Bei ihrem Anblick schlug sein Herz schneller. Sie stand ruhig am Eingang der Bar, trug ein Kleid in den Farben des Frühlingsflieders, das Halsband aus milchgrauen Glasperlen um den Hals und das Haar zu einer Lockenkrone hochgesteckt, wie an dem Abend in Kent, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren.
Er sprang sofort auf und war schon halb durch die Bar geeilt, ehe sie ihn sah. Als sie ihn erblickte, erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht, und sie trat schnell vor – Miles erhaschte einen Hauch von ihrem Parfüm, das frisch und grün roch, bei dem man an Wiesen im Sommer denken musste.
Keiner von ihnen sagte ein Wort. Sie sahen einander an, ihre Augen ließen sich nicht los.
Dann ergriff er sie am Arm und zog sie zu einem Tisch in der Ecke gegenüber, wo die Flasche Dom Pérignon schon in einem Eimer mit Eiswürfeln stand und seine Zigarette in einem Aschenbecher neben einem Glas gutem schottischen Whisky schwelte, mit dem er sich gestärkt hatte, bevor sie kam.
Sie setzten sich einander gegenüber, er drückte die Zigarette aus und sah auf, lächelte sie zärtlich an.
Irgendwie war er direkt froh darüber, dass sie einen Tisch zwischen sich hatten. Dieser war ein willkommenes Hindernis, denn er verwehrte ihm, irgendetwas Törichtes zu tun, sie in die Arme zu nehmen, zu küssen und sich vor aller Augen danebenzubenehmen. Außerdem wollte er sie anschauen, sich ihr Gesicht einprägen, das Bild von ihr auffrischen, das er seit Wochen in seinem Gedächtnis trug.
»Sie haben Champagner getrunken in Hadley, deshalb habe ich uns eine Flasche kommen lassen«, sagte er. Er hörte selbst, wie belegt seine Stimme klang, und das überraschte ihn. Die Anspannung, die ihn ergriffen hatte, seit er nach Paris gefahren war, war während der letzten Stunde, da er auf sie wartete, bis sie sich umgezogen hatte und zu ihm kam, noch unerträglicher geworden. »Das ist Ihnen doch recht?«, fuhr er fort und versuchte, sich zu entspannen, machte dem Kellner ein Zeichen, dass dieser die Flasche öffnen sollte.
»Ja, danke, Miles, das ist wunderbar«, sagte sie. »Ich trinke nur Weißwein oder Champagner, nie Hochprozentiges. Und außerdem ist Champagner so festlich, und dies ist doch ein festlicher Anlass, nicht wahr.«
»Wirklich?« Er sah sie gespannt an.
»Auf jeden Fall.«
»Und warum?«, fragte er, nach einem Kompliment heischend, und beugte sich unmerklich vor.
»Weil ich nicht oft von einem berühmten englischen Politiker zum Essen eingeladen werde ... noch dazu von einem, der extra deshalb über den Ärmelkanal fliegt.«
Er sah die Fröhlichkeit in ihren Augen, das Lachen, das in ihr steckte, und er fühlte plötzlich selbst eine unbändige Heiterkeit in sich aufsteigen, merkte, dass sie ihn neckte, und dachte: Gott sei Dank hat sie Sinn für Humor.
»Der Flug hat sich gelohnt«, erwiderte Miles und ließ einen anerkennenden Blick auf ihr ruhen, »bloß für die Aussicht, die ich von meinem Platz aus habe – ganz reizend.«
»Danke.«
Der Kellner schenkte jetzt den Champagner ein. Miles probierte und nickte, ihre Sektflöten wurden aufgefüllt. Miles hob sein Glas. Er stieß leicht mit ihr an und sagte: »Auf unseren ersten gemeinsamen Abend.«
»Ja – und auf unser Essen. Es wird wohl mit das teuerste sein, das Sie jemals bezahlt haben, wenn Sie den Flug und das Hotelzimmer hier dazurechnen. Außer wenn Sie derartiges öfter machen – dann ist es natürlich nichts Besonderes.«
Er sah sie scharf an und überlegte, ob sie damit irgendetwas sagen wollte, über andere Frauen, aber er konnte sogleich merken, dass sie es nicht böse meinte. Ihr Gesicht war arglos.
Sie lachte unbeschwert und amüsiert.
Miles sah ihr fröhliches Gesicht und ihre tanzenden grauen Augen und brach auch in unbeschwertes Lachen aus. Es half ihm, seine Anspannung abzubauen, aber nur kurz. Er hatte sich nun schon zwei Wochen lang nach ihr gesehnt, hatte sich so oft vorgestellt, wie sie sich lieben würden, dass er sich in einen schrecklichen Zustand hineingesteigert hatte. Und nun, da er endlich mit ihr zusammen war, hatte er sich so auf sie fixiert, dass sein Körper ganz starr war vor Verlangen, sie zu besitzen. Er wusste, dass er einfach platzen würde, ehe die Nacht vorbei war, wenn er sie nicht lieben konnte.
Christina trank kleine Schlucke von ihrem Champagner, betrachtete ihn versonnen und fragte dann: »Und was hätten Sie gemacht, Miles, wenn ich heute schon eine Verabredung gehabt hätte?«
Er lehnte sich zurück, nahm eine Zigarette; seine strahlendblauen Augen waren immer noch etwas zusammengekniffen vor Lachen. »An diese Möglichkeit habe ich auch gedacht, das muss ich zugeben.«
Dann beugte er sich vertraulich über den Tisch und sagte erklärend: »Ich hätte Sie morgen oder Sonntag eingeladen, und wenn Sie da abends auch immer schon vergeben gewesen wären, hätte ich Sie zum Mittagessen eingeladen oder vorgeschlagen, dass wir uns auf einen Drink treffen. Und schließlich hätte ich mich wohl mit einem Tee, einem Frühstück, einem Spaziergang im Park oder sonst etwas zufriedengegeben. Verstehen Sie, ich wollte Sie unbedingt näher kennenlernen, Christina, und ich kann sehr hartnäckig sein.«
»Ja, ich weiß.«
»Ja?« Er zog eine Augenbraue hoch. »Woher denn?«
»Aus dem, was ich in den letzten Jahren über Sie in den Zeitungen gelesen habe. Sie haben offenbar den Ruf, stur und entschlossen zu sein ... und Sie heizen den Tories ja auch mächtig ein, lassen ihnen keine Ruhe im Unterhaus.«
Er grinste und zog an seiner Zigarette. »Das ist ja auch die Pflicht eines Mitglieds des Schattenkabinetts ... die Gegner aus der Fassung zu bringen, verstehen Sie.«
Miles lehnte sich zurück und sah sie aufmerksam an. »Ich meinte das ehrlich, was ich Ihnen in Hadley gesagt habe, dass Ihnen diese Fotos in Zeitungen und Zeitschriften, die ich von Ihnen gesehen habe, gar nicht gerecht werden. Sie sind viel zu grobkörnig, besonders in den Zeitungen, und machen Sie älter.« Nach einer Pause sagte er: »Wie alt sind Sie eigentlich, Christina?«
»Ich wurde im Mai fünfundzwanzig.«
Er war überrascht. Er hatte geglaubt, sie sei siebenundzwanzig oder sogar achtundzwanzig. Nicht, dass sie danach aussah, aber er dachte an ihren unglaublichen Erfolg als Couturière, außerdem besaß sie eine gewisse Reserviertheit, eine Vorsicht, fast Besonnenheit, und das brachte er immer mit Reife in Verbindung. Fünfundzwanzig. Sie war noch so jung, fast noch ein Mädchen.
Miles sagte: »Ich bin viel älter als Sie – achtunddreißig.«
»Vierzig.«
Er warf den Kopf zurück und brüllte vor Lachen.
Christina lehnte sich zurück, sah ihn an, ihre Augen funkelten vor Übermut.
»Na, das ist ja ein passendes Beispiel für männliche Eitelkeit. Woher kennen Sie mein richtiges Alter? Ich glaube nicht, dass es in der Zeitung stand, zumindest nicht in der letzten Zeit?«
Sie war in die Bibliothek gegangen und hatte etwas über ihn in politischen Nachschlagewerken gelesen, aber das wollte sie nicht zugeben. Stattdessen sagte sie: »Ich glaube, Jane hat es mir gesagt.«
»Ach ja, meine Schwester ist sehr eng mit Dulcie befreundet. Aber das wissen Sie schon. Denn Dulcie hat Susan mit Ihnen bekannt gemacht – und mit Ihren atemberaubenden Kleidern.« Er schenkte ihnen Champagner nach. »Sie haben eine unglaubliche Karriere als Modedesignerin gemacht und sind schon eine kleine Berühmtheit – und das in so kurzer Zeit. Ich bewundere Frauen, die erfolgreich und klug sind ... ich möchte alles über Sie wissen und wie Sie es geschafft haben, Christina. Wollen Sie es mir erzählen?«
»Ja, wenn Sie es wirklich hören wollen.«
»Ganz bestimmt.«
Sie hielt ihre Aufzählung kurz, sprach von ihrer Kindheit in Yorkshire, wie sie Jane am Royal College of Art kennengelernt hatte, und dann erzählte sie ihm von ihrem Entschluss, eine Couturière zu werden. Aber sie sagte ihm nicht den wahren Grund, warum sie das Malen aufgegeben hatte, und ließ ihn im Glauben, die Mode sei ihre erste Liebe gewesen.
Fünfzehn Minuten später war sie fertig. »So, jetzt wissen Sie alles über mich.« Sie griff nach ihrem Glas und nahm einen tiefen Schluck Champagner.
»Es ist ein fabelhafter Aufstieg, ich muss Ihnen gratulieren«, sagte er und sah sie mit ehrlicher Bewunderung an. Er hatte ihr gern zugehört. Sie besaß eine angenehme, melodische Stimme, und plötzlich fühlte er sich merkwürdig getröstet. Vielleicht aus dem Wissen heraus, dass sie in den nächsten Stunden ihm gehörte. In dieser Zeit konnte eine Menge geschehen.
Christina lächelte ihn an und sagte: »Und nun sind Sie dran, mir alles über sich zu erzählen, Miles.« In den Nachschlagewerken hatte nicht viel gestanden, und sie wollte so viel wie möglich von ihm wissen.
»Da gibt es nichts Umwerfendes zu berichten«, sagte Miles und zuckte mit den Achseln, die Andeutung eines Lächelns im Gesicht. »Ich bin in London geboren, dort und in Suffolk aufgewachsen. Besuchte Eton, anschließend Oxford, studierte Jura und arbeitete kurze Zeit als Anwalt. Aber die Politik lag mir mehr, verstehen Sie. Ich habe meine erste Wahl gewonnen, als ich siebenundzwanzig war, wurde Parlamentsabgeordneter und habe meinen Wahlkreis in Manchester all die Jahre über halten können. Das sind treue Wähler. Meine Eltern leben noch, Gott sei Dank, und ich habe nur die eine Schwester. Keine Hobbies, eigentlich kaum andere Interessen als die Politik. Ich liebe sie, Politik ist im Grunde mein Leben.« Er drückte seine Zigarette aus und hob sein Glas: »Das ist meine Biographie in Kürze. Ein ziemlich langweiliger Kerl, meinen Sie nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ganz im Gegenteil«, sagte Christina und dachte: Aber seine Frau hat er nicht erwähnt.
Und als hätte er ihre Gedanken gelesen, schob Miles seinen Kopf dichter an ihren, bannte sie mit seinem Blick und sagte mit leiser, plötzlich sehr eindringlicher Stimme: »Und außerdem lebe ich von meiner Frau getrennt.«
»Ja, das weiß ich.«
»Hat Jane Ihnen das gesagt?«
»Nein, ich habe eine Notiz in William Hickeys Kolumne im Daily Express gelesen – als Sie sich getrennt haben.«
»Aber das war doch schon vor zwei Jahren.« Er sah sie erstaunt an. »Ist das nicht merkwürdig – wir haben beide so viel übereinander gelesen und erinnern uns noch.« Dann brach er ab, um seinen Mund zuckte es vor heimlicher Belustigung. »Meinen Sie, dass es irgendetwas zu bedeuten hat?«, fragte er schelmisch.
»Ja, dass wir beide ein ausgezeichnetes Gedächtnis für den Schund haben, den wir in den Klatschspalten lesen.«
Miles grinste, genoss ihre Anwesenheit noch mehr und streckte die Hand aus, um ihre zu berühren. »Nein, ich glaube, es ist mehr als das«, sagte er.
»Wie meinen Sie das?«
»Werde ich Ihnen später erklären.« Dann winkte er den Kellner herbei, holte sein Portemonnaie aus der Tasche. »Wir sollten jetzt besser in den Garten hinausgehen zum Essen. Ich möchte den Tisch nicht verlieren.«