Kapitel 26

Happy birthday to you, happy birthday to you, happy birthday, liebe Mami, happy birthday to you.«

Sowie Christina ihren Gesang beendet hatte, flog sie durch das Zimmer, warf sich gegen Audra und riss sie bei der Umarmung fast um.

Dann sah sie ihre Mutter an und sagte: »Wir machen eine Geburtstagsparty für dich, Mam. Wir haben uns alles ganz allein ausgedacht, und es ist nur für uns drei. Eine Überraschung.«

Audra lächelte in das kleine, eifrige Gesicht, das zu ihr aufschaute. »Das ist ja ganz wundervoll, mein Liebling«, sagte sie und strich der Sechsjährigen eine Haarsträhne aus dem Gesicht, wobei ihr auffiel, wie sehr diese doch heute ihrem Vater ähnelte.

Glich Christinas Haar und Teint auch Audra, so hatte sie doch Vincents feingemeißelte Züge und Laurettes rauchgraue Augen geerbt. Sie ist eher eine Crowther als eine Kenton, zumindest, was ihr Aussehen angeht, dachte Audra wieder. Diese Ähnlichkeit war immer schon auffallend gewesen, aber in der letzten Zeit schien sie stärker zu werden. Christina war sehr gewachsen und würde groß werden – auch das ein Merkmal der Crowthers.

»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Liebes«, sagte Vincent, kam zu ihr und küsste sie auf die Wangen.

Audra lachte zaghaft. »Und ich dachte, ihr hättet es vergessen.«

Er lächelte verschmitzt und zog an seiner Woodbine. »Wie könnten wir? Du hast ja in der letzten Zeit genügend Andeutungen fallengelassen«, neckte er sie.

»Mam, bitte ... nun komm schon, komm schon her! Hier hinein!«, rief Christina, ergriff ihre Hand und zog sie von der Eingangstür weg. »Du musst jetzt reinkommen, ins Wohnzimmer – und du auch, Daddy. Bitte kommt doch jetzt endlich!«

Lachend legte Audra ihre Handtasche auf den kleinen Tisch an der Tür und ließ sich von dem erstaunlich kräftigen und entschlossenen kleinen Mädchen durch den Flur und ins Zimmer ziehen.

»So«, sagte Christina und versetzte ihr einen sanften kleinen Stoß, »setz dich dahin, Mam, da aufs Sofa, und du, Dad ...« Sie sah Vincent über die Schulter an: »Du kannst da auf dem Sessel sitzen.«

»Selbstverständlich.« Und zu Audra gewandt sagte er leise: »Ich glaube, wir haben da jemanden mit den Anlagen zu einem General.«

Audra nickte amüsiert. Sie lehnte sich zurück, glättete den Rock ihres sommerlichen Baumwollkleids und sah Vincent erwartungsvoll an.

Er erwiderte ihren Blick mit unbewegter Miene, an der sie nicht das geringste ablesen konnte.

Christina eilte zur antiken Kommode in der Ecke und kam mit einigen Briefumschlägen zurück. »Das sind deine Geburtstagsgrüße, Mam; der Postbote hat sie gebracht, nachdem du heute Morgen zum Krankenhaus gegangen warst. Ich werde sie dir einzeln geben.« Sie reichte Audra eine Karte, beugte sich dann etwas vor und sah ihre Mutter gespannt an. Christina versuchte, einen Blick auf die Karte zu erhaschen, die Audra gerade in der Hand hielt. Sie konnte ihre Neugier nicht länger zügeln und fragte: »Und von wem ist sie?«

»Von Tante Laurette und Onkel Mike«, Audra zeigte ihr die Karte. »Drosseln, die auf einem Zweig sitzen, ist das nicht hübsch?«

Christina nickte. »Wenn du sie mir gibst, stelle ich sie auf den Kaminsims ... danke, Mam.« Dann reichte sie Audra den nächsten Umschlag. »Diesen sollst du als Nächsten aufmachen ...«

Audra bemerkte die australische Briefmarke, erkannte Williams Handschrift. »Na, wir wissen ja alle, von wem die ist, nicht wahr?«, rief sie und lachte ein wenig.

»Darf ich mal sehen?« Christina kam zu Audra hinüber, stand da, eine kleine Hand auf die Schulter ihrer Mutter gelegt, und betrachtete die Karte mit ihr zusammen. »Die ist ja auch hübsch, Mam, aber da sind noch eine Menge andere.«

Langsam wurden die Karten überreicht, geöffnet, begeistert besprochen und nebeneinander auf den Kaminsims gestellt. Auch ihr Bruder Frederick und dessen Frau Marion hatten ihr aus Sydney geschrieben; die verschiedenen Mitglieder des Crowther-Clans schickten ihr Geburtstagsgrüße und sogar Gwen, die immer noch diesen Tag in Erinnerung hielt.

Die letzte Karte des großen Stapels wurde von dem feierlich-ernsten Kind mit einer schwungvollen Geste präsentiert. Christina war ganz versessen darauf, diesen Tag für ihre Mutter besonders schön zu gestalten. »Und die ist von uns«, flüsterte sie und lehnte sich dichter an Audra, berührte liebevoll ihre Wange. »Eigentlich hat Dad sie ausgesucht, aber er hat mich mit ins Geschäft genommen, und ich habe ihm geholfen.«

Audra riss den Umschlag auf und nahm die Karte heraus. Es war die teuerste von allen, aus Hochglanzpapier und mit einer gelben Seidenschleife. Das Bild vorn zeigte eine Schale mit gelben Rosen, die auf einem Tisch neben dem offenen Fenster standen, und über der Schale schwebte ein roter Schmetterling.

»Das ist ja wunderschön«, sagte Audra und klappte die Karte auf, las den kleinen, gedruckten Vers. Darunter hatte Vincent geschrieben: »Und wir wünschen dir noch viele glückliche Geburtstage – in Liebe, dein Mann und deine Tochter.« Darunter hatte er seinen Namen gesetzt, und Christina hatte auch unterschrieben. »Vielen Dank, es ist die schönste Geburtstagskarte, die ich in meinem ganzen Leben bekommen habe.« Sie sah zu ihnen auf, lächelte erst Christina zu und dann Vincent.

Die beiden lächelten strahlend zurück.

Christina sagte: »Ich hol’ dir jetzt dein Geschenk, Mam.«

Sie rannte zur Kommode, nahm ein Päckchen aus der Schublade und brachte es ihrer Mutter. »Das ist von Dad und mir«, sagte sie, lächelte bedeutsam und überreichte Audra das Geschenk.

Audra streifte Schleife und Papier ab und rätselte, was sie wohl für sie gekauft hatten. Ihre Freude, dass sie sich so viele Umstände um ihren Geburtstag machten, wurde immer größer. Sie war so gerührt, dass sie einen Augenblick lang gar nichts sagen konnte.

Dann hatte sie ein gerahmtes Aquarell in der Hand. Als sie es vorsichtig hin und her wendete, um es genauer zu betrachten, wurden ihre Augen größer, und sie hielt vor Freude und Überraschung den Atem an. Es stellte einen sommerlichen Garten bei Sonnenuntergang dar, und die Szene war in goldenes Licht getaucht. Regentropfen hingen noch an einigen Blättern, als sei ein kurzer Schauer niedergegangen, ehe der Künstler seinen Pinsel ergriffen hatte.

Das Aquarell war klein, aber recht gelungen, wenn es auch einige unbefriedigende Partien darin gab und noch intensiverer Arbeit bedurft hätte; eine Seite war unfertig und amateurhaft, und doch lag etwas ganz Besonderes über der Landschaft, etwas, das die Aufmerksamkeit erregte und fesselte. Wie faszinierend, dachte Audra, die das Bild lange betrachtete. Es sieht den Arbeiten meines Vaters erstaunlich ähnlich.

Aber Audra wusste, dass Vincent kein sehr frühes Aquarell von Adrian Kenton gefunden hatte.

In einer Ecke stand kühn und deutlich Christinas Name, aber selbst ohne diesen hätte sie es als Werk ihrer Tochter erkannt. Wenn das Bild auch in einigen Punkten ungeschickt und kindlich war, hatte Christina doch eins geschafft – das Licht auf dem Papier einzufangen. Sie hatte schon zuvor diese Fähigkeit gezeigt, und das war etwas ganz Beachtliches. Mit der neuen Arbeit hatte sie bewiesen, wie sie sich in der letzten Zeit weiterentwickelt hatte. Das Mädchen hatte seit ihrem vierten Lebensjahr ein bemerkenswertes Talent zum Malen und Zeichnen gezeigt, aber ihre jüngste Bemühung unterstrich, dass sie viel mehr als bloß talentiert war. Sie war außerordentlich begabt. Audra verspürte bei dieser Entdeckung eine prickelnde Erregung, sie war unglaublich stolz auf ihr Kind.

Aufblickend bemerkte sie die großen, grauen Augen, die sie besorgt betrachteten.

»Gefällt es dir nicht, Mam?«, fragte das Kind mit zitternden Lippen.

»O Christie, natürlich gefällt es mir! Es ist einfach hinreißend, mein Liebling. Ich danke dir.« Audra nahm das kleine Mädchen in den Arm und drückte es fest an sich. »Verzeih mir, dass ich es nicht gleich gesagt habe, aber ich war so darin vertieft, es zu bewundern.«

Christina sah in die Augen ihrer Mutter, ihre eigenen strahlten vor Freude. »Ich hab’s extra für deinen Geburtstag gemalt, Mam, und Dad hat es zu Mr Cox in der Town Street genommen und es rahmen lassen. Deshalb ist es von uns beiden ... weil Daddy den Rahmen bezahlt hat.«

Audra lächelte ihren Mann herzlich an und sagte: »Vielen Dank ... es ist wirklich das Schönste, was ihr mir schenken konntet. Ich werde es immer in Ehren halten.« Ihre leuchtenden blauen Augen hielten seine fest. »Und es war doch das Rahmen wert, nicht wahr, Vincent?«

»Ja, das war es. Ich hab’ gleich gesehen, wie schön es ist, als unsere Christina es mir gezeigt hat.« Stolz lag in seinem Gesicht, als er sagte: »Du bist ein wirklich kluges kleines Mädchen, mein Liebling.«

Christina sah sehr zufrieden aus, dann wandte sie sich ihrer Mutter zu und fragte: »Wo wirst du es denn hinhängen, Mammy?«

»Lass mich mal überlegen ... eines ist klar, es muss einen Ehrenplatz haben in diesem Haus«, versetzte Audra. »Wie wäre es denn mit dem Kaminsims? Zumindest fürs Erste, meine ich.«

Während sie noch redete, erhob sich Audra, ging zum Kamin hinüber und lehnte das Bild an den Sims, mitten zwischen die Glückwunschkarten.

Dann wandte sie sich um und fragte ihre Tochter: »Und wessen Garten ist das? Wo hast du es gemalt?«

»Calpher House ... ich bin zu Mrs Bell gegangen, um sie zu fragen ... ganz allein. Und sie hat ja gesagt, ich dürfe ihren Garten für dich malen, und so hab’ ich mir diese schöne kleine Ecke bei ihren Rosen ausgesucht ... sie kam immer heraus und sah mir zu. Sie war so interessiert. In der letzten Woche war es, Mam, und als es regnete, holte sie mich herein und gab mir ein Glas Milch und ein Stück Schokolade, nein zwei, und nachdem der Regen vorbei war, ging ich wieder hinaus und fing noch einmal von vorn an. Da gefiel mir der Garten noch besser ... er glitzerte so nach dem Regen.«

Audra nickte. »Du hast diesen Eindruck wunderschön bewahrt, es ist dein bestes Bild bis jetzt ... du hast sehr große Fortschritte gemacht.«

Die Kleine glühte vor Stolz.

Vincent sagte zu seiner Tochter: »Na, meine liebe Christie, wie sieht es denn mit unserer Teestunde aus? Ist es nicht Zeit?«

»Ach ja! Mam, komm jetzt, und Daddy, du auch!«