Kapitel 48

Es regnete in Strömen.

Ein kräftiger Wind peitschte den Regen gegen die Fenster, sodass es nach Hunderten von Nägeln klang, die aufs Glas schlugen.

Aber in der Bibliothek im kleinen Landhaus in den Cotswold Hills war alles Wärme, gedämpftes Licht und friedvolle Stille an diesem kalten Tag zu Beginn des Novembers.

Christina lag ausgestreckt auf dem Sofa und hörte dem Regen zu. Es war merkwürdig beruhigend für sie, und sie ließ sich von ihren Gedanken davontragen, genoss die Muße dieses faulen Sonntagnachmittags.

Dann warf sie Miles heimlich einen Blick zu, wie sie es immer machte. Sie liebte ihn so. Sie hätte es nie für möglich gehalten, dass man einen Mann so lieben könnte. Ihre Karriere war ihr wichtig, und sie arbeitete hart. Aber er war jetzt ihr ganzer Lebenssinn.

Sie lebte nur für die Wochenenden. Das war ihre beste Zeit ... allein miteinander in diesem reizenden, abgelegenen Haus bei Cirencester, das sie zufällig Anfang Oktober entdeckt hatte. Es war für sechs Monate frei, und da es möbliert war, hatten sie nichts machen müssen als einzukaufen und einzuziehen.

Sie waren in eine geheime Liebesaffäre verstrickt. Aber das war ihr egal. Sie brauchte keine anderen Leute, nur Miles. Sie waren zusammen, wann immer er während der Woche Zeit hatte, aber sie konnten dann nicht ausgehen und blieben in der Wohnung in der Walton Street. Da er oft noch mit den Angelegenheiten im Unterhaus beschäftigt war, war es am Wochenende gemütlicher. Sie machten sehr wenig ... lasen und unterhielten sich ... gingen spazieren ... es machte ihr Spaß, für ihn zu kochen, ihn zu umsorgen, seine Gedanken, Gefühle und ungewöhnliche Leidenschaftlichkeit mit ihm zu teilen. Und seine Zärtlichkeit. Er hatte so viele unterschiedliche Seiten.

Er saß ihr gegenüber im Sessel am Kamin und war ganz in den Observer vertieft. Die restlichen Sonntagszeitungen lagen zu seinen Füßen verstreut, beiseite geworfen, nachdem er sie mühsam durchgearbeitet hatte, wobei er vor sich hinmurmelte und leise fluchte, manchmal laut lachte oder »Verdammter Mist!«, rief, ihr dann entschuldigend zulächelte, ihr etwas erklärte und alles mit ihr teilte. Immer ließ er sie an allem teilhaben.

Sein Gesicht wirkte in diesem Augenblick sehr angespannt. Sie wusste, dass er sich wegen der Lage im Nahen Osten Sorgen machte. Man hatte eine feindselige Haltung gegenüber Ägypten eingenommen, weil Präsident Nasser den Suezkanal annektiert hatte. England, Frankreich und Israel hatten Kairo bombardiert, und Miles war immer noch wütend darüber und versuchte, im Unterhaus seinen Standpunkt durchzusetzen.

Als fühlte er plötzlich ihren Blick auf sich ruhen, sah er über den Rand seiner Zeitung zu ihr hin und fragte: »Was ist los, Christie?«

»Nichts, mein Liebling«, erwiderte sie, setzte sich auf und ließ ihre Füße auf den Boden gleiten. »Ich bewundere dich bloß.«

»Aha!«, rief er und warf ihr einen verworfenen Seitenblick zu. »Wenn du mich so bewunderst, schlage ich vor, dass wir nach oben gehen und diesen ruhigen Sonntagnachmittag ein wenig versüßen. Was gibt es Schöneres, als sich an einem Regentag zu lieben?«

»Du bist ganz unmöglich, Miles!«

»Gestern Nacht warst du aber noch anderer Meinung ... da hast du mir lauter Komplimente gemacht.«

Anstelle einer Antwort ging sie zu ihm hinüber, nahm ihm die Zeitung weg und setzte sich auf seine Knie. Sie küsste ihn auf die Wange. »Ja, du warst wirklich umwerfend gestern Nacht.«

Er lächelte sein leichtes, halb amüsiertes kleines Lächeln, nahm die Hornbrille ab und rieb sich die Augen. »Ich glaube, ich habe jetzt wirklich genug von diesen Zeitungen ... etwas frische Luft wäre das Richtige. Wollen wir nicht einen Spaziergang machen? Du bist der einzige Mensch außer mir und scheinbar der Queen, der Landspaziergänge bei Regen genießt.«

»Ja, lass uns losgehen, Miles.« Christina sprang auf, reichte ihm dann ihre Hand.

Miles hielt sie in den Armen, sah auf sie herab, beobachtete das Spiel des Lichts auf ihrem Gesicht. Er liebte sie viel zu sehr, dachte er manchmal.

Christina schlug die Augen auf und schaute zu ihm empor. Sie lächelte. »Du verwöhnst mich zu sehr, Miles ... immer liebst du mich ...« Langsam ließ sie ihre Hand über seine Wange gleiten.

»Mhm, ja, das stimmt«, sagte er und schob sie weiter nach unten, legte die Beine um sie. »Ich werde noch ein ganz selbstloser Typ, nicht wahr? Aber wir können das jederzeit korrigieren, das heißt, du kannst das. Ich stehe ganz zu deiner Verfügung.«

Er küsste sie langsam und zärtlich, bis die Hitze ihn durchströmte, sein Herz wie rasend schlagen und seine Leidenschaft aufflammen ließ. Er spürte ihre Hände in seinem Haar, im Nacken, fühlte sie über seine Schultern gleiten. Er wollte sie. Es war, als verlangte es ihn jeden Tag mehr nach ihr. Er konnte nie genug von ihr bekommen.

Seine Stimme war voller Leidenschaft, als er sagte: »Küss mich, Christie, bitte küss mich, mein Liebling.«

Sie setzte sich auf und kniete über ihm, sah wie gebannt in sein Gesicht. Sie hatte dieses Gesicht so lieben gelernt. Es konnte alles auslöschen, sein Bild sie so erfüllen, dass sie davon überwältigt war.

Sie ließ ihre Hände über seine Brust laufen und dann auf seinen harten, flachen Bauch. Seine Haut war glatt und trocken wie polierter Stein, glänzte hier und da wie blasses Gold, wo das Dämmerlicht auf die feinen blonden Haare seines geschmeidigen Körpers fiel. Sie bewegte sich und rutschte zwischen seine Beine, fühlte, wie ihn ein unwillkürlicher Schauer überlief, als sie seine Schenkel berührte. Christina sah zu Miles hin und merkte, dass er sie betrachtete, seine Augen ein Spiegelbild der ihren, feucht vor Liebe und Verlangen. Ihre Kehle wurde eng, ihr Herz klopfte wie rasend, als sie sich ihm entgegenneigte und ihr Mund ebenso begierig das Zentrum seiner Leidenschaft suchte, wie seiner vor Kurzem ihres gesucht hatte.

Er stöhnte auf, als ihr Mund seinen Körper berührte.

»Was machst du nur mit mir, Christie?«

Sie füllte ihren Mund mit seinem Geschlecht, zärtlich spielten ihre Lippen mit ihm.

Nun gehörte Miles ganz ihr, lag vor ihr ausgestreckt, reglos und außer Atem, bot sich ihr dar, eine Liebesgabe. Und sie besaß sein Innerstes, die Essenz seines Lebens, seine Seele. In diesem Augenblick gehörte er ihr ganz allein.

Er ließ die Finger durch ihr dichtes, zerwühltes Haar gleiten und streichelte ihre Schultern. Dann ergriff er ihre Hände, die sanft auf seinem Bauch ruhten. Sein Griff um ihre Finger verstärkte sich. Wie von Schmerz getroffen stöhnte er auf.

Sie blickte hoch und sah einen flüchtigen Schatten von Qual, der das strahlende Blau seiner Augen auslöschte, sodass sie dunkel flackerten.

Plötzlich bewegte Miles sich, legte seine Hände um ihr Gesicht und hob es an. Er presste sie an sich, küsste sie zärtlich und zog sie sanft auf seine Höhe. »Ich möchte dich jetzt haben, Christie, möchte in dir sein. Ich muss von deiner wunderbaren Wärme umgeben sein, mein Liebling.«

Im nächsten Moment war er über ihr, schwebte über ihr, und sie ertrank im Mitternachtsblau seiner Augen. Er drang fast brutal in sie ein, und sie zitterte, als sie einen harten Stoß spürte. Sie schienen einander zu entzünden, sie bewegten sich in einem Rhythmus, der schnell intensiver wurde. Seine Leidenschaft schoss immer höher, und sie kam seinem Flug nach, stieg mit ihm auf, war eins mit ihm. Es gab keine Trennung mehr.

Miles machte die Augen auf und rief laut: »O Gott! O du!« Dann presste er seinen Mund fest auf den ihren, verschlang ihre Lippen, ihre Zunge.

»Ich will dich ganz«, flüsterte er, gegen ihre Halsgrube gedrängt. »Den Kern deines Seins, deinen Atem, alles!«

Christina war es, als hätte er die Hand nach ihrem Herzen ausgestreckt. Und dann, wie aus weiter Ferne, hörte sie, wie jemand seinen Namen rief. Aber es war sie selbst, die da schrie: »Miles! Miles! Ich liebe dich!«

Sie klammerten sich fast wie Verzweifelte aneinander, waren in einer Umarmung zusammengeschmiedet, die ursprünglich und voller Verlangen war. Kurz suchte er ihren Mund, und während er all ihre Kraft in sich einsog, verströmte er sich in ihrem Zentrum.

Und sie hörte ihn rufen: »Christie! Christie! Ich liebe dich, ich liebe dich, ich kann ohne dich nicht mehr leben, bitte verlass mich nie, Liebling.«

Er lag reglos da, den Kopf an ihre Schulter gelehnt.

Christina war wie betäubt. Sie schaute auf sein lichtüberflutetes Gesicht herab und fühlte, wie ihr die Tränen kamen. Was war nur mit seinem Gesicht? Diesem Gesicht, das sie so bewegte, eine verborgene Sprungfeder ihres Gedächtnisses anrührte, die so schmerzlich intensiv war, dass sie manchmal geradezu weinen wollte.

Miles schlug die Augen auf. »Was geht nur mit uns vor, wenn wir zusammen sind?«

»Ich weiß es nicht. Ich spüre, wir schweben irgendwohin. Zumindest geht es mir so. Hast du das denn nicht an mir bemerkt, Miles?«

»Nein, aber ich bin ja auch da, wo du bist, Christie, wo immer das sein mag.«

»Warst du schon einmal dort? Mit einer anderen?«

»Nein.« Er räusperte sich und sagte dann leise: »Ich glaube, ich weiß, was mit uns passiert, Süße ... wenn die körperliche Vereinigung so vollkommen ist wie bei uns, dann führt diese Kombination von der intensivsten körperlichen Lust und Ekstase zusammen mit einer vollkommenen geistigen und emotionalen Einheit zu einer transzendentalen Erfahrung. Wir werden auf eine höhere Bewusstseinsebene getragen.«

»Ja, ich glaube, so ist es, Miles.«

Er streichelte ihre Haare, drehte ihr Gesicht zu sich und murmelte: »Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz und wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod ...« Stirnrunzelnd hielt er inne. »Nun habe ich alles verdorben, weil ich nicht mehr weiß, wie es weitergeht.«

»Und ihr Eifer ist fest wie die Hölle«, sprang Christina ein.

»Ja, genau. Und was kommt dann?«

»Ich kann mich auch nicht mehr daran erinnern, aber ich weiß noch ein bisschen vom nächsten Vers. Dass auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen, noch die Ströme sie ertränken. Du siehst, ich habe meine Bibel auch gelesen.«

»Ja ...« Miles zögerte, dann sagte er: »Christie, da ist eine Sache, von der ich dir noch nicht erzählt habe ... während du vor ein paar Wochen wegen deiner Vorführung in New York warst ...«

Als er seinen Satz nicht beendete und da er so ernst, ja bedrückt klang, setzte sie sich schnell auf und sah ihn an. »Was ist passiert?«

Miles richtete sich ebenfalls auf, griff nach einer Zigarette auf dem Nachttisch und zündete sie sich an. Er nahm einen langen Zug, schaute ihr dann ins Gesicht und sagte langsam und bedächtig: »Ich habe etwas gemacht, das ich nie wieder tun wollte. Ich bin zu Candida gegangen. Um sie um eine Scheidung zu bitten.«

»Und?«

»Die Antwort war nein. Sie hat mir viele Neins an den Kopf geworfen, und dazu eine Menge Drohungen, dass sie einen Skandal machen würde, wenn ich noch einmal davon anfinge.« Er seufzte. »Ich bin zu ihr gegangen, weil ich dich heiraten will, Christie. Ich will diese Heimlichtuerei nicht mehr, dass ich mich nicht mit dir zeigen darf. Ich will dich zur Frau.« Dann schüttelte er traurig den Kopf. »Aber das soll wohl nicht sein.«

»Das ist mir gleich«, rief sie und schmiegte sich in seine Arme. »Es ist nicht wichtig. Nichts ist wichtig, Miles, solange wir zusammen sein können.«