übersah.
Ok, die ich ganz offensichtlich ignorierte. An der großen Küchentür angekommen hörte ich Stimmen, die mir viel zu bekannt vorkamen. Leise öffnete ich die Tür, um mir selbst zu bestätigen, dass es Greg und D waren, die dort in der Küche diskutierten.
D saß auf einem Stuhl, den Kopf in den Händen gestützt, während Greg vor ihm an der großen Kücheninsel gelehnt stand. »Sie hat gesagt, dass sie dich liebt«, zischte er. »Scheiße, D, egal was du noch mit ihr vorhast, wir sollten verschwinden, bevor du sie zerstörst!«
Mit mir vorhat? Shit! Eigentlich sollte ich das nicht hören. Es ist wie bei einem Autounfall. Zu grausam, um es mit anzusehen, aber zu interessant, um wegzuschauen.
Oder … sollte ich vielleicht genau das hören? Was hatte D denn noch vor? War es das, woran ich die ganze Zeit schon dachte?
D knurrte nur auf und sagte etwas Unverständliches.
»Ich mag sie, D. Ich kann nicht mit ansehen, wie du diese Frau zerstörst.« Greg haute ihm auf den Hinterkopf.
Ok, damit hätte ich nicht gerechnet. Ausgerechnet Greg!
»Das geht dich nichts an!«
»Doch, Mann! Das muss ein Ende finden! Lass uns verschwinden, dann ist sie vielleicht kurz enttäuscht und ballert um sich. Dann geht es ihr jedoch besser, als wenn du ihr Hoffnungen machst und sie komplett zerstörst!«
Wow, das ist hart! , dachte ich.
Wie ein Schlag in den Magen. Das war wirklich heftig und mir blieb kurz die Luft weg.
»Verschwinde, Greg. Kümmere dich darum, was in Chicago los ist. Noch mehr tote Männer können wir nicht gebrauchen.«
Ha! Ein grausamer Ruf schützt wohl nicht vor Feinden! So soll es auch sein!
»Hast du mehr für sie übrig, als sie zu ficken und irgendetwas in deinem kranken Kopf zu planen, D?«, fragte Greg, ohne auf D einzugehen.
Mir fehlen die Worte. Er plant also wirklich etwas.
Meine Beine wurden ganz weich und ich fühlte mich noch einmal erniedrigt. Noch mehr als am Abend zuvor. Mehr, als er mich bereits zu Boden befördert hatte.
»Sorge dich um Chicago und nicht um Jenny.«
Greg schnaubte verächtlich. »Wird gemacht. Aber D? Du bist echt ein Arsch! Das hat sie wirklich nicht verdient!«
Dean sagte nichts darauf und ich hörte seine Schritte über den Marmor. Auf Socken rutschte ich leise und unbemerkt in den nächsten Flur direkt in den Fitnessraum, bevor ich einem der Männer über den Weg laufen musste. Ohne meine Hände zu verbinden oder mich überhaupt anzuziehen, prügelte ich direkt auf den Sandsack ein.
Ich war verunsichert. Nein, ich war wütend.
Shit, er verarschte mich. Das war so klar.
Er würde mich tatsächlich ein zweites Mal verarschen! Dieser verfluchte Mistkerl! Aber na schön.
Ich schlug wütend auf den Boxsack ein.
Er will die verfickten Ländereien? Scheiße, dann soll er sie bekommen. Hauptsache er verschwindet wieder dahin, wo er hergekommen ist.
Shit! Ich war kein Mensch für Emotionen.
Also schlug ich immer weiter auf den Sack ein. Wie konnte ich nur zulassen, dass ein gutaussehender Mann mich zweimal verarschte? Das konnte doch nicht mein fucking Ernst sein!
Ich ließ mir von diesem Mann den Kopf zerstören. Von dem Mann, der diese Nacht bei mir schlief! In meinem Bett! So dumm konnte wirklich nur ich sein!
Ich atmete durch und ließ den Boxsack aushängen. Als ich mich umdrehte, stand Greg in Sportkleidung dort und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Fertig?«
Danke, dass du nicht so ein fucking Badass bist, aber du nervst dennoch! , dachte ich und nickte stattdessen freundlich, ging verschwitzt an ihm vorbei und direkt zur Küche, um mir einen Kaffee zu holen.
Ich brauchte Kaffee, viel Wasser, um meine Haut vom Schweiß zu befreien, und ein bisschen Blow, schon würde der Tag wieder geregelt laufen.
In der Küche saß D nicht mehr und ich machte mir einen Espresso, um dann mit der Tasse nach oben zu wandern. Gerade, als ich gehen wollte, kam Otis rein und begrüßte mich mit einem Nicken.
In dem Moment schoss mir eine Idee durch den Kopf und ich lächelte ihn diabolisch an, sodass er kurz stutzte.
»Okay, Kit, was hast du vor?«
»Otis, du musst für mich Kontakt zu Costa herstellen.«
Noch immer stutzte er. Oder erst recht.
»Costa aus Panama?«
»Ja. Wer sonst?«
»Wegen ihr?«
Tief durchatmend versuchte ich, genau diesen einen Teil meiner Vergangenheit herunterzuschlucken.
»Nein. Für unsere Gäste. Ich muss sie loswerden und Costas Leute sind für diesen Auftrag die besten Männer.«
»Wann warst du das letzte Mal dort?«
Es war so klar, dass er das fragen würde. Dennoch bekam er keine Antwort. Lieber schwieg ich. Was nicht an ihm vorbeiging.
»Ernsthaft, Kit? Du hast dich seit deiner Abreise nicht mehr da blicken lassen?«
»Ich schicke Geld hin. Das reicht doch wohl.«
»Und du denkst, damit ist es getan?«, wurde er nun lauter, weswegen ich erst recht hochfuhr.
»Otis!«, brüllte ich und der Schlag, den ich auf die Marmorplatte setzte, schmetterte durch meine Hand. »Es geht hier nicht um sie. Ich habe damals eine Entscheidung getroffen und alle sind damit zufrieden. Wir haben dadurch das Abkommen und ich möchte jetzt darauf zurückgreifen!«
Leider merkte ich selbst, wie laut und verzweifelt ich nun klang. Aber Otis wusste nur die Hälfte. Was auch so bleiben sollte, ihm aber nicht das Recht gab, darüber zu urteilen.
Daraufhin kam er näher zu mir und schob eine Hand zwischen die Küchenzeile und meinen Bauch, um mich sanft zu streicheln.
»Oder hat Kit wieder ein Problem, worum Costa sich kümmern muss?«
Da drückte ich ihn von mir. »Verflucht, nein! Otis, ich verhüte! Lass den Scheiß und bleib beim Thema.«
Seufzend beugte ich mich wieder über die Arbeitsplatte und stützte den Kopf in die Hände.
Vielleicht war es doch keine gute Idee, nochmal einen Schritt in die Vergangenheit zurückzusetzen. Aber Panama und Costa könnten eine Versicherung sein, wenn D es zu weit trieb. Denn ich musste mich und Detroit schützen.
Vor fast zehn Jahren, als die Nachwehen meines Leichtsinns gegenüber Masis und Otis’ Kontakte mich nach Panama geführt hatten, damit Costas Kartell all meine Probleme lösen konnte, war durch den monatelangen Aufenthalt mehr als ein Waffenstillstand entstanden. Wir hatten ein Bündnis geschlossen, was mir nun helfen könnte, D und seine Leute für immer loszuwerden.
Otis drückte sich von hinten an mich und umfasste meine Oberarme mit seinen Händen.
»Ok, Kit. Ich weiß, wie sehr du solche Fragen und das Thema hasst. Reden wir doch in einer Sprache, die wir beide gut beherrschen.«
Da ich nicht genau wusste, was er meinte, sah ich auf und drehte mich zu ihm, um in seinem Blick die Antwort zu suchen.
»Na, wir sprechen beide fließend geilisch«, erklärte er amüsiert, als ich ihn fragend ansah. Demzufolge musste ich schmunzeln, denn unrecht hatte er nicht. Sein Ablenkungsmanöver kam mir gelegen, bevor meine Gedanken allesamt abdrifteten.
Während er mir die Haare auf eine Schulter strich, erklärte er: »Also, du willst die Freundschaft, die du durch sie bekommen hast, ausnutzen, um Colt loszuwerden, richtig?«
»Ja.«
Seine Finger strichen über meine Oberarme bis hin zu den Hüften. Gleichzeitig beugte er sich runter, um mit seinen Lippen an meinem Hals entlangzugleiten.
»Aber wie willst du Colt dazu bringen, nach Panama zu reisen?«
Auch, wenn ich keine Erregung durch den attraktiven Mann vor mir verspürte, seufzte ich zufrieden und legte meinen Kopf in den Nacken, um ihn gewähren zu lassen. Zumindest konnte ich diese Nähe, die eigentlich nur zu einem führte, zulassen, und diese Sprache beherrschte ich wirklich am besten.
»Er weiß nicht, dass ich hinter seinen Geschäftsanschlägen in Chicago stecke, also werde ich eine Rute nach Panama legen. Schließlich will er den Verantwortlichen finden.«
Mit seinen Lippen an meiner Kehle, die nach unten zum Schlüsselbein strichen, brummte er nur leicht auf.
Dann hob er mich auf die Arbeitsplatte, um sich genau zwischen meine Schenkel zu stellen. Mit einer Hand wickelte er mein Haar in seine Faust, zog mir den Kopf wieder in den Nacken und raunte mir ins Gesicht: »Erklär mir, warum du diesen Job nicht selbst erledigst?«
»Weil ich es über Costa erledigen möchte.«
»Du bist höchstwahrscheinlich die Einzige, die Colt wirklich in die Quere kommen könnte. Also warum erledigst du ihn nicht einfach? Wenn nötig in seinem Schlaf. Er schläft doch in deinem Bett oder hast du Angst?«
»Nein.« Mit stechendem Blick untermalte ich die knappe Antwort.
»Ich verstehe dich nicht.« Nun näherte er sich meinen Lippen. »Wir stehen alle hinter dir und er hätte keine Chance, also, warum über Costa gehen?«
Während eine Hand meinen Schenkel hoch wanderte und unsere Lippen sich kaum merklich berührten, hauchte ich:
»Weil ich es so befehle.« Noch bevor er meine Mitte erreichte, hielt ich ihn am Arm auf, ohne von ihm zurückzuweichen, und raunte: »Also, was sollst du tun?«
Ein kleines Schmunzeln legte sich auf seine Lippen und gerade als er mich küssen wollte, lehnte ich mich nach hinten und sah ihn fordernd an.
»Ich rede mit Costa.«
»Gut. Und wenn du dabei bist, regle mit Saltos die Papiere und alles andere, aber ohne, etwas durchsickern zu lassen.«
»Saltos weiß immer noch nicht, warum du so lange bei Costa warst?«
»Nein.« Augenrollend drückte ich ihn weg. Denn es sollte auch so bleiben. Er wusste nur, dass ich dort einen wichtigen Deal hatte ausarbeiten müssen. Und so makaber das klang, war es nicht mal gelogen.
»Und weiß es Calvin mittlerweile?«, fragte er verwundert und ging zwar auf Abstand, blieb aber zwischen meinen Beinen stehen.
»Nein, und das bleibt auch so.«
»Oh, Kit!«
Genervt schnaubte ich und seine Finger malten auf meinem nackten Oberschenkel kleine Bögen.
»Schon gut, Kit. Dann lass zumindest zu, dass ich mich um dich kümmere.« Dabei huschte ein anzügliches Grinsen auf seine Lippen und erneut schnaubte ich genervt auf, drückte ihn von mir, als er sich wieder vorbeugte, und schnalzte abfällig mit der Zunge.
»Lass gut sein, Otis. Das kenne ich schon.«
»Bei Colt machst du doch auch Ausnahmen.«
Lachend legte ich den Kopf in den Nacken. So unverfroren kannte ich ihn gar nicht.
»Was denn?«, fragte er verunsichert.
Damit schenkte ich ihm meinen ungläubigen Blick, leckte mir über die Lippen und erwiderte amüsiert:
»Ach, Otis, das Leben ist zu kurz, um es mit schlechtem Sex zu füllen.«
»Dreckstück«, schnaubte er und ich handelte mir einen flachen Schlag auf den Schenkel ein. Das leichte Brennen brachte mich erst recht zum Lachen.
»Ok, du darfst jetzt gehen«, forderte ich ihn auf und drängte ihn mit einer Hand auf seiner Brust, doch er sah mich wie versteinert an.
»Otis! Jetzt!«, wurde ich lauter und kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, knallte die Tür auf.
Shit!
Erschrocken sahen wir beide zu Riley, der versuchte, die Situation zu analysieren. Mit verschränkten Armen sah er zwischen uns hin und her. Sein Blick zeigte, wie wenig ihm die Nähe gefiel, die Otis zu mir hatte. Also drückte ich Otis soweit weg, dass ich von der Küchenzeile runterrutschen konnte und knurrte: »Ist was?«
Dabei lief es mir eiskalt den Rücken herunter. Denn tausend Fragen schossen mir in Sekunden durch den Kopf. Er kam im passenden Moment herein, also wie lange stand er schon hinter der Tür? Was hatte er mitbekommen? Wie leise hatten wir gesprochen? Und verdammt, was weiß er nun?
»Sei lieber froh, dass ich hier stehe und nicht D«, gab er zornig wieder, womit er nicht unrecht hatte. Aber letztlich war es mir egal. Denn seine Pläne nervten mich genauso wie seine momentane Anwesenheit in der Villa. Gerade dann, wenn seine Leute mir ebenfalls auf die Pelle rückten.
Daher hob ich eine Braue und versuchte, die innerliche Nervosität zu überspielen.
»Oh, ich verstehe, was du meinst, und wie du siehst, tanze ich vor Freude«, und nahm meine Tasse, um an Otis und anschließend an Riley vorbeizugehen.
Anscheinend wollte aber Riley meine fast abgeklungene Wut erneut entfachen, indem er mir hinterher brüllte.
»Willst du es wirklich drauf anlegen?«
Also drehte ich mich um und mit einem Schritt war ich bei ihm, um ihn mit meinem Körper an die Wand zudrücken. Auf Zehenspitzen und mit der freien Hand an seinem Kopf vorbei gelehnt musterte ich ihn und lächelte.
»Mach nur weiter so.«
Er runzelte die Stirn. »Womit?« Da trällerte ich übertrieben freundlich: »Mich zu nerven. Heute Morgen ist nicht der passende Zeitpunkt, mich zu reizen, also verpiss dich lieber«, was durchaus psychopathischer klang, als es beabsichtigt war.
»Und was soll passieren, wenn ich es dennoch tue?«
Wenn es nicht so eine Verschwendung wäre, würde ich ihm das schwarze Gold in meiner Tasse, in seine dumme Visage kippen. Doch das würde auch nichts ändern, also blieb ich bei der Psycho-Tour, streckte mich weiter hoch, um mit der Zunge seine Kieferlinie entlang zu gleiten, und hauchte:
»Dann gebe ich D einen Grund, nicht nur mich abzuknallen«, sagte ich und ließ umgehend von ihm ab, um die Treppen nach oben zu nehmen, während er mir hinterherrief, was für eine irre Bitch ich war, anstatt einfach zu rufen, dass er mir keine Chance geben würde. Weswegen ich erst recht die Augen rollen ließ.
Da er aber auch nichts weiter hinterfragte, was Otis und ich besprochen hatten, konnte ich davon ausgehen, dass Riley nichts gehört hatte und meine Vergangenheit daher versiegelt bleiben würde.
Wenn das mit Costa nicht funktionieren würde, weil ich mich die letzten zehn Jahre nicht gemeldet und ihm mein Problem überlassen hatte, müsste ich wohl oder übel alle diese Männer vögeln, damit sie sich gegenseitig beseitigten. Und dieser Plan war wirklich irre.
Ich begegnete Calvin auf der Treppe und schenkte ihm nur ein Nicken.
»Arbeiten?«, fragte er krächzend. Also war er erst vor kurzem aufgestanden. Ich nickte erneut und ging zu meinem Zimmer. Wo ich D auf dem Bett sitzend antraf.
Auch wenn die Wut etwas abgeklungen war, so fuhr sie wie ein Blitz durch meine Venen, als ich ihn nur ansah und mich wieder daran erinnerte, wie dumm ich doch war.
»Können wir reden?«, fragte er mich.
Reden? Dachte er, mein Zimmer ist die Bühne für eine Talkshow?
Ich hob eine Braue, trank dabei die Tasse leer und stellte sie auf der Kommode ab.
Es war nicht so, dass ich nichts mehr für ihn empfand. Aber ich kehrte wieder zu meiner Scheißegal-Einstellung zurück. Es machte ja doch keinen Sinn, etwas anderes zuzulassen.
Da draußen auf der Straße war ich Kit, die kaltblütige emotionslose Frau, die nicht zögerte und jeden kaltmachte, der sich ihr in den Weg stellte. Aber hier bei ihm und durch ihn wurde ich zu einer verweichlichten Frau, die glaubte, etwas wie Liebe für einen Mann zu empfinden, der sie nur benutzte, um erneut ein krankes Spiel zu treiben. Und genau für dieses Gefühl, was ich nie mehr spüren wollte, verachtete ich mich. Und hasste ihn umso mehr.
»Jenny?« Er versuchte, nach meinem Arm zu greifen, aber ich zog mich schnell genug zurück und betrat das Bad, um zu duschen.
Er beobachtete mich, während er an der Wand gelehnt dastand. Dafür brauchte ich mich nicht umzudrehen, denn ich spürte seine Blicke auf der nackten Haut.
Zügig und ohne ihm Beachtung zu schenken, wusch ich mich und trat aus der Dusche heraus. Er ließ mich mit seinem typisch ausdruckslosen Blick nicht aus den Augen, während ich mich abtrocknete, das Körperöl auftrug, an ihm vorbei ins Zimmer ging und mich bis auf die Jeans anzog.
Er sagte nichts mehr. Er schaute mir nur dabei zu. Ich putzte mir die Zähne, schminkte mich und flocht grob mein Haar.
Und er starrte. Schweigend.
Als ich fertig war, schnappte ich mir die Jeans, ohne sie anzuziehen, und verließ den Raum ohne ein weiteres Wort.
Doch er schlich direkt neben mir her.
»Was ist, D?«, versuchte ich, freundlich zu bleiben. Aber, dass er mich so anstarrte, nervte mich gerade.
Nicht, weil ich es nicht mochte, denn genau das gefiel mir an ihm zunehmend. Und das war das Problem.
Ich hasste ihn.
»Geht es dir gut?«
Nein, du Arsch, geht es mir nicht!, dachte ich. Das muss man doch sehen!
Ich hasste solche Fragen!
Ich hasste ihn!
»Klar, was sonst«, antwortete ich übertrieben freundlich. Er legte mir den Arm um die Schultern, während ich die Treppen hinabstieg. Genau das mochte ich auch. Deswegen nervte es erst recht. Ich mochte zu viel an ihm.
Und meine Scheißegal-Einstellung bröckelte.
Er zog mich an sich und wollte mich in eine Umarmung schließen. Mitten auf der Treppe. Nachdem ich ihn von mir weggeschoben hatte, rannte ich die Stufen hinunter.
»Keine Zeit, D«, erklärte ich grenzenlos fröhlich, was ich ganz sicherlich nicht war. Ich dachte schon, dass mir aus dem Hintern ein Regenbogen schießen würde, so übertrieb ich es gleich mit meiner vorgetäuschten fucking Glückseligkeit.
»Was ist los?«, rief er mir hinterher und ich konnte mir schon denken, dass er mir zügig folgte.
»Stress! Keine Zeit zum Schmusen.« Ich zwinkerte lässig, als wäre nichts gewesen.
Als würde dieser verfluchte Bastard mich nicht wieder veraschen.
Als würde dieser heiße Mistkerl nicht in meinem Bett schlafen und mich verfickt nochmal VERARSCHEN!
Das Augenrollen, als ich wieder nach vorne schaute, konnte ich mir deswegen nicht verkneifen. Die letzten drei Stufen sprang ich runter, bog um die Ecke und knallte genau gegen Saltos.
»Guten Morgen«, lachte er und ich wich zurück.
»Ja, ja. Du mich auch.«
»Jenny!« Dean kam auf uns zu. »Was ist los?«
Du bist noch da! Das ist los! FUCK YOU! FUCK OFF! FUCK WHATEVER!
»Zeitdruck«, sagte ich stattdessen und lächelte zuckersüß. Dabei kotzte ich den Zuckerscheiß innerlich gleich wieder aus.
Keine Ahnung, wie oft ich ihm in den vergangenen Wochen mein Lebkuchenmännchen-Lächeln entgegengestrahlt hatte. Nun war ich wieder in Detroit, in meiner Heimat, und mein Lächeln war mittlerweile auf Diabetes-Level. Bald würde ich daran ersticken.
»Allerdings, zieh dich mal an! Wir hätten schon vor fünfzehn Minuten losfahren müssen.« Saltos zeigte mit einem Finger auf seine Armbanduhr. »Du bist doch sonst nicht so unzuverlässig.«
Dean schnaubte: »Zum Essen schon.«
»Essen wird auch völlig überbewertet«, trällerte ich.
Genau wie deine fucking Umarmungen und das verdammte Bedürfnis, so einem Scheißkerl, wie du es bist, nahe sein zu wollen!
Nur Saltos erkannte, wie genervt ich war, und musterte mein Gesicht. Weswegen ich ihm die Hose in die Hand drückte und erklärte: »Ich muss nur kurz ins Büro.« Schon rannte ich los.
Das war mein Zeichen an Saltos, dass er mir Dean vom Hals schaffen sollte, was er auch sofort verstand und weshalb er ihn in ein Gespräch verwickelte.
Calvin war nicht im Büro, also setzte ich mich kurz auf den Stuhl und lehnte den Kopf in die Hände.
So eine Scheiße.
Das war Karma, diese kleine miese Bitch.
Und mein verfluchtes Herz! Wie dumm muss das Ding in meiner Brust sein, das eigentlich nur dazu diente, Blut durch den Körper zu pumpen, sich einlullen und dabei so zu täuschen zu lassen? SCHEIßE!
D fickte meinen Kopf und ich schnallte nicht, dass er mich zum wiederholten Male VERARSCHTE! Verdammt!
Dann fiel mir wieder ein, wie ich den Tag überstehen konnte, ohne richtig auszuflippen oder sonst etwas anzustellen, was ich hinterher sicher bedauern würde.
Vielleicht das ganze Haus abzureißen oder so.
Das würde ich durchaus bereuen.
Also stand ich auf, umrundete den Tisch und öffnete die oberste Schublade, wo gleich neben Calvins Glock das Blow in einem Kästchen lag. Dann legte ich mir schnell eine Line und zog es.
Während ich mir die Nase kurz zuhielt und den Kopf in den Nacken drückte, spürte ich das leichte Kribbeln.
Anschließend räumte ich schnell alles weg und schrieb auf einen Zettel ›Danke! Kit‹ und legte ihn neben das Kästchen, damit mein Boss wusste, dass ich an dem Koks war und kein anderer. Doch als ich alles wegräumte, fiel mir ein Umschlag auf.
Calvin hatte versucht, ihn zu verstecken. Erfolglos. Denn ich sah eine Ecke hervorblitzen. Da zog ich diesen vorsichtig heraus und erkannte die Schrift darauf, genau wie das Wort.
Es gab nur eine Person, die Calvin ›Capo‹ nannte.
Tommaso.
Nur er brachte dieses eine Wort so verächtlich über die Lippen, dass es nach einer Beleidigung klang.
Verflucht! Konnte es noch besser werden? Anscheinend!
Ich machte ihn auf und mir blieb die Luft weg.
Fotos.
Es waren zehn Jahre alte Fotos. Von mir!
Er hatte Bilder von meiner Folterung geschossen.
Das eindeutige Szenario war für immer eingefangen. Und das nicht nur in der Erinnerung.
Blutüberströmt hing ich von der Decke. Meine Arme gefesselt ließ ich mich hängen und war obendrein auch noch nackt!
Meine Kehle schnürte sich zu und jeder Atemzug brannte mir in der Lunge.
Alle Bilder sah ich mir genau an. Von allen Seiten hatte er mich fotografiert und ich hatte es nicht bemerkt. Wie ein geschächtetes Schwein in einer Halle war ich abgelichtet worden. Voller Blut und leblos.
Als wollte er mich ausbluten lassen. Was mit Sicherheit sein Plan B gewesen war, falls er Mexiko nicht bekommen hätte.
Auf dem letzten Bild klebte ein Zettel mit den Worten:
›Ich lasse mir nicht von deiner nachtragenden Bambina die Ehre nehmen.‹
Darunter verbarg sich ein Bild, auf dem ich am Boden lag.
Aber keines war dabei, wo die Männer zu sehen waren. Darüber war ich zumindest erleichtert.
SHIT! Ich bin darüber erleichtert? Was in meinem Hirn stimmt nicht?
Mein Körper bebte. Nicht, weil ich Angst hatte. Es war die Erinnerung, die an mir nagte. Die Tatsache, dass es sich wiederholen könnte, nur nicht mit ihm. Dass ich einfach dumm war und naiv und…
»Calvin!!!«, brüllte ich wütend.
Er hätte es mir sagen müssen. Stattdessen hatte er es mir bewusst verschwiegen. Die Idee, das Haus abzureißen, war auf einmal doch super! Und naheliegend!
Kurz darauf stand nicht mein Boss im Türrahmen, sondern Dean.
»Bist du Calvin?« Anstatt mir zu antworten, sah er den Umschlag in meinen Händen und trat mit einem kalten Gesichtsausdruck auf mich zu. Aber seine Augen verrieten ihn.
Mir blieb der Mund offen stehen.
»Bleib stehen!« Ich hielt eine Hand hoch. Er musterte mich, als er dem nachkam.
Das Blut strömte mir geladen durch den Körper.
EINER MUSS BLUTEN!
Und da war es.
Das verdammte Gefühl, ihm die Kehle aufzuschlitzen, den Schädel abzureißen oder zumindest einen schönen Kopfschuss zu verpassen.
Dabei lag es noch nicht einmal am Koks, sondern an der Tatsache, dass er mehr wusste, als er durfte. Weil er mit mir machen konnte, was er wollte, und verdammt, weil ich die Scheiße zuließ!
Ich wollte Blut sehen, die Qualen hören und verdammt nochmal wollte ich etwas zerstören, bevor es mich zerstörte!
»Was ist?«, rief Calvin und stürmte ins Büro und sah auch schon den Umschlag in meinen Händen.
»Du hast gerade gekokst?«
Das ist seine Frage?
»Verarschst du mich?«, brüllte ich und ging auf ihn zu. »Das fällt dir als Erstes ein? Ob ich am Morgen gekokst habe? Scheiße!« Vor Calvin stehend haute ich ihn mit dem Umschlag und donnerte: »Du hast mich angelogen! Hast mir so etwas Wichtiges verschwiegen! Und du hast diese verdammten Bilder D gezeigt? Willst du mich ernsthaft veraschen? Ich dreh gleich völlig durch!«
Calvin packte mich und hielt mich fest.
»Kokst du jetzt wieder öfters morgens?«
WHAT THE FUCK?!
Ruckartig wich ich zurück und befreite mich somit aus seinem Griff.
»Das ist das Einzige, was du dazu zu sagen hast?«, knurrte ich und raufte mir schmerzhaft die Haare. Er sah mich nur an.
Da betrat Malcolm den Raum.
»Dich hört man durch das ganze Haus brüllen, Kleines«, tadelte er mich auch noch.
»Sei froh, dass du keine Schüsse hörst!«, donnerte ich zurück und mein Boss hob die Braue. Aber bevor er etwas sagen konnte, brüllte ich ihn scharf an: »Guck nicht so! Alles vor dem zweiten Kaffee ist Notwehr und jetzt kommt noch Hass dazu! RICHTIGER BLUTRAUSCH-HASS!«
Wenn er dachte, ich würde ihn nicht abknallen, lag er falsch. Wie konnte mein Boss mich so verraten?
Malcolm kam auf mich zu.
»Was bist du so wütend, Kleines? So habe ich dich lange nicht mehr gesehen.«
Nachdem ich ihm den Umschlag gegeben hatte, runzelte er verwundert die Stirn. Also wusste selbst er nichts von dieser netten Botschaft. Er öffnete diesen, sah das erste Bild und schloss ihn direkt wieder. Fest presste er die Lider aufeinander. Er atmete tief durch, während ich regungslos dastand.
»Das ist lange her«, seufzte er. Malcolm konnte man ansehen, dass er die Bilder, wie er mich aus der Halle heraustrug, vor Augen hatte.
»Ja, dennoch meinte Calvin, mir zu verschwiegen, dass er vor Kurzem diese Post bekam. Und hatte nichts Besseres zu tun, als es Colt zu zeigen!«, brüllte ich dunkel und die Wut ließ die brodelnde Magma in mir immer weiter ansteigen, bis es bald zu einem Ausbruch kommen würde. Jede Zelle in meinem Körper versuchte, diese übermächtige Gewalt zu kontrollieren.
Malcolm sah den Boss ungläubig an und er verteidigte sich sogleich: »Er musste es wissen.«
»Einen Scheiß muss er!«
»Beruhig dich, Kit«, meinte D und breitete die Arme auseinander. »Komm her.«
Nicht sein Ernst?!
Gerade stellte ich mir vor, wie sein Blut aus seinen Adern auf mein teuflisches Lächeln spritzte, und ihm fiel nichts Besseres ein, als mich in eine Umarmung zu bitten?
Ernsthaft!?
»Nicht jetzt!«
Malcolm ging an mir vorbei, schmiss den Umschlag auf den Schreibtisch und setzte sich auf das Sofa.
So eine Ruhe konnte ich nicht bewahren. Dennoch schlug ich mir die Arme über den Kopf und schloss die Augen, bevor ich meinem Blutrausch die Oberhand überließ und Calvin mich notgedrungen abknallen musste.
Ich konnte das alles nicht glauben. Das konnte nicht wahr sein. Mein Boss hätte Jeff in Gefahr bringen können, wenn Masi herausgefunden hätte, dass ich in Chicago war.
In Chicago wäre ich sicher gewesen und Jeff auch, weil ich dort war.
Ein Fehler.
Das alles hier war ein großer Fehler.
Wäre ich mal nie nach Detroit gekommen.
Wäre ich mal lieber Saltos aus dem Weg gegangen, als er nach Chicago gekommen war.
Wäre ich mal nie auf die Idee gekommen, Jeff im Stich zu lassen, für einen Mann, für den ich nur eine Figur in einem seiner Pläne spielte.
Wäre ich mal nie in diese Bar gegangen.
»Wäre ich mal nicht in den Boxclub und besser joggen gegangen«, sagte ich frustriert zu mir selbst. D hatte es allerdings gehört und stürmte auf mich zu.
»Was hast du gesagt?« Auf seine Machtspielchen hatte ich keine Lust und hob das Knie, um es ihm in den Bauch zu rammen. Gleichzeitig machte ich einen Ausweichschritt, um mich von ihm wegzudrehen. Da griff er an meine Kehle, während er sich reflexartig vorbeugte und seinen Bauch hielt. Sofort hatte er sich gefangen und drückte mich nach hinten.
»Mach das nie wieder!«, brüllte er mir mitten ins Gesicht. »Ich bin noch wirklich nett zu dir, aber das kann sich sofort ändern.«
Seine Nasenflügel blähten sich auf, eine dicke Ader erschien an der Schläfe und sein Gesicht war wutentbrannt.
Wenn ich ihn nicht hassen würde, fände ich genau das megaheiß. Dieser heiße Mistkerl, der mich immer weiter nach hinten drängte, bis ich den Tisch spürte, konnte mich aber mal. Ohne zu zögern und viel zu schnell presste er mich mit seiner Hand an meiner Kehle, die er fest zudrückte, mit dem Rücken auf den Tisch, sodass ich den Boden unter den Füßen verlor.
Aber für seinen Scheiß hatte ich gerade nichts übrig, weil mir der Puls bis in die Ohren knallte.
Während seine Finger mir die Luft zuschnürten, griff ich stürmisch zur Seite, nahm den Brieföffner und rammte ihn in Deans Arm. Doch nur sein Mund öffnete sich kurz und nicht die Hand, die mich in einem tödlichen Griff hielt.
»Hör damit auf!«
Und obwohl ich mich weiterhin wehrte, mein Blick sich verdunkelte und Calvin brüllte, dass er loslassen sollte, reagierte er nicht.
Nur seine Augen waren dabei, mich zu verschlingen, weswegen ich meine schloss.
»Vergiss nicht, wem du gehörst, Jenny.« Und dann küsste er mich. Er küsste mich ungehalten, aggressiv und fordernd. Er drang mit seiner Zunge zwischen meine Lippen, ohne Rücksicht, und eroberte meinen Mund. D verschlang mich regelrecht, während seine Finger mir die Luft zum Atmen nahmen.
Mein Körper war ein mieser, richtig mieser Verräter und mein Herz gleich mit, weil es sich zu gut anfühlte. Er hatte mich komplett unter Kontrolle.
Ich war verweichlicht!
Das durfte aber nicht sein. Er benutzte mich wieder für einen seiner perfiden Pläne.
Schlagartig wurde mir bewusst, was passierte, wenn ich das weiterhin zuließ, also drückte ich ihn weg, was er wiederum nicht zuließ.
»Ich bin dafür nicht in Stimmung«, sprach ich in seinen Mund.
Nur reagierte er mit noch viel heftigeren Küssen und mit einer Hand, die zwischen meine Beine drang.
Ohne Vorwarnung und obwohl Malcolm sowie mein Boss sich im selben Raum befanden, schob er den Slip zur Seite und drang mit zwei Fingern ein, sodass ich seinen Arm festhielt, um ihn aufzuhalten.
Doch das störte ihn nicht und er fickte mich gnadenlos mit seinen Fingern in einem harten Tempo, was mich völlig überwältigte. Er löste sich von meinen Lippen.
»Du brauchst mich genauso sehr wie ich dich.«
»Ja«, hauchte ich total verwirrt und überrumpelt von meinem eigenen Stimmungswechsel, weil die Wut gar nicht mehr so gegenwärtig in mir loderte.
»Gib auf«, befahl er. Was ich tat, indem ich seinen Arm losließ, den Metallstab herauszog, um dann eine Hand auf die Wunde zu drücken. Mit der anderen zog ich ihn am Kragen näher zu meinen Lippen, um all das zu bekommen, was nicht nur ihm gehörte, sondern auch gleichzeitig mir.
Dieser stillen Aufforderung kam er nach und ich küsste ihn, so wie er mich zuvor, biss ihm in die Lippe und gab mal wieder auf, weil ich ja doch keine Chance hatte und all das nun haben wollte.
»Komm für mich«, hauchte er mir in den Mund. Und wie aus dem Nichts, als hätte mein Körper nur auf seine Zustimmung gewartet, um loszulassen, brach die Welle über mich ein und verschlang mich mit einer Energie, die mich aus diesem Haus beförderte. Ich krallte meine Finger in seine Muskeln und explodierte an ihm.
Wo ich noch einige Sekunden zuvor an Mord und eine zerstörte Villa gedacht hatte, war alles von mir weg.
Keine Wut.
Kein Blutrausch.
Kein Hass.
Wie war das möglich?
Langsam entzog er sich mir. Nicht nur seine Finger, sondern auch seine Lippen. Er richtete meinen Slip und kurz darauf sich selbst.
Als er einen Schritt mit einem angedeuteten Lächeln von mir trat, sodass ich vom Tisch gleiten konnte, kam ich nicht drumherum in fassungslose Gesichter zu sehen.
»Was? Ich bin auch nur eine Frau«, entgegnete ich und mein Boss schüttelte den Kopf, während Malcolm sich beschämt die Hände vor die Augen hielt.
»Wenn du dann jetzt fertig mit deinem Wutanfall und deinem…« Calvin schüttelte ungläubig den Kopf. »…, wir nennen das jetzt einfach mal ›Runterkommen‹, bist …« Er zeichnete das letzte Wort in ›Anführungszeichen‹ mit seinen Fingern in die Luft. »… kann ich dir ja erklären, warum D davon erfahren musste. Er sollte uns helfen, ihn zu finden. Du bist resolut…«, sprach Calvin sanft weiter, aber D unterbrach ihn und klang dabei sogar etwas genervt: »Nett ausgedrückt, wohl eher impulsiv und aggressiv.«
»Ja, immer wieder gerne«, räusperte ich mich und setzte mich zu Malcolm auf die Couch. »Aber mich interessiert das nicht. Ich finde es nur schlimm, dass ich wirklich keinem vertrauen kann und ich es zumindest von dir erwartet habe, Boss. Erst fällt Saltos mir in den Rücken, weil er mir gegenüber Informationen zurückhält. Dann Jeff, der zu viel quatscht. Und jetzt auch noch du.« Leider stellte ich fest, wie müde ich klang, und stand auf, um mir ein Glas Scotch einzuschenken.
»Ich meinte es nur gut«, wehrte sich mein Boss.
»Lustig.« Ich drehte mich mit dem Glas in der Hand um. »Das haben die anderen auch gesagt.«
»Kit…«, fing D tatsächlich an und ich sah ihn mit einem Blick an, der mehr als tausend Worte sprach, und wollte es dennoch aussprechen. Doch er hob beide Hände und schüttelte den Kopf.
Immerhin hielt er nun den Mund. Wenn er dazu etwas sagen wollte, wäre es wirklich lächerlich gewesen. Schließlich meinte er es sicher nicht gut, als er mich benutzte. Und weiterhin plante, mich als seine Sklavin zu missbrauchen.
Auf einmal kam eine von Calvins Huren ins Büro, ohne anzuklopfen. Selbst wenn die Tür offen stand, hieß das nicht, dass sie einfach reinkommen durfte.
Sie legte ihre Hand an Calvins Arm und öffnete den Mund, da schnitt ich ihr schon das Wort ab: »Verpiss dich!«
Diese Frauen hatten überall ihre Nasen drin und quatschten es aus. Sie waren eine Sicherheitslücke, nur konnte mein schlauer Boss das nicht begreifen.
Augenblicklich starrte sie nach unten und verließ den Raum.
»Freundlich wie immer«, meinte Dean.
»Ja.« Ich hob meinen Drink und erklärte zurecht: »Ich hätte ihr auch etwas hinterherwerfen können. Eine Bleikugel zum Beispiel«, und trank das Glas leer.
Gerade als ich es wegstellte und zum Schreibtisch trat, klopfte es am Türrahmen. Da ich aber damit beschäftigt war, den Umschlag in der Schublade verschwinden zu lassen und diesmal so, dass ihn keiner so schnell fand, schaute ich nicht auf. Calvin begrüßte den Neuankömmling, was dann doch meine Neugierde weckte. Ein Fremder.
Ein Mann in olivgrünem T-Shirt und einer schwarzen Cargohose. Mir blieb der Mund offen stehen, weil seine Arme komplett tätowiert waren und sogar sein Hals bis zum Kinn.
Seine dunklen Haare waren nach hinten gekämmt und er trug einen kleinen Zopf, wobei die Seiten ausrasiert waren. Seine schlanken, aber markanten Gesichtszüge wurden durch den leichten Dreitagebart stärker definiert.
Ich ging um den Tisch herum, weil mir auffiel, dass er auch Dean begrüßte und sie alle flüsterten.
Sie flüsterten!
An den Tisch gelehnt überkreuzte ich die Beine und beobachtete die Situation, weil selbst Malcolm dazwischenstand.
Will ich wirklich wissen, was hier schon wieder vor sich geht?
Sie lösten sich und sahen mich alle an.
Der Fremde, eingekesselt zwischen Dean und Calvin, hielt die Arme auf dem Rücken verschränkt und musterte mich von oben bis unten.
»Die Frau des Hauses?«, fragte er gleichgültig und ließ mich nicht aus den Augen.
»Das Kätzchen des Hauses, aber sie ist heute bissig«, haute Calvin einen Scherz heraus.
»Ha! Witzig«, knurrte ich sarkastisch.
»Darf ich dir Trick vorstell…?«
»Warum solltest du das tun?«
Da schaltete sich Dean ein: »Kit, das ist Trick und er hält ein Auge auf dich.«
Was? Bin ich nun wirklich ein Opfer für ihn geworden? Oh, das wird ihm noch leidtun. Ich bin nicht schwach. Zumindest nur bei ihm! Aber die Herausforderung nehme ich an!
»Mh.« Ich tippte mir gespielt nachdenklich mit einem Finger auf die Lippen. »Meinst du, dass er ein Auge auf mich halten soll wie ein Bodyguard oder so, wie es Adam an dem einen Morgengetan hat? Du weißt schon, wo er zugeguckt hat, als wir…«
»Bodyguard«, unterbrach mich Dean zischend mit angespanntem Kiefer. Ich lächelte vielsagend, damit er direkt wusste, was er sich selbst eingebrockt hatte. Diese Provokation wurde mir auf dem Silbertablett gebracht. Dennoch schnalzte ich mit der Zunge und forderte ihn weiter heraus.
»Wofür? Damit er mir das Händchen hält, während du mir den Hintern versohlst?«
»Kit«, warnte er mich. Und es war wirklich süß, wie er meinen Namen aussprach, wo er mich sonst ärgerte, wenn er mich so nannte, wie ich es am meisten hasste.
»Ich brauche keinen Babysitter, ich bin schon groß«, erklärte ich, zwinkerte und schlenderte wieder zur Bar. Denn darauf musste ich noch einen trinken. Oder zwei. Oder fünf. Ja, fünf waren besser.
»Kit, Trick ist einer meiner Söldner und wird dich begleiten. Ich lasse nicht zu, dass…«
»Dass mir einer wehtut?«, unterbrach ich nun D und trank das Glas leer. »Außer dir natürlich.«
»Genau.« Er starrte mich wieder oder eher noch immer an. Sein Gesicht war gleichgültig, aber seine Augen brüllten, dass er keinen Widerspruch zuließ und ich mich besser fügen sollte.
Ja, das würde ich auch. Aber nicht kampflos. Denn hilfsbedürftig war ich nicht, ein Opfer schon mal gar nicht und Schutz brauchte ich nur vor D. Nachdem ich das Glas abgestellt hatte, ging ich auf die Männer zu. Vor Trick blieb ich stehen und lächelte ihn zuckersüß an.
»Ach, so langsam weiß ich deine Überraschungen wirklich zu schätzen. Sie machen immer so viel Spaß und schenken mir multiple Orgasmen«, sprach ich ungeniert mit meiner Fick-mich-Stimme und wandte den Blick nicht von dem grünäugigen Trick ab.
»Kit«, klang es nun nach einem Fluch aus Deans Mund.
»Wie du hören kannst, bin ich Kit. Aber ohne den dramatischen Unterton.« Dieser Typ starrte mich knallhart an, als wäre er Colt persönlich. Durch das Blow und seiner unverständlichen Ruhe quatschte ich weiter drauflos.
»Einfach nur Kit, wie aus Knight-Rider. Du weißt schon, das sprechende Auto aus der Serie aus den Achtzigern. Na ja, nur mit einem ›t‹ und lass die überflüssigen Punkte weg, das nimmt dir nur die Zeit. Aber du wirst es wahrscheinlich eh nie schreiben.« Er starrte weiterhin und mir fehlte die Geduld. »Kannst du überhaupt schreiben? Ach, ist auch egal. Du bist süß, damit komme ich klar. Zum Ficken reicht es.« Somit zuckte ich die Schultern und hielt ihm die Hand hin.
»Kit!« Da war wieder Deans Fluch. Trick interessierte mich kein bisschen. Aber Dean zu provozieren, fand ich angemessen. Für den Anfang.
Als dieser meine Hand nahm, schaute ich runter und war verblüfft, dass sogar sein Handrücken und seine Fingerknöchel tätowiert waren.
»Trick«, stellte er sich knapp vor. Er löste seine Hand und ich hielt mit der anderen Hand seinen Arm fest, als mir etwas auffiel. Ich drehte sie und…
»Heftig«, stieß ich aus, als ich seine tätowierte Handfläche sah. Wie krank war das denn? Ein riesiges Symbol zierte die dünne Haut. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich gab seine Hand frei und musterte ihn etwas genauer.
Er starrte. Immer noch. Keine Reaktion. Gar nichts.
»Du bist echt krank«, hauchte ich.
Konstant null. Und so langsam nervte mich das.
»Ah, verstehe! Deinen hemmungslosen Gefühlsüberschwung hast du dir wohl bei Colt abgeguckt.«
»Ja, ich bin krank.«
Nah vor seinen Augen schnipste ich mit den Fingern.
»Ha! Du bist witzig. Dich töte ich zuletzt!«
»Und weil er so krank ist, ist er auch der Richtige«, gab D dazu, ohne meine Worte zu beachten. »Keiner meiner Leute würde es mit dir länger als dreißig Sekunden aushalten. Außer Trick.«
Mit Augen, die zu Schlitzen wurden, sah ich D an. »Du nervst. Das weißt du, oder?« Ich ging an ihm vorbei, verließ den Raum und Saltos kam mir schon mit meiner Hose und den Schuhen entgegen. Anscheinend hatte er die Chucks geholt, damit wir direkt loskonnten. Die Sachen nahm ich an mich und zog sie umgehend an.
»Wir müssen los«, drängte Saltos und ich antwortete genervt. »Ich brauche noch mein Holster, die Messer und meinen Schlüssel.«
»Gib Trick deinen Schlüssel«, befahl Dean, der plötzlich neben mir stand.
»Fehlt dir eine Dichtung?«
»Er fährt, keine Dis…«
»Ja, ja. Schon gut«, winkte ich ab, bevor D zu Ende sprechen konnte. Ich hatte wirklich nicht die Lust und auch nicht die Zeit, zu diskutieren.
»Dein Aufpasser?«, fragte Saltos und nickte zu Trick und ich nickte zur Bestätigung, während ich mir die Schuhe zuband.
»Deine Sachen sind im Foyer«, erklärte Saltos, der anscheinend wirklich alles zusammengepackt hatte.
»Du weißt schon, dass ich nicht mehr alleine im Zimmer schlafe?«
Daran hatte er sicher nicht gedacht. Er sah direkt zu Dean, der nun die Arme vor der Brust verschränkte.
»Diskutiert das ruhig aus.«
Dem heißen Mistkerl zu erklären, dass Saltos einer der wenigen war, der zwar nicht mein Zimmer betreten durfte, ich ihn aber dafür nicht gleich umbringen würde, wäre zu anstrengend gewesen. Also verschwand ich mit schnellen Schritten aus der Situation, wobei ich bemerkte, dass sie gleich hinter mir waren.
»Bleib aus ihrem Zimmer.«
»Es ist nicht deins, sondern Kits!«
»Sie und alles um ihr herum gehört mir!«
Ich stockte und prustete, als Saltos konterte: »Also auch ich? Sorry, ich stehe echt nicht auf dich, Mann!«
Jetzt lachte lauthals los, während ich ging.
»Saltos«, hörte ich Calvin. »Tu nichts, was du bereuen wirst.«
»Ich sagte doch schon, dass ich es nicht mit ihm treiben will, weil ich nicht auf ihn stehe«, entgegnete Saltos und ich drehte mich um.
»Dabei würdest du etwas verpassen, Saltos. Er ist echt gut im Bett.« Ich lächelte keck und biss mir auf die Unterlippe, als Dean einen Mundwinkel hob und seine Augen mich so dunkel anstrahlten.
Verfluchter, heuchlerischer Mistkerl!
Schnell drehte ich mich um und befand mich kurz darauf im Foyer, wo auch Riley stand.
»D, du musst dich ja sicher fühlen, dass du ausgerechnet den Modelverschnitt zu Kits Bodyguard machst«, wunderte sich Riley.
Die Herausforderung stand.
»Oh, ich ficke keine Models«, hustete ich lächelnd die Worte.
»Gut, dass er mein Babysitter ist. Oder…« Ich tippte mir wieder gespielt nachdenklich auf die Lippen. »Ist das nicht zu klischeehaft, den Babysitter zu vögeln? … Ach, egal.« Ich zuckte mit den Schultern. »Er ist heiß, das muss reichen.«
»KIT!« Wieder eine energische und dröhnende Warnung von Dean und ich verdrehte die Augen.
»Du willst mir wohl keinen Spaß mit einem heißen Typen gönnen, was?«
Oh, Dean wurde richtig pissig. Tja, ich kannte das Gefühl. Ich bewaffnete mich, ließ aber die Messer liegen, bis auf das Stiletto, welches ich in die Hosentasche schob.
Mit dem Autoschlüssel in meiner Hand drehte ich mich wieder zu den Männern, ging an Dean und Trick vorbei, ohne sie zu beachten, und stellte mich vor Calvin.
»Und warum konnte es nicht einer von unseren Leuten sein?«
»Weil die dich auch vor mir beschützen würden«, raunte mir Dean von hinten ins Ohr.
Mieser heißer Mistkerl!
»Weil sie dir gegenüber zu loyal sind, Kitty. Sie würden dich nicht aufhalten, wenn du eine Situation falsch einschätzt«, erklärte Calvin sanft und ich bemerkte, dass Malcolm auch nicht begeistert war. Ich drehte mich zu ihm, streckte mich an seinem Körper hoch und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
»Ich kann auf mich aufpassen.« Er nickte und ich entfernte mich von ihnen. Die Fotos waren zu viel für ihn gewesen und ein winzig kleiner Teil in mir bereute, dass er von deren Existenz nun wusste. Durch mich.
»Also wenn du ja einen Aufpasser hast, fahre ich in mein Revier und du in Elliots«, klärte mich Saltos auf und ich nickte. »Und ich hole Blade noch ab, rufst du ihn an?«
Saltos bestätigte ebenfalls mit einem Nicken und wir verließen das Haus. Wollten wir zumindest, Dean hielt mich aber wie immer auf.
»Der Schlüssel«, forderte er und durchbohrte mich mit seinem Blick, während er meinen Oberarm festhielt. Ich reagierte nicht und hob nur eine Braue. Hatte er wirklich vergessen, dass es mein Baby war. Ich kannte diesen Trick doch gar nicht.
»Kitty«, mahnte nun auch Calvin hinter mir und ich hielt mir schlagartig den unteren Rücken und jammerte: »Aua, das tut weh!«
Dean hob eine Braue und ich verdrehte die Augen.
»Hallo? Das Messer im Rücken?«
»Etwas zu theatralisch«, meinte er, ließ mich los und nahm mir den Schlüssel aus der Hand, um ihn Trick zuzuwerfen.
»Arsch«, knurrte ich und Dean griff direkt schmerzhaft in meinen Nacken und zog mich an sich.
Erneut küsste er mich wild, besitzergreifend und fordernd und ich stöhnte in seinen Mund.
Ich hasste ihn.
Er löste sich von meinen Lippen und raunte mir ins Ohr.
»Du bist schön brav, Jenny. Du gehörst mir.«
Obwohl ich gefügig nickte, dachte ich etwas ganz anderes. Denn es war nur sein Körper, mehr auch nicht.
Und das Blow in meinem Blut, was mich nur noch williger machte!