Kapitel 11

Der Mondschein hatte sie in eine silberne Statue verwandelt.

Sie stand reglos am Fenster und sah übers Meer hin, einen Arm auf den Fenstersims gestützt und mit schräg geneigtem Körper zum Raum hingewandt, das Gesicht im Profil. Es war das weiße Satinnachthemd, ein bloßer Hauch von Stoff, welches das Licht des Vollmonds einfing und hielt und im dunklen Zimmer Farbe und Glanz reinen Silbers angenommen hatte.

Etwas Ätherisches, Unwirkliches lag über ihr, als sie dort reglos stand. Vincent, den sie nicht sehen konnte, betrachtete sie von der Tür aus und konnte den Blick nicht von ihr wenden, wollte diesen Augenblick verlängern und dieses Bild von ihr unauslöschlich seinem Geist, seiner Erinnerung einprägen.

Sie erschien ihm als unwirklich, und es war, als sei sie Teil eines Traumes, den er vor langer Zeit geträumt hatte und nun wieder träumte. Er hatte das Gefühl, dass, wenn er sich bewegte oder etwas sagte, die ganze Szene zerfallen und sich auflösen würde, so wie es alle Träume taten, und dass sie dann auf ewig für ihn verloren wäre.

Als er sie so unverwandt betrachtete, stieg das Verlangen nach ihr in ihm auf, so tief und dringlich wie stets, wenn sie in seiner Nähe war. Er hatte noch nie eine Frau so sehr begehrt. Als sie hier im Victoria Hotel von Robin Hood’s Bay am Samstag spätnachmittags ankamen, konnte er sich nicht mehr beherrschen. All die angestauten Emotionen, das Verlangen, das er in den vergangenen fünf Monaten immer unterdrückt und in Schach gehalten hatte, explodierten im selben Augenblick, da sie in dem Raum allein miteinander waren. Er hatte sie sofort zum Bett gezogen, bevor sie auch nur ihre Koffer auspacken konnten.

In fünf Tagen hatten sie das Zimmer kaum verlassen.

Er war ihr fantasievoller, erfahrener Lehrer geworden und hatte diese Rolle zutiefst genossen. Sie war die aufmerksame, begeisterte Schülerin, so eifrig und willig, ihm zu gefallen, ihn glücklich zu machen. Nach den ersten Tagen hatte sie angefangen, ihre sittsame Scheu ihm gegenüber abzulegen, und nun fühlte sie sich während ihres Liebesspiels ganz gelöst. Sie nahm alles ohne zu fragen hin, und ihre Verehrung für ihn stand ihr ins Gesicht geschrieben. Die Entdeckung, dass seine zart errötende Jungfrau eine ebenso tiefe Sinnlichkeit besaß wie er selbst, hatte ihn überglücklich gemacht, und es begeisterte ihn, dass ihre Leidenschaft nun der seinen gleichkam.

Oh, wie er sie liebte, diese warme, willige junge Frau, die nun ihm gehörte ... auf ewig. Seine Frau. Seine Geliebte. Seine Gattin.

Das Wissen, sie auf jede Weise zu besitzen, war wie ein Aphrodisiakum, und wenn er sie bloß ansah, geriet er in Glut. Er ließ seinen Blick auf ihrer schlanken und doch wohlgeformten Figur ruhen, die sich ihm unter dem dünnen Satin, der sich so herausfordernd an ihren Körper schmiegte, offen darbot. Sie war zartknochig und zierlich – aber wunderschön kurvenreich. Ihre Brüste waren hoch und fest unter dem Satin. Er konnte ihre Brustwarzen erkennen, die sich deutlich abzeichneten.

Hitze durchströmte seine Lenden, und in seiner Leiste pulsierte ein dumpfer Schmerz. Plötzlich hatte er eine gewaltige Erektion. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so hart gewesen zu sein, nicht einmal in den vergangenen fünf Tagen und Nächten mit ihr, die ihn mehr erregte als je eine Frau zuvor.

Er trat einen Schritt vor. Seine Bewegung ließ die Luft erzittern.

Sie drehte den Kopf zur Tür, erblickte ihn und lächelte schwach.

Er nahm ihr Gesicht in die Hände und sah ihr zärtlich und tief in die Augen. Diese waren im Dämmerlicht tintenschwarz. Er beugte sich vor, küsste ihre Stirn, Augen und Wangen und schmeckte ihre salzigen Tränen.

Verwundert fuhr er zurück und sah sie überrascht an. »Audra, was ist denn, mein Liebling? Bist du denn nicht glücklich mit mir?« Seine Erektion nahm wieder ab.

»O doch, Vincent, doch. Natürlich bin ich glücklich.« Sie rückte näher an ihn heran und schlang die Arme um seinen Rücken, ließ ihren Kopf an seiner glatten, nackten Brust ruhen. Ein tiefer Seufzer entrang sich ihr.

»Aber was ist denn? Warum bist du so traurig?«

»Ich bin nicht traurig, wirklich nicht.« Sie schmiegte sich enger an ihn, als hoffte sie, ihn durch ihre Körperbewegung wieder beruhigen zu können. Sie liebte diesen Mann so sehr, mit ihrem ganzen Herzen, ihrer Seele, ihrem Geist. Er sollte ihre Tränen nicht missverstehen.

Langsam sagte sie dann: »Ich stand hier, wartete auf dich und genoss die Schönheit des abendlichen Meeres. Plötzlich musste ich an die endlosen Meilen des Ozeans denken, die sich zwischen uns und Australien erstrecken. Und da vermisste ich mit einem Mal William und Frederick so sehr; es war wie ein beklemmender Schmerz in meiner Brust, eine schreckliche Enge. Mir war ganz elend zumute, und ich wünschte so sehr, dass sie hier in England wären. Irgendwo. Ganz gleich, wo. Das war nicht wirklich wichtig, solange sie unter demselben Himmel waren wie ich ... und dann dachte ich an meine Hochzeit, und da musste ich weinen. Ach, ich wünschte, sie wären hier gewesen, Vincent, und hätten uns bei unserer Hochzeit gesehen.« Sie seufzte wieder, aber es war ein leises, kaum hörbares Seufzen. »Es gab da einen Augenblick in der Kirche, kurz bevor uns der Vikar traute, in dem ich mir vollkommen allein und verlassen vorkam. Es war schrecklich.«

»Ja, ich verstehe«, murmelte er sanft, streichelte ihre Haare und zog sie an sich. »Natürlich hast du deine Brüder vermisst und dich bei der Hochzeit nach ihnen gesehnt, das ist ja ganz natürlich.« Er küsste sie auf den Scheitel. »Aber in dem Augenblick, da wir miteinander verheiratet waren, warst du nicht mehr allein, Audra. Und du wirst nie wieder allein sein. Du hast ja jetzt mich.«

»Das weiß ich, Vincent. Und du hast mich.«

»Ich werde nie vergessen, wie du am Samstagmorgen in der Kirche ausgesehen hast, Audra. Mein Lebtag nicht, das schwöre ich dir. Du warst in deinem blauen Kleid so schön. Du solltest immer Blau tragen, es steht dir so gut, Liebes.«

Er spürte ihr Lächeln an seiner Brust. Er wusste, dass ihre Traurigkeit jetzt abnahm, und es machte ihn glücklich.

Sie sagte: »Vincent ... sag mir das noch mal ... du weißt schon, was du gestern Nacht gesagt hast.«

Er lachte leise. »Ich habe gestern Nacht ziemlich viel gesagt. Was meinst du denn?«

»Warum du mich geheiratet hast.«

»Weil ich dich liebe.«

»Und warum liebst du mich?«

Er musste wieder leise lachen.

»Sag es mir«, flüsterte sie ganz sacht und ließ ihre Finger über seine Schulterblätter wandern.

Die Bewegung ließ ihn erschauern. Sofort verlangte es ihn nach ihr.

»Weil ich es liebe, wie du aussiehst, den Klang deiner Stimme liebe, die Berührung deiner Hände. Ich liebe es, wie du dich unter meinen Händen anfühlst. Ich liebe alles an dir. O Audra ... Süße.« Er bog ihren Kopf zurück, küsste ihren Hals, ihren weichen, nachgiebigen Mund. Sein Blut rauschte. Das Verlangen nach ihr überwältigte ihn.

Heiß erwiderte sie seine Küsse. Als sich seine Lippen den ihren näherten, öffnete sie den Mund ein wenig, sodass seine zärtliche, forschende Zunge eindringen und sich an ihre schmiegen konnte. Seine Umarmung wurde fester, und er küsste sie immer leidenschaftlicher, bis ihre Zähne aneinanderstießen.

Audra bewegte sich, und ihre Körper verschmolzen miteinander. Durch das dünne Satinnachthemd hindurch spürte sie seine Härte an ihrem Bauch, und sie erschauerte unwillkürlich. Eine heftige, plötzliche Hitze begann sich in ihrem Innersten auszubreiten, und die Schauer wurden heftiger, als sie sich vorstellte, was als nächstes passieren würde, daran dachte, wie es war, wenn er sie nahm. Als sie sich in ihrer Hochzeitsnacht zum ersten Mal liebten, hatte sie schon Angst davor gehabt, nackt vor ihm zu stehen. Er hatte sie zärtlich und vorsichtig geliebt, mit solcher Feinfühligkeit, dass der Schmerz nur einen kurzen Moment lang gedauert hatte und sie nun vollkommen zueinander passten.

Plötzlich hörten seine Küsse auf.

Vincent trat zurück, streifte ihr die dünnen Träger des Nachthemds von den Schultern und zog diese über ihre Brüste herab. Wie von selbst glitt es zu Boden und lag als schimmernder Teich zu ihren Füßen.

Wieder schaute Vincent Audra tief in die Augen, und sie erkannte seine Liebe zu ihr. Er hob die Hand und streichelte ihre Wange. Nach einem langen Augenblick schaute er hinab und kniete vor ihr, legte den Kopf an ihren Bauch und schlang die Arme um sie. Er drückte die Hände gegen ihr Kreuz und ließ sie dann sanft über ihr Gesäß gleiten. Dann rückte er ihren Körper vorsichtig zurecht, sodass ihre Stellung ihm bequem war.

Sie erbebte unter seiner Berührung und war von Verlangen nach ihm erfüllt. Ihr Blut raste, ihr Herz klopfte schnell, und ihre Haut prickelte vor Erwartung. Sie streckte die Hände aus und streichelte sein Haar, ließ sie dann auf seinen Schultern ruhen.

Ihren Bauch mit leichten, flatternden Küssen bedeckend, fuhr er fort, ihren Rücken, das Gesäß und ihre Schenkel zu streicheln. Dann bog er sich etwas von ihr weg, ging in die Hocke und bewegte seine Hände kreisend auf ihrem Bauch, glättete und streichelte ihre Haut. Schließlich hielten seine Hände in den weichen, seidigen blonden Locken inne, die den Hügel zwischen ihren Beinen bedeckten. Langsam und unendlich vorsichtig teilte er die zarten Blütenblätter und berührte die winzigen Falten warmer, feuchter Haut, die ihre Weiblichkeit beschützten.

Er küsste ihren Nabel und Bauch – lange, langsame, nachklingende Küsse, während seine Hände zwischen den nach Moschus duftenden Falten spielten, berührend und suchend. Er begann, sich an ihr zu reiben, sie zu küssen, und hörte dabei das leise Stöhnen, das sich ihrer Kehle entrang. Sie ergriff seine Schultern, bog sich ihm entgegen, und er brachte sie an den Rand der Ekstase.

Dann hielt er abrupt inne und machte sich von ihr los.

Sie hielt den Atem an. Ihre Augen waren weit geöffnet. Gebannt schaute sie ihn an.

Schnell griff er sie fest am Handgelenk und zog sie mit sich zu Boden. Dann befreite er sich ungeduldig von seiner Pyjamahose, streckte sich neben ihr auf dem Teppich aus, schlang seinen Körper um den ihren und drückte sie fest an sich. Wenn es ihn auch drängte, sie zu besitzen, wollte er ihr Liebesspiel doch noch etwas verlängern.

Er stützte sich auf den Ellbogen und sah zu ihr herab. Ihre Augen fanden sich in einem von Leidenschaft erfüllten Blick, der so intensiv, so durchdringend in seiner Gefühlstiefe war, dass es sie beide fast versengte. Vincent glaubte in die Tiefen ihrer Seele zu blicken. Ihr Gesicht wurde von ihrer treuen Liebe und ihrer Sehnsucht nach ihm durchglüht. Und als Audra in die hellen grünen Augen sah, las sie brennendes Verlangen und Staunen in ihnen. Sie erkannte das Glitzern heller Tränen, sodass sich ihr Herz zusammenkrampfte und sie die Hand ausstreckte, um sein Gesicht zu berühren.

Schließlich war es Vincent, der den Blick unterbrach. Plötzlich fand er es unerträglich, sie auf diese Weise anzusehen, so gerührt war er und so von seinen Gefühlen bedrängt.

Er ließ die Augen über ihren Körper gleiten, der ausgestreckt vor ihm lag.

Wie durchsichtig sie aussah im Mondschein, der durchs offene Fenster hereinströmte. Sie ähnelte einem Stück vollkommen gearbeiteten Marmors, nur dass sie nicht aus kaltem Stein bestand. Sie war warm und aus Fleisch und Blut. Wie schön ihre rosigen Brüste waren, so rund und glatt, und ihre Brustwarzen waren steif und hart wie kleine, aufplatzende Maiknospen.

»O Audra«, keuchte er. »Meine Audra. Du bist so schön.«

Sie lächelte sacht, hob die Hand und ließ ihren Finger glättend über seine Lippen gleiten, dann zog sie eine bogenförmige Linie um seinen Mund.

Er fing ihre Hand ein, küsste die Innenfläche, beugte sich dann über sie und schob seinen Mund in die Spalte zwischen ihren Brüsten, küsste sie und genoss den Duft ihrer jungen, weichen Haut. Schließlich umfing er eine Brust und begann die Brustwarze zu liebkosen. Diese sprang empor und wurde fester und steifer als jemals zuvor unter seinen lockenden Fingern. Audra keuchte leise vor Lust, als sein Mund auf ihre andere Brust herabsank.

Sie drückte sich fest an ihn, fuhr über seinen Rücken, dann seinen Hals und schob ihre Finger in sein lockiges dunkles Haar.

»O Vincent, Vincent, ich liebe dich so«, flüsterte sie heiser.

Als er seinen Namen, diese Zärtlichkeit hörte, erhob er sich hastig. Er stützte sich über sie auf die Hände.

Jetzt gab es keinen Grund mehr zu warten. Er konnte nicht länger warten.

Er nahm sie eilig, musste mit ihr vereint sein, sie beide eins machen. Er stieß immer tiefer in sie hinein und genoss ihre rückhaltlose Umarmung, die ihn mit liebevoller Wärme umfing und ihn auf eine Weise ganz machte, wie er es zuvor noch nie gewesen war.

Selig schrie er auf, rief immer wieder ihren Namen, hielt sie die ganze Zeit so fest an sich gedrückt, als wolle er sie nie wieder loslassen. Er wusste, dass er sich nicht viel länger beherrschen konnte, dass er kurz davor war zu explodieren. Er hatte das Gefühl, er würde gleich ohnmächtig werden. Ihm war, als stürzte er aus großer Höhe herab ... fiele immer tiefer, immer tiefer.

»Oh, jetzt«, keuchte er, an ihre glühende Wange gepresst. »O Audra. Nimm mich ganz, jetzt.«

»Vincent!«

Sie bog ihren Körper dem seinen entgegen, so wie er es gern hatte, empfing seine Leidenschaft voller Liebe und bot ihm ihre dafür, hielt nichts zurück.

Immer neue Wellen reinen Glücks spülten über sie hin, und sie glaubte, in ihrer Lust und der seinen unterzugehen. Plötzlich ergriff sie ein unkontrollierbares Zittern, und sie trieb hoch oben auf den gleitenden Wellen, und dabei spürte sie, wie ihn ein großer Schauer überlief, und sie waren vereint in ihrer unglaublichen Erlösung. Dann fiel er gegen sie und lag erschöpft in ihren Armen; sie streichelte seine Haare, legte ihren Kopf an seinen und war von ihren Gefühlen ganz überwältigt.

Schließlich rührte Vincent sich. »Ich bin zu schwer«, murmelte er, an ihren Hals gedrückt.

»Nein, es ist schon in Ordnung. Und außerdem spüre ich gern dein Gewicht auf mir«, flüsterte sie. Dann schüttelte sie den Kopf. »Warum flüstere ich eigentlich?«, fragte sie sich laut und redete jetzt mit ihrer gewöhnlichen Stimme.

»Ich habe keine Ahnung. Und es weiß kein Mensch, wieso wir hier auf dem Fußboden liegen.« Er fing leise an zu lachen.

»Was ist denn so komisch?«

»Ich bin komisch, Liebes. Seit Monaten konnte ich an nichts anderes denken, als wie ich dich in einem schönen, gemütlichen Bett lieben würde, und nun, wo wir eins nebenan haben, lasse ich das links liegen und nehme lieber den Fußboden. Ist das die Möglichkeit!« Er stützte sich auf einen Ellbogen und strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. »Aber es ist sowieso deine Schuld.«

»Wieso das?«

»Weil du eine kleine Verführerin bist, deshalb. Da standest du im Mondschein am Fenster, und mein Herz machte Purzelbäume. Ich konnte dir nicht widerstehen. Ich musste dich haben. Gleich hier auf dem Fußboden.« Er lachte wieder. »Das ist so klar wie nur etwas, du bringst mich in Fahrt, machst mich richtig heiß, Schätzchen.«

Audra sagte nichts und sah weg.

Vincent spürte ihre plötzliche Scheu, ihre Verlegenheit.

Das war das Seltsame an ihr ... sie bestand aus einer Unzahl von Widersprüchen. Von dem Augenblick an, da er sie zu der seinen gemacht hatte – in der ersten Nacht ihrer Flitterwochen –, war sie eine offene, großzügige Partnerin gewesen, hatte nichts infrage gestellt und getan, was er wollte. Aber im Nachhall ihres Liebesspiels wollte sie nie über die Lust reden, die sie gerade gemeinsam genossen hatten, und sie mochte es auch nicht, wenn er davon anfing. Ihm war aufgefallen, dass sie dann stets in eine erstaunliche Zurückhaltung verfiel. Ein Schleier schwebte herab und schloss ihn aus. Ihre Haltung rührte wohl von ihrer Erziehung, ihrem Milieu her, vermutete er. Man konnte es machen, aber man sprach hinterher nicht darüber, wenn man eine Dame war. Na, egal. Solche Dinge waren auf lange Sicht nicht wichtig. Sie war sein, und er liebte sie.

Vincent stieß sich vom Fußboden ab und reichte Audra die Hand, zog sie auf die Füße. Nachdem er sie in einer mächtigen Umarmung fast erdrückt hatte, fand er ihr Nachthemd wieder, streifte es ihr über den Kopf und zog dann seinen Pyjama an.

»Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich sterbe plötzlich vor Hunger. Lass uns doch etwas Obst essen.« Er ging zur Schale auf dem Tisch hinüber und hob sie hoch.

»Was für eine gute Idee«, stimmte Audra ihm zu. »Ja, ich habe auch ein bisschen Hunger.«

Vincent schlang den Arm um sie und führte sie ins Schlafzimmer. Dort machten sie es sich mitten auf dem großen Doppelbett bequem und saßen im Schneidersitz da, aßen die großen, roten, saftigen Äpfel. Ein paar Minuten später kehrte Vincent zum angrenzenden Wohnzimmer zurück und holte die halbleere Weinflasche, die er mittags beim Zimmerservice bestellt hatte. Mit zwei Gläsern trug er sie zurück ins Schlafzimmer und schenkte ihnen ein. Er reichte eines Audra und stieg dann wieder zu ihr ins Bett.

Nachdem er sich ein Kissen in den Nacken geschoben und es sich gemütlich gemacht hatte, zündete er sich eine Zigarette an und sagte: »Erzähl mir doch noch ein bisschen von High Cleugh, über die Jahre, als du klein warst.«

»Mein Gott, du bist wirklich unersättlich, und meine Vergangenheit ist doch gar nicht besonders interessant«, erwiderte sie und lachte leichthin. »Außerdem bist du jetzt dran.«

Er zog ein Gesicht. »Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen ... du weißt schon alles über meine Jungenabenteuer mit meinem Freund Redvers Buller.« Er zwinkerte ihr zu. »Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass du das alles noch mal hören willst, von all den Klemmen, in denen wir gesteckt, und den Prügeln, die wir von unserem Schuldirektor bezogen haben. Das ist doch alles langweilig.«

»Aber du kannst so gut erzählen, Vincent.«

»Na, da bin ich mir gar nicht so sicher, Liebes.« Er nahm einen Zug von seiner Woodbine, blies einen Rauchkringel und warf ihr ein jungenhaft-verschmitztes Lächeln zu. Seine glitzernden grünen Augen hüpften vergnügt, als er sich vorbeugte und sie ansah. Dann bettelte er: »Ach Audra, erzähl doch noch was von deiner Mutter und Onkel Peter ... der schönen Edith Kenton und dem schneidigen Offizier. Ich muss zugeben, die beiden faszinieren mich.«

»Du bist ein waschechter Romantiker, Vincent Crowther.«

»Ich?«, fragte er ungläubig.

»Ja, du.« Audra lächelte. »Ich könnte dir vom Geheimnis der verschwundenen Saphire meiner Mutter erzählen, soll ich?«

»Deine Augen sind wie Saphire, weißt du das?« Er warf ihr einen seelenvollen Blick zu und machte einen Kussmund.

»Willst du diese Geschichte nun hören oder nicht?«

»Doch, gern.«

Als sie zu erzählen begann, lehnte er sich zurück, nahm kleine Schlucke von seinem Wein und hörte ihr aufmerksam zu. Vincent war genauso fasziniert und beeindruckt von Audras Familie und Herkunft, wie er in sie verliebt war. Und so war es nicht ungewöhnlich, dass er gern von ihrer Kindheit erzählen hörte – ganz besonders liebte er den Klang ihrer melodischen Stimme, während sie so liebevoll von dieser Zeit sprach.