Sie spielen also mit dem Gedanken – oder haben sich sogar definitiv dazu entschieden –, sich selbst mit Gemüse zu versorgen. Dabei taucht natürlich die Frage auf, wie groß der Nutzgarten sein muss und wie viele Töpfe auf den Balkon oder die Terrasse zu stellen sind, um eine gute Ernte zu haben. Was Sie sich dabei klarmachen sollten: Sie werden als Anfänger auf keinen Fall einen kompletten Selbstversorgergarten hinbekommen, denn für einen solchen benötigt man jahrelange Erfahrung. Und diese Erfahrung beinhaltet das Scheitern, das Annehmen von misslungenen Saaten und das Abgeben an Mitbewohner im Garten, denn die Natur fordert ihren Tribut.
Sie können sich aber teilversorgen, und das wäre ja schon mal eine gute Ausgangsbasis. Auch können Sie sich überlegen, ob Sie nur aromatische Kräuter ziehen wollen oder eine Art Naschgarten favorisieren, in dem nur Salat und Tomaten wachsen. Dabei sollte Ihnen bewusst sein, dass die verschiedenen Gemüsearten unterschiedlich viel Platz brauchen. Kartoffeln und Kohl sind relativ raumgreifend, andere Gemüsesorten eher bescheiden bei ihren Platzansprüchen – das sollte ebenfalls berücksichtigt werden. Je weniger Platz man für das Gemüse zur Verfügung hat, umso sorgfältiger sollte man bei der Auswahl der Gemüsepflanzen vorgehen. Schnell wird auch zu viel gepflanzt, und dann kommt es zu einer Ernteschwemme, die in unnötigen Stress ausarten kann. Es ist somit gut, mehr über die jeweiligen Pflanzen zu wissen, die man anbauen will, um so einschätzen zu können, wie viel eine Zucchini- oder Tomatenpflanze an Früchten trägt. Eine Tomatenpflanze kann bei optimaler Pflege bis zu zehn Kilogramm Früchte bringen, eine Gurkenpflanze bis zu drei Kilogramm und eine Stangenbohne zwischen 1,5 und 2 Kilogramm. Und selbst wenn der Mangold noch so herrlich wächst, wer will schon wochenlang täglich diese Gemüsepflanze essen, auch wenn man sie in vielerlei Variationen zubereiten kann?
Was immer Sie ins Auge gefasst haben, im Vordergrund sollte die Freude am Anbauen und Ernten stehen. Die Idee einer Selbstversorgung, so motivierend sie auch sein mag, gehört erst an die zweite Stelle.
Geduld ist ebenfalls so eine Sache beim (biologischen) Gärtnern. Steht man in der Gemüseabteilung eines Supermarkts, so hat man etwa eine Menge dunkelvioletter Auberginen vor sich liegen und muss nur zugreifen. Bis das Gemüse aus dem Eigenanbau gegessen werden kann, geht dagegen viel Zeit ins Land. In dieser Zeit kann man aber nicht nur der Pflanze beim Wachsen zugucken, diese braucht zudem auch reichlich Zuwendung – oft mehr als eine Zierpflanze. Nutzpflanzen müssen gewässert, gehackt und mehrmals gedüngt werden. Ständig ist bei ihnen auf Schädlinge und Krankheiten zu achten – und ständig heißt wirklich ständig und nicht hin und wieder mal. Nur bei guter Pflege fällt die Ernte reichhaltig aus.
Spannend ist weiterhin zu wissen, ob man nach der Ernte von Rhabarber oder Weißkohl noch ein anderes Gemüse ins Beet setzen kann, um auch im Winter noch etwas zu ernten. Ebenso, welches Gemüse sich verträgt oder gemeinsam sogar noch prächtiger gedeiht als solo und welche Sorten man gar nicht miteinander kombinieren sollte, weil sie erbitterte Feinde sind. Gemüse ist dabei nicht gleich Gemüse, jede Art hat eigene Bedürfnisse, die eine Gemüsesorte verlangt viel Dünger, die nächste wenig, manche sind Starkzehrer, andere Schwachzehrer, es keimen welche im Hellen und die nächsten im Dunkeln. Mit anderen Worten: Hier stehen Gemüsesorten im Mittelpunkt, die wir alle (meist) kennen, von denen wir aber nicht die geringste Ahnung haben, wie sie angebaut werden. Doch das wird sich ja bald ändern.
All diese Dinge sollte man als neu ernannte Gemüsegärtnerin oder beginnender Gemüsegärtner möglichst wissen, bevor man sich an das Abenteuer Eigenanbau heranwagt. Vieles kann man sich auch durch Ausprobieren in der Praxis aneignen, aber dann muss man schon bereit sein, den einen oder anderen Fehlschlag hinzunehmen.
Und dann gibt es natürlich noch die Unholde, die immer wieder versuchen, sich an Ihre Pflanzen heranzumachen. Kein Garten, kein Balkonkasten, kein Kübel ohne Plagegeister – das dürfte Ihnen sicher nur allzu vertraut sein. Auch vor dem Gemüse machen sie nicht halt. Selbst ausgeglichene und entspannte Gärtnerinnen und Gärtner können beim Anblick von Nacktschnecken im Salat schon mal die Nerven verlieren. Oder aus der Haut fahren, wenn Scharen von Insekten die gerade in die Erde eingesetzten Pflanzen ruinieren oder sogar die kurz bevorstehende Ernte zu vermiesen drohen. Solange die Schädlinge in Schach gehalten werden können, ist man ja bereit, mit ihnen zu teilen. Man muss, wie erwähnt, im Garten gönnen können. Aber keineswegs möchte man den gesamten Nutzgarten mit Netzen überspannen oder jede einzelne Pflanze mit einem Drahtgitter versehen, damit Wühlmäuse fernbleiben. Schon gar nicht sollten wir zur Giftspritze greifen, denn das Gift bleibt auf den Blättern und Früchten haften – und wir essen es mit.
Zum Glück hat die Natur selbst ein paar Tricks auf Lager, um in einem Gleichgewicht zu bleiben. Keineswegs kommt es ihr in den Sinn, vor den gemeinen Biestern zu kapitulieren. Außerdem können wir selbst ein bisschen Unterstützung anbieten, indem wir versuchen, dieses Gleichgewicht mit der einen oder anderen Maßnahme herzustellen. Das heißt, wir brauchen zur gesunden Abwehr eine Artenvielfalt an Gemüse, manchmal auch gemischt mit einigen Blühpflanzen, sodass der ganze Garten nicht nur eine Gaumenfreude, sondern auch noch eine Augenweide wird.
Gerade kommt mir ein Gedanke zur Nachhaltigkeit und Diversität in den Sinn. Vielleicht erinnern auch Sie sich noch an die städtischen Kleingartenkolonien von einst. Die Besitzerinnen und Besitzer versorgten sich mit ihren Gärten fast zu hundert Prozent selbst, sie hielten Hühner und Hasen, die die Reste verzehrten, und die Ausscheidungen der Tiere lieferten gleich noch Dünger. Diese Kleingärtnerinnen und -gärtner liebten es, ihre Wohnungen verlassen zu können, um sich abends und am Wochenende im Garten aufzuhalten – große Reisen waren damals noch nicht angesagt und meist auch nicht möglich, dafür fehlte häufig das Geld. Heute ist es in den Städten schwer geworden, an eine solche Parzelle zu kommen, lange Wartelisten sind entstanden. Wer keinen Balkon hat und gerne einen kleinen Garten hätte, demjenigen kann ich nur empfehlen, an den Stadträndern Ausschau zu halten – die Wahrscheinlichkeit, dort eine Parzelle pachten zu können, ist wesentlich höher. Am besten wäre es, wenn man sie mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen könnte. Erholt von der frischen Luft und dem Gärtnern kehrt man dann aus dem Mini-Urlaub in die Stadt zurück, mit kleinen Mitbringseln, und zwar keinen unnötigen Souvenirs, sondern Gurken, Radieschen und Kohlrabi.